Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 13. Nr. | Mai 2002 |
Edmund A.van Trotsenburg (Klagenfurt)
Meine persönliche Ausgangslage dürfte der Thematik dieser Konferenz entsprechen. Sie sollte hier kurz genannt werden, denn die Komplexität des kulturwissenschaftlichen Feldes wird auch durch uns, die "Player", bestimmt und somit haben wir unser Gesicht zu zeigen.
Über 30 Jahre als Holländer in Kärnten, bis vor 7 Jahren in einer Universität arbeitend die zu einer wichtigen interkulturellen Speerspitze geworden ist, bedeutete und bedeutet für mich, dass ein interkulturelles Verstehen erst in einem Bemühen um ein ehrliches Miteinander wachsen kann, wobei aus dem Prozess eines gegenseitigen Erkennens von Grenzen eine gehaltvolle Toleranz hervorgehen könnte.
Auch die faszinierende, nicht immer leichte Multilingualität in einer viersprachigen Familie will hier genannt sein. Ferner die langjährige Gewöhnung innerhalb eines mehrsprachigen Kontextes die Bedeutung der eigenen Gedanken transportieren zu können. Vor allem aber auch das immer wieder erlebte Wissen um die Bedeutung von Literatur für die Entwicklung einer Mehrsprachigkeit, welche nicht verblödet, sondern bereichert. Und schließlich die Lehre aus einer vierzigjährigen akademischen Praxis, gefolgt durch die Faszination der letzten Lebensphase, dass glaubwürdige wissenschaftliche Arbeit in mehrsprachigen Milieus eine Symbiose von sprachtechnischer, landeskundlicher und wissenschaftlicher Kompetenz braucht.
Damit sei, auch im Sinne dieses seminaristischen Kurz-Referates, dessen aphoristische Prägung unvermeidbar war, der Dialog bereits eröffnet, mit dem Kollegen Bhatti als es um das Verstehen ging, mit den Kolleginnen Durusoy und Sturm über Literatur und Transnationalität, mit meinem niederländischen Kollegen Veltman und seine, hoffentlich von mir gut verstandene, These, dass "science is most efficient if it functions in a single language"(1).
Auch wenn meine Forderung weitergeht, ist die Arbeitssituation eines Wissenschaftlers in einem ausländischen Milieu schwierig, wo doch schnell historisch-kulturell bestimmte "Patterns" intervenieren, die es zum Beispiel einem Niederländer leichter machen, sich in einem angelsächsischen Milieu zu bewegen.
Eigentlich habe ich mich mit der mir für dieses Referat gestellten Aufgabe etwas übernommen: Von der "Challenge of Global Cultural Research and Action" sind wir alle überzeugt, was auch in vielen eindrucksvollen Statements formuliert worden ist. Hingegen ist eine Identifizierung von "Trends and Problem Areas", vor allem, wenn eine "State of the Art"-Präsentation angestrebt wird, wie wir sie aus den USA kennen, eine äußerst schwierige Aufgabe.
Das Bestreben des Kulturwissenschaftlichen Instituts des Wissenschaftszentrums in Nordrhein-Westfalen im nächsten Jahr in drei Bänden die Probleme, Strukturen und Erkenntnischancen der neueren Kulturwissenschaften darzulegen, ist daher sehr anspruchsvoll, wobei die bisher vorliegenden Unterlagen gutes erwarten lassen.
Die Notwendigkeit der Aufgabe ist unbestritten, denn die in der heutigen Konferenz im Wortlaut von Bhatti angestrebten Erkenntnisse über polyphonische Kommunikationsbedingungen, bestimmt durch Hinterfragung der Monopolisierung von Macht und Herrschaft und Zulassung einer kommunikativen Universalisierbarkeit(2), verlangt wenigstens von den kulturwissenschaftlichen "Agents" Klarheit in Bezug auf Zielsetzungen, Prozesssteuerungen, Evaluationsvorgänge, interne und externe institutionelle Beziehungen, wie überhaupt Klarheit in Bezug auf das Umgehen mit der Öffentlichkeit.
