Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 15. Nr. | Dezember 2005 | |
5.16. Apocalypse Now? Eschatologische
Tendenzen in der Gegenwartsliteratur Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures |
Regina Eickelkamp (Graduiertenkolleg Reiseliteratur und Kulturanthropologie, Universität Paderborn)
Abstract:
Both the works of Michel Tournier and Christoph Ransmayr deal with diverse reversible as well as irreversible apocalyptic visions. Yet even the irreversible ones do not claim to be the definite end of the world. The metamorphosis of an old world into a new one seems to be of greater importance for both authors. And metamorphosis, as well as the original sense of the Apocalypse, always implies a new beginning. While history develops teleologically and linearly in time, the Apocalypse seems to prefer the circular notion of time and therefore implies movement from the end back to the beginning.
Not only is there a bond between apocalypse and metamorphosis in the works of Tournier and Ransmayr, but there is also one between the apocalypse and the journey. Every apocalypse implies death or disappearance. But death is nothing else than a journey, very often with the character of initiation. Christoph Ransmayr, who does not imply the comeback of humanity after his diverse apocalyptic showdowns, should nevertheless not be solely understood in terms of destruction and desolation. New worlds emerge from the ashes of old ones where only mankind is doomed.
Intertextuality und palimpsest structure will be examined with the purpose of underlining the thesis of an open, utopian and future world. According to Tournier and Ransmayr, literature persists when able to transform and make new stories out of old ones. And as long as literature exists, the one who creates literature, mankind, is not yet supposed to disappear completely.
Trotz geradezu inflationären Gebrauchs des Apokalypsetopos wird dieser in der modernen und postmodernen Literatur der letzten Jahrzehnte nur noch selten in seinem etymologischen Wortsinn(1) eingesetzt. Bezogen auf frühe biblische Quellen unterscheidet die Forschung zwischen einem dem traditionellen Weltbild, und einem dem utopischen, d.h. apokalyptischen Weltbild verpflichteten Monotheismus.(2) Der "Mythos vom nie endenden Chaoskampf"(3) zwischen Gut und Böse im traditionellen Monotheismus wird in der Jesajaapokalypse und im Buch Daniel von einer anthropologisch zentrierten, positiven Utopie abgelöst, in der das Böse vom Guten in einem Endkampf besiegt und vernichtet wird: "Anders als der 'traditionelle Gott' [des Buches Hiob und des Deuteronomistischen Werkes; R.E.] dämmt der pseudojesajanische Gott das Böse nicht nur zeitweise ein, sondern schaltet es endgültig und vollständig aus, und zwar auf der ganzen Welt."(4) Die Vorstellung von der Vernichtung des Bösen in Gestalt der babylonischen Hure und von der Heraufkunft eines himmlischen Jerusalem in der Johannesapokalypse setzt dem permanenten Chaoskampf ein (utopisches) Ende. Die Apokalypse bedeutet also ursprünglich die Einlösung einer Frohen Botschaft: Das Böse wird, nachdem es sich ein letztes Mal aufgebäumt hat, endgültig vom Guten besiegt.
Der positiv konnotierte Bereich einer anthropozentrisierten Zukunftsutopie in Form der Entstehung des himmlischen Jerusalem gerät nun aber, nicht zuletzt im Zuge eines möglich gewordenen Atomtods der Menschheit und zahlreichen pessimistischen Zukunftsvisionen, immer mehr in den Hintergrund. Betont werden in der (post-)modernen Apokalypseliteratur stattdessen oftmals die Irreversibilität, der Untergang der Menschheit und die Einseitigkeit der Zerstörung der Welt im Sinne einer kupierten Apokalypse.(5) Holger Mosebach trägt jüngst diesem Umstand Rechnung, indem er bei Christoph Ransmayr nicht mehr von Apokalypsen, sondern von Endzeitvisionen spricht.(6) Die Visionen und Versionen der uns bevorstehenden Weltuntergänge beinhalten den endgültigen Untergang und die Auslöschung des Menschen als Individuum sowie als Spezies.
In dem hier vorliegenden Aufsatz vertreten wir die Ansicht, dass es sich in den Werken Vendredi ou les limbes du Pacifique und Le Roi des Aulnes von Michel Tournier(7) sowie Die Schrecken des Eises und der Finsternis und Die letzte Welt von Christoph Ransmayr(8) - beide Autoren werden in Hinblick auf postmodern apokalyptische Textverfahren gelesen und rezipiert - trotz deren dezidiert apokalyptischen Duktus’ weder um Apokalypsen im ursprünglichen, d.h. biblischen Sinne, noch um auf kupierten Apokalypsen basierende Endzeitvisionen handelt, sondern vielmehr um vielfältige Verwandlungen und Metamorphosen von Welt.(9) Apokalypse steht bei beiden Autoren in einem unaufhebbaren Zusammenhang mit Metamorphose. Das eingangs dargestellte apokalyptische Weltbild entspräche, so könnte man sagen, in seiner Einlösung einer unwandelbaren Realität, einer Stasis, die, auch wenn sie das Gute verwirklicht, strukturell gesehen der Tyrannei nahe kommt, weil sie eine Ausschließlichkeit eben dieses Guten postuliert, wohingegen das traditionelle Weltbild zyklisch aufgebaut ist, ewige Wiederkehr, Metamorphose und somit eine genuin demokratische Denkweise zelebriert. Beide Autoren wären in dieser Hinsicht eher dem traditionellen als dem apokalyptischen Weltbild zuzuordnen,(10) auch wenn deren apokalyptischer Diskurs - und das soll nicht in Abrede gestellt werden - nahezu omnipräsent ist. Dabei mischen die Autoren die Ebene des eschatologischen Apokalypsetopos permanent mit jener des kupierten Apokalypsedenkens im ausgehenden 20. Jahrhundert. Die Sinn- und Bedeutungsleere der apokalyptischen Zeichen, die aus dieser Mischung hervorgeht, bringt Graf von Kaltenborn im Roi des Aulnes auf den Punkt:
"Avez-vous lu l’Apocalypse de saint Jean? On y voit des scènes terribles et grandioses qui embrasent le ciel, des animaux fantastiques, des étoiles, des glaives, des couronnes, des constellations, un formidable désordre d’archanges, de sceptres, de trônes et de soleils. Et tout cela est symbole, tout cela est chiffre, indiscutablement. Mais ne cherchez pas à comprendre; c’est à dire à trouver pour chaque signe la chose à laquelle il renvoie. Car ces symboles sont diaboles: ils ne symbolisent plus rien. Et de leur saturation naît la fin du monde."(11)
Die Bedeutungsvielfalt und -leere der apokalyptischen Symbolik führt zu einer unaufhebbaren Pluralität des Diskurses. Diese Pluralität führt bei beiden Autoren nicht nur zur letztlichen Verneinung des Geschichtsdenkens, sondern auch zur Aufgabe des (utopischen) Apokalypsedenkens. Aus Geschichte werden Geschichten und aus der Apokalypse werden viele, partikuläre und spiral gesteigert auftretende Apokalypsen, die in ihrer Pluralität der vom apokalyptischen Weltbild ursprünglich postulierten Ausschließlichkeit des Geschehens eklatant widersprechen.
Die Figuren Christoph Ransmayrs und Michel Tourniers sind auf Reisen. Diese Reisen sind in fast allen Fällen vom Verschwinden gekennzeichnet. Robinson verschwindet auf einer Insel im Pazifik, Abel Tiffauges verschwindet im ostpreußischen Moor, Mazzini verschwindet im ewigen Eis des Südpolarmeers und Cotta verschwindet in den Bergen von Trachila. Diese "Metaphysik der Abwesenheit" (Fatima Naqvi), Form einer literarischen Entsubjektivierung(12) führt paradoxerweise gerade zur eigentlichen Identitätsfindung aller vier Protagonisten. Eine persönliche Form der Apokalypse, so könnte man dieses Verschwinden nennen, oder die Vollendung der durch die Reise begonnenen Metamorphose, denn in sämtlichen Fällen erfährt man nichts von einem möglichen oder gar tatsächlichen Tod dieser Figuren. In allen Fällen findet eher eine Verwandlung als ein Tod statt: Robinson 'stirbt' bereits in dem Moment, in dem er, das binäre Bezugssystem der Identität-Alterität verlassend,(13) das heißt: für die übrige Welt nicht mehr benenn- und somit auch nicht mehr erkennbar,(14) als einzig Überlebender einer Schiffskatastrophe auf einer einsamen Insel strandet. Sein utopisches Weiterleben wird zum Inhalt einer (letztlich zukunftsorientierten) Robinsonade und weist bei Tournier über das tatsächliche Romanende hinaus. Abel Tiffauges sichert seine mythisch verbrämte Wiederkehr mit im Romanverlauf auftauchenden Doppelgängern und Moorleichen ab, Mazzini verewigt sich in den Spuren Anderer, die er zwecks Neuerfindung der Wirklichkeit verfolgt und Cotta wird zu einem Protagonisten in den Metamorphosen des Ovid. Die Singularität des Betrachterstandpunktes weist in enger Anlehnung an das poetologische Konzept der Erfindung von Wirklichkeit(15) über sich hinaus auf eine unübersehbare Pluralität von möglichen und wirklichen Blickwinkeln auf die Welt und stellt damit nicht nur die Kohärenz einer intersubjektiv gültigen Geschichtsauffassung in Frage, sondern ebenso jene einer intersubjektiv gültigen Apokalypse. Bei allen sonstigen Unterschieden der beiden Autoren Tournier und Ransmayr ist es dieses Schicksal und dieser Blickwinkel der Hauptcharaktere auf die Welt, die ihre Literatur verbinden und eine vergleichende Analyse zum Topos der Apokalypse und Metamorphose fruchtbar erscheinen lässt. Im Rahmen eines kontrastiv/komplementären Vergleichs von Vendredi ou les limbes du Pacifique von Michel Tournier und Die letzte Welt von Christoph Ransmayr(16) soll der Zusammenhang zwischen Apokalypse und Metamorphose herausgearbeitet werden. Dabei kommt es vor allem darauf an, deutlich zu machen, dass das Prinzip der ursprünglichen Singularität der Apokalypse dem Prinzip der Pluralität der Metamorphosen weicht. Apokalypse und Metamorphose sind bei Ransmayr und Tournier somit partiell gleichsetzbar. Auch wenn Ransmayr im Gegensatz zu Tournier die Wiederkehr des Menschen nach der Katastrophe nicht mitdenkt, kann er dennoch nicht als Vertreter einseitiger Vernichtungstheorien gelten. Denn auch aus der Asche seiner apokalyptischen Visionen entstehen neue Welten. Nur der Protagonist Mensch verschwindet darin.
2.1 Vendredi ou les limbes du Pacifique von Michel Tournier
Michel Tournier wagt sich mit Vendredi ou les limbes du Pacifique an einen Stoff der Weltliteratur heran, der Züge eines (modernen) Mythos angenommen hat. Der Motivkomplex der Robinsonade wurde in dem Maße erneut interessant, in dem die Technisierung und Zivilisierung unserer Welt vorangeschritten ist. Robinson oder die Reise ans Ende der Welt - das ist vor allem eine Frage des Ortes und der Distanz, später auch eine der Zeit. Die ersten Seiten des Romans, in denen Kapitän van Deyssel dem Reisenden seine Zukunft in Form von Tarotkarten darlegt, nehmen das Romanende vorweg. Die verschlüsselte Botschaft der Karten muss Robinson im Laufe der Jahre auf der Insel selbst entschlüsseln und das Romanende schließt in Kreisform, was auf den ersten Seiten bereits vorweggenommen ist. Mit der Seereise wählt Tournier (wie auch später Ransmayr) einen Topos, der von Beginn an mit Gefahr und Untergang in Zusammenhang zu bringen ist. Das Element Wasser hat zugleich etwas Wandelbares, Zerstörendes und Reinigendes. Es fungiert als Grenzziehung zwischen alter und neuer Welt und es wird deutlich, dass diese Grenze, einmal überschritten, den Weg zurück verschließt: Initiation hat stattgefunden.(17) Symbolisch hat Robinson die Reise über den Styx bereits angetreten und befindet sich seit dem Schiffbruch in einer Zwischenwelt ("les limbes"), in der er mühsam und mit Krisen verbunden seine weiteren Metamorphosen durchmachen wird. In den Augen der Welt ist Robinson tot, was den Charakter des Exils für jenen noch verstärkt.
