Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. August 2004
 

6.2. Der Einfluß der Medialität auf sprachliche Kommunikationsstrukturen und die Organisation des kulturellen Gedächtnisses
HerausgeberIn | Editor | Éditeur: Gisela Fehrmann und Erika Linz (Universität Köln)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Räumliche Mündlichkeit.
Transkriptive Verfahren in Narrationen der Deutschen Gebärdensprache.

Gisela Fehrmann (SFB /FK 427 "Medien und kulturelle Kommunikation" an der Universität Köln)
[BIO]

 

Strukturelle Mündlichkeit der Deutschen Gebärdensprache

Nationale Gebärdensprachen sind natürliche Zeichensysteme einer Minderheitenkultur, die auf allen linguistischen Ebenen eine den Lautsprachen vergleichbare Komplexität aufweisen und alle konstitutiven Eigenschaften einer natürlichen Sprache erfüllen.(1) Anders als Lautsprachen sind Gebärdensprachen aber nicht durch die vokal-auditive, sondern durch die visuell-räumliche Modalität der Sprachzeichen bestimmt. Eine Abbildung gebärdensprachlicher Äußerungen in die Alphabetschrift oder andere phonemorientierte Schriftsysteme ist deshalb nicht möglich. Alternative Verschriftungssysteme, die sich auch als alltägliche Gebrauchsschrift eigneten, haben sich weltweit kaum, in Deutschland gar nicht durchgesetzt. Transkriptionssysteme zur Gebärdensprache(2)

beschränken sich meist auf sehr komplexe Verschriftungsversuche, die lediglich eine vollständige Übertragung der manuellen und kinetischen Bewegungsparameter leisten, ohne von parasprachlichen Informationen und Redundanzen abstrahieren zu können. Sie sind deshalb nicht mit alphabetischen Schriftformen zu vergleichen. Obwohl Gehörlose im Umfeld einer dominanten Alphabetkultur agieren, sind sie zu großen Teilen von den symbolischen Handlungsräumen literaler Praxen ausgeschlossen und operieren im Online-Modus direkter Face-to-Face Interaktion. Zwar verfügen auch frühertaubte, gehörlose 'native speaker' der Deutschen Gebärdensprache in der Regel über Kompetenzen in der Alphabetschrift. Jedoch ist diese einzig zur Transkription von Lautsprache geeignet, die für Gebärdensprecher immer eine Fremdsprache darstellt. Der Medialitätsstatus von (Deutscher) Gebärdensprache (DGS) ist deshalb ein "strukturell mündlicher"(3), der allerdings im visuell-räumlichen Modus artikuliert wird. Die derzeit verfügbaren situationsüberschreitenden bildtechnischen Kommunikationsmedien werden bislang zu selten in den kommunikativen Alltag Gebärdender integriert, als daß sie die Interaktanten von der Notwendigkeit raum-zeitlicher Kopräsenz entbinden könnten.

Der mündliche Medialitätsstatus hat Konsequenzen sowohl für die Strukturierung der unmittelbaren Diskursorganisation in alltagssprachlichen Anforderungen, als auch für die Organisation des kulturellen Gedächtnisses. Zwar erfährt die "kollektive Erinnerung"(4) auch in non-literalen Kulturen durch multimediale Praxen der Wissensexternalisierung (etwa Reim, Ritual, Zeremonie etc.) effektive Formen der Archivierung.(5)

Allerdings sorgen mediale Systeme der Online-Prozessierung fortlaufend für einen latente Aktualisierung und Überschreibung von Wissen, speichern Wissensstrukturen also nicht stabil. Wo die Archivierung und Tradierung kulturellen Wissens nicht institutionalisiert gesichert wird, bleibt das kulturelle Erbe, i.e. die Wissensspeicherung und Wissenstradierung, in weiten Teilen an das Gedächtnis von Individuen und folglich an die Unmittelbarkeit dialogischer Interaktion im situationalen Nahraum wechselseitiger Wahrnehmung (Luhmann) geknüpft.(6)

Nonliterale Sprechergemeinschaften nutzen daher primär mündliche Techniken zur Informationssicherung und Wissenstradierung. Solche kulturell tradierten Formen der spezifisch mündlichen Wissensarchivierung, lassen sich durch die Analyse diskursiver Praktiken freilegen. Der vorliegende Beitrag exemplifiziert die Archivfunktion sprachmedialer Techniken und Formate an ausgewählten Beispielen 'mündlicher' Narrationen der räumlichen Gebärdensprache, die mit Ludwig Jäger als "transkriptive" Verfahren der inter- und intramedialen Thematisierung und Kommentierung, d.h. als Grundstrategie der Erzeugung kultureller Semantik begriffen werden dürfen.(7)

 

Narration als 'Praktik' der Wissensarchivierung

In mündlichen Kulturen, in denen keine stabile Dokumentation des Ereignisses möglich ist, sichert die Person des Erzählers die Authentifizierung von Aussagen (Sprechakten); Wissen ist nicht vom Wissenden(8), die Erzählung (bzw. das Sprechen) nicht von der Erzählsituation und dem Erzähler zu trennen, Wahrheit nicht von der Integrität und Erzählkunst des Sprechers abgekoppelt. Wichtiger als die genaue Wiedergabe von Informationen ist die lebendige Bewahrung und Verbreitung von kohärenten Wissenseinheiten durch kulturelle Praktiken und mediale Verfahren. Zumindest in primär mündlichen Kulturen scheint u.a. die Narration als kulturell etablierte Diskurspraktik eines jener rückgerichteten Verfahren zu sein, das nicht auf formidentische Repetition, sondern auf Wiederholung als Aufführung setzt und die Unterscheidung von Vorlage und Erzählung, von Primärem und Sekundärem unterläuft. Der sprachkulturelle Diskurs avanciert zum 'lebendigen Archiv', das Wissen generiert und distribuiert und so die 'Halbwertzeit' fluider Mündlichkeit verlängert.(9) Hiermit verbunden verliert auch das Problem der Differenzen in der Wiederholung an Relevanz. Wenn sich aber die Frage nach Identität und Abweichung in der Wiederholung anders als etwa in westlichen literalen Traditionen nicht an der Unterscheidung von Original und Kopie orientiert, müßten sich Auswirkungen sowohl in bezug auf die Wissensordnungen als auch auf die performative Ästhetisierung von Wissen zeigen.

