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Sektion V: | "Globalisierung" und Kulturwissenschaften | |
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"Globalisation" and Cultural Studies | |
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"Globalisation" et études culturelles |
Zalina Mardanova (Wladikawkaz) |
Obwohl der Begriff Globalisierung zum Schlüsselbegriff für einen radikalen Wandel im ausgehenden Jahrhundert wird, leben wir immer noch in der Zeit der "Post-Ismen"; fast alle Kennmarken der heutigen Szene enthalten diesen im gewissen Sinne grenzziehenden Präfix: Postmodernismus, Posthistorismus, Postindustrialismus, Postsozialismus und a.m. Wird dieses "Post-" meistens als ein Indiz für eine heftige Auseinandersetzung mit den danach erwähnten Phänomenen aufgenommen, so bekommt es im Fall des Postfeminismus die Bedeutung eines entgültigen Endes, der "Post-Feminismus" wird also dem "Ende des Feminismus" gleichgesetzt. Daß die Verabschiedung vom Feminismus zu voreilig ist, beweisen nicht nur empirische Beobachtungen und Befunde (so z.B. bilden im postsowjetischen Rußland gerade die Frauen zwei Drittel aller Arbeitslosen), sondern auch theoretische Darlegungen, die die fortdauernde Benachteiligung der Frauen bestätigen, wenn sie auch durch gewisse Verschiebungen in Geschlechterverhältnissen verschleiert bleibt. Der Lieblingsslogan der englischen Feministinnen "Ich werde Postfeministin sein im Postpatriarchat" dürfte wohl sehr präsent sein. Wenn schon die durch die beschleunigten Globalisierungsprozesse formierende Weltgesellschaft gewisse postpatriarchale Züge aufweist, so gilt dabei für möglich, daß die eben durch Globalisierung an Bedeutung zunehmenden inneren Märkte "eher ältere Männlichkeitsattitüde als soziale Kohäsionsressourcen reaktivieren".(1)
Jedenfalls bietet das Globalisierungszeitalter sowohl neue Entfaltungschancen, als auch neue Fallen für Frauen. Insofern der Feminismus als die Theorie und Praxis der neuen Frauenbewegung, die von den Bedürfnissen der Frauen ausgehend, eine grundlegende Veränderung der Geschlechterverhältnisse der patriarchalen Kultur einfordert, diese Möglichkeiten und Risiken erkennt und dementsprechend neue Strategien zu entwickeln anfängt, wird er durch die Globalisierung herausgefordert.
In den bisherigen Globalisierungsdebatten wird öfters die Möglichkeit und Notwendigkeit der Regulierung von Globalisierungsprozessen diskutiert. Obwohl in meinem postsozialistischen und -totalitären Bewußtsein der Begriff "REGULIERUNG" eher negative Assoziationen erweckt, erscheinen doch m.E. gewisse Einwirkungsmöglichkeiten erforderlich, auch wenn die Rede vom Eingreifen in einen objektiven historischen Prozeß ist. Insoweit der Feminismus als eine Emanzipationsbewegung auch angesichts globaler Veränderungen seine gesellschaftskritische Position aufrechterhält, ein Korrektiv gegen negative Auswirkungen der Globalisierung bildet, mit der Entwicklung von Strategien ein Spannungsfeld schafft, wodurch mögliche Gefährdungen des Anderen, Differenten, Widersinnigen wenn nicht gelindert, so doch sichtbar gemacht werden können, ist der Feminismus selbst eine Herausforderung. Allerdings bleibt noch die Frage, ob der Feminismus imstande ist, diese Rolle eines den Transformationsprozessen der Globalisierung etwas hinzufügenden oder entgegenzusetzenden Korrektivs zu spielen. Als Theorie der Frauenbewegung und als die Bewegung selbst ist der Feminismus kein homogenes Ganzes, er vereinigt ganz verschiedene Strömungen, Gruppierungen, vielfältige Ideen, Ansätze und Standpunkte, dabei befindet er sich in einem Post-Zustand, d.h. in einer selbstkritischen und -reflexiven Phase der Umwertung seiner wichtigeren Begriffe und Hypothesen. Da Feminismus "die Frauenunterdrückung nicht nur beheben will, sondern diese auch gedanklich begründet, erklärt und kritisiert", ist er "nicht nur eine politisch-ideologiekritische Bewegung oder Haltung, sondern zugleich die Lehre, Weltanschauung oder eben Denkweise, die die Bewegung bzw. Haltung begründet".(2) Als grundliegend für diese Denkweise kann der Begriff der Ganzheit dienen, der allerdings eindeutig nicht zu verwenden ist (so kann der Begriff der Ganzheit eine Harmonie nur imitieren). Ganzheitlich sein bedeutet im feministischen Diskurs, sich des eigenen Gespaltenseins bewußt und inmitten dieser Gespaltenheit selbstzentrisch und zur Entstehung immer neuer Bindungen fähig zu werden. Diese Ganzheit, die in sich das Ambivalente und Gegensätzliche vereint, ist auch die Quelle und Grundlage des Mutualismus, der zum Schlüsselbegriff des feministischen Diskurses geworden ist und eine Alternative zum patriarchal-hierarchischen Modell bilden soll.