Bereits zu Beginn des Romans, in engem Zusammenhang mit dem Element des Wassers, fällt mehrfach der Begriff der Apokalypse. Ein erstes Mal explizit während der Bibellektüre Robinsons: "Ce jour-là, il crut trouver dans le chapitre IV de la Genèse - celui qui relate le Déluge et la construction de l’arche par Noé - une allusion évidente au navire de salut qui allait sortir de ses mains."(18) Robinson stellt einen Zusammenhang her zwischen der Arche, die Gott Noah zu bauen aufträgt, und seiner Evasion, die ihn in die Zivilisation zurückbringen soll. Die Apokalypse hat für Robinson mit dem Wasser begonnen, und da er sich als einzig Überlebender auf der Insel befindet, vermittelt dieser Schiffbruch den Eindruck, alle Menschen seien vernichtet und nur Robinson allein könne sich auf einem Schiff vor der bereits eingetretenen Katastrophe retten. Der zweite Hinweis auf eine Apokalypse findet sich nur wenige Seiten weiter und steht jetzt nicht mehr nur im Zeichen des Wassers, sondern auch in dem des Feuers:
"Quelques heures plus tard, le soleil couchant, apparu entre l’horizon et la ligne inférieure du plafond de nuages, baigna l’île dans une lumière d’incendie sans que la pluie diminue de violence. [...] Il se sentait sombrer dans un abîme de déréliction nu et seul, dans ce paysage d’Apocalypse, avec pour toute société deux cadavres pourrissant sur le pont d’une épave."(19)
Gegen Ende der Wasserphase, kurz bevor Robinson sich der Erde zuwendet, durchlebt er eine dritte Apokalypse, die wiederum sowohl im Zeichen des Wassers als auch in dem des Feuers steht. Aufgrund einer Halluzination wirft sich Robinson ein weiteres Mal ins Wasser, nachdem er ein Schiff erkannt zu haben glaubt, von dem er sich Rettung erhofft. Dies jedoch nicht, bevor er den riesigen Eukalyptus in Brand gesteckt hat, der durch sein Feuer auf ihn aufmerksam machen soll:
"Il se jeta à l’eau et nagea de toutes ses forces vers le navire dont il ne voyait plus que la masse fessue du château arrière drapée de brocart. [...] Il ouvrit la bouche pour l’appeler [l’enfant; R.E.]. L’eau salée envahit sa gorge. Un crépuscule glauque l’entoura [...]. Une colonne de flammes le tira de sa torpeur."(20)
Es handelt sich hierbei, wie schon bei den vorhergegangenen Untergängen, um das persönliche Schicksal Robinsons. Dieser bringt jedoch, wie der Vergleich mit der biblischen Sintflut zeigt, sein eigenes Schicksal mit dem universellen Menschheitsschicksal und einer totalen Apokalypse in Zusammenhang. Da sich Robinson alleine auf der Insel befindet, ohne Approbation durch ein wie auch immer geartetes 'Autrui', scheint sich für ihn die totale Katastrophe tatsächlich vollzogen zu haben. Er ist der einzig Überlebende des Weltuntergangs. Tatsächlich jedoch steht dem Weltempfinden Robinsons ein anderes Weltempfinden gegenüber, dasjenige, das außerhalb der Insel existiert. Nur der Leser ist zu dieser Differenzierung in der Lage, da in dessen Blick die Außenwelt wieder Realität erhält. Robinson kennt diese Außensicht nicht mehr, sein Lebensraum ist der Raum der absoluten Utopie, eines Nicht-Ortes, auf den der (sartresche) Blick des Anderen nicht mehr fällt.
Der Roman berichtet von einer vierten Apokalypse, die bereits im Zeichen der Erde steht und über diese hinausweist, da sie, wie zuvor schon die Apokalypse zu Wasser, eine Phase im Leben Robinsons auf der Insel beendet. Zunächst wendet sich Robinson also vom trügerischen Wasser ab und der Erde zu. Es scheint für ihn nicht nur alles gut zu gehen, sondern nach und nach so etwas wie verloren geglaubte Zivilisiertheit und Berechenbarkeit wieder einzukehren. Robinsons ökonomisch zweckrational ausgerichteter Garten- und Ackerbau sowie die Reetablierung der 'verlorenen Zeit' in Form der Verwendung eines Kalenders und einer Uhr(21) widerspricht dem Ewigkeitsanspruch der Insel - lineare Zeitauffassung trifft hier auf zyklische Zeitauffassung.(22) Eine Apokalypse scheint bis zum ersten Auftreten Vendredis in weite Ferne gerückt. Mit dessen Erscheinen jedoch verstärkt sich, zunächst unbewusst, dann immer deutlicher, das Wissen um eine bevorstehende, nächste Katastrophe. Diese tritt ein, nachdem Vendredi verbotenerweise die Pfeife des Kapitäns geraucht, und, um sich vor Strafe zu schützen, in die Grotte hinter sich geworfen hat, um sie verschwinden zu lassen. In der Grotte jedoch lagern seit dem Schiffbruch der Virginie Tonnen von Schießpulver. Vendredi als "homme du présent"(23) ist in der Lage, die Arbeit des vergangenheits- und zukunftsgerichteten Robinson in einem Atemzuge zunichte zu machen. Diese vierte Apokalypse steht nun ganz im Zeichen des Feuers. Mit ihr ist Robinsons 'phase tellurique' beendet und er wird frei, sich von Vendredi initiieren zu lassen und zur 'phase solaire' überzugehen.(24) Die Apokalypse betätigt sich hier wiederum, wie schon zuvor, als die Krise und sozusagen der Höhepunkt auf dem Weg von der einen in die andere Welt:
"C’est alors que les quarante tonneaux de poudre noire parlent en même temps. Un torrent de flammes rouges jaillit de la grotte. Dans une dernière lueur de conscience, Robinson se sent soulevé, emporté, tandis qu’il voit le chaos rocheux qui surmonte la grotte culbuter comme un jeu de construction."(25)
Die Explosion hat nicht nur zerstörerische Wirkung, sondern erschafft im Gegenteil mit wilder Kreativität neue, bizarre Formen, die an das Werk eines genialen Architekten erinnern. Die neue und willkürliche Zusammensetzung von Gesteinsbrocken und Felsen hat, gerade im Zentrum der Explosion, zur Erschaffung einer neuen Welt beigetragen. Diese neue Welt, die im Zeichen des Gesteins und des Felsens steht, erinnert an die Erschaffung des Olymps am Ende von Ransmayrs Roman Die letzte Welt.(26) Auch dort erhebt sich ein Gesteinsmassiv über die ursprüngliche Küstenlandschaft und leitet damit nicht nur eine Metamorphose ein, sondern ändert auch den Lauf der Zeit. Der Götterberg Olymp ist die Wiederaufstehung des Mythos aus der ursprünglich aufgeklärten Welt. So ist auch bei Tournier das "chaos rocheux" die Wiederauferstehung des Mythos aus der postaufklärerischen oder postaufgeklärten Welt Robinsons.(27)
Nachdem Robinson seine Garten- und Bebauungspläne auf der Insel aufgegeben hat, das heißt, mit jedem weiteren Stillstand der 'clepsydre' und schließlich mit der Explosion der Grotte, wird er zum 'ewigen' gegenwartsbezogenen Menschen, wie sein Doppelgänger und Initiator Vendredi. Die Grottenerfahrung Robinsons, eine infantile Regression in den Mutterleib der Insel, fungiert als Symbol für die Rückwärtsbewegung der Zeit.(28) Die endgültige Metamorphose Robinsons nach der Explosion und die Initiation in ein 'être solaire' hat ihn gleichzeitig auch völlig enthumanisiert. Was ihm bleibt, ist ein verschobener Blickwinkel. Menschen der Zivilisation, wie sie mit der Whitebird auftauchen, betrachtet er nun aus den Augen eines Erforschers seltsamer Insektenstaaten oder Ameisenstaaten.(29) Robinson selbst zählt sich nicht mehr zur Spezies Mensch.
Apokalypse steht hier in einem beständigen Zusammenhang mit Initiation und Metamorphose. Sie trägt zur Wandlungsfähigkeit des Protagonisten, sowie der ihn umgebenden Welt bei. Damit bedeutet sie nicht pure Vernichtung, sondern ist in ihrer Zerstörung schöpferisches und erneuerndes Prinzip zugleich. Robinson erlebt nicht nur viele partikuläre Apokalypsen, die einer totalen Apokalypse widersprechen, sein Blick auf die Welt wird darüber hinaus von niemandem geteilt, da er sich völlig alleine auf der Insel befindet. Der Geltungs- und Realitätsbereich seiner Apokalypsen ist also sehr beschränkt, um nicht zu sagen, ungültig für jeden außer für Robinson. Der Leser hat es hier paradoxerweise sowohl mit einer singulären, als auch mit einer pluralen apokalyptischen Narrative zu tun: Singulär, weil sie nur für Robinson gilt, plural, weil sie mehrfach und sozusagen spiral gesteigert, immer wieder auftritt. Sie widerlegt sich durch ihr eigenes Mehrfachauftreten in ihrem Anspruch einer totalen Zerstörung und verweist somit auf ihren symbolhaften, initiatorischen und verwandelnden Charakter.
2.2 Die letzte Welt von Christoph Ransmayr
Auch Christoph Ransmayrs Texte enthalten vielfältige apokalyptische Visionen. Ihm wird zum Vorwurf gemacht, dass er seine pessimistische und von Endzeiten bestimmte Weltsicht in seinen Romanen verarbeite und den Menschen als ein missratenes Projekt der Vorsehung oder eines Gottes darstelle, das es zu überwinden gelte.(30) Es wird dabei zumeist nicht erkannt, dass die menschliche Apokalypse noch etwas entbergen könnte. Geht der Mensch unter, so bleibt nichts übrig, so nimmt man an. In der Tat thematisiert Ransmayr immer wieder den menschlichen Untergang, kann daran aber nichts Schlimmes oder gar Deprimierendes finden: "Der wahre Garten Eden, das ist die Öde"(31), darin stimmt er mit einem Autor wie Ulrich Horstmann überein. Oder auch die provokant gestellte Frage, "was aber [...] so schrecklich [sei] an einer wuchernden, blühenden Wildnis ohne uns?"(32) Autoren wie Epple fällt es dabei nicht leicht, zu entscheiden, ob Die letzte Welt nun eine düstere Vision von durch den Menschen selbstverschuldeter Vernichtung sei,(33) oder doch eher eine in der Natur der Dinge liegende Notwendigkeit,(34) da es ein "Prinzip des Daseins" sei, dass keinem seine Gestalt bleibe.(35) Jedenfalls stellt Epple damit (zu Recht) die Thematik der Apokalypse in einen Zusammenhang mit der Thematik der Metamorphose. Aus dieser Nähe folgt, dass die Apokalypse auch im ransmayrschen Sinne zumindest nicht das absolute Ende bedeuten kann, denn Wandlung impliziert immer zugleich einen Neubeginn. Wenn es auch nicht notwendig derjenige der Menschheit ist.