Eben dies macht die Analyse von Narrationen der Deutschen Gebärdensprache deutlich: Ereignisse werden nicht berichtet, Geschichten nicht einfach nacherzählt, sondern zur Aufführung gebracht. Die Autorisierung der Information speist sich nicht aus einer vermeintlich sachlich-distanzierten Erzählweise, sondern aus der Kunst, das Erlebte 'authentisch' darzubieten. Folglich wird die Erzählung an ihrer Ereignisqualität gemessen. Gelungene Erzählungen sind nicht nüchterne Berichte vorausliegender Ereignisse mit Dokumentationscharakter, sondern lebendige Wiederholungen mit inszeniertem Erlebnischarakter. Um den Effekt von 'Originalität' zu erzeugen, werden aber gerade Verfahren des Sekundären (Zitieren, Simulieren, Iterieren) genutzt. Retrospektive Bearbeitungsverfahren wie die gebärdensprachtypischen Formen der Exemplifikation und Zitation weisen ein Erzähl- bzw. Gesprächsthema als relevanten und interessanten Gegenstand aus, der adressatengerecht inszeniert wird, so daß sich konversationelle und narratologische Gebärdensprachdiskurse einerseits durch einen hohen Unterhaltungswert, andererseits durch die herausragende Detailtreue auszeichnen und auf diese Weise zugleich zur informationsreichen Wissensressource werden. Dabei vermitteln oder umfassen Verfahren des Sekundären in Narrationen der Gebärdensprache in konventionalisierter Weise immer auch die Rekonstruktion des wahrgenommenen oder vermuteten affektiv-expressiven Erlebniszustandes.(10) In Erzählungen der Deutschen Gebärdensprache hat die detaillierte situative Ausgestaltung von Handlungssequenzen zur Erzeugung von Erlebnisperspektive und Spannung also strukturelle Funktion und macht die Goffmansche Kategorie des "Replaying" zur Regel.(11)

 

Sprach- und Handlungszitat

In Narrationen der Gebärdensprache ist - wie in mündlichen Narrationen der Deutschen Lautsprache (DLS) auch - der an die direkte Rede geknüpfte Rollenwechsel, bei dem der Erzähler die Rolle eines Charakters einnimmt und so für einen gewissen Zeitraum in einer fremden Rolle agiert, ein wesentliches Mittel, um auf zeitlich Zurückliegendes hinzuweisen.(12) Die Möglichkeit, Ereignisse in der zitierten Rede als zeitlich zurückliegende, lediglich wiederholte in einen neuen situativ-kontextuellen Rahmen versetzen zu können, darf auch als erzählstrategisches Moment begriffen werden, das den Erzähler in lautsprachlichen wie in gebärdensprachlichen Diskursen zur Wiedergabe von Inhalten autorisiert, ohne sie zugleich verantworten zu müssen. Denn das Zitat artikuliert sich immer in fremden 'Zungen' (das historische Erzähler-Ich oder andere Erzählpersonen) und überträgt die Verantwortung für das Zitierte notwendig an Dritte. Dabei gelingt es allein dem Zitieren, i.e. der inszenierten Rede, eine Dialogform zu schaffen, in der nicht mit sondern zum Gesprächspartner geredet wird, Adressaten also in ein Publikum verwandelt werden.(13)

Als retrospektives Transkriptionsverfahren oszilliert Zitieren dementsprechend zwischen dem Verweis auf ein zeitlich zurückliegendes, genuin fremdverursachtes Geschehen, das den Erzähler von der Autorschaft bzw. Verantwortung für den dargestellten Inhalt entbindet und der 'ostensiven' Ästhetisierung von Erzählungen, die den Gebärdenden erst als Erzähler autorisiert. Der Gebrauch direkter Rede verweist auf eine vermeintlich 'ursprüngliche' Sprechhandlung, die an einem anderen Ort und zu anderer Zeit oder in einer anderen (fiktiven) Welt stattgefunden hat. Dabei bindet der Erzähler den situationalen Kontext nicht nur als historische Referenz in die Erzählung ein, in der plastischen Erzählweise rekonstruiert er die Situation selbst. Die inszenierte Erzählung zeigt sich mithin nicht nur als historisch gewordenes Erlebnis, sondern auch als gegenwärtiges Ereignis.

