Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. November 2003
 

10.4. Virtualisierung von Raum, Wahrnehmung und Kultur
HerausgeberInnen | Editors | Éditeurs Klaus Wiegerling (Stuttgart) / Christoph Hubig (Stuttgart)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Bericht: Virtualisierung von Raum, Wahrnehmung und Kultur

Klaus Wiegerling (Stuttgart)
[BIO]

 

In unserer Sektion ging es um zwei Fragen: zum ersten um die Frage, inwieweit Raum, Wahrnehmung und Kultur nicht zuletzt durch bestimmte mediale Entwicklungen eine Art Virtualisierung erfahren; zum zweiten um die Frage, inwieweit Wahrnehmung, Raum und Kultur miteinander zusammenhängen.

Entsprechend dieser Rahmung beschäftigten sich die eingereichten Beiträge mit der Fokussierung unterschiedlicher Aspekte der Virtualisierung sowie der Verknüpfung der genannten Schlüsselkategorien. Das heißt, es ging einmal um Möglichkeiten virtueller Orte in der Medienkommunikation, es ging um die Kybernetisierung des Raumes und damit um Orientierung in der Welt, um die Frage der Subjektivierung der Welt bzw. darum, welche Rolle der Leib in einer smarten Welt spielt, um die Möglichkeit von abbildlichen Welterfahrungen und schließlich um die Frage, wie Objektivierung überhaupt zu begreifen ist.

Der Fokus lag insbesondere auf modernen medialen Dispositionen unserer Wahrnehmung und unserer Raum- und Kulturerfahrung wie sie insbesondere unter den Stichworten Pervasive und Ubiquitous Computing gefasst werden. Es geht also um eine sozusagen durchdringende und überall vorhandene Informatisierung unserer natürlichen Welt. Nach einer Phase sozusagen leibloser Cyberphantasien wird der Cyberspace als Augmented Reality wieder in die natürliche Welt geholt.

In der Sektion wurden zugleich zwei aktuelle Forschungsprojekte vorgestellt: einmal das Stuttgarter DFG-Projekt Nexus und einmal das Siegener Projekt "Mystik und Moderne, Bereich Cybermystik". Die Beiträge wie die Diskussionen kreisten konkret vor allem um folgende Fragen:

  1. Verändert der Verlust von Widerständigkeit in einer smart gewordenen Umgebung unser Verhältnis zur Welt und unserem Leib?
    - Antwort: Eindeutig ja. Kompensierung noch unklar.
  2. Inwiefern ist die kulturelle Disposition unserer Welterfahrung von der apparativ-technischen Weltsicht zu unterscheiden?
    - Antwort: Das Apperative ist zwar eine historisch-kulturelle Hervorbringung, aber in ihrer Funktionalität in gewisser Weise der Historizität entzogen.
  3. Welche Art von Orientierung bietet uns ein kybernetischer Raum?
    - Antwort: Eine an Nutzerprofilen orientierte.
  4. Welche Rolle spielt die leibliche Erfahrung für Subjektivität und Objektivität?
    - Antwort: Der Leib ist unmittelbarer Ausdruck der Subjektivität (Individuationsprinzip). Ohne Leib haben wir keine primäre Erfahrung von Gegenständlichkeit.
  5. Welche Rolle spielen Bilder, insbesondere solche mit dokumentarischem Anspruch in der zukünftigen Welterfahrung bzw. welche Bilder disponieren unsere zukünftige Welterfahrung?
    - Antwort: Bilder erlangen eine gewisse Selbständigkeit vom Abbildhaften. Das Abbildhafte wird zum Modell und zur Nachkonstruktion.
  6. Sind Gegenstände tatsächlich als virtuelle Hüllen zu fassen?
    - Der Begriff erscheint unglücklich, weil er zu konstruktivistisch klingt und horizontartige bzw. relationale Gegebenheit der Objekte unterschlägt. Hüllen sind austauschbar, relationale Verhältnisse wandelbar.
  7. In welchem Verhältnis stehen Begriffe wie Virtualität, Realität und Wirklichkeit?
    - Antwort: Virtualität steht zwischen Realität und Wirklichkeit. Virtualität ist ontologisch nicht eindeutig bestimmt. Wirklichkeit ist weiter und enger als Realität. Virtualität betont die Wirkmächtigkeit/möglichkeit, Wirklichkeit betont einmal die Tatsächlichkeit, zum anderen ein Transzendierungspotential, das in der Realität liegt (keine Realität ohne Wirklichkeit, keine Wirklichkeit ohne Realität - Korrelativverhältnis).

Da viele unsere Fragestellungen in einer Phase der Entwicklung bestimmter medialer Technologien gestellt werden, handelt es sich zu einem guten Teil um Probleme einer zukünftigen Disposition von Raum, Wahrnehmung und Kultur. Zweck der Diskussionen war insofern auch ein praktischer, nämlich Steuerungs- bzw. Handlungspotentiale für die zukünftige Weltgestaltung auszuloten.

© Klaus Wiegerling (Stuttgart)

10.4. Virtualisierung von Raum, Wahrnehmung und Kultur

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For quotation purposes:
Klaus Wiegerling (Stuttgart): Bericht: Virtualisierung von Raum, Wahrnehmung und Kultur . In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/10_4/wiegerling_report15.htm

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