Bereits in Strahlender Untergang werden die Wüste und das Verschwinden thematisiert, und der Untergang des Menschen fabuliert. Aufschlussreich ist die Landschaft, in der Ransmayr das Geschehen situiert. Schon in diesem Frühwerk scheint er 'seine' Landschaft gefunden zu haben.(36) Das Projekt des menschlichen Untergangs, von der Wissenschaft durchgeführt, findet in der Wüste statt. Erstaunlich ist die Annäherung von der Sonnenwüste an die Eiswüste, mit der Ransmayr einen Bogen schlägt zu seinem später erschienenen Roman Die Schrecken des Eises und der Finsternis: Der strahlende Untergang des Menschen endet im Eis.(37)
In Die Schrecken des Eises und der Finsternis kündigt sich das Eis als "Reversbild der Wüste"(38) an.(39) Die Protagonisten des Romans sind dem Verschwinden und somit der eigenen Apokalypse ausgeliefert. Das große Thema des Romans ist die Seereise - genauer - die Reise ins Eismeer. Wenn schon bei Tournier dem Wasser eine tödliche und vernichtende Wirkung zukommt, so wird dies am ransmayrschen Eis noch deutlicher. Eine Welt wehrt sich gegen die Erforschung durch den Menschen. Mit seinem Eisroman befindet sich Ransmayr in apokalyptischer Gesellschaft. Die Jahrzehnte vor und auch nach ihm haben eine Flut solcher Texte hervorgebracht, die das Sterben und Verschwinden im Eis oder die Apokalypse als unausweichliches Schicksal des Menschen thematisiert haben.(40) Das Sterben im Eis als apokalyptische Vision beinhaltet eine interessante Variante: Die Konservierung. Damit wird aus dem Untergang eine Metamorphose: "Hier bedeutet das Sterben im Eis Haltung, Gelassenheit. Auch Unvergänglichkeit, denn man verwest nicht, sondern wird konserviert."(41)
Hat man das Gesamtwerk Christoph Ransmayrs im Blick, so erkennt man jedoch leicht, dass in Die letzte Welt der Zusammenhang zwischen Apokalypse und Metamorphose am deutlichsten hervorscheint. Das ovidsche Prinzip des "Nulli sua forma manebat"(42) führt zu den verschiedenartigsten Untergangsszenarien. Dabei beschränkt sich Ransmayr durchaus nicht nur auf Weltuntergänge 'im großen Stil', sondern jede einzelne seiner Verwandlungen erzählt von einer kleinen Apokalypse im Sinne eines 'dévoilement', einer Enthüllung. Peter Bachmann nennt den Ovid-Roman Ransmayrs einen "exzessiven Hymnus auf den Tod"(43), man könnte ihn aber ebenso gut einen Hymnus auf die Wiedergeburt nennen. Dass die Welt, die Ransmayr beschreibt, menschenleer werden will,(44) heißt nicht, dass sie ins Nichts versinkt. Sie lebt in anderer Form fort.
Wieder führt uns Ransmayr mit einer Seereise in das Romangeschehen ein. Das Wasser symbolisiert auch hier Übergang und Trennlinie zwischen zwei Welten.(45) Ransmayr bindet konkrete Apokalypsen(46) an verschiedenen Stellen in seinen Roman ein: Zunächst wird der Untergang Ceyx’ auf der Leinwand gezeigt. Hier handelt es sich um eine Apokalypse zu Wasser, die sowohl an die Reise Cottas zu Beginn des Romans, als auch an die historische Reise Ovids in die Verbannung erinnert:
"Alcyone sah ein nächtliches Meer und einen Himmel wie in Trümmern, Wogen und Wolken zu einem tosenden Einerlei zusammengeworfen, das sich im Rhythmus ihrer Atemzüge zu Gebirgen erhob und niederstürzte. Dann rauschten von den Steilhängen Gischtlawinen herab. [...] Baumstarke Wasserarme griffen durch die Luken ins Innere des Schiffes, und eine Bö schleuderte einen Albatros hoch über den Untergang hinaus, brach ihm irgendwo oben die Schwingen und warf einen Klumpen Fleisch und Federn ins Wasser zurück."(47)
"Ein neuer, ein schwarzer Himmel"(48) begründet das Weltuntergangsszenario. Diese Vision eines Untergangs ist, wenn man von dem Roman als der ersten Fiktionalisierungsstufe ausgeht, in zweifacher Potenz fiktionalisiert, da sie nur im Film des Filmvorführers Cyparis existiert; echt ist dahingegen das Blut Itys’ auf der Vorführmaschine; eine 'Mini-Apokalypse' innerhalb der Apokalypse. Einen Hinweis darauf, dass der eigene, der persönliche Untergang immer der einzig Existierende ist, liefern die schiffbrüchigen Matrosen, die man nach dem Schicksal der Mannschaft Ceyx’ befragt: "Von einer Brigantine wußten sie nichts. Keiner erinnerte sich an ein anderes Unheil als an das des eigenen Untergangs."(49)
Eine weitere Apokalypse ist die Pest von Aegina, eine Fabel Nasos, die dieser anlässlich der Einweihung des Stadions "Zu den sieben Zufluchten" den Zuhörern in einer Rede schildert. Zunächst vernichtet eine Seuche die gesamte Bevölkerung der Insel Aegina. Dieser Tod beinhaltet jedoch zugleich eine Verwandlung: "Allein die Fliegen nahmen sich der Kadaver und der Toten an; smaragdgrün und blau schillernd von ihren Schwärmen und summend lag Aegina unter Wolken im Meer."(50) Schließlich bemächtigen sich Massen von Ameisen der toten Menschenleiber und bilden sich zum neuen Geschlecht von Aegina, das durch die Rede Nasos zu einer Parabel für die Stadt Rom wird:
"In immer dichteren Scharen rannten sie dahin und schlossen sich in den Höhlungen zusammen, verdichteten sich zu neuen, zuckenden Muskeln, zu Augen, Zungen und Herzen, ja formten, wo Glieder verwest waren und fehlten, mit ihren Leibern das Fehlende nach, Arme, Beine, wurden zu Armen und Beinen und formierten sich zuletzt auch zu Gesichtszügen, zum Ausdruck und Minenspiel; [...]."(51)
Mit der Erwähnung des Untergangs von Troja taucht - eher am Rande - eine weitere Apokalypse auf,(52) und auch die Verwandlung der Meeresfarbe am Strand von Tomi trägt apokalyptische Momente, die zudem an eine biblische Vision des Untergangs gemahnt, wo Ransmayr sich sonst vornehmlich von griechischer Tradition inspirieren lässt.(53)
Später, in den Worten Echos, wird von einer weiteren Apokalypse berichtet. Wieder handelt es sich hier um einen Untergang im und durch das Wasser:(54) "Allmählich verbanden sich die Ströme zu einer einzigen Flut, die endlich den Ozean erreichte, ihn hoch über seine Strände hinaustrieb und nun alle Küstenlinien über die Anstiege des Festlandes dem Himmel entgegenhob."(55) Nach jahrelangem Regen ist schließlich die Menschheit in den Fluten umgekommen und nur ein einziges Paar konnte sich auf einem Floß retten. Dieses Menschenpaar, Deukalion und Pyrrha, formt durch das Hinter-Sich-Werfen von Steinen das neue Menschengeschlecht, "eine Brut von mineralischer Härte, das Herz aus Basalt, die Augen aus Serpentin, ohne Gefühle, ohne eine Sprache der Liebe, aber auch ohne jede Regung des Hasses, des Mitgefühls oder der Trauer, so unnachgiebig, so taub und dauerhaft wie die Felsen dieser Küste."(56)
Auch hier stellt man - wie zuvor bei Michel Tournier - eine Vervielfältigung der apokalyptischen Narrative fest, die sich in ihrer Totalität und Ausschließlichkeit widerlegt und Ausblicke auf das Danach, auf das Zukünftige, freigibt. Auch die große Apokalypse, zu denen die Figuren Ransmayrs unterwegs sind, ist nicht die endgültige Vernichtung der Welt. Die Bühne bleibt, die Kulisse und die Schauspieler verschwinden daraus.(57) Bei Robinson haben wir gesehen, dass sein Blick auf die Welt von niemandem geteilt wird. Auch Cottas Blick auf die/seine Welt wird nicht geteilt, ebenso wenig wie die Blicke der übrigen Bewohner Tomis in irgendeiner Form Bestätigung finden. Jeder berichtet aus seiner eigenen, hermetischen Vorstellungswelt und bleibt damit existentiell allein. Jede dieser Welten verwandelt sich auf ihre Weise von purer Möglichkeit in individuelle Wirklichkeit.
Ausgehend von dem Verständnis einer Apokalypse, die als Metamorphose und Initiation begriffen wird, kommt dem utopischen Karnevalsgeschehen sowohl bei Tournier als auch bei Ransmayr eine wichtige Rolle zu. Herr-Knecht-Umkehrung und das Vertauschen von Oben und Unten - Begriffe des Bachtinschen Karnevals - sind auf Tourniers sowie Ransmayrs Literatur anzuwenden. Dabei geht es beiden Autoren um die - zumindest partielle - Auflösung der (aufgeklärten, zivilisierten) Vernunft.
Die Insel im Roman Tourniers wird von Vendredi sukzessive von einer Kulturlandschaft in eine zügel- und scheinbar haltlose Naturlandschaft zurückverwandelt. Wo die Kultur nicht zerstört wird, wird sie lächerlich gemacht und einem reinigenden und wandelnden Lachen unterzogen: Beispiele dafür sind die Kakteenbekleidungsszene, die Zerstörung des Reisfeldes sowie die auf-den-Kopf-gestellte Welt nach der Explosion.(58) Das deutlichste Beispiel einer auf-den-Kopf-gestellten Welt vermittelt Vendredi, indem er Bäume mit den Ästen im Boden verankert und die Wurzeln in die Luft ragen lässt:
"En effet, ces arbustes avaient tous été visiblement déracinés et replantés à l’envers, les branches enfouies dans la terre et les racines dressées vers le ciel. Et ce qui achevait de donner un aspect fantastique à cette plantation monstrueuse, c’est qu’ils paraissaient tous s’être accomodés de ce traitement barbare. Des pousses vertes et même des touffes de feuilles apparaissaient à la pointe des racines, ce qui supposait que les branches enterrées avaient su se métamorphoser elles-mêmes en racines, et que la sève avait inversé le sens de la circulation."(59)
Nach und nach wird Robinsons ursprünglich dem Verstand untergeordnete Welt auf den Kopf gestellt und durch das karnevaleske Lachen Vendredis ad absurdum geführt.(60) Die Spiele, die Robinson und Vendredi nach der Explosion gemeinsam spielen, beinhalten alle dieses Konzept der heiteren Umkehrung: Robinson lernt, auf den Händen zu laufen und träumt von seiner Metamorphose in eine gigantische Hand. Er erhält darüber hinaus in Form einer ihn darstellenden Puppe symbolische Prügel; damit wird ihm von Vendredi die alte Welt ausgeprügelt(61) und die ursprüngliche Hierarchie beider wird aufgelöst. Der Herr wird zum Sklaven und der Sklave zum Herrn:
"Surtout, il [le mannequin; R.E.] était habillé avec des vieux vêtements de Robinson, comme un épouvantail à oiseaux. Sur la noix de coco [la tête; R.E.], coiffé d’un chapeau de marin, Vendredi avait dessiné le visage de son ancien maître. Il planta le mannequin debout en face de Robinson. - Je te présente Robinson Crusoë, gouverneur de Speranza, lui dit-il. Puis, il ramassa la coquille sale et vide qui était toujours là, et avec un rugissement, il la brisa sur la noix de coco qui s’écroula au milieu des tubes de bambou brisés."(62)
Die schrittweise Annäherung und schließlich Verwandlung Robinsons in Vendredi erhält durch das karnevalistische Geschehen ihre heitere Legitimation.