Zitierte Sätze, 'replayings', behaupten nichts, aber sie illustrieren die Welt, aus der sie stammen. Der zitierende Sprecher sagt nicht, sondern zeigt, wie die Welt an einer bestimmten Stelle beschaffen ist. Er montiert eine Version der Welt aus dialogischen Fundstücken, gestaltet diese durch und präsentiert sie den Umstehenden, immer in der Annahme, was an der Welt wichtig sei, werde in dieser aktuellen Version sichtbar. Indem sie die Welt illustriert, verweist die Reinszenierung zugleich auf sich selbst, sie kehrt ihre Eigenschaften hervor. Denn in den Eigenschaften der Reinszenierung kommt die Welt zum Vorschein.(14)

Anders als in Lautsprachen realisieren sich Visualisierungspraktiken in Gebärdensprachen in ein und demselben Kanal. Ostensive Techniken, wie das deiktische Verweisen auf materiale Gegenstände in der Umgebung des Sprechers, aber auch die ikonisierte Bewegungsmodulation, sind nur bedingt von sprachsystematischen Regularitäten zu trennen. Dies wird etwa deutlich, wenn man lokale Beziehungen in ''komplexen Klassifikatorkonstruktionen'' von Gebärdensprachen analysiert.(15) Hier werden räumliche Beziehungen zwischen Referenzobjekten durch die topographisch spezifizierte Installation der gebärdeten Zeichen ausgedrückt, nicht durch lokale Präpositionen. Gerade aufgrund der unimodalen Darbietung überschneiden sich sprachliche Verfahren der Ostension augenscheinlich mit nichtsprachlichen Verfahren. Ihre besondere Differenz wird gerne in der scheinbar autosemantischen Qualität des deiktischen Referenzsystems vermutet, das unvermitteltes Hinweisen - nicht Darstellen - erlauben soll. Ostensive Verfahren - so die gängige Meinung - zeigen, ohne zu meinen. Sie fordern Aufmerksamkeit, um das Auge zu lenken, fort auf etwas anderes hin, und fungieren beinah als Index des 'Realen'. Sie stehen als eher gestischer Fingerzeig zwischen einem Beobachter und einem vermeintlichen Objekt, das in den Blick genommen werden soll, symbolisieren dies aber eben nicht, sondern rücken das singulär Konkrete in den Fokus der Betrachtung. Die Bedeutung des Wahrgenommenen scheint so unmittelbar evident und wird kaum als Resultat von medialen Transkriptionsprozessen begriffen.

Gleichwohl zeigt ein Blick auf die ostensiven Verfahren von Gebärdensprachen, daß sich deren 'Selbstbedeutsamkeit' nur dem kompetenten Gebärdensprecher erschließt. Hörende beispielsweise, die mit dem gestisch-räumlichen Sprach- und Verweissystem der Gebärensprachen nicht vertraut sind, teilen diesen Eindruck nicht.(16) Die 'Unsichtbarkeit' ästhetischer Praktiken verdankt sich folglich nur in beschränktem Maß der medialen Kongruenz von Mitteilung und Mitgeteiltem, von Verweis und dem, worauf verwiesen wird. Es scheint vielmehr die in der diskursiven Praktik verankerte Vertrautheit des Gebärdenden mit den ästhetischen Gestaltungsmitteln seiner Sprache zu sein, die eine Automatisierung der Prozessierung von medialen Verfahren ermöglicht. Die Dimension der Autosemantik wäre dann ein Effekt, den letztlich diskursive Praktiken generierten. Gerade weil Ästhetisierungsverfahren Eingang in die alltägliche Praxis der Erzählform gefunden haben, erscheinen sie nicht länger als Erzählkunst.

Die erlebnisnahe Illustration einer Erzählung wird in der DGS einerseits durch den häufigen Einsatz "konstruierter Dialoge"(17) (direkte Gebärdenzitate) generiert und andererseits durch die intensive Ausdehnung des Zitationsmusters auf die nonverbale Ebene geschaffen.(18) Parallel zum sprachlichen Zitat können nämlich auch die Handlung des Aktanten oder aber seine innere Einstellung - etwa Skepsis - nonverbal dargestellt werden ("konstruierte Handlungen"). In der DGS-Narration handelt es sich also beim direkten Zitieren wie beim Handlungszitat (formal markiertes und reduziertes Iterieren von Handlungen) um Verfahren, die den Wechsel vom 'sekundären' in den 'primären' Modus einleiten und so den Wechsel der Erzählperspektive anzeigen.(19) Die nichtsprachliche, gleichwohl konventionalisierte Präsentation von Handlungssequenzen durch das Handlungszitat ist aber keineswegs Faksimile eines 'Originals', sondern Reduktion auf kontextuelle Sinneinheiten, die formal als Mischform von Mimik und reduzierter Körperbewegung ausgewiesen ist und die mimischen Einlagen hörender Erzähler weit übersteigt.(20) Solche gestisch-pantomimischen Handlungszitate können zwischen zwei sprachlichen Redeanteilen vorkommen, wo sie die sprachliche Mitteilung durch die direkte körperliche Inszenierung der Rede verdeutlichen, oder sie werden sprachsubstituierend eingesetzt, wobei eine ganze Handlungssequenz dargeboten wird.

Generell übernimmt und wechselt der gebärdende Erzähler die verschiedenen Perspektiven bzw. Rollen ungleich häufiger und schneller als dies für die meisten gesprochenen Erzählungen festgestellt werden konnte. Der frequente Einsatz des in konstruierten Dialogen und Handlungen genutzten Rollenwechsels prägt die Struktur einer DGS-Erzählung in der Regel so stark, daß die "dramatische"(21) Perspektive, i.e. die Erlebnisperspektive proportional überrepräsentiert ist. Rayman und McIntire & Reilly konstatieren eben diesen Befund auch für die Amerikanische Gebärdensprache (American Sign Language, ASL), wenn sie feststellen, daß Gehörlose im Vergleich zu Hörenden "appeared to be more dramatic in their storytelling than were hearing"(22).

