Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 16. Nr. | Juli 2006 | |
6.8. Fremde erleben / Experience the Foreign |
Wahrnehmungsunterschiede zwischen Tuareg-Nomaden, individuellen Ethno-Touristen und Gruppenreisenden in der Sahara - und ihre Rolle für Völkerverständigung im Tourismus
Harald A. Friedl (FH JOANNEUM Bad Gleichenberg)
[BIO]
Abstract:
Die Wüste als Gegenwelt zum europäischen Lebensraum faszinierte Forscher wie Reisenden seit jeher in besonderem Maße. In das Bild von den wogenden Dünen fügt sich auch das Image vom Tuareg-Nomaden. Es ist gleichfalls von Projektionen westlicher Sehnsüchte nach dem edlen Wilden gekennzeichnet.
Diese Sichtweisen sind unter den europäischen Reisenden aufgrund ihres gemeinsamen kulturellen Erfahrungs- und Prägungskontextes weitgehend ähnlich. Dennoch weisen individuelle "Reisende" im Gegensatz zu organisierten Gruppenreisenden - zumindest nach ihrem Selbstverständnis - etwas andere Reisemotive und Erwartungen auf. Dies zeigt sich auch in der etwas anderen Form des Reisens in die feindliche Lebenswelt der Wüste und zu ihren Bewohnern, denn bei Individualreisenden steht das Bedürfnis nach der Begegnung mit den Tuareg weiter im Vordergrund als bei Gruppenreisen, die mehr die Sehnsucht nach Dünen antreibt.
Im krassen Gegensatz zu touristischen Wahrnehmungen und Empfindungen der Sahara-Wirklichkeit stehen jene der Sahara-Bewohner, der Tuareg-Nomaden. Für sie ist das Leben in der Wüste eine alltägliche, erlernte und praktizierte Überlebensstrategie, die selten mit Idylle zu tun hat, auch wenn es ihr "Zuhause" ist.
Trotz der gravierend unterschiedlichen, teils scheinbar inkompatiblen Wahrnehmungs- und Interpretationsmuster von Sahara-Reisenden einerseits und Sahara-"Bereisten" andererseits läuft der Sahara-Tourismus im Niger in einer für alle Beteiligten recht konstruktiven Weise ab. Die Europäer, so scheint es, gewinnen durch die Begegnung mit "echten Tuareg" an Befriedigung, während manche Tuareg-Nomaden durch bare Münze, manche erstaunlicherweise aber auch nur durch bloßen ideellen Austausch zu profitieren meinen.
Wie ist Begegnung oder gar Verständigung unter solchen scheinbar gegensätzlichen Voraussetzungen möglich? Welche Erklärungsansätze tragen zum besseren Verständnis von interkulturellem Austausch bei, der geprägt ist von scheinbar unüberbrückbaren Klischees? Der Fall des Tuareg-Tourismus indiziert, dass es neuer Denkansätze zum besseren Verständnis des umstrittenen Begriffs der "Völkerverständigung" bedarf, wie sie hier in Ansätzen entwickelt werden. Diese Ansätze dienten in weiterer Folge auch als Grundlage für das kybernetische Modell einer universellen Tourismusethik.