Der Karneval Ransmayrs sieht ein bisschen anders aus. Während Vendredi ou les limbes du Pacifique auf dem Konzept der ambivalenten, zugleich reinigenden und erneuernden Groteske der Renaissance basiert, scheint der Karneval Ransmayrs eher dem Konzept des romantisch-schauerlichen Grotesken, wie ihn Kayser darstellt, verpflichtet.(63) Auch in Die letzte Welt werden das Vertauschen von Oben und Unten, die Herr-Knecht-Metaphorik, die Auflösung aller Vernunft zelebriert. Die Ambivalenz jedoch, die Bachtin für seinen Karneval als konstitutiv betrachtet, weil sie in der (zumeist körperlichen) Erniedrigung, im Untergang, im Tod zugleich das erneuernde, lebensspendende Prinzip einer positiv utopischen Weltordnung bedeutet, scheint sich bei Ransmayr nicht zu verwirklichen.
Zwischen den beiden Polaritäten Kultur (Rom) und Natur (Tomi) schwankt Cotta hin und her, zunächst noch relativ gefestigt von seiner römischen Vernunft, dann jedoch mehr und mehr dem Wahnsinn und der nicht mehr benennbaren, weil nicht mehr erklärbaren Wirklichkeit Tomis verhaftet. "Cottas Wandern und Irren, seine Begegnungen in dieser mit ungeheuer dichterischer Kraft heraufbeschworenen Alptraumwelt werden immer mehr zu einer Einweihungsreise."(64) Ein wesentliches Merkmal der Installation Cottas in Tomi ist dessen Versuch, die Erscheinungen und Begebenheiten in und um Tomi mit Hilfe seiner römischen Vernunft erklärbar zu machen und damit zu bannen. Äußeres Zeichen dieser Vernunft ist die Notwendigkeit, Dinge zu benennen oder zu beschriften. Die Natur Tomis wehrt sich gegen diese Maßnahme des ordnenden Verstandes. Schon anhand der Briefe Nasos nach Rom wird deutlich, dass die zersetzende, verwandelnde Kraft der Peripherie so stark ist, dass sie Einfluss auf die Sätze des Briefes ausübt und diese früher veralten lässt als andere Sätze in anderen römischen Briefen.(65) Es handelt sich hier um einen "Prozeß der fortschreitenden Sprachlosigkeit."(66)
Der Karneval in Tomi, der nach dem Ende eines zweijährigen Winter gefeiert wird, ist zugleich vernunftauflösend und freudlos. Bezeichnend ist, dass diese Maskerade am Strand Tomis dem Römer Cotta das erste Mal mit Sicherheit klarmacht, daß Naso die Küste erreicht haben muss - denn Battus scheint diesen mit einer überdimensional großen Nase zu parodieren. Nicht die römische Vernunft kommt hier also zu ihrem ersten Ziel, sondern im Gegenteil der gerade aussetzende Verstand, die Halluzination, die Allusion, die Illusion. Träger dieser 'Information' ist eine Karnevalsmaske, eine Nase, ein phallisches Symbol.(67) Der Karneval im Bachtinschen Sinne ist, wie die Analyse bei Tournier bereits ergeben hat, ein ideologiefremdes, weil Hierarchien auflösendes Konstrukt. Damit steht der Karneval im Gegensatz zu Rom mit seiner Vernunft und seiner hierarchischen Struktur. Diese Unterscheidung ist im Roman jedoch nicht immer einwandfrei durchzuhalten, denn jeder Ort, wo Menschen mit- und untereinander leben, kennt seinen eigenen Karneval, sein Bedürfnis, die vorherrschenden Zustände auf den Kopf zu stellen. So lässt sich in Tomi ebenfalls eine hierarchische Struktur ausmachen, die erst in einem zweiten Schritt parodiert und vertauscht werden kann. Und in Rom findet durchaus auch Karneval statt, jedoch unter Aufsicht und 'Legitimierung' des Kaisers.(68) Der Karneval Tomis zeichnet sich durch seine relative Brutalität und Freudlosigkeit aus, dennoch wird auch dort das Vertauschen thematisiert:
"Jeder verwandelte sich in sein Geheimnis und Gegenteil. Erzkocher wurden zu Herren, Fischer zu chinesischen Kriegern; [...] wer viel geschwiegen hatte, der schrie; und wer sich ein Jahr lang in der Angst vor Schlägen geduckt und gekrümmt hatte, der schlug nun selber zu, schlug vom Schnaps betäubt mit Ruten und Ochsenziemern wahllos und ungestraft auf jeden ein, der nicht rechtzeitig floh; jeder wurde, was er nur für den hundertsten Teil eines Jahres sein durfte." (69)
Insgesamt taucht das Thema des Karnevals im Roman Die letzte Welt mehrfach auf. Ein erstes Mal aus Cottas Perspektive unten am Meer und aus der Ferne, während jener sich auf dem Weg nach Trachila befindet,(70) dann in Ceyx’ Palast nach dessen Abreise,(71) später ist die Rede von betrunkenen Kostümierten in Rom, die das Thema Ceyx/Alcyone mit dem Thema Naso/Cyane verbinden,(72) schließlich wird der Karneval in Tomi wieder aufgegriffen und aus der Nähe betrachtet.(73)
Die Installation Cottas in Tomi ist sowohl im Sinne der Nichtbenennbarkeit der Vorkommnisse in Tomi, sowie im Sinne des Karnevals gleichzusetzen mit Identitätsverlust. Thematisiert wird das allmähliche Verschwinden Cottas, sein Zurücksinken in die dunkle Verstandeslosigkeit einer von der Natur beherrschten letzten Welt.
Intertextualität bezeichnet nach Gérard Genette "une relation de coprésence entre deux ou plusieurs textes, c'est-à-dire [...] la présence effective d’un texte dans un autre."(74) Intertextualität als Methode nimmt an, dass kein Text unabhängig von anderer, bereits existierender Literatur geschrieben oder gedacht werden kann. Genettes Begriff des "palimpseste", ein Text, "[qui] se superpose à un autre, qu’il ne dissimule pas tout à fait, mais qu’il laisse voir par transparence"(75), leitet sich von einem Text ab, der auf Pergament geschrieben und (aus Gründen der Sparsamkeit, zur Wiederverwendung des Pergaments) wieder entfernt wird. Die ursprüngliche Schrift lässt sich nicht vollständig entfernen und schimmert unter der neuen Beschriftung durch. Genette führt verschiedene Begriffe ein, die alle ähnliches besagen: So spricht er von Hypertextualität, worunter er "toute relation unissant un texte B (hypertexte) à un texte A (hypotexte)"(76) versteht oder auch von Transtextualität, die einen Text in einen manifesten oder verdeckten Zusammenhang mit anderen Texten bringt. Der Übersicht halber beschränkt sich dieser Aufsatz auf den Begriff des Palimpsests, impliziert damit jedoch auch die Nuancen der darüber hinaus gehenden Begrifflichkeit von Genette.
Bei einem Palimpsest handelt es sich um eine Verwandlung. Es geht um die Metamorphose von Literatur.(77) Bei Ransmayr stellt sich die Frage, wie aus Asche neue Literatur werden kann, im konkreten Sinne, da die Metamorphosen Nasos verbrannt sind und rekonstruiert werden sollen. Und auch Tournier will - wenn nicht aus Asche, so doch aus Fragmenten älterer Texte - neue Literatur schaffen.(78) Mit seiner Literatur will er das schöpferische Prinzip nicht nur erhalten, sondern auch erneuern. Wenn man diese Art der Kreation zugrunde legt, so wird deutlich, dass es sich dabei immer um Themen und Geschichten handeln muss, die in irgendeiner Form wieder erkennbar sind. Das klarste Wiedererkennen wäre die Erinnerung an einen zuvor bereits gelesenen Text. Viel häufiger jedoch kann man seine Erinnerung nicht an einzelnen Autoren-Vorgängern festmachen. Es handelt sich dann um einen Archetyp:
"André Gide a dit qu’il n’écrivait pas pour être lu mais pour être relu. Il voulait dire par là qu’il entendait être lu au moins deux fois. J’écris moi aussi pour être relu mais moins exigeant que Gide, je ne demande qu’une seule lecture. Mes livres doivent être reconnus - relus - des la première lecture."(79)
Zusammengesetzt aus älteren Fragmenten, handelt es sich also bei dieser Literatur nicht nur um eine 'Hommage' an bereits verstorbene oder in Vergessenheit geratene Schriftsteller, sondern immer auch um die Wiedergeburt eines Stoffes, einer Geschichte. Christiane Röhrbein betont in ihrem Artikel über Michel Tournier (was ebenso anwendbar ist auf die Texte von Ransmayr), es handele sich in seinen Texten um ein
"äußerst kompliziertes Netz sowohl von innertextlichen Bezügen als auch von Verkettungen, die über die Grenzen des einzelnen Textes hinaus die Romane und Erzählungen untereinander verbinden und zudem mit dem kulturellen Erbe des Abendlandes, seiner Geschichte, Mythologie und Literatur in Berührung bringen."(80)
Die Beispiele literarischer Metamorphosen, die hier exemplarisch herausgegriffen werden, sind diejenigen, die eine gewisse Offensichtlichkeit für sich beanspruchen, oder die von den Autoren für textkonstitutiv und somit für erwähnenswert gehalten werden.
Das Verfahren der Intertextualität findet sich bereits in der Wahl der Titel. Die letzte Welt ist ein Zitat aus den Tristien des Ovid, wo dieser vom "orbis ultimus" (81) spricht, an den ihn Augustus verbannt hat. Le Roi des Aulnes ist der Titel einer Ballade von Goethe.(82) Die Schrecken des Eises und der Finsternis ist ein Zitat, das sich unwesentlich abgewandelt in den Unterlagen Julius Payers zur Beschreibung der Welt im hohen Norden findet.(83) Und Vendredi ou les limbes du Pacifique beinhaltet mit dem Namen des Eingeborenen Freitag sowohl eine Reminiszenz an den Gefährten Robinsons auf seiner Insel im Roman Defoes, als auch, mit der Erwähnung des Ortes, dem Pazifik, eine Reminiszenz an Giraudoux’ Roman: Suzanne et le Pacifique.(84)
Neben diesen offensichtlichen Hypotexten, die bei der Literaturentstehung Pate gestanden haben, gibt es noch unzählige weitere, die, mehr oder weniger kenntlich gemacht, in den Romanen Tourniers und Ransmayrs auftauchen. Es finden sich unter anderem Anklänge an James Oliver Curwood,(85) Selma Lagerlöf,(86) Alain-Fournier,(87) Nietzsche(88) und die Bibel(89) bei Tournier, an Homer(90) und Ovids Exilliteratur(91) bei Ransmayr. Darüber hinaus spielt Ransmayr anhand von Versatzstücken moderner Geschichte mit Anklängen an den Nationalsozialismus, wenn von Augustus’ Herrschaft oder dem verwundeten Thies(92) die Rede ist. Sämtliche Anachronismen in seinen Romanen werden in diesem Beitrag ebenfalls begriffen als Formen von Hypertextualität. Die Erweiterung der Definition Genettes bezöge sich dann nicht nur auf Literatur, die man übereinanderlegt, sondern auch auf Geschichte und Zeiten, die übereinandergelegt werden können. Wenn Ransmayr zum Beispiel in den Jahren zwischen 8 nach Christus und 17 nach Christus, in denen sich die (historische) Geschichte Ovids abspielt, in einer Kirche in Tomi den Erlöser am Kreuz hängen läßt, oder einen Missionar der Altgläubigen auftreten lässt; wenn er weiterhin die Metropole Rom mit Zeitungen, Telefonen, Buchläden und einem modernen Staatsapparat ausstattet, wenn Cyparis in Tomi mit einem Filmprojektor auftaucht und Jason mit einem Diaprojektor, vor dem Battus versteinert, so sind all dies übereinandergelegte Geschichten.(93) Die Zeitsprünge bewirken ein Zusammenfallen von Hyperzeit und Hypozeit. Die Hypozeit (z. B. der Nationalsozialismus) wird als Vorlage genutzt für die Hyperzeit des Romans (hier das antike Rom). Das bedeutet, dass es sich bei den Anachronismen Ransmayrs auch um eine Palimpseststruktur handelt. Es ist anzumerken, dass hier die Hypozeit durchaus zeitlich nach der Hyperzeit angesiedelt werden kann, wie das beim Nationalsozialismus und dem antiken Rom der Fall ist. Im Unterschied dazu ist Genettes Hypotext jedoch immer eine dem Hypertext vorausgehende Literatur.