Hier sind Tendenzen eines gebärdensprachlichen Diskursmusters erkennbar, die mit den Anforderungen Hörender an die Komposition von Narrationen kollidieren. Denn in der Deutschen Lautsprache sollte eine Geschichte hinsichtlich der Verwendung von Berichts- und Erlebnisperspektive sowie hinsichtlich der Detaillierung bzw. Kondensierung des dargestellten Informationsgehalts ausgewogen sein, damit sich das Qualitätskriterium der Spannung einer Geschichte allererst in der Balance von Erzählwürdigkeit und Emotionalität einstellen kann.(23)

Chunks und Frames in DGS

In der Konstruktion gebärdensprachlicher Narrationen ist aber nicht nur das Verfahren der Zitation (etwa von Sprachäußerung, Handlungssequenz, innerer Einstellung und emotionalem Zustand) zentral. Auch die Anreicherung der Erzählung mit prädikativen Attributionen - insbesondere situativ-referentiellen, visuellen und räumlichen Detailinformationen, die einem bestimmten Erzählgegenstand beigefügt werden -, scheint sich in sprachkultureller wie modalitätsspezifischer Hinsicht von Narrationsmustern literaler Gesellschaften zu unterscheiden. Die zahlreichen Prädikationen, mit denen ein Erzählgegenstand in der gebärdensprachlichen Narration eingeführt und angereichert wird, dienen dazu, ein Referenzobjekt nicht nur zu bestimmen, sondern es zu rekonstruieren. Durch möglichst 'dichte' Beschreibungen wird das Referenzobjekt auf die semiologische Bühne der erlebnisnahen Performanz gehoben und sichtbar gemacht, dem Adressaten gewissermaßen vor Augen geführt. Der ist nun nicht länger Beobachter, sondern Teilnehmer, der unabdingbar in die Konstruktion der Erzählung eingebunden ist, denn an ihn richten sich Darstellung und Inszenierung der Story sowie Aufbau und Arrangement der Erzählabschnitte. Bei genauerer Betrachtung läßt sich ein differenziertes Netzwerk von sprachlichen, rhythmischen, bildlichen und räumlichen Strategien freilegen, die der Einbeziehung des Adressaten - in einem weiten Sinne gar der Konstruktion des Publikums - dienen. Diese - wie Tannen sie genannt hat - "involvement strategies"(24) tragen dazu bei, daß der referierte Sachverhalt innerhalb der Erzählung stabilisiert und zugleich im individuellen Gedächtnis der Diskurteilnehmer verankert wird. Indem einem Zeichen situational spezifizierte Prädikationen beigefügt werden, wird zudem eine kognitive Kondensierung eingeleitet, die als symbolgeleitete Form des prädikativen 'Chunkings' begriffen werden kann. Solche prädikativen Cluster stützen gleichermaßen die Speicherung wie den Abruf der dargebotenen Information. Wenn Erinnerung in episodisch situierten Wissensnetzwerken verankert wird - so die These - reicht bereits die Aktivierung weniger verknüpfter Prädikationen, um jenen Teil des Netzes zu aktivieren, der einem Zeichen zugeordnet ist. Ein einzelnes Zeichen wird dann zu einem Marker für eine ganze Kette von Attributionen und reicht hin, sämtliche diesem Zeichen als Bedeutung zugewiesenen Prädikationen aufzurufen. In diesem Sinne tragen die situationale Verankerung und die prädikative Anreicherung eines Erzählgegenstandes zur Optimierung von Erinnerungsprozessen bei. Der mnemotechnische Faktor bezieht sich hier weniger auf die Erinnerung von Detailwissen, als auf eine stärkere Gedächtnisverankerung der Handlung durch die szenisch-kontextuelle Exposition des Themas.

Eine weitere Strategie zur Verbesserung der Memorisierbarkeit des Erzählten bildet das sogenannte "framing". Innerhalb einer Erzählsequenz gewinnen singuläre Zeichen Rahmungsfunktion, wenn sie - positioniert an exponierten Stellen der Erzählarchitektur - wiederholt werden. Die phrasengrenzenüberschreitende systematische Repetition von Zeichen fungiert als Ordnungsprinzip, das Sinnabschnitte generiert. Anfang und Ende einer Sinneinheit werden hierzu von Zeicheniterationen gerahmt, die eine hierarchische Gliederung des Äußerungsflusses sichtbar machen. Im allgemeinen wird dabei ein singuläres Zeichen als thematische Klammer vor die nachfolgende Themenexploration gesetzt und am Ende eines Einschubs zur Schlußmarkierung iteriert. Lexikalische Wiederholungen, die den Redefluß gliedern, markieren so auch im visuell-räumlichen Modus von Gebärdensprachen "mündliche Absätze".(25)

Rahmungsverfahren lassen sich aber auch auf morpho-syntaktischer Ebene beobachten, wenn subordinierte Einschübe oder szenische Einbettungen unterschiedlicher Komplexität durch Zeichen-Splitting gekennzeichnet werden und in der Transitorizität linearer Zeichenbewegung so auf vorgängige Zeichenketten zurückverweisen. Zur Einbettung einer Neben- oder Parallelhandlung werden Gebärden mit räumlich-linearer Bewegungsausrichtung im Bewegungsvollzug unterbrochen, so daß zu Beginn eines Einschubs die erste und zum Ende eines Einschubs die zweite Sequenz der Gebärde artikuliert wird. Endpunkt der ersten und Ausgangspunkt der zweiten Gebärdensequenz ist hierbei ein identischer Punkt des Gebärdenraums.(26)

Als strukturell mündliche Diskurspraktiken dienen solche Verfahren der Redundanz nicht nur der Etablierung von Kohärenz und Kohäsion. Sie dürfen auch als Verfahren der 'Zerdehnung' aufgefaßt werden, die der gedächtnisstützenden Informationsaufbereitung dienen und der Transitorizität von Online-Kommunikation entgegenwirken. In Gebärdensprachen wird die gedächtnisökonomische Organisation fluider 'Texte' oft durch räumliche Rahmungs- und Gliederungsverfahren unterstützt, die allein dem gestisch-visuellen Artikulationsmodus vorbehalten sind.