Das große Problem, das hinter der von uns allen geführten Diskussion steht und das ich deswegen nenne, weil es eigentlich unmittelbar die menschliche Existenz berührt, ist, dass die Thematik "Kulturwissenschaften" vielleicht etwas pathetisch als der große humane Paradigmensprung in unserer Welt zu bezeichnen wäre.
Wir sind mit unserem Latein halt am Ende: Politisch, sprich Afghanistan und Naher Osten. Wirtschaftlich, sprich Armut und Verschuldung. Zwischenmenschlich, sprich das Umgehen mit dem Anderen - Verteufelung statt Entgegentreten -, denn Geschehnisse, wie grausam sie auch sein mögen, werden nur Folgen-mäßig in Angriff genommen, und das leider im buchstäblichen Sinne, und nicht Ursachen-mäßig.
Wie recht hat der britische Historiker Hobsbawm, wenn er sein Buch über das 20.Jahrhundert mit den Worten abschließt:
Wenn die Menschheit eine erkennbare Zukunft haben soll, dann kann sie nicht darin bestehen, dass wir die Vergangenheit oder Gegenwart lediglich fortschreiben. Wenn wir versuchen, das dritte Jahrtausend auf dieser Grundlage aufzubauen, werden wir scheitern. Und der Preis für dieses Scheitern, die Alternative zu einer umgewandelten Gesellschaft, ist Finsternis.(3)
Es ist gut, sich dies zu vergegenwärtigen, nur legitimiert es kein "Doomsday-" Denken, denn es gibt unendlich viele positive und konstruktive "Counterforces" in unserer Welt , sowie es viele Menschen auf unserem Planeten gibt, deren Gedankengut größte Aufmerksamkeit verdient. Das Internet erfüllt hier eine wichtige Brückenfunktion, welche in vorbildlicher Weise durch TRANS wahrgenommen wird.
Die große Frage ist nur, wie wir die geistig und materiell erblindeten Massen erreichen, sowie jene erreichen, die diese Welt auf den unterschiedlichsten Ebenen managen und gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst - und das mit Hilfe des global wirkenden Fernsehens - eine ständige Verblendung erzeugen.
Im Zentrum dieser Konferenz steht die Sprache: Ist sie - wie Kirsch formuliert(4) - ein trennendes Element in transnationalen Prozessen oder ist diese Trennung mit eine Folge einer Instrumentalisierung der Sprache für gewisse Ideologien und Heilslehren?
Ich bin zwar kein Sprachwissenschaftler, sondern Vergleichender Erziehungswissenschaftler, allerdings immer schon multidisziplinär ausgerichtet, und sehe daher Bildung als ein wichtiges Instrument, um Sprache in einer polyphonen Weise zu verwenden. Meine Überlegungen schließen hier unmittelbar an die UNESCO-Studie von Delors an, sowie an Edgar Morins Buch "Les sept savoirs nécessaires à l´éducation" und auch die bewegende Schrift von Frederico Mayor, "Memory of the Future", die für mich Quellen der Inspiration sind, allerdings immer wieder begleitet von Hoffnung und Verzweiflung.
Bildung darf hier nicht fragmentarisiert verstanden werden und sollte - wie schon seit Gründung der UNESCO betont worden ist - ein fortlaufender Prozess sein. Ich befürchte, dass sich unsere Gesellschaft immer mehr davon entfernt und getrieben durch Aktivismus und kurzfristige Rationalität die Hobsbawmsche Drohung realistisch erscheinen lässt.
Dieses Problem darf nicht unterschätzt werden, können doch heute kulturwissenschaftliche Anliegen in ihrem unvermeidlichen multidisziplinären Kontext besser außerhalb der Universitäten verfolgt werden. Die Namensänderung in kulturwissenschaftliche Fakultäten hat leider nur wenig bewirkt; die Verschachtelung ist geblieben und die notwendige Bewusstseinsänderung ist ausgeblieben. Tendenzen zur Interdisziplinarität sind da, doch der Durchbruch in Richtung von Transdisziplinarität liegt noch immer in weiter Ferne.