1. Völkerverständigung im Ethnotourismus?
2. Die Tuareg - Skizze einer Nomadenkultur
3. Tourismus bei den Tuareg
4. Sahara-Mythen: Motive für Reisen ans Ende der Welt
4.1. Reisemotive von Niger-Reisenden / 4.2. Mythos Natur / 4.3. Mythos Wüste / 4.4. Mythos "edle Wilde" / 4.5. Mythos Tuareg / 4.5.1. Der Namen "Tuareg" / 4.5.2. Die mythische Herkunft der Tuareg / 4.5.3. Die "Tuareg-Wurzeln" der Franzosen / 4.6. Historische Entwicklung des europäischen Tuareg-Images
4.6.1. Die frühen Tuareg-Berichte / 4.6.2. Das Entsetzen nach dem Flatters-Massaker / 4.6.3. Die Periode der französischen Konsolidierung / 4.6.4. Das "Ende der (Tuareg-)Welt" / 4.6.5. Tourismus: Tuareg als Reise-Maskottchen / 4.6.6. Tuareg als Opfer und Helden der Rebellion / 4.6.7. Fazit: Tuareg als Fiktion
5. Touristische Tuareg-Wirklichkeiten
5.1. Tuareg-Bilder von Touristen / 5.2. Erfahrungen mit Tuareg
6. Nomadische Touristen-Wirklichkeiten
6.1. Was ist ein "Tourist"? / 6.2. Tuareg-Vorstellungen von Touri sten-Motiven? / 6.3. Moralische Bewertung von "Touristen" durch Tuareg / 6.4. Die Kategorie des "Fremden" / 6.5. Moralische Bewertung von "Europäern" durch Tuareg / 6.6. Was ist "Europa"? / 6.7. Tuareg-Kontakte zu Europäern
7. Für ein neues Paradigma des "Verstehens"
7.1. Verstehen verstehen / 7.2. Das Theater-Modell von Goffman / 7.3. Das Vier-Kulturen-Modell von Thiem / 7.4. Modi des Fremderlebens / 7.5. Der touristische Blick / 7.5.1. Was ist Tourismus? / 7.5.2. Klischee-Funktionen / 7.6. Fazit: Ist interkulturelles Verstehen möglich?
8. Erfolgre iche Tuareg-Tourismus-Kommunikation
9. K ybernetische Ethik als systemische Nutzenmaximierung .
Referenzen:
Trägt das Reisen zum gegenseitigen Verständnis als Grundlage für Frieden zwischen den verschiedenen Kulturen bei? Die Einschätzung des Tourismus als prädestiniertes Medium der Völkerverständigung war in den Anfangsphasen des internationalen Tourismusbooms bis in die 90er Jahre hinein beinahe ein Paradigma. Explizit deklarierte sich die Welttourismusorganisation (UNWTO) in diesem Sinne noch im Jahr 1995 i n der Lanzerote Charta (zit. nach Ecotour, 2000). Die Autoren gingen einfach davon aus, dass Menschen verschiedener Nationalitäten und Kulturen, die in die Fremde fuhren, bereits aufgrund der schlichten visuelle Konfrontation miteinander zu mehr Verständnis füreinander finden würden. In diesem Sinne nannte auch Papst Pius XII im Jahr 1952den beobachtenden und lernenden Touristen "eine Art von Botschafter" (zit. nach Opaschowski, 1989, S. 207) , und John F. Kennedy verkündete zehn Jahre später: "Travel has become one of the great forces for peace and understanding in out time." (Zit. in Wahrlich 1983, S. 135). Als "world’s great peace industry" bezeichnete D’Amore (1988, S. 153) sogar noch zu Ende der 80er Jahre den Tourismus.
Eines der häufigsten Argumente für eine bessere interkulturelle Verständigung beruhte etwa bei Wahab (1997, S. 131) auf der Annahme, Tourismus trage zur sozialen Homogenisierung und damit zum Abbau kultureller Differenzen und Barrieren bei. Zu dieser naiven Konzeption von Begegnung, interkulturellem Austausch und "Verständnis" mochten wohl unreflektierte Extrapolationen von einigen wenigen, in diplomatischer Hinsicht erfolgreichen Expeditionen, wie jener von Marco Polo oder von Heinrich Barth (1986), beigetragen haben. Für diese Beispiele gilt im Besonderen, was früher generell für Reisen galt, nämlich dass sie als Synonyme für Kommunikation verwendet wurden. Dabei bestimmte das Tempo des Reisens das Tempo der Kommunikation (Luger 1995, S. 20). Vor dem Hintergrund europäischer Eroberungsreisen seit der Renaissance könnte eine derartige Einschätzung des Reisens als Verständniskatalysator hingegen kaum standhalten.