Weiterhin macht dieses Verwirrspiel um verschiedene Zeitebenen und Zeiträume deutlich, dass Ransmayr keinen historischen Roman schreiben wollte.(94) Die Methode der Überlappung und Wiederkehr oder die Methode des Vorausgreifens verschiedener Zeiten trägt zur Kreisförmigkeit, zur Etablierung der zyklischen Zeit bei.
Es gibt bei beiden Autoren neben diesen vielfältigen, teils offensichtlichen, teils sublimen Reminiszenzen an ältere Texte auch noch Hinweise fast spielerischer Art auf die Palimpseststruktur als solche. Tournier und Ransmayr verwandeln also nicht nur ältere Literatur in neue, sondern machen auch auf die Methode des Verwandelns aufmerksam. Im Roman Vendredi ou les limbes du Pacifique führt Robinson ein Logbuch, welches ursprünglich mit einem älteren Text beschrieben war. Die Sonne und das Meerwasser haben diesen Text verschwinden lassen, und Robinson schreibt nun eine neue Geschichte darüber:
"Les livres qu’il trouva épars dans les cabines avaient été tellement gâtés par l’eau de la mer et de pluie que le texte imprimé s’en était effacé, mais il s’avisa qu’en faisant sécher au soleil ces pages blanches, il pourrait les utiliser pour tenir son journal, à condition de trouver un liquide pouvant tenir lieu d’encre."(95)
Weiterhin beschriftet Vendredi nicht nur sein Logbuch, sondern auch verschiedene andere Gegenstände, die er auf der Insel vorfindet, mit seiner (Zivilisations-)Geschichte: So ist auch der Fußabdruck im Fels im entferntesten Sinne ein Beispiel für eine 'neue Geschichte', die über eine alte geschrieben wird. Hier ist es die Geschichte der Kultur, die über diejenige der unberührten Natur geschrieben wird. Später beschriftet Robinson den Fels mit Schriftzeichen und Sätzen, die Benjamin Franklins Almanach entnommen sind. Es handelt sich um wahlloses Aufschreiben aus der Erinnerung, das seinen Höhepunkt in der Anordnung von im Bedarfsfalle entflammbaren Buchstaben findet:
"Ne gaspille pas le temps, c’est l’étoffe dont la vie est faite . Suspendu dans le vide sur une sorte d’escarpolette de lianes, Robinson repoussa des deux pieds la paroi rocheuse sur laquelle il venait de peindre cette dévise. Sur le granite les lettres se détachaient énormes et blanches. [...] Mais le chef-d’oeuvre de ce bréviaire flamberait en lettres de feu sur la grève [...] Des bûchettes de pin envelloppées d’étoupe étaient posées sur un lit de pierres sèches, toutes prêtes à être enflammées, et elles disaient dans leur arrangement: Si les coquins savaient tous les avantages de la vertu, ils deviendraient vertueux par coquinerie."(96)
Das 'Spiel' mit der Palimpseststruktur nimmt spätestens in dem Moment kuriose Züge an, wo Robinson sich vornimmt, Schafen aus seiner Herde Buchstaben einzubrennen und es dem Zufall zu überlassen, wann durch deren Anordnung im Raum ein Sinn und somit ein Text daraus entsteht: "Ne serait-il pas curieux de tondre sur le flanc de chaque chevreau l’une des 142 lettres de cette dévise, de telle sorte qu’il dépendrait de la Providence que la vérité jaillisse tout à coup du chassé-croisé de ces bêtes remuantes?"(97)
Auch bei Ransmayr findet sich dieses Spiel mit der Palimpseststruktur. In seinem ersten Roman Die Schrecken des Eises und der Finsternis verhält sich Mazzini ganz ähnlich wie Tourniers Robinson: Er schreibt wahllos Sprüche aus älteren Texten in sein Tagebuch ab, scheinbar ohne Sinn und Anordnung:
"Zu sagen bleibt, daß Josef Mazzini in den Tagen der Rückfahrt nur noch selten an der Reling gesehen wurde. Wie einer, der sich auf seine Entlassung, auf die große Freiheit vorbereitet, saß er in der Messe und in seiner Kabine über polargeschichtlichen Schriften der schmalen Bordbibliothek und schrieb wahllos und unablässig aus den Büchern ab; ein Sekretär der Erinnerung. Schrieb er gegen die Langeweile? Wollte er alle Bilder des Nordens sammeln und sie durch die Abschrift zu seinen eigenen machen?"(98)
Bereits zuvor manifestiert sich die Struktur der übereinandergelegten Spuren. Mazzini betrachtet sein Gesicht, unter Linien von Landkarten verdeckt, im Spiegel:
"Josef Mazzini unterbricht seinen täglichen Rundgang durch das Schiff in der Messe und betrachtet sein Spiegelbild im Glas der Wandkarte: Quer über sein Gesicht verläuft die weiß gezackte Linie der sommerlichen Treibeisgrenze, an seinen Schultern trägt er Landzungen und Inseln, über seinem Kopf die Neonglorie des unschiffbaren Eises und wie ein Häftlingsschild vor seiner Brust die Tabelle der Sonnenauf- und Untergänge."(99)
Vergleichbar mit Robinson findet hier eine Aneignung statt. Der Fußabdruck Robinsons unterwirft die Insel dem Menschen, hier unterwirft sich Mazzini den abstrakten Linien einer Landschaftskarte. Mazzini verleibt sich das Eis ein und gleichzeitig wird er vom Eis einverleibt. Verwandlung findet statt, und eine neue Geschichte wird über eine alte Geschichte geschrieben. Diese wird zumeist aber nur unzureichend überdeckt, so dass streckenweise wieder Schimmer der alten Geschichte auftauchen.
Weiterhin findet sich die Palimpseststruktur noch an jenem Felsen, an den die Matrosen vor ihrem Aufbruch zu Fuß über das Eis ihre Bilder und Andenken nageln:
"Die Matrosen nehmen die gerahmten Bilder ihrer Familien und Geliebten mit an Land und nageln sie an einen Felsen. In ihren Jahren an Bord hat diese Bildergalerie den Mannschaftsraum geschmückt; und wenn die verlassene Tegetthoff schließlich vom Eis zerdrückt wird und sinkt und wenn auch der Rückzug nirgendwohin als zum Grund des Meeres führt, dann soll dieser Felsen der Bilder das Zeichen sein, daß bewahrt wurde, was zu bewahren war."(100)
Ein Felsen verwandelt sich somit in die Erinnerung an Menschen und deren Schicksale.
Schließlich findet sich auch in Die letzte Welt die Palimpseststruktur wieder: Die Schreibwut Pythagoras’ ist vergleichbar mit der Beschriftung der Insel durch Robinson:
"Schwer beladen keuchte er [Pythagoras; R.E.] nach solchen Besuchen über Saumpfade zurück in seine Verlassenheit, saß dort zwischen Treibholz und Tang und schrieb in den Sand, damit die Wellen seine Worte und Zeichen aufleckten und ihn dazu anhielten, immer wieder anders und neu zu beginnen. [...] Pythagoras fand in den Antworten und Erzählungen Nasos nach und nach alle seine eigenen Gedanken und Empfindungen wieder und glaubte mit dieser Übereinstimmung endlich eine Harmonie entdeckt zu haben, die der Überlieferung wert war: Also schrieb er nicht länger in den Sand, sondern begann Inschriften zu hinterlassen, wohin er auch kam - zuerst waren es nur die Tische im Keller des Branntweiners, die er mit Nägeln und einem Taschenmesser gravierte, später schrieb er mit Tonscherben an Hauswände und mit Kreide an die Bäume und beschriftete gelegentlich auch entlaufene Schafe und Schweine."(101)
Dass Pythagoras durch diese Verschriftlichung die Wandlung in Starre zurückübersetzt, ist ihm vermutlich gar nicht klar, denn eigentlich hat er schon lange den Verstand verloren. Dadurch aber wird deutlich, daß es sich bei den Steinmalen nur um sinnentleerte Hüllen handeln kann, denn hinter dem Buchstaben steckt kein Verstand mehr: "Die Welt ist stets größer als ihr Name, und deshalb verfehlt sie, wer sie endgültig und verbindlich benennen will."(102)
Naso schreibt seine neuen Geschichten auf alte Kleidungsstücke der Bewohner Tomis - die Wimpel und Fetzen, die Cotta in Trachila an den Steinmalen findet, sind Teile der Verwandlungsgeschichten Nasos, von Pythagoras aufgeschrieben:
"Fama erinnerte sich: Solche Fetzen wie diesen hier habe der Knecht des Verbannten in den Häusern Tomis gesammelt, wenn er um Vorräte an die Küste herabkam - Schürzen, zerschlissene Kleider, abgelegtes Kinderzeug, um daraus im Gebirge nach dem Muster von Wegzeichen seltsame Steinmänner zu errichten."(103)
Diese Stofffetzen Pythagoras’, die Cotta aus dem Gebirge nach Tomi herabbringt und zu Girlanden zusammenzusetzen beginnt, werden ihrerseits von einer Pflanze (einer blauen Winde) umwickelt und langsam verwandelt: Ihre alte Kulturform weicht langsam einer neuen Naturform. Schließlich entsteht so etwas wie ein natürlicher Baldachin über dem Kopf Cottas in der Seilerei, Zeichen für den Sieg der Natur über die Kultur. Cotta ordnet sich unter, beugt sich unter die Macht der alles zersetzenden und alles verwandelnden Pflanzenwelt. Bemerkenswert ist: Die Geschichten Nasos gehen nicht unter, sie erstehen neu und erzählen somit noch bildhafter von dem, was sie bereits in sich tragen.(104)
Die Belagerung der Schnecken auf den Steinmalen in Trachila schließlich ist auch ein Hinweis auf eine Geschichte, die überschrieben wird: Hier wird Kultur von Natur umgeschrieben. Zuerst waren die Steinmale und die Sätze Pythagoras’ da, die in einem zweiten Schritt überwuchert werden durch eine Kolonie von Schnecken. In einem dritten Schritt befreit Pythagoras die Steine von den Schnecken, indem er sie mit Essiglauge abtötet. Das Ende des Romans erlaubt jedoch einen Ausblick auf das tatsächliche Resultat, wenn man der Natur nur genug Zeit lässt, sich über den Menschen zu erheben: Eine neue Generation von Schnecken hat sich gebildet, die die in den Stein gemeißelten Worte mit ihren Leibern nun vollkommen bedeckt.(105)
Letztlich läßt Ransmayr Cotta in Trachila und auch in Tomi nur noch durch eine Zitatwüste irren,(106) wo alles gespickt ist mit Reminiszenzen an andere, ältere Geschichten. Die Geschichte des Protagonisten wandelt sich damit in eine einzige, umfassende Reminiszenz an bereits Erlebtes und (V)Erdichtetes.