Die Entschuldigungen sind ernst zu nehmen: Die Universität ist zu einem Unternehmen geworden, administriert und evaluiert. An Stelle der Universitätsprofessoren sind halt - wie Liessmann kürzlich in der Zeitung "Die Presse" darlegte - die Wissenschaftsmanager getreten.(5)
Nicht zu entschuldigen ist jedoch der Umstand, dass die heute so hochgepriesene Rationalität den in einer Universität unentbehrlichen Raum für Kreativität immer stärker einengt, obwohl jeder Akademiker weiß oder wissen sollte, dass nur dadurch seine Existenzberechtigung gegeben ist, beziehungsweise mit dem, das der Harvard Scholar Mittroff einmal in einem Buch als "The Subjective Side of Science" benannt hat, wobei er diese These mit einer heftigen Kritik an "Wissenschaft" verbindet, die auf eine Vermittlung von "Cookbook Rules" reduziert wird.
Unter diesen Umständen stellt sich wohl die Frage von woher denn der Nachwuchs kommen soll, der sich Aufgaben, wie den unsrigen, professionell widmen könnte.
Im 18. Jahrhundert waren es die wissenschaftlichen Akademien, welche die wirkliche Aufgabe der Universitäten übernommen haben. Etwas ähnliches ist heute zu beobachten. Die Wissenschaftszentren sind Vereine wie die Wiener Denk-Werkstatt oder das INST. Viele weitere Initiativen wären zu nennen, leicht mit Hilfe von entsprechenden Search-Sites im Internet zu finden. Jeder Versuch einer Vernetzung ist zu begrüßen, denn nur dann kann die so dringend notwendige Gegenkraft der Vernunft in unserer Welt entstehen; und abermals wiederhole ich: damit nicht fortgeschrieben, sondern konkret geändert wird.
Wenn ich als relativer Neuling zu diesem Treffen von Scholaren komme, die aus einem weiten Gebiet kultureller Phänomene über ihre Forschungen und Projekte berichten, dann bin ich beeindruckt aber auch verwirrt.
Im Rahmen von drei Stichworten werden durchaus inspirierende Meinungen zu Metafragen der Kulturwissenschaften geäußert, Fragen der Mehrsprachigkeit und der Übersetzung nehmen eine wichtige Stelle ein und vor allem sind die vielen Fallstudien zu begrüßen. Hingegen ist die pädagogische Problematik nur in einem Beitrag über interkulturelles Lernen angeschnitten worden.
Damit stellt sich dem wissenschaftstheoretisch und methodologisch Interessierten unweigerlich die Frage, wie in einem solchen "dispersed environment" - das Wort "diffus" will ich lieber vermeiden - eine Kommunikation möglich ist, in der mehr als die Einigkeit in Bezug auf die "Mission" der wissenschaftlichen Tätigkeit bekundet wird und zwar Strategien, Planungen, Vorgänge, ja auch Techniken der Forschung diskutiert werden, um so Qualitätssprünge in den Projekten einleiten zu können.
Hiermit ist auch eine sprachliche Komponente verbunden, denn ohne eine klare "unbiased" Erfassung unserer Begrifflichkeiten bleiben wir in einer Art vorwissenschaftlicher Phase hängen und damit wäre das Entstehen einer "supportive community of scholars" mehr oder weniger ausgeschlossen.
Es ist erfreulich, dass das INST diese Problematik mit seiner Initiative einer "Enzyklopädie vielsprachiger Kulturwissenschaften" erkannt hat und damit ähnliche Versuche - wie zum Beispiel die "Encyclopedia of World Problems and Human Potential" der "Union of International Associations" - unterstützt.
Wohl aber bin ich mir bewusst, dass eine solche Beobachtung leicht als ein reduktionistisches Wissenschaftsverständnis interpretiert werden kann, und folglich geäußerte holistische Gedankenansätze nur bloße Camouflage sein könnten.