 

Raumsprachen und Sprachräume

Modalitätsbedingt werden gestalterische Mittel zur Erzählkonstruktion in Gebärdensprachen oft räumlich realisiert. Die formalsprachliche Markierung von Zitaten in Gebärdensprachen folgt nicht der etwa von Erving Goffman für Lautsprachen identifizierten Rahmung eines Redesegments durch ein vorangestelltes, für die erste oder dritte Person flektiertes "laminator verb"(27) (z.B.: "er sagte"), sondern läß sich als differenziertes Verfahren der Körper- und Blickausrichtung beschreiben. Zum Zeichen der fremden Rolle, die der Erzähler im definierten Rahmen einer gebärdeten Geschichte eingenommen hat, werden in beiden Zitatformen entweder Körper, Schulter und Gesicht vom Adressaten abgewendet und die Augen während der Rollenübernahme kurz geschlossen oder es findet lediglich eine Änderung der Blickrichtung vom Adressaten weg und hin auf einen fiktiven Punkt in einem verschobenen räumlichen Referenzrahmen statt.(28) "When clearly in her role as narrator she [the signer, G.F.] makes eye contact with the viewer and removes any character facial expressions from her face."(29)

Kommunikativ wird der Gebärdenraum also räumlich differenziert, um die Rolle des in den Erzählrahmen einführenden und die Story strukturell entfaltenden und kommentierenden Erzählers von der des in der distanzierten Berichtsperspektive interagierenden Erzählers zu unterscheiden und diese beiden Rollen schließlich von den wechselnden Rollen abzuheben, die der Erzähler übernimmt, wenn er einen Charakter der Erzählung als Agens einführt. Die komplexe räumliche Konstruktion einer Erzählung gerät so zum besonders plastisch, beinah 'äußerlich' wirkenden Instrument narrativer Performanz, das Berichts- und Erlebnisperspektive systematisch unterscheidet und die Ambiguität referentieller Bezüge in Gebärdensprachen auf ein Mindestmaß reduziert.(30)

Denn vor allem anderen sind Gebärdensprachen Sprachen, die den Raum zu ihrer operationalen Entfaltung nutzen, ihn aber zugleich erst als sprachsystematischen oder topographischen Raum konstituieren. In dem Maße, in dem sprachliche Gebärden räumlich entfaltet und visuell verarbeitet werden, entwerfen sie den Gebärdenraum in unterschiedlichen Formaten als Bühne ihrer semiologischen Performanz. Gebärdensprachen lassen sich insofern verstehen als semiologische Performanzsysteme im Raum und zugleich als zeichenförmige Inszenierungen des Raums.

In processing ASL, a syntactic and discourse representation must be extracted from spatially encoded reference; however, when space is used to map a real world scene or to describe a spatial array, a spatial representation may be extracted along with the linguistic representation of the sentence.(31)

Verschiedene Arbeiten weisen eine thematisch motivierte Raumteilung in eine rechte und linke Hälfte für die schwedische, dänische und amerikanische Gebärdensprache nach, durch die logische Argumente, Kommentare oder Wertungen auf textueller Ebene markiert sind.(32) Die plastische Anordnung von Argumenten, Wertungen oder Eigenschaftszuschreibung durch eine distinkte räumliche Positionierung unterstützt einen Redeaufbau, der die thematische Ordnung in einer Weise transparent werden läßt, die in Lautsprachen modalitätsbedingt nicht möglich ist.(33) Auch für Elizabeth Winston stellen die repetierten Formen der kanonischen Raumnutzung in Gebärdensprachen ein modalitätsspezifisches Rahmungsverfahren zur Erzeugung intratextueller Kohärenz bereit:(34) Häufig wird der Gebärdenraum horizontal in zwei bis drei thematische Bereiche unterteilt, auf die jeweils durch lokale Zuwendung des Sprechers, der Blickrichtung oder der gebärdeten Äußerung Bezug genommen werden kann.(35) Je nach Gesprächsverlauf können diese Artikulationsbereiche vertikal in weitere Subräume differenziert werden, die ihrerseits disparate Referenzialisierungsräume stiften. Beispielsweise werden nicht nur die in unterschiedlichen Redeabschnitten beschriebenen oder zitierten Personen mit den ihnen zugewiesenen Handlungsweisen und Sprechereinstellungen sondern auch Pro- und Contra-Argumente kohärent durch verschiedene Positionen in einer bestimmten Hälfte des Gebärdenraums markiert. Hierdurch ergibt sich eine thematische Raumlogik, die - ähnlich wie die räumlich basierte, anaphorische Referenz - der Ambiguität von Adressierungen entgegenwirkt und diskurslogische Inhalte eindeutig zuordnet.