(3) Als eine der mächtigsten emanzipatorischen und antipatriarchalen Bewegungen scheint der Feminismus die Gefahr der Erstarrung in Dogmatismus anzuerkennnen. Selbst solch ein grundlegender Begriff wie "Emanzipation" wurde im Rahmen des Feminismus mehrmals in Frage gestellt.(4) So zeigt Irene Dülling in ihrem sehr aufschlußreichen Beitrag (eigentlich in ihrer Antrittsvorlesung "Das Veralten der Frauenforschung"), daß das Wahlplakat des UFV (Unabhängiger Frauenverband) "Alle Frauen sind mutig! stark! schön!" in weitem Sinne Ausschluß von Differentem, Ambivalentem aus der "idealen Ordnung" bedeutet, im konkreten Fall den "Ausschluß und Diskriminierung der Frauen als 'unemanzipiert', die sich nicht durch patriarchale Strukturen unterdrückt oder benachteiligt fühlen, die sich nicht mutig, stark und schön finden."(5) Birgit Rommelpacher weist ihrerseits darauf hin, daß die Verschleierung moslemischer Frauen und ihre Entschleierung nicht so eindeutig als Symbole der Unterdrückung bzw. Emanzipation wahrzunehmen sind.(6)
Das sind Beispiele aus dem sozialen Bereich, was jedoch die Literatur von Frauen anbetrifft (Literatur als Metapher des Sozialen liefert genug Modelle und Einzelfälle dazu), so bin ich durchaus mit Sigrid Weigel einverstanden, für die "die eindrucksvollsten Literaturbeispiele die (sind), in denen Autorinnen in gebrochener bzw. paradoxer Verwendung literarischer Muster sich um die Gestaltung einer weiblichen Perspektive bemühen und Erfahrungen ausdrücken, die sich mit der Raum- , Zeit- und Begriffshierarchie der herrschenden Ordnung von Erfahrungen nicht in Einklang bringen lassen".(7) In diesem Zusammenhang ist das Drachenmotiv in der modernen Literatur bemerkenswert. Indem der Drache auch bei männlichen Autoren paradox genug dargestellt wird, bleibt doch der wichtigste traditionelle Element des Motivs erhalten: der Kampf mit dem Drachen mit einem traditionellen und klar formulierten Ziel, den Drachen totzuschlagen (wie z.B. bei Doderer oder Rilke). Die Autorinnen kämpfen mit dem Drachen nicht, ebensowenig wollen sie ihn totschlagen. Sie bevorzugen, mit dem Drachen "Aug in Aug" (Marlen Haushofer) weiterzuleben. Vielleicht dient ihnen als Quelle die von den Männern nicht akzeptierte Version einer Drachenlegende: derjenige, der den Drachen totschlägt, verwandelt sich selbst in ein Ungeheuer. Gewalt produziert Gewalt. Der Drache in der Literatur von Frauen wirkt viel harmloser, er ist der Protagonistin sogar innerlich vertraut, da er entweder Opfer männlicher Lust zur Gewalt (Ingeborg Bachmanns "Die Geheimnisse der Prinzessin von Kagran") ist, oder die Zwischenstellung einnimmt, die für Frauen typisch ist und die in radikaler Form die Vampyrinnen bei Elfriede Jelinek präsentieren. Bemerkenswert ist die Erscheinung der theoretischen Darlegungen, die die Situation der Frauen in der globalisierten Welt thematisiert. In dieser Hinsicht sind der Sammelband "Globalisierung aus Frauensicht" (1998), in dem "die Auswirkungen einer zunehmenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verflechtung der Weltgesellschaft auf Frauen"(8) untersucht werden, und "Die globalisierte Frau" (1998) von Christa Wichterlich, die zeigt, wie die Globalisierung das Leben von Frauen verändert und wie sie darauf reagieren, zu erwähnen. Interessant ist hier zu verstehen, wie aktiv die Position der Forscherinnen ist, ob sie die Globalisierungsprozesse als eine Art von Herausforderung aufnehmen, worauf zu reagieren sei; oder sie sind selbst bereit, gewisse Veränderungen zu provozieren. Auffallend ist, daß alle beteiligten Autorinnen:
Dabei wird jedoch deutlich, daß der heutige Feminismus nicht mehr kämpfend, nicht mehr provozierend, sondern verbindend, vernetzend sein will, indem er viele im Gang befindliche Entwicklungen unterstützt und immer dazu tendiert, ein zum Mutualismus führendes Gleichgewicht herzustellen.
ANMERKUNGEN
1 | Irene Dölling: Das Veralten der Frauenforschung. Wissenschaftliche Beiträge zur Frauenforschung. In: Frauen-Prisma. 2. Ausg./1995. WWW: http://ribbeck.rz.uni-potsdam.de/u/gleichstellung/prisma2.htm#teil1. |
2 | Jutta Ossinski: Einführung in die feministische Literaturwissenschaft. Berlin 1998, S. 125. |
3 | Siehe z.B.: E. Moltmann-Wendel: Frau und Religion. Frankfurt.a.M. 1973. |
4 | Cornelia Klinger: Abschied von der Emanzipationslogik. Die Gründe, ihn zu fördern, zu feiern oder zu fürchten. In: Kommune, 1/1988, S. 39-53. |
5 | Irene Dölling: Op. cit. |
6 | Birgit Rommelpacher: Die islamische Provokation. In: TAZ, Nr. 5780, v. 8.3.1999, S. 15. |
7 | Sigrid Weigel: Frau und "Weiblichkeit". Theoretische Überlegungen zur feministischen Literaturkritik. In: Feministische Literaturkritik. Berlin 1984. S. 106. |
8 | Ruth Klingebiel, Sh. Randeria: Vorwort. In: Globalisierung aus Frauensicht. Bilanzen und Visionen. Bonn 1998, S. 11. |
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