Die Weiterentwicklung der Tourismussoziologie und der Erforschung interkultureller Kommunikationsphänomene führte mittlerweile zu weit differenzierteren Betrachtungsweisen der Bedeutung des Tourismus für die interkulturellen Beziehungen. Dabei lassen sich im Wesentlichen drei Positionen zum Tourismus als Mittel der Völkerverständigung herauskristallisieren: die der undifferenzierten Tourismus-Verfechter, die der Tourismus-Skeptiker und diejenigen, bei der die Forscher die jeweiligen Rahmenbedingungen einer "Begegnung" als Bedingung für gelingende Völkerverständigung hervorkehren.
Autoren wie Allport (1954), Cook (1962), Amir (1976) oder Pettigrew (1986) vertreten die Annahme, dass der bloße Kontakt zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen gemeinsame, interkulturelle Einstellungen fördern und Spannung zwischen den Gruppen reduzieren würde. Allerdings verzichten die jeweiligen Autoren auf eine weiterreichende Begründung ihrer Ansicht, weshalb diese eher als Ausdruck ihrer jeweiligen Überzeugung und nicht als Ergebnis der empirischen Forschung zu werten ist.
Angesichts der Rahmenbedingungen, nach denen Tourismus in der Praxis zumeist abläuft, erscheint die euphorische Beurteilung des Tourismus kaum aufrecht zu erhalten. Für Crick (1989, S. 328) seien die jeweiligen Bemerkungen von Frieden und Völkerverständnis durch Tourismus eher ein "mystifying image that is a part of the industry itself". Ähnlich sieht Bruner (1991) die Vision von der Völkerverständigung als ein Konstrukt des populären öffentlichen Diskurses anstatt als Resultat einer Reflexion der tatsächlichen Reiseerfahrung. Und Luger (1990, S. 13) spricht überhaupt von der "Perfektion der Völkermissverständigung" durch Ferntourismus.
Nettekoven (zit. in Pardon 1997, S. 141) argumentiert diese kritische Position mit dem Hinweis, dass zwischen Gästen und Gastgebern zumeist nur in sehr geringem Maße - und wenn, dann nur in sehr oberflächlicher Weise - ein kultureller Austausch zustande komme. Ähnlich verwiesen schon de Kadt (1979) und Pearce (1982) auf die isolierten Touristenenklaven, die interkulturellen Kontakt weitgehend ausschließen. Auch auf Rundreisen verhält es sich nicht anders, da einerseits das gedrängte Besichtigungsprogramm, andererseits das "Luxus"-Hotel Kontakte mit der Bevölkerung nahezu unmöglich machen. Zudem sei für Koeppen (1988, S. 28) die Offenheit der Reisegruppen stark durch die jeweils herrschende Gruppendynamik determiniert.
Manche Autoren (Kievelitz 1989, S. 33; Bausinger 1991, S. 350) verweisen in diesem Zusammenhang auf die grundlegenden Sprach- und Kulturbarrieren und die daraus resultierenden Kommunikationsschwierigkeiten, die interkulturelle Verständigung erschweren oder gar verhindern. Dazu trage nach Ansicht von Beek und Orlovius " (1984, S. 56)der in solchen Situationen entstehende Stress und die damit verbundenen "Berührungsängste" bei, der die Betroffenen dazu führe, sich auf vertrautes Terrain zurückzuziehen und eher kulturelle Differenzen zu betonen (vgl. auch Taft 1977, Steinkalk & Taft 1979). Und sollten verbale Verständigung möglich sein, bliebe für Pardon (1997, S. 141) dennoch das Problem des mühsamen, gegenseitigen Verstehens: "Eigenes in einer fremden Sprache und Fremdes in der eigenen Sprache zu sagen, würde ein Eintauchen in zwei Wirklichkeiten bedeuten oder ein Sich-hinein-Versetzen ins fremde Erleben", was während einer touristischen, zeitlich straffen Reise weitgehend unmöglich sei.