Topographische Informationen werden dabei häufig parallel zur linguistischen Raumverarbeitung produziert, so daß etwa die recht frei gewählten indexikalischen Raumpunkte zur Etablierung grammatischer Bezüge meist in Anlehnung an 'objektive' Raumverhältnisse gesetzt und die syntaktischen und diskurslogischen Operationen oftmals auf der topographisch isomorphen Folie imaginierter oder 'kopierter' Raumkarten ausgeführt werden. Informationen zur lokalen Verortung von Akteuren und Erzählgegenständen, zur Topographie von Landschaften, gehören ebenso wie Informationen zu Größe und Form von Objekten zum räumlich-situationalen Rahmen von 'Texten' in Gebärdensprachen. Die hieraus resultierende Plastizität gebärdensprachlicher Äußerungen wird durch morphosyntaktisch begründete Prozesse der direktionalen Bewegungsvariation verstärkt, die bei einer ganzen Klassen von Verbgebärden, den sogenannten Übereinstimmungsverben, greifen. Diese Gebärden werden für das Subjekt und Objekt einer Handlung flektiert, indem der Anfang einer Gebärde (i.d.R.) das Subjekt, der Endpunkt der Gebärde (i.d.R.) das Objekt markiert.(36) Markiert der Anfangspunkt einer Gebärde z.B. ein Kind, deren Endpunkt hingegen einen Erwachsenen, wird die Gebärde, die die beiden Raumpunkte nun durch eine Bewegung (vom Anfangspunkt zum Endpunkt) miteinander in Beziehung setzt, nicht auf horizontal identischer Höhe, sondern in einer Aufwärtsbewegung artikuliert, so daß der Größenunterschied zwischen beiden Referenten klar zum Ausdruck kommt.(37) "Naturally, if the referent is imagined as lying down, standing on a chair, etc., the height and direction of the agreement verb reflects this."(38) Vereinfacht formuliert, werden Anfangs- und Endpunkt einer Gebärde auch an den topographischen 'Realitäten' orientiert. Vergleichbar werden abstrakte Relationen, wie z.B. ein drastisches Autoritätsgefälle zwischen zwei Referenten oder auch die Mißchtung eines Referenten durch vertikal-räumlich modulierte Referenzpunkte (Indizes) angezeigt. In erster Linie dienen die lokalen Bezugspunkte indexikalischer Referenz (Indizes) in Gebärdensprachen aber als performative Orientierungsfiguren syntaktischen Rückbezugs: zeitlich nachfolgende Referenzialisierungen werden über unterschiedlich komplexe Äußerungsstrecken hinweg an der mental verinnerlichten Markierung indexikalischer Raumpunkte ausgerichtet. Folglich fungieren markierte Raumpunkte auf kognitiver Ebene einerseits als räumliche Erinnerungspunkte hieran geknüpfter pronominaler Einheiten. Über diese Funktion hinaus dienen sie über Satzgrenzen hinweg andererseits als syntaktische Markierungen für attributive Zuweisungen, d.h.,sie bilden anaphorische Referenzpunkte für propositionale Bezüge. In dieser Hinsicht sind räumliche Indices 'exteriore' Bezugspunkte sprachlicher Referenzialisierung, denen im Raum wechselseitiger Wahrnehmung eine in Lautsprachen erst durch die Schrift ermöglichte Externalisierung der Kognition zukommt.

 

Medialität und Status

Trotz struktureller Analogien hinsichtlich der Rahmungsverfahren von Laut- und Gebärdensprachen unterscheiden sich narratologische Diskurse in beiden Modi bezüglich Auswahl, Gewichtung und Arrangement der Strategien zur Generierung von Kohärenz: Narrationen der Deutschen Gebärdensprache sind vorwiegend bestimmt durch eine eher szenisch und räumlich angelegte Exposition des jeweiligen Themas. Da einige der für die Diskursmuster konstitutiven Verfahren in ihrer jeweiligen Gewichtung divergieren, aber dennoch in beiden Sprachen systematisch verwendet werden, können sie nicht nur Ausdruck modalitätsspezifischer Verarbeitung sein. Wie DLS-Narrationen weisen Narrationen in der DGS Kennzeichen transitorischer Face-to-Face-Kommunikation auf,(39) jedoch unterscheiden sich die Diskursmuster beider Sprachen hinsichtlich der Häufigkeit und des Arrangement 'mündlicher' Wiederaufnahmeverfahren. Insoweit diese Unterschiede in den narrativen Diskursmustern der DGS und DLS verankert sind und die Diskursorganisation systematisch bestimmen, lassen sie sich in Anlehnung an Fleisher Feldman als "gradueller Indikator"(40) für medialinduzierte Differenzen in den Diskursmustern und d.h. als Indikator für die diskursive Realität der Kategorie Status werten. Die stärker gewichteten Merkmale strukturell mündlicher Performanz in der DGS dürfen dann als Indikator eines ungebrochen transitorischen, i.e. primär mündlichen, Prozessierungsverfahrens begriffen werden.(41)

Aus dieser Perspektive markiert die Unterscheidung non-literaler und literaler 'Sprachen', bzw. strukturell 'primärer Mündlichkeit' und 'sekundärer Mündlichkeit', Divergenzen in der Nutzung medialer Praktiken, die die medialen Status von Kommunikationskulturen prägen. Im Horizont eines solchermaßen performanzbasierten Statusbegriffs wird ein kategorialer Rahmen für die methodologische Analyse gewonnen, der nicht mehr auf antipodischen Entgegensetzungen aufbaut, sondern von der Annahme getragen ist, daß literale und non-literale Sprachkulturen lediglich Pole eines fließenden Kontinuums darstellen.(42) Die im Rahmen des traditionellen 'Autonomie-Modells' allein der Literalität zugeschriebenen kognitiven Effekte verdanken sich - wie schon Sylvia Scribner und Michael Cole(43) zeigen - dann "vielmehr einer Vielzahl unterschiedlicher Diskursformen", nicht "globalen Mentalitäts-Typen".(44)

Literacy - of whatever type - only has consequences as it acts together with a large number of other social factors, including political and economic conditions, social structure, and local ideologies. [...] Literacy has no effects - indeed, no meaning - apart from particular cultural contexts in which it is used, and it has different effects in different contexts.(45)

Die an die besondere Prozessierungsmodalität von Gebärdensprachen gebundenen 'Kanonisierungsformen' etwa der intratextuellen Raumnutzung lassen sich dann als Ausdruck einer allgemeinen Sprachlogik begreifen, die der textuellen Kohärenz und in dieser Hinsicht auch der gedächtnisökonomischen Informationsverarbeitung dient und in besonderer Weise geeignet scheinen, das modalitätsspezifische Zeitfenster der Onlineprozessierung fluider Kommunikation zu zerdehnen. Die mediendifferente Ausformung mündlicher Verfahren korreliert dann sowohl mit modalitätsspezifischen Beschränkungen des Äußerungsformats (visuell-räumlich vs. vokal-akustisch) als auch mit sehr ungleichen Rückwirkungen der Alphabetschrift auf die transitorischen Diskurse in der strukturell mündlichen Performanz von DGS und DLS. "Schrift und Literalität erscheinen unter dieser Perspektive als eine mediale Ausdifferenzierung der [allgemeinen, G.F.] Logik des Archimediums Sprache."(46)