Die Apokalypse steht bei beiden hier vorgestellten Autoren in einem unübersehbaren Zusammenhang mit Metamorphose und damit mit Reversibilität. Weder das apokalyptische Weltbild der Antike, noch die neuerdings proklamierte kupierte Apokalypse in der Gegenwartsliteratur stehen jedoch in diesem gleichen Kontext. Bei beiden handelt es sich um irreversible Modelle von Weltauffassung. In dem einen spielt der Mensch eine Rolle, in dem anderen geht er unter. Weder lassen sich also die apokalyptischen Texte Tourniers und Ransmayrs unter das biblische Modell der Apokalypse (als Sieg des Guten über das Böse), noch unter den (post-)modern irreversiblen Apokalypsetopos des Atomzeitalters und des Posthistoire einordnen. Und das, obwohl biblische Reminiszenzen sowie auch Verweise auf die letztlich selbstverschuldete Autodestruktion der Menschheit im Atomzeitalter die Texte beider Autoren allerorts leitmotivisch durchziehen.
Die Kunst besitzt "die Fähigkeit [...], die Zerstörung des Künstlers zu überleben", sagt Salman Rushdie in einem Essay über seinen Kollegen Ransmayr.(107) Wenn man sich zu entscheiden hat zwischen den Mythen der Stasis und jenen der Metamorphosis, so greift der Künstler und Schriftsteller gerne zu letzteren. Er weiß wohl, dass er seinen Namen am ehesten in seinen Figuren unsterblich macht. Robinson, Naso und Cotta gehören heute schon zu diesen unsterblichen Figuren. Beide Autoren profitieren nicht zuletzt von einem bereits seit Jahrhunderten vorhandenen Geschichtenfundus, den sie, beide auf ihre unnachahmliche und kreative Weise, neu und anders er- und verdichtet haben. Beide Autoren sind keine Vertreter der Theorie einer totalen Apokalypse, schon aus dem einfachen Grunde nicht, da ihre Literatur mit ihnen untergehen würde. Daran aber glauben sie nicht, sondern an die Beständigkeit ihres Werkes, das zu diesem Zweck ein Bündnis eingehen muss mit dem Verfall, denn nur, was stirbt und den Jahreszeiten preisgegeben wird, kann schließlich neu entstehen. Dauer ist abhängig von Untergang und Wandlung.
© Regina Eickelkamp (Universität Paderborn)
ANMERKUNGEN
(1) Vgl. Tournier, Michel: "L’apocalypse de décembre ou la symbiose orageuse de l’arbre et du vent." In: Le Figaro, 21.3.2000: "L’apocalypse, c’est un rideau qui se lève, une grande lumière, qui illumine une réalité cachée, la proclamation d’une vérité jusque-là obscure. Tel est le sens étymologique du mot."
(2) Vgl. Lang, Bernhard: "Der eine Gott im Weltbild der Bibel: Ein Versuch, den Monotheismus zu verstehen." In: Andreas Hölscher/Rainer Kampling (Hrsg.): Glauben in Welt. Morus Verlag, Berlin, 1999, 9-28, 20ff.
(3) Ebd., 18.
(4) Ebd., 21.
(5) Zum Begriff der kupierten Apokalypse, der das Moment der Erneuerung fehlt, vgl. Vondung, Klaus: Die Apokalypse in Deutschland. dtv, München, 1988, 12. Vgl. auch Lilienthal, Volker: "Irrlichter aus dem Dunkel der Zukunft. Zur neueren deutschen Katastrophenliteratur." In: Helmut Kreuzer (Hrsg.): Pluralismus und Postmodernismus. Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte. Peter Lang, Frankfurt/M., 1995, 257-296, 260: "Entropie ist das Stichwort, Verfall aller Herrschafts- und Ordnungssysteme. Der aus der Physik entlehnte Begriff gehört neben Totalität und Irreversibilität zu den Aspekten, unter denen sich fast alle literarischen Untergangsvisionen betrachten lassen."
(6) Mosebach, Holger: Endzeitvisionen im Erzählwerk Christoph Ransmayrs. Meidenbauer, München, 2003.
(7) Es wird nach folgenden Ausgaben zitiert: Tournier, Michel: Vendredi ou les limbes du Pacifique. Gallimard, Paris, 1972, im Folgenden V angekürzt. Tournier, Michel: Le Roi des Aulnes. Gallimard, Paris, 1970, im Folgenden RA abgekürzt.
(8) Es wird nach folgenden Ausgaben zitiert: Ransmayr, Christoph: Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Fischer, Frankfurt/M., 1987, im Folgenden SE abgekürzt. Ransmayr, Christoph: Die letzte Welt. Fischer, Frankfurt/M., 1991, im Folgenden LW abgekürzt.
(9) Kurt Bartsch und Reingard Nethersole betonen diesen Primat des Metamorphosetopos vor dem Apokalypsetopos in Hinblick auf den Roman LW. Vgl. Nethersole, Reingard: "Vom Ende der Geschichte und dem Anfang von Geschichten: Christoph Ransmayrs Die letzte Welt." In: Acta Germanica. Jahrbuch des Germanistenverbandes im südlichen Afrika. Bd. 21, 1992, 229-245, 239: "So handelt es sich bei der Letzten Welt weniger um einen 'apokalyptischen Diskurs' (Gerhard Kaiser 1991: 9) als um einen dem Denken Heraklits verpflichteten der Transformation, [...]." Bei Bartsch heißt es: "Wichtiger aber erscheint mir, dass dieser Roman [LW; R.E.] an der Destruktion irrationaler Mythisierungen, modischen apokalyptischen Redens arbeitet, und zwar durch Bezug auf Mythen, konkret auf das Ovidsche Verwandlungsprinzip. Eine mythische Denkform kann solcherart zu einer aufklärenden, d.h. Herrschaft entzaubernden und furchtmindernden werden." Bartsch, Kurt: "Dialog mit Antike und Mythos. Christoph Ransmayrs Ovid-Roman Die letzte Welt." In: Modern Austrian Literature, Vol. 23, Nos. 3/4, 1990, 121-153, 128.
(10) Der Vorname 'Abel' (RA) wird mit 'Windhauch' übersetzt. Damit setzt Tournier diese Figur bewusst in den Rahmen des traditionell biblischen Weltverständnisses von zyklischer Wiederkehr: Aus der Übersetzung des Namens resultiert zum einen die Hinfälligkeit des Lebens, andererseits jedoch auch der Anspruch des Protagonisten auf Ewigkeit. Hinfälligkeit und Ewigkeit schließen einander nur auf den ersten Blick aus. Wenn man die Unterscheidung zwischen linearer und zyklischer Zeit zugrunde legt, entsteht zwischen der Ewigkeit und der Hinfälligkeit des Lebens in der zyklischen Zeit kein Bruch. Es wir eher der Eindruck vermittelt, dass das Eine das Andere notwendigerweise ergänzt. Vgl. dazu Die Bibel. Einheitsübersetzung. Altes und Neues Testament. Herder, Freiburg/Basel/Wien, 1980, Koh. 1, 9ff.: Er weht nach Süden, dreht nach Norden,/dreht dreht, der Wind./Weil er sich immerzu dreht, kehrt er zurück, der Wind [...]. Was geschehen ist, wird wieder geschehen,/was man getan hat, wird man wieder tun:/es gibt nichts Neues unter der Sonne. Bei Ransmayr findet sich die zyklische Zeitvorstellung der ewigen Wiederkehr z. B. in SE, 156: "Was immer sie jetzt auch tun - sie haben es schon einmal getan. Sie wiederholen ihre Tage. Die Zeit kreist. Selbst was sie längst versunken glaubten, kehrt wieder zurück."
(11) RA, 405.
(12) Vgl. dazu: Fröhlich, Monica: Literarische Strategien der Entsubjektivierung. Das Verschwinden des Subjekts als Provokation des Lesers in Christoph Ransmayrs Erzählwerk. Ergon, Würzburg, 2001.
(13) Zum Konzept der Identitas-Alteritas vgl. den Aufsatz von Deleuze, Gilles: "Michel Tournier et le monde sans autrui." In: V, 257ff.
(14) Auf der Insel fehlt Robinson der Blick des Anderen auf das Selbst, und somit auch jener, der Robinson beim Namen nennen und somit erkennen könnte.
(15) Die "Erfindung der Wirklichkeit" als poetologisches Prinzip bei Ransmayr, findet terminologisch bei Tournier keine Entsprechung. Eine Ähnlichkeit in der Aussage über Möglichkeit und Wirklichkeit der Romanwelten ist jedoch nicht zu übersehen. Wo, wie bei Ransmayr, auf einer gemeinsamen Expedition jeder aus einem anderen Eis berichten kann, oder wo, wie bei Tournier die Handlung in einem von 'Autrui' nicht verifizierbaren, hermetisch geschlossenen Naturraum stattfindet, kann nicht mehr von Geschichte im Singular, sondern nur noch von Geschichten im Plural die Rede sein. Wirklichkeit wird vervielfältigt und quasi für jeden einzelnen Blickwinkel auf die Welt neu erfunden.
(16) Da die Ergebnisse der beiden Romane V und LW repräsentativ sind, verzichten wir aus Platzgründen auf eine ausführliche Analyse auch zu den beiden anderen Romanen. Eine genaue Textanalyse kommt hier vielfach zu ähnlichen Ergebnissen. Wo dies sinnvoll erscheint, werden die beiden Romane SE und RA dennoch vergleichend mit einbezogen.
(17) Vgl. Eliade, Mircea: Initiation, rites, sociétés secrètes. Gallimard, Paris, 1959, 12ff. Auffällig ist, dass auch die Romane RA sowie SE stark vom Element des Wassers geprägt sind. Die Moorlandschaft Ostpreußens ist ebenso eine apokalyptische Wasserlandschaft wie die Eiswelten des Nordpolarmeers.
(18) V, 27.
(19) Ebd., 30.
(20) Ebd., 41f.
(21) Vgl. Ebd., 66.
(22) Vgl. Tournier, Michel: "L’île et le jardin." In: Le Monde, 31.10./01.11.1976.
(23) V, 157ff.
(24) Zu den Begriffen vgl. Bouloumié, Arlette: Vendredi ou les limbes du Pacifique de Michel Tournier. Gallimard, Paris, 1991.
(25) V, 183f.
(26) Vgl. LW, 284.
(27) Das Motiv der Versteinerungen, Schlüsselmotiv in LW, findet sich bereits in SE. Die Natur Spitzbergens hat die Fähigkeit, Dinge, Pflanzen wie Menschen, zu konservieren. Vgl. z.B. SE, 74, 83, 197. Die Versteinerungen im Eis bieten eine vorzügliche Kulisse für die Rückwärtsbewegung in der Zeit.
(28) Vgl. V, 105. Auch im RA bewegt sich die Zeit rückwärts. Der Roman endet mit einer (historischen) Apokalypse, die - personifiziert im Protagonisten - ebenfalls die 'Urzeit' einer mythisch-zyklischen Zeitauffassung erreicht. Seit Beginn der Reise ist für Tiffauges die Uhr immer in die entgegengesetzte Richtung gelaufen. Vgl. dazu RA, 270f.
(29) Vgl. V, 238.