Dem aber ist nicht so. Ich bin zwar noch immer froh, dass ich in der Zeit meiner sozialwissenschaftlichen Studien Ende der vierziger Jahre behavioristisch geschliffen worden bin (denn damals wurde mir die Strenge einer Disziplin vermittelt), doch dank vieler internationalen Engagements hat sich mein Problem-Identifikationsrahmen immer mehr erweitert, wie überhaupt die aufoktroyierten disziplinären Grenzen gesprengt.
Doch weder Bildungswissenschaften noch Kulturwissenschaften ermöglichten die Entwicklung eines klaren wissenschaftlichen Selbstverständnisses, die notwendig für die Führung eines Dialogs ist. Denn ohne Klarheit über den eigenen substantiellen und methodischen Input ist die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit in Gefahr.
Mein Weg zum wissenschaftlichen Selbstverständnis führte über das sogenannte "Field of Study"-Konzept, und nicht über den Anspruch, unbedingt eine Wissenschaft zu konstruieren. Also, die Erforschung einer Frage, welche auf der singularen Ebene einer Wissenschaft nicht möglich ist, und nur in einem kreativen Zusammenarbeiten von Scholaren aus unterschiedlichen Forschungsbereichen in Angriff genommen werden kann.
Dieser Weg ist nicht einfach, wie überhaupt mit nicht zu ignorierenden erkenntnistheoretischen Fragen verbunden. Aus dem Entdecken der Notwendigkeit von multidisziplinären Inputs kann eine interdisziplinäre Zusammenarbeit hervorgehen, welche bei einem immer tiefer Eindringen in die Problematik zu einem transdisziplinären Ansatz zu führen vermag.
Was aber niemals übersehen werden darf, und auch nicht zu unterschätzen ist, ist die Erfahrung, dass die Produktivität disziplinär übergreifender Projekte mit der Professionalität innerhalb einer Disziplin steht und fällt. Das Argument "Universalist versus Spezialist" ist hier irrelevant, geht es doch um die Frage, ob ein Fundament für wissenschaftliche Arbeit überhaupt vorhanden ist.
Für den Meta-Bereich der "Kulturwissenschaften", und hier bewusst zwischen Apostrophe gestellt, gilt dies im verstärkten Maße, denn gerade hier ist der Weg von einem pseudowissenschaftlichen Journalismus bis zu - nicht auszuschließenden - sektiererischen Neigungen leicht zu begehen.
Daher mein Ruf nach mehr Klarheit, in erster Instanz sprachlich, dann ergänzt mit dem Wunsch nach einer ständigen Evaluation der Diskurse, sowie mit dem besonderen Anliegen in speziellen Workshops die wissenschaftstheoretischen und methodologischen Dimensionen der in unserem Bereich durchgeführten Projekte zu besprechen.
Ich sage dies aufgrund einer langen Erfahrung mit hochschuldidaktischen Anliegen. Klärungen sind für mich immer ein Weg zur Wahrung der Vernunft gewesen ist, und damit zur Sauberkeit des wissenschaftlichen Diskurses, und nicht zuletzt eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung einer "Civil Society".
Die Schlussfolgerung ist, dass ich eher ungern das Wort "Kulturwissenschaften" in den Mund nehme und lieber über ein Forschungs- und Entwicklungsfeld spreche. Hiermit ist überhaupt kein Abstrich an den Intentionen verbunden, wie sie von Arlt, Bhatti und anderen formuliert worden sind. Nur dafür brauche ich keine diffuse Wissenschaftskonstruktion. Wie schon gesagt, bin ich sehr neugierig auf die Ergebnisse des Essener Instituts, sowie auf wichtige Anregungen, die in der Arbeit von Böhme von der Humboldt Universität enthalten sind, wobei ich dem Versuch der Essener einer umfassenden Darstellung und Analyse der Lage für die Praxis der Kulturstudien eine höhere Priorität einräume als Böhmes Versuch, eine Kulturwissenschaft "as such" zu entwickeln.
Dieses "Mapping out" kann von unschätzbare Bedeutung sein für die dank der Initiative von Herbert Arlt entstandene globale "community of scholars" im Bereich der kulturellen Studien, denn sie vermittelt eine Orientierung, welche Wege nach weiteren Kooperationen anbahnt.
