Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 15. Nr. | November 2003 | |
5.11. Das Schreiben in der
Migration: Literatur und kulturelle Kontexte in der Romania Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures |
Klaus-Dieter
Ertler (Universität Kassel/Graz)
[BIO]
Thematischer Ausgangspunkt der Sektion war die Frage, wie verbindende transnationale Elemente im literarischen System beobachtet werden können. Der Fokus wurde dabei bewusst auf Texte aus den romanischen Kulturen gelegt, um ein zusammenhängendes Panorama innerhalb der Romanistik und ihrer Randbereiche zu schaffen und neue Synergien für die Fachstruktur fruchtbar zu machen. Darüber hinaus galt es anhand von Gilbert Durands klassischem Werk "Les structures anthropologiques de l'Imaginaire" über Symbolik und Archetypologie verbindende Elemente der Kulturen auszumachen.
Die thematische Vorgabe ließ aber zwei Ausrichtungen entstehen, die die Diskussion lenkten: Zum einen kam es zu einem italianistischen Schwerpunkt, zum anderen kristallisierte sich eine frankophone Dimension heraus, die enge Bezüge zu den Literaturen Madagaskars, Tunesiens und Québecs herstellte. Hispanophone und lusophone Beiträge blieben aus.
Auf italianistischer Seite wurde deutlich gemacht, wie sehr die Frage des Schreibens in "anderen" kulturellen Kontexten auch im Hinblick auf seine historische Dimension gestellt werden sollte. Anhand der Texte eines Metastasio in Wien oder eines Winckelmann in Triest wurden interkulturelle Schreibformen im 18. Jahrhundert untersucht. Neben den historisch ausgerichteten Beiträgen ergab sich die Fragestellung, wie sich schreibende Migrantinnen und Migranten im deutschsprachigen Kontext entwickeln können und wie sich ihre Texte mit zeitgenössischen hermeneutischen bzw. kulturwissenschaftlichen Instrumentarien auslegen lassen.
Der frankophone Teil der Sektion verließ das bipolare Spannungsfeld Deutschland-Italien und wandte sich breiteren internationalen Literaturprozessen zu. In diesem Rahmen wurde nicht nur der Paradigmenwechsel der 80er Jahre und die damit zusammenhängende Perzeptionsstruktur von Multi-, Pluri- oder Interkulturalität nachvollzogen, es differenzierte sich auch ein neuer Aspekt aus, der um die Mitte der neunziger Jahre angesiedelt ist und gemeinhin mit dem Terminus der "Transkulturalität" gefasst wird. Vor diesem Hintergrund ergab sich schließlich der Befund, dass man in Hinkunft von binären Systemen auf nuanciertere und sensiblere theoretische Konstrukte zurückgreifen müsse, um die neuesten Entwicklungen adäquat beschreiben zu können.
Die von Gilbert Durand in seinem Werk vertretenen Thesen gerieten im frankophonen Teil der Sektion insofern unter Druck, als deren axiologische Determiniertheit in Frage gestellt wurde, obgleich die anthropologischen Konstanten der Wahrnehmung weiterhin für die Analyse und Interpretation von Texten fruchtbar gemacht werden konnten.
Als Fazit lässt sich zusammenfassen, dass die Forschungslandschaft der Romanischen Literaturen mit der Problematik des "Schreibens in der Migration" ein kulturelles Potential vorfindet, das einer grundlegenden Aufarbeitung bedarf und von seiten des Faches in seiner Breite bislang nicht entsprechend beobachtet wurde.
© Klaus-Dieter Ertler (Universität Kassel/Graz)
5.11. Das Schreiben in der Migration: Literatur und kulturelle Kontexte in der Romania
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For quotation purposes:
Klaus-Dieter Ertler (Universität Kassel/Graz): Bericht: Das
Schreiben in der Migration: Literatur und kulturelle Kontexte
in der Romania. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften.
No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/05_11/ertler_report15.htm