(30) Vgl. Fitz, Angela: "Wir blicken in ein ersonnenes Sehen." Wirklichkeits- und Selbstkonstruktion in zeitgenössischen Romanen. Sten Nadolny, Christoph Ransmayr, Ulrich Woelk. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert, 1998, 293f.: "Unter dem Gesichtspunkt, daß sich die Natur die Zivilisation zurückerobert und sich ihre Bestandteile durch Metamorphose wieder aneignet, wird "Die letzte Welt" häufig als ein Text gelesen, in dem Ransmayr die Apokalypse als positives Ziel seiner Utopie gestaltet habe. Außerdem wird ihm vorgeworfen, daß er mit Hilfe seiner eindrücklichen Sprache den Untergang als ;Faszinosum` gestalte und dadurch den Leser berausche." Dieser Vorwurf erinnert an denjenigen Jean Amérys im Hinblick auf den tournierschen Roman RA. Der österreichische Schriftsteller hatte diesem "Ästhetizismus der Barbarei" vorgeworfen. Vgl. dazu Améry, Jean: "Ästhetizismus der Barbarei. Über Michel Tourniers Roman 'Der Erlkönig'." In: Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken. Herausgegeben von Hans Paeschke, 27. Jg., Heft 297, Januar 1973, 73-79.
(31) Horstmann, Ulrich: Das Untier. Konturen einer Philosophie der Menschenflucht. Medusa Verlagsgesellschaft, Wien/Berlin, 1983, 8.
(32) Just, Renate: "Erfolg macht müde." In: Zeitmagazin, 16.12.1988.
(33) Vgl. Epple, Thomas: Christoph Ransmayr: Die letzte Welt. Oldenbourg Verlag, München, 1992, 54: "Nach dem Untergang in der Sintflut entsteht nicht, wie in der Apokalypse der Bibel und den säkularisierten Nachfolgern ihrer Vision bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, ein ,Neues Jerusalem` als Verwirklichung der menschlichen Utopie, sondern der menschliche Charakter ist so unheilbar schlecht, der Mensch so sehr ein Irrläufer der Evolution, daß auf Besserung nicht gehofft werden kann." Vgl. dazu die Aussage Vollstedts, die auch der Meinung ist, dass der Mensch in den Augen Ransmayrs die Katastrophe selbst verursacht hat: Vollstedt, Barbara: Ovids "Metamorphoses", "Tristia" und "Epistulae ex Ponto" in Christoph Ransmayrs Roman "Die letzte Welt". Schöningh, Paderborn/München/Wien/Zürich, 1998, 68: "In ,Die letzte Welt` wird zwar explizit kein Grund für den Untergang der Erde genannt, aber es gibt mehrere Anzeichen dafür, daß die Menschen sich aufgrund fataler Eingriffe in die Natur die Schuld für die Katastrophe selbst zuzuschreiben haben: das Wetter hält sich nicht an die Jahreszeiten, der Winter ist zu lang und zu kalt, das Frühjahr zu heiß, so daß die Bewohner Tomis "alle Phänomene der Erwärmung als die Zeichen einer neuen, unheilvollen Zeit" (120) deuten. Dabei denkt man natürlich an in jüngster Zeit diskutierte Auswirkungen eines möglichen Treibhauseffektes, der z. B. die Polkappen zum Schmelzen bringen könnte."
(34) Vgl. T. Epple, Christoph Ransmayr, 55: "Auf die eine oder andere Weise ist vielmehr das Ende der Menschen als in der Logik der Dinge liegend zu akzeptieren, wir leben unweigerlich in einer letzten Welt, so der Tenor des Buches." Angela Fitz betont richtig den Verlust der Vormachtstellung des Menschen gegenüber der Natur, spricht jedoch konträr zu Epple davon, der Mensch ginge dabei nicht wirklich unter. Um den Untergang des Menschen scheint es Ransmayr aber gerade in seinem Werk zu gehen, was besonders in seinem Prosatext Strahlender Untergang deutlich wird. Auch die letzte Welt verliert den Menschen, wie er einmal gewesen ist und sich definiert hat. Zurück bleibt eben, wie Ransmayr selbst betont, im durchaus wünschenswerten Falle "die vom Homo Sapiens entleerte Erde [...]." Vgl. dazu A. Fitz, Wir blicken in ein ersonnenes Sehen, 297. Insofern ist vielleicht wirklich von einer "Logik der Dinge" zu sprechen, wie Epple dies tut. Die Frage, für welche Version sich Epple nun entscheidet, die 'Schuldhaftigkeit' des Menschen oder die 'Prinzipien des Daseins', erscheint von größerer Bedeutung.
(35) Vgl. T. Epple, Christoph Ransmayr, 51: "Dieser Untergang der Menschheit entspricht keiner apokalyptischen und selbstverschuldeten Horrorvision, sondern eher den Prinzipien des Daseins. Auch die Natur, Pflanzen, Vögel, selbst Steine sind dem Prozeß der Veränderung, des Zerfallens unterworfen." Mit dieser Äußerung scheint sich Epple in dem zu widersprechen, was er zuvor sagte, nämlich dass der Mensch schlecht und ein 'Irrläufer der Evolution' sei, der seinen Untergang selbstverschuldet habe.
(36) Die Wüste als Landschaft hat Ransmayr schon immer fasziniert: Vgl. de Rambures, Jean-Louis: "Le phénomène Ransmayr", In: Le Monde, 15.09.1989: "Lorsqu’un thème commence à m’obséder, j’essaie tout d’abord d’imaginer le paysage désertique où je pourrais situer l’histoire. Oui, je l’avoue, les lieux où la civilisation est encore absente, ou d’où elle s’est retirée, me fascinent."
(37) Vgl. Ransmayr, Christoph: Strahlender Untergang. Ein Entwässerungsprojekt oder Die Entdeckung des Wesentlichen. Fischer, Frankfurt/M., 2000, 60f.
(38) Bockelmann, Eske: "Christoph Ransmayr." In: Heinz-Ludwig Arnold (Hrsg.): Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (KLG). Band 7, edition text + kritik, München, 1990, 2.
(39) Das Eismeer im Roman Ransmayrs spielt eine ähnliche Rolle wie die 'limbes' im Roman Tourniers. Mazzini übertritt mit seiner Reise die Grenze zwischen alter und neuer Welt und begibt sich an einen U-Topos, einen Nicht-Ort, der bisher nur angefüllt mit vagen Ideen und Vorstellungen, nun mit eigenen Erfahrungen zu füllen ist. Mazzinis Spurensuche ist ein Neuentwurf der Vergangenheit, der Versuch, die Wirklichkeit neu zu erfinden. Vgl. SE, 20f.
(40) Zu nennen wären unter anderen Autoren wie Thomas Bernhard (Frost, 1963), Tankred Dorst (Eiszeit, 1972), Günter Grass (Der Butt, 1977), Christa Wolff (Kein Ort. Nirgens, 1979) und Hans Magnus Enzensberger (Der Untergang der Titanic, 1978). Vgl. dazu Grimm, Reinhold: "Eiszeit und Untergang. Zu einem Motivkomplex in der deutschen Gegenwartsliteratur." In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur. 73.1, Frühling 1980, 155-186.
(41) Urban-Halle, Peter: "Reisen an den ultimativen Ort." In: Tagesspiegel, 21.9.1997. Vgl. dazu Nossak, Hans Erich: "Die Spirale." In: Friedhelm Marx (Hrsg.): Wege ins Eis. Nord- und Südpolfahrten. Insel, Frankfurt/M., 1995, 189-204, 190f.: "Dann allerdings erkannten wir sofort, daß es tatsächlich ein eingeschneiter Mann war. [...] Die Hunde kratzten unten herum, gaben es aber schneller auf als wir. Offenbar hatte der Mann keinerlei Geruch mehr an sich. Die Hände hatte er in den Taschen seiner Jacke. [...] Am meisten überraschte uns, daß er stand. [...] Ich klopfte ihm ganz sanft das Gesicht mit meinem Handschuh ab. Seine Augen waren geschlossen und die Augäpfel so hart wie Marmeln. [...] Aber auch so ließ es sich schließlich nicht länger verheimlichen, daß der Mann lächelte."
(42) Naso, Publius Ovidius: Metamorphosen . Lateinisch-Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Michael von Albrecht, Reclam, Stuttgart, 1994, I, 17.
(43) Bachmann, Peter: "Die Auferstehung des Mythos in der Postmoderne. Philosophische Voraussetzungen zu Christoph Ransmayrs Roman ,Die letzte Welt´." In: Diskussion Deutsch, Jahrgang 21, 1990, Heft 116, 639-651, 639.
(44) Vgl. Schirrmacher, Frank: "Bücher aus Asche, Leiber aus Ameisen." In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.9.1988.
(45) Ransmayr selbst bezeichnet das Exil seines Naso als ein Stadium zwischen Leben und Tod. Damit nähert er sich wiederum den 'limbes' Tourniers an. Vgl. LW, 129.
(46) Schon der Plural Apokalypsen weist darauf hin, dass es nicht einen einzigen und globalen Untergang geben kann. Die vielen verschiedenen kleinen, oft persönlichen Untergänge verweisen auf die postmoderne Struktur der Zentrumslosigkeit. Derrida spricht von der "Apokalypse der Apokalypse" und davon, dass es nicht das Ende, sondern nur viele Enden gebe. Vgl. dazu Welsch, Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne. Akademie-Verlag, Berlin, 41993, 148, und Derrida, Jacques: Apokalypse. Von einem neuerdings erhobenen apokalyptischen Ton in der Philosophie. Böhlau, Graz/Wien, 1985.
(47) LW, 31.
(48) Ebd.
(49) Ebd., 36.
(50) Ebd., 62.
(51) Ebd., 63.
(52) Vgl. Ebd., 107.
(53) Vgl. Ebd., 120. Siehe dazu die Verfärbung des Meeres: Die Bibel, Offb., 16, 3-4. Gottwald sieht Ransmayr im Wesentlichen nicht von der Bibel beeinflusst, sondern von der ovidschen Vorlage: Vgl. Gottwald, Herwig: Mythos und Mythisches in der Gegenwartsliteratur. Studien zu Christoph Ransmayr, Peter Handke, Botho Strauss, George Steiner, Patrick Roth und Robert Schneider. Akademischer Verlag, Stuttgart, 1996, 28. Dennoch findet sich neben dieser Stelle mit dem verfärbten Meer noch eine weitere, deutlichere Anspielung auf die Johannitische Apokalypse: Vgl. LW, 238: "Pythagoras’ Hand aber flog über das blaue Tuch, als müßte er in rasender Eile die Worte festhalten, bevor sie verwehten." Der Knecht Nasos übernimmt hier die Rolle des Johannes, der die Worte des Engels aufzeichnet. Naso steht somit an der Stelle Gottes, denn er ist es, der seinem Knecht die Worte diktiert hat. Vgl. Die Bibel, Offb., 1, 1-3.
(54) Vollstedt erkennt in dieser Echo-Vision christliche Endzeiterwartungen: B. Vollstedt, Ovids "Metamorphoses", 73.
(55) LW, 163.
(56) Ebd., 169f.
(57) Zum Topos der Bühne und des Abtretens des Protagonisten 'Mensch' vergleiche auch die jüngste, ebenfalls in apokalyptischer Tradition stehende Veröffentlichung Ransmayrs: Ransmayr, Christoph: Die Unsichtbare. Tirade an drei Stränden. Fischer, Frankfurt, 2001.
(58) Vgl. V, 159, 163 und 189.
(59) Ebd., 163.
(60) Vgl. Bachtin, Michail: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Suhrkamp, Frankfurt/M., 1995, 59 f.: "Für sie [die Karnevalsrede; R.E.] gilt eine eigene Logik der ,Umkehrung´ (à l’envers), des ,Gegenteils´, des ,Auf-den-Kopf-Stellens´, eine Logik der ständigen Vertauschung von Oben und Unten [...]."
(61) Vgl. M. Bachtin, Rabelais, 258: "Auf einer gewissen Ebene haben Schläge und Beschimpfungen nicht habituellen Charakter, sondern sind als symbolische, aufs ,Höhere´, auf den ,König´ gerichtete Handlungen aufzufassen [Kursiv; M.B.]."