In dem Zusammenhang ist unbedingt auf das Buch von Ute Daniel, "Kompendium Kulturgeschichte" hinzuweisen, denn hier wird ein direkter und kein konstruierter Einblick in ein auch für uns wichtiges Forschungsfeld geboten. Ihre drei Postulate betreffen uns eigentlich alle. Außerdem sind sie in einer erfrischend ungekünstelten Sprache geschrieben. Ich greife nur einige Aussagen auf: "Es gibt kein primär Gegebenes für die Kulturgeschichte, es gibt nur das Genommene... (frei nach Dewey)"(6), "Es gehe darum zu wissen, was man tut, wenn man Wissenschaft treibt (Bourdieu)"(7), "Die Kulturgeschichte hat mit anderen Kulturwissenschaften ein Wissenschaftsverständnis gemeinsam, dass es der Absicherungs-, Abgrenzungs- und Profilierungsrituale, die lange Zeit unerlässlich schienen, nicht mehr bedarf"(8) (sic. Aber warum geben wir uns immer wieder diesem Zwangsmechanismus hin?) "Kulturgeschichte ist kein Logo für einen Kampfanzug, in dem man in den Ring steigen kann, um andere Ansätze zu bekämpfen"(9).
Abschließend noch dieses: Mit dem Wort "Aphorismus" habe ich mich gleich am Anfang abgesichert, denn eine richtige "State of the Art"- Präsentation ist in diesem Rahmen kaum möglich - hier ist eher zu verweisen auf das gerade genannte Buch von Ute Daniel, sowie auf den Aufsatz von Böhme über "Kulturwissenschaft".
Viel mehr Aufmerksamkeit hätten aber die "Cultural Studies" in den angelsächsischen Ländern verdient, wobei ich einmal nicht an die kultur-ethnographischen Arbeiten , und auch Romane (zum Beispiel Edward Balls "Slaves in the Family") denke, sondern an das methodologisch hoch interessante Terrain der "Intercultural Communication Research". Hier nämlich wird deutlich, dass dank einer klaren Konzipierung von Untersuchungen - einschließlich elaborierten Forschungsverfahren - zielführende Strategien für interkulturelle Interventionen entwickelt werden können.
Ein amerikanischer Kollege, Hamid Mowlana, schließt sein Buch "Global Communication in Transition" mit Worten ab, die auch mein Anliegen in diesem Referat waren:
We should not be deceived by an illusion of the diversity of the subject matter and the vastness of the literature. We need to concentrate on promoting the diversity of cultural views and our ability to make the field more interesting and challenging by exploring new avenues and voices of knowledge. If we do not watch for these potential sources, we may go on for another long generation or decades without really making any effort that may account for a true shift in our thinking and our research paradigms.(10)
Die Thematik dieses Vortrages hat mich während vieler Jahre der Lehre und Forschung in der Internationalen und Vergleichenden Erziehungswissenschaft begleitet und insbesondere bei biographischen Studien zu ihren maßgeblichen Vertretern, wie zum Beispiel Mitte des vorigen Jahrhunderts Friedrich Schneider und Isaac Leon Kandel, deren internationales Commitment den gleichen Geist ausströmt, wie das heutige "Internationale Memorandum zur Förderung der Kulturwissenschaften" oder der "Offene Brief des IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften" (11). Es ist gut, sich dann und wann mit der Geschichte eines disziplinären Feldes zu befassen, wie zum Beispiel Le Thành Khoi, " L´éducation comparée" (Paris 1981), denn es macht einerseits demütig (eine Lektüre der Erzählung von Elie Wiesel über die chassidische Demut in seinen "Geschichten gegen die Melancholie" [Freiburg 1996] kann selbst dem Wissenschaftler nicht schaden) und motiviert andererseits Herausforderungen der UNESCO, wie zum Beispiel Frederico Mayors " Memory of the Future" (Paris 1998) oder Edgar Morins "Les sept savoirs nécessaires à l`éducation du futur" ( Paris 2000) wirklich ernst zu nehmen.