© Gisela Fehrmann (SFB /FK 427 "Medien und kulturelle Kommunikation" an der Universität Köln)


ANMERKUNGEN

(1) Vgl. Ursula Bellugi/Michael Studdert-Kennedy 1980; Susan Fischer/Patricia Siple 1990; Patricia Siple/Susan Fischer 1991; Gregory Hickok/Ursula Bellugi/Edward Klima 1998.

(2) Vgl. Scott Liddell/Robert Johnson 1989; Marina McIntire et al. 1987; Siegmund Prillwitz et al. 1989; Valerie Sutton 1977.

(3) Der ursprünglich von Jan Assmann geprägte Begriff der strukturellen Mündlichkeit wird hier zur Markierung des medialen Performanzaspekts des mündlichen Prozessierungsmodus benutzt und schließt die nicht-schriftliche, unvermittelte Rede sowohl von Verwendern der visuell-räumlichen Gebärdensprache als auch der vokal-akustischen Lautsprache mit ein. Vgl. Jan Assmann 1992, bes. S. 259 ff.

(4) Maurice Halbwachs 1967 und 1985. Vgl. hierzu auch die Differenzierung eines "kommunikativen" Gedächtnisses für alltägliche Informationsorganisation und eines "kulturellen" Gedächtnisses zur zeitüberschreitenden Sicherung nicht nur von Information, sondern hieran geknüpft von sozialer Identität kultureller Gesellschaften nach Aleida Assmann/Jan Assmann 1988; Jan Assmann 1992.

(5) Vgl. Jan Assmann 1992; Aleida Assmann/Jan Assmann 1990; Jack Goody/Ian Watt 1968. Der Nachweis der transinidivduellen Speicherung kulturellen Wissens in mündlichen Kulturen wurde auf der Basis von Feldforschungen erbracht; vgl. Jan Vansina 1973 und Rüdiger Schott 1968 und 1995.

(6) Vgl. auch Konrad Ehlich 1981.

(7) Vgl. Ludwig Jäger 2004. Für eine detaillierte Analyse solcher Verfahren siehe auch Elisabeth Gülich/Thomas Kotschi 1995.

(8) Vgl. Eric A. Havelock 1990, S.17.

(9) Die aus der distribuierten Wissensorganisation resultierende Verantwortung einzelner Sprecher gegenüber der sozialen Gruppe spiegelt sich auf pragmatischer Ebene u.a. in der Verpflichtung Einzelner, individuell erworbenes Wissen der sozialen Gruppe zur Verfügung zu stellen, dann in der ritualisiert fortlaufenden Verständnissicherung durch die Adressanten sowie schließlich in der situationalen Kontextualisierung von Kommunikationsinhalten. Eben dies gilt auch für die deutsche Gebärdensprachgemeinschaft, die kulturelles Wissen nicht institutionell, sondern vor allem im Gedächtnis von Individuen organisiert. Die in der gängigen Fachliteratur immer wieder beschriebene "Geselligkeit" gehörloser Gebärdensprecher darf aus dieser Perspektive als diskursive Praktik begriffen werden, deren kulturelle Dimension sich erst im Hinblick auf den primären Mündlichkeitsstatus der Deutschen Gebärdensprache erhellt.

(10) Vgl. Christine Poulin/Christopher Miller 1995.

(11) Mit dieser Kategorie hebt Erving Goffman die erlebnisnah gestaltete sprachliche Inszenierung von Texten durch spezifische sprachliche Gestaltungsmittel (etwa Rhythmus, Lexemwahl, Einsatz von Verfahren der konstruierten Rede etc.) von einer eher distanzierteren Ausdrucksebene ab. Vgl. Erving Goffman 1974.

(12) Vgl. Elisabeth Engberg-Petersen 1995; Elizabeth Winston 1995; Jennifer Rayman 1999; Inger Ahlgren/Brita Bergman 1990; June Zimmer 1989; Marina McIntire/Judy Reilly 1996.

(13) Eben dieses Moment fokussiert Jürgen Streeck, wenn er in seiner Analyse zur Rolle von Witzen bei sozialen Minderheiten die besondere Funktion des Zitierens herausstellt und darauf hinweist, daß die "kunstorientierte Kommunikation" auch zur Regulierung sozialer Beziehungen von Gruppen beiträgt und so ein "vielleicht durch Konflikte zwischen einzelnen Mitgliedern selbst in Gang gesetztes Auseinanderdriften der Gruppe verhindert. Es geht hier darum, daß dem Gruppenkonsens [...] Geltung verschafft wird." Jürgen Streeck 1994, S. 609.

(14) Jürgen Streeck 1994, S. 606. Allgemeiner formuliert, bringt erst der semiotische Modus, unter dem eine Inszenierung wahrgenommen wird, ihre distinkten Eigenschaften hervor. Zur Medienabhängigkeit von semiotischen Wahrnehmungsprozessen vgl. auch Erika Linz 2004.

(15) Zu Klassifikatorkonstruktionen vgl. Karen Emmorey 2003; zur zerebralen Verarbeitung topographisch realisierter Raumrelationen in Klassifikatorkomplexen und solchen, die durch Lokalpräpositionen ausgedrückt werden, vgl. Karen Emmorey et al. 2002.