(62) V, 210. Vgl. auch M. Bachtin, Rabelais, 58: "Im Gegensatz zum offiziellen Feiertag zelebrierte der Karneval die zeitweise Befreiung von der herrschenden Wahrheit und der bestehenden Gesellschaftsordnung, die zeitweise Aufhebung der hierarchischen Verhältnisse, aller Privilegien, Normen und Tabus. [...] Besondere Bedeutung hatte die Aufhebung hierarchischer Beziehungen während des Karnevals. An offiziellen Feiertagen traten die hierarchischen Unterschiede besonders deutlich hervor; man erschien mit allen Insignien seines Standes, Ranges und Verdienstes, und jeder nahm den ihm seiner Stellung nach zukommenden Platz ein."
(63) Vgl. Kaiser, Wolfgang: Das Groteske in Malerei und Dichtung. Rowohlt, Reinbek, 1960.
(64) Haldimann, Eva: "Keinem bleibt seine Gestalt." In: Neue Zürcher Zeitung, 1.9.1988.
(65) Vgl. LW, 133.
(66) Ebd., 134.
(67) Vgl. Ebd., 96.
(68) So wie Eske Bockelmann feststellt, dass dem Imperator in Rom "an den Erzählern und an der mythologischen Herleitung seines Hauses" (E. Bockelmann, "Christoph Ransmayr", KLG, 6.) gelegen war, so war ihm vermutlich auch am Karneval seiner Untertanen gelegen, allerdings nur in ihrer Funktion als Untertanen, was dazu beiträgt, seine Machtposition zu stärken. An Mythen der Verwandlung, sowie der Vertauschung von Herren- und Sklavenmoral war ihm dagegen sicherlich nicht gelegen.
(69) LW, 88. Begriffe wie Verwandlung, Schläge, Schnaps (Alkohol), Ruten, Ochsenziemer, wahllos, ungestraft sind Schlüsselbegriffe in der Bachtinschen Analyse des Karnevals. Vgl. dazu M. Bachtin, Rabelais, vor allem Kap. 5 und 6. Außerdem: Bachtin, Michail: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur, Fischer, Frankfurt/M., 1990.
(70) Vgl. LW, 13/14.
(71) Vgl. Ebd., 36.
(72) Vgl. Ebd., 58.
(73) Vgl. Ebd., 87ff.
(74) Genette, Gérard: Palimpsestes. La littérature au second degré. Editions du Seuil, Paris, 1982, 8.
(75) Ebd., 451.
(76) Ebd., 11.
(77) Vgl. A. Fitz, Wir blicken in ein ersonnenes Sehen, 304.
(78) De Rambures, Jean-Louis: "De Robinson à l’Ogre." In: Le Monde, 24.11.1970: "Je suis comme la pie voleuse. Je ramasse à droite et à gauche tout ce qui me plait pour l’entasser dans mon nid. Le problème c’est de remuer toutes ces choses hétéroclites jusqu’à ce qu’il en sort un livre."
(79) Tournier, Michel: Le Vent Paraclet. Gallimard, Paris, 1977, 189. Im Folgenden VP abgekürzt.
(80) Röhrbein, Christiane: "Michel Tournier." In: Heinz-Ludwig Arnold (Hrsg.): Kritisches Lexikon der fremdsprachigen Gegenwartsliteratur (KLfG), Band 8, edition text + kritik, München, 1983, 7.
(81) Naso, Publius Ovidius: Tristia. 2 Bde. Übersetzt und erklärt von Georg Luck. Bd. I: Text und Übersetzung. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg, 1967, I, 1, 127.
(82) Goethe, Johann Wolfgang von: "Erlkönig." In: Hans Peter Treichler (Hrsg.): Deutsche Balladen. Manesse Verlag, Zürich, 1993, 125f.
(83) Vgl. SE, 37: "Ich hielt den Hirten und Jägern, die meine Begleitung ausmachten, Abends beim Feuer einen Vortrag über den Nordpol, von Staunen erfüllt, wie es Menschen geben könne, die weit mehr als Andere befähigt seien, die Schrecken der Kälte und Finsterniß zu ertragen." [Unterstreichung; R.E.].
(84) Giraudoux, Jean: "Suzanne et le Pacifique." In: Giraudoux, Jean: Oeuvres romanesques complètes. 2 Bde., Bd. I, Bibliothèque de la Pléjade, Gallimard, Paris, 1990, 463-616.
(85) Vgl. RA, 55ff. und VP, 52f.
(86) Vgl. Ebd., 47f. Anklänge an die Atmosphäre des Landes im Norden, an den Zug der Wildenten und an die melancholische Stimmung des Aufbruchs finden sich im Roi des Aulnes wieder: Vgl. RA, 227 und RA, 234. In V beschreibt Tournier eine Schlacht zwischen grauen und schwarzen Ratten, die dem Nils Holgersson entnommen scheint. Vgl. dazu V, 85ff. und Lagerlöf, Selma: Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Teil I-III. Einzige vollständige Ausgabe, Nymphenburger Verlagshandlung, München, 1948, 46f. Auch RA, 486 erinnert mit der Beschreibung der "formations en V des oies sauvages" an Lagerlöf.
(87) Die Eingangsszene im RA, wo die Kinder auf dem Schulhof Kämpfe ausführen, Reiter und Pferd spielen und sich gegenseitig von den Rücken zu stoßen versuchen, hat Tournier aus dem Roman Le Grand Meaulnes von Alain-Fournier regelrecht kopiert. Vgl. Alain-Fournier: Le Grand Meaulnes. Fayard, Paris, 1971, 96f. mit RA, 66.
(88) In V steht Vendredi in einem auffallenden Zusammenhang mit Zarathustra. Dessen Aussage: "Man muß noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können." (Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Insel, Frankfurt/M., 1994, 18) scheint Tournier als Motto über die Figur des dionysisch anmutenden Vendredi gestellt zu haben. Bouloumié sieht in dem Pfeil, den Vendredi abschießt, und der nicht mehr zurückkehrt, (Vgl. V, 194) eine Reminiszenz an den Satz des Prologes Zarathustras: "Es kommt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinauswirft, und die Sehne seines Bogens verlernt hat, zu schwirren." (F. Nietzsche, Also sprach Zarathustra, 18. Vgl. A. Bouloumié, Vendredi, 146.) Auch Robinson trägt Züge des Propheten: Die Höhle, in die er sich auf der Insel zurückzieht, bevor er seine Verwandlung zum "être solaire" durchmacht, ist mit der Höhle Zarathustras zu vergleichen. Das Ende von V ist in abgewandelter Form das Heraufbrechen des Großen Mittags und Jaan, das Sonntags-Kind, das Sonnen-Kind, ein weiteres Zeichen dafür. Vgl. V, 217: "Soleil, es-tu content de moi? Regarde moi. Ma métamorphose va-t-elle assez dans le sens de ta flamme?" Nicht zuletzt die zyklische Zeit und der Wunsch nach Ewigkeit verbindet die Gestalten: Vgl. F. Nietzsche, Also sprach Zarathustra, 231: "Doch alle Lust will Ewigkeit - Will tiefe, tiefe Ewigkeit!" Vgl. damit V, 190: "Ignorant toute notion de passé et de futur, il vivait enfermé dans l’instant présent." Zum gesamten Zarathustra- und Dionysos-Komplex vgl. auch die Interpretation A. Bouloumié, Vendredi, 144ff.
(89) Vgl. zu den biblischen Reminiszenzen z. B. V, 27 oder V, 134.
(90) Der Topos der Seereise ist in der Literatur vor Ovid keinesfalls unbekannt. Seine Inspiration wird der römische Dichter bei Vergil und Homer gefunden haben. Vgl. z. B. Vergil: Aeneis. Lateinisch-Deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Johannes Götte, Ernst-Heimeran-Verlag, o.A. des Ortes, 1971, I, 81ff. Weiterhin Homer: Ilias - Odyssee. In der Übertragung von Johann Heinrich Voß, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 21987, V, 315-323 sowie XII, 403ff.
(91) Nicht zu übersehen ist der Palimpsestcharakter der Seereise: Ransmayr inspiriert sich bei Ovid, der in den Tristien seine Reise ins Exil beschreibt: Vgl. P. O. Naso, Tristia, I, 2, 19ff. Vgl. auch P.O. Naso, Metamorphosen, XI, 478-569. Vgl. dazu die Romaneinleitung Ransmayrs: LW, 7f. Vgl. auch Naso, Publius Ovidius: Die Fasten. 2 Bde. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Franz Bömer, Bd. I: Einleitung. Text und Übersetzung. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg, 1957, III, 586-592.
(92) Vgl. LW, 261.
(93) Vgl. zum Thema der Anachronismen v. a. den Aufsatz: Märtin, Ralf-Peter: "Ransmayrs Rom. Der Poet als Historiker." In: Uwe Wittstock (Hrsg.): Die Erfindung der Welt. Zum Werk von Christoph Ransmayr. Fischer, Frankfurt/M., 1997, 113-119.
(94) Ebd. 114: "Die Geschichte des historischen Romans ist die Geschichte einer Illusion." Damit trifft er den Kern der Aussage Tourniers und Ransmayrs: Die Objektivität der Historie wird zugunsten eines oder mehrerer höchst subjektiver Betrachterstandpunkte aufgegeben.
(95) V, 44.
(96) Ebd., 139f.
(97) Ebd., 140.
(98) SE, 186.
(99) Ebd., 165.
(100) Ebd., 237.
(101) LW, 251ff. Vgl. damit auch die Arbeitsweise Ransmayrs selbst: Lackner, Erna: "Christoph Ransmayr", In: Frankfurter Allgemeine Zeit-Magazin, 13.10.1995: "Das Schreiben mit dem Notebook kommt ihm wie ein archaisches vor, wie das Schreiben auf eine Schiefertafel, auf eine Höhlenwand, in den Sand. Er kann alles wie mit der Hand verwischen, drüberschreiben, neu beginnen. Er schaut durch das sanft glimmende Fenster hinein in seine Geschichte, vor sich hat er diese immaterielle Schrift, fast nur wie ein sichtbar gemachter Gedanke, die Sätze sind horizontale Fäden, können wieder und wieder wiederholt werden, ohne Abfall, Papierberge zu erzeugen, alles treibt langsam über den oberen Rand des Fensters hinaus und verschwindet scheinbar im Nichts, was die Empfindung von Vorwärtskommen erzeugt, die Sisyphosqualen mildert, und die Sätze, die Absätze werden durch die Wiederholung allmählich präziser, kürzer, dichter."
(102) Melzer, Gerhard: "Kleiner Versuch über Denkmäler." In: Neue Zürcher Zeitung, 20./21.04.1996. Benennung, wie Payer sie auf seinem Franz-Josefs-Land betreibt, kommt laut Ransmayr einem Vampirismus gleich; Worte saugen sich voll und werden zum Selbstzweck, die Benennung wird zum Benannten selbst.
(103) LW, 250f.
(104) Vgl. Ebd., 271. Gleichzeitig erinnern die Stofffetzen an die raschelnden Papiergirlanden Payers: Vgl. SE, 272: "Was er sagen will, kritzelt Payer nun auf kleine Zettel, die er aneinanderklebt; seine Fragen, seine Erinnerungen, seine Klagen werden zu rasch anwachsenden Papierstreifen, die er Schlangen nennt und vor seinen Besuchern entrollt [Kursiv; C.R.]."
(105) Vgl. LW, 242f.
(106) Vgl. Fetz, Bernhard: "Der 'Herr der Welt' tritt ab", In: U. Wittstock (Hrsg.): Die Erfindung der Welt, 33.
(107) Rushdie, Salman: "Der Künstler, zermalmt von den Mythen eines Tyrannen." In: U. Wittstock (Hrsg.): Die Erfindung der Welt, 14.
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5.16. Apocalypse Now? Eschatologische Tendenzen in der Gegenwartsliteratur
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