Der unmittelbare Anstoß zu meinen kulturwissenschaftlichen Studien lag auf der bilateralen kulturellen Ebene und bezog sich auf die diplomatischen, kommerziellen und kulturellen Beziehungen zwischen den Niederlanden und Österreich, "Eine fünfhundertjährige Begegnung" (Wien 1993). Die Vertiefung hat vor allem im Rahmen von Konferenzen des Europe House in Zagreb stattgefunden, zum Beispiel "Re-Thinking Cultural Linkages" (1999).
Die Dokumente des Instituts zur Erforschung und Förderung österreichischer und internationaler Literaturprozesse (INST) waren mir eine große Hilfe, zum Beispiel:
Herbert Arlt: Kulturprozesse, Weltpolitik, Kulturwissenschaften (http://www.inst.at/trans/5Nr/arlt.htm), sowie ders.: Kulturwissenschaften, Informationsstrukturen, Europa (http://www.inst.at/trans/6Nr/arlt.htm), David Simo : Europäische Kulturwissenschaften und Postkolonialität (http://www.inst.at/ausstellung/simo.htm), Alexandr W. Belobratow: Die Kultur der Übergänge: Konfliktfelder interkultureller Prozesse (http://www.inst.at/trans/5Nr/belobra2.htm) und nicht zuletzt Anil Bhatti: Internationalisierung der Kulturwissenschaften und Perspektivenwechsel in der Forschung (http://www.inst.at/studies/l_04_d.htm).
Der Wunsch nach einer kritischen Integration bleibt aber, und somit sollten die Hinweise nach zwei Versuchen in Deutschland nicht unbeachtet bleiben .Erstens das Projekt des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen (http://www.kulturwissenschaftliches-institut.de) und zweitens ein kulturwissenschaftliches Studienprojekt von Hartmut Böhme der Humboldt-Universität in Berlin (http://www.culture.hu-berlin.de/HB/texte/reallex.html).
Nicht uninteressant ist in diesem Rahmen das rezente Sammelwerk von Gerhart Schröder und Helga Breuninger (Hg.), "Kulturtheorien der Gegenwart. Ansätze und Positionen" (Frankfurt 2001). Auch Friedrich A.Kittler´s "Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft"(2001) sollte nicht übersehen werden.
Methodologisch ist meine Position maßgeblich von der modernen, vorwiegend angelsächsischen "Intercultural Communication Research" bestimmt worden, später allerdings abgeschwächt durch die kulturell-ethnographischen Erfahrungen und Überlegungen (meisterhaft finde ich übrigens das Buch von Joana Breidenbach und Ina Zukrigl, "Tanz der Kulturen: Kulturelle Identität in einer Globalisierten Welt" (München 1998). Die Nähe zu dem von mir zitierten Buch von Ute Daniel, "Kompendium Kulturgeschichte" (Frankfurt 2001) ist unmittelbar erkennbar.
Der "Vater" der "Intercultural Communication Research" ist William B. Gudykunst, der 1989 zusammen mit Molefi Kete Asante das "Handbook of International and Intercultural Communication" veröffentlichte (Newbury Park, Sage). Wichtige methodische Überlegungen sind in dem weiteren Buch "Methods for Intercultural Research", ed. W.B. Gudykunst und Young Yun Kim, enthalten (Beverly Hills, Sage 1984).
Hier eine Symbiose zu entwickeln ist nicht einfach, dennoch notwendig, wie zum Beispiel aus einer nicht leicht zugänglichen Arbeit von Ronald Schleifer, "The Institutions of Cultural Studies" hervorgeht, präsentiert während der Konferenz "Rethinking Culture" an der Universität von Montreal im April 1992 (http://pum12.pum.umontreal.ca/revues/surfaces/vol2/vol2TdM.html).
Aus diesem Komplex von Einflüssen ging 1992 mein Forschungsparadigma für das Niederlande-Österreich-Buch hervor, präsentiert im Rahmen des "VIIIth World Congress of Comparative Education" in Prag 1992.