(16) Vgl. Hierzu Erika Linz/Klaudia Grote 2003.

(17) Vgl. Deborah Tannen 1986.

(18) Vgl. Elisabeth Engberg-Petersen 1995; Christine Poulin/Christopher Miller 1995.

(19) Hier stellt sich die Frage, ob diesen Verfahren in schriftlichen Texten eine analoge oder eine andere Funktion zukommt, ob etwa schriftliche Zitate nicht gerade das 'Sekundäre' des Zitats hervorheben.

(20) Karen Emmorey/Judy Reilly 1998; Inger Ahlgreen 1990; Irit Meir 1998; Scott Liddell/Melanie Metzger 1998.

(21) Erving Goffman 1974, hierzu auch Elisabeth Gülich/Heiko Hausendorf 2000, S. 379.

(22) Marina McIntire/Judy Reilly 1996. Vgl. auch Jennifer Rayman 1999.

(23) Vgl. Uta Quasthoff 1980; Konrad Ehlich 1983.

(24) Zur detaillierten Analyse von "involvement strategies" vgl. Deborah Tannen 1989.

(25) Vgl. hierzu auch Fritz Serzisko 1995.

(26) Lautsprachen verfügen über eine strukturell vergleichbare Technik zur - allerdings prosodischen - Verklammerung von Einbettungen. Hierzu werden Anfang und Ende eines thematischen Einschubs auf gleicher Höhe der Intonationskurve artikuliert.

(27) Erving Goffman 1974.

(28) Vgl. Gary Morgan 1999; Melanie Metzger 1998; Jennifer Raymann 1999. Die Deutlichkeit in der Verwendung der Markierungsmittel variiert von Sprecher zu Sprecher; teilweise reicht eine kurze Unterbrechung des Blickkontakts und eine nur leicht variierte Blickrichtung, um 'native signern' einen Rollenwechsel anzuzeigen.

(29) Jennifer Rayman 1999, S. 67.

(30) Die "Parallelführung des primären Erzähldiskurses und des Kommentardiskurses" macht die "intertextuelle Kompetenz" des Erzähler deutlich: "mit der Technologie der (semantischen) Kommentierung verfügt [er, G.F.] ohne Zweifel über eine jener 'genuinely autological forms of verbal knowledge', durch die kognitive Distanz zu den Texten und damit metasprachliche Aktivität möglich wird." Ludwig Jäger 2004, S. 339.

(31) Karen Emmorey/David Corina/Ursula Bellugi 1995, S. 44.

(32) Vgl. Inger Ahlgreen/Brita Bergman 1994, Elisabeth Engberg-Petersen 1993, Elizabeth Winston 1993, 1995.

(33) Vgl. Gisela Fehrmann/Ludwig Jäger 2004.

(34) Vgl. Elizabeth Winston 1995 und 1999.

(35) Vgl. Elisabeth Engberg-Petersen 1995; Elizabeth Winston 1995.

(36) Zur umgekehrten Logik der grammatischen Referenz von Anfangs- und Endpunkt der Bewegung vgl. Irit Meirs Arbeit zu den sogenannten " backward verbs " . Im Gegensatz zu regulären Übereinstimmungsverben funktionieren diese Verben, deren Bewegungskomponente mit den Anfangs- und Endpunkten physikalischer Handlungsabläufe korreliert - wie im Fall der Gebärde NEHMEN - quasi in umgekehrter Logik; die Zuordnung von grammatischen Kategorien zu Anfangspunkt und Endpunkt einer Bewegung verkehrt sich, d.h. der Endpunkt korreliert mit dem semantischen Agens der Handlung. Es ist also durchaus strittig, ob Anfangs- und Endpunkt der Bewegung bei Übereinstimmungsverben wirklich die grammatischen Kategorien Subjekt/Objekt markieren oder aber auf die einem Verb zugeschriebenen semantischen Rollen referieren. Meirs (1998) Vorschlag, Übereinstimmungsverben generell vermittels des Parameters Ausrichtung von Handfläche und Fingerspitzen/Fingerknöchel zu analysieren, liefert starke Hinweise darauf, daß das Objekt der Handlung durch die Ausrichtung der Fingerspitzen/Handfläche markiert zu sein scheint.

(37) Hierzu etwa Horst Ebbinghaus 1996.

(38) Scott Liddell 1990, S. 184.

(39) Bezogen auf Organisationsverfahren in der mündlichen Performanz allgemein vgl. auch Ron Scolon/Suzanne Scolon 1995; Paul Zumthor 1988; Wolfgang Raible 1990; Uta Quasthoff 1995. Zur Resituierung von Episoden Aleida Assmann/Jan Assmann 1983.

(40) Vgl. Carol Fleisher Feldman 1991, S. 56 f.

(41) Vgl. Gisela Fehrmann 2001.

(42) Vgl. Peter Koch/Wulf Oesterreicher 1985.

(43) Hierzu Sylvia Scribner/Michael Cole 1981; Brian Street 1984.

(44) Ludwig Jäger 2004, S. 334.

(45) James Paul Gee 1991, S. 58 pf.

(46) Ludwig Jäger 2004, S. 336. Zur Fortführung der hier angedeuteten Grundidee eines 'Archimediums' vgl. Ludwig Jäger 2002.


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6.2. Der Einfluß der Medialität auf sprachliche Kommunikationsstrukturen und die Organisation des kulturellen Gedächtnisses

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For quotation purposes:
Gisela Fehrmann (Universität Köln): Räumliche Mündlichkeit. Transkriptive Verfahren in Narrationen der Deutschen Gebärdensprache. . In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/06_2/fehrmann15.htm

Webmeister: Peter R. Horn     last change: 17.8.2004     INST