Eine akzeptabele Zwischenposition nimmt für mich Hamid Mowlana von der American University in Washington ein. Man lese unbedingt: sein "Global Communication in Transition. The End of Diversity" (Thousand Oaks, Ca. 1996).
Ohne eine ständige Auseinandersetzung mit unserem Umfeld sind kulturwissenschaftliche Studien nicht möglich. Daher auch der Verweis auf das meisterhafte Buch von Eric Hobsbawm, "Das Zeitalter der Extreme" ("Age of Extremes. The Short Twentieth Century 1914-1991", München 1995).
Daher ist trans-und interdisziplinäre Zusammenarbeit in diesem Bereich unerlässlich: Der Kulturwissenschaftler sollte eine Verbindung zur Praxis der Kulturarbeit haben ( zum Beispiel das Haus der Kultur in Berlin), sollte eine Sensibilität für kulturelle Vielfalt entwickeln (zum Beispiel Martin J. Gannons, "Understanding Global Cultures. Metaphorical Journeys through 17 countries" (Thousand Oaks, Ca., Sage, 1994), sollte um kulturhistorische Hintergründe wissen (ich nenne zum Beispiel Egon Friedells "Kulturgeschichte der Neuzeit"), sollte sich vertraut machen mit dem wichtigen Bereich der Interkulturellen Kommunikation, aber sollte sich auch immer bewusst sein, dass auf ihn oder auf sie eine wichtige pädagogische Arbeit wartet, wie es zum Beispiel in Jacques Delors Sammelwerk, "Learning. The Treasure Within" dargestellt worden ist (Paris, Unesco 1996).
© Edmund A.van Trotsenburg (Klagenfurt)
ANMERKUNGEN
(1) Kim H.Veltman, "Kultur, Sprachen und Mediologie", in: INST-Konferenz Dez.2001, WWW: http://www.inst.at/termine/multilingualism/abstract_veltman.htm.
(2) Anil Bhatti, " Kommunikative Toleranz - der Polylog und Multikulturalität", in: INST-Konferenz Dez.2001, WWW: http://www.inst.at/termine/multilingualism/abstract_bhatti.htm.
(3) Eric Hobsbawm, " Das Zeitalter der Extreme: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts" (Wien 1994), Seite 720.
(4) Fritz P.Kirsch, "Das Leiden an Sprachverfall und Sprachverlust als Inspiration von Minderheitenliteraturen", in: INST-Konferenz Dez. 2001, WWW: http://www.inst.at/termine/multilingualism/abstract_kirsch.htm.
(5) Konrad Paul Liessmann: Der kurze Atem. In: Die Presse, Spectrum, vom 01.12.2001.
(6) Ute Daniel, " Kompendium Kulturgeschichte", Suhrkamp TB 1523 (Frankfurt 2001), Seite 12.
(7) Ibid., Seite 13.
(8) Ibid., Seite 14.
(9) Ibid., Seite 15.
(10) Hamid Mowlana, "Global Communication in Transition. The End of Diversity", (Thousand Oaks, Ca. 1996) Seite 213.
(11) Anm.
d. Red.: Anm. d. Red.: INST: Internationales Memorandum zur Förderung
der Kulturwissenschaften [1996]. WWW: http://www.inst.at/dokumente/memoran.htm.
IFK: Offener Brief des IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften.
Der Brief ist mit Februar 2000 datiert und war bis Dezember 2001
unter http://www.esi.ac.at/ifk.html
abrufbar. Per 2002-04-15 ist er nnur mehr über das Google-Archiv
unter http://www.google.com/search?q=cache:47159w01DkwC:www.esi.ac.at/ifk.html+ifk+internationales+forschungszentrum+kulturwissenschaften+offener+brief&hl=de
zugänglich. Letzter Zugriff auf diese und alle weiteren genannten
URLs am 2002-04-15.
For quotation purposes:
Edmund A.van Trotsenburg: Gedanken über substantielle und
methodische Relevanz von kulturwissenschaftlichen Studien. In:
TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No.
13/2002.
WWW: http://www.inst.at/trans/13Nr/trotsenburg13.htm.