Negative Auswirkungen des Tourismus im Sinne einer Verstärkung von Vorurteilen, Klischees und Missverständnissen betonen zahlreiche Autoren (Cohen 1972; Bugnicourt 1978, S. 52 ff.; Krippendorf 1984, S. 119; Scherrer 1986, S. 12 f., 32, 137; Luger 1995, S. 22; Baumgartner 1997, S. 86) mit dem Hinweis, dass unmittelbare Erlebnisse allein noch nicht zu Verringerung und Abbau stereotyper Betrachtungsweisen beitragen würden. Vielmehr bedürfe es einer entsprechenden Interpretation. In der Praxis aber fehlt es häufig an qualifizierten Reiseleitern, die zur Hinterfragung und Ausdifferenzierung der Klischees beitragen könnten (Meethan 2001, S. 154).(1) Dahles (2002) weist am Beispiel Indonesien sogar gezielte, politisch motivierte Manipulationen der Reisenden durch regionale Reiseleiter nach.
Manche Autoren wie Pardon (1997, S. 141) und Kirshenblatt-Gimblett (1988, S. 63) verweisen auch darauf, dass gänzlich unterschiedliche Motive bei Touristen und Einheimischen einem gegenseitigen Verständnis entgegenstünden. Denn während bei den Touristen Anreize der Erholung und des Erlebnisses, des Exotischen und der fremden Kultur überwiegen, liegen bei der einheimischen Bevölkerung neben der traditionellen Gastfreundschaft und der Neugier zumeist auch ökonomische Beweggründe vor. Das subjektive Erleben der betroffenen Gruppen ist auch unterschiedlich strukturiert, denn was die Touristen als einmaliges Erlebnis empfinden, ist für die "Bereisten" ein stereotyper Ablauf. Für Maurer (1986, S. 19 ff.) stehe einer Verständigung zudem auch die ökonomisch bedingte Abhängigkeit der Bereisten von den Touristen entgegen und das dadurch bedingte "Herr-Diener-Verhältnis". Dies würde sogar auf beiden Seiten Ressentiments und Rassismus begünstigen.
Zusammenfassend lässt sich über diese Positionen festhalten, dass diese in eine Richtung weisen, wonach sich die Erwartungen an das Zusammenwachsen der Welt zum "Global village" im Sinne McLuhans und Powers (1989) durch die Entwicklung von Verkehrs- und Kommunikationstechnologie nicht erfüllt haben. Nach Ansicht von Tomljenovic und Faulkner (2000, S. 18) hätten sogar jene Voraussetzungen, die zum Boom des Tourismus beigetragen haben, auch zu einem Anstieg der ethnischen Konflikte geführt, keineswegs aber zum Weltfrieden...
Die Vertreter einer differenzierten Haltung argumentieren häufig mit dem Hinweis auf fehlende empirische Untersuchungen (Opaschowski 1996, S. 207; Tomljenovic & Faulkner 2000, S. 20). Nach der Ansicht von Koeppen (1988, S. 33) sei bislang nur nachgewiesen worden, dass "sich Einstellungen zu Gastländern und ihren Menschen (...) im Rahmen von Reisen nur unter besonders glücklichen Umständen verändern lassen", etwa durch eine gefühlsmäßige Erschütterung des mitgebrachten Vorwissens im Laufe der Reise. Sinngemäß argumentieren auch Bertram (1995, S. 1, 107) und Heß (1998, S. 112). Verständnisgewinn auf Reisen hängt somit wesentlich von der jeweiligen Form des Kontaktes ab. Hennig (1997, S. 134) gibt jedoch zu bedenken, dass dieser Gewinn an Verständnis jedoch keineswegs mit dem Gewinn von Sympathie einhergehen müsse, sondern sich auch auf die Auflösung bislang positiv gefärbter, idealisierender Vorstellungen beschränken könne.
Nach Tomljenovic und Faulkner (2000, S. 20) seien Kontaktsituationen dann für gegenseitigen Verständnisgewinn förderlich, wenn sie von Intimität und Freiwilligkeit zwischen den Beteiligten und gleichem Status geprägt sind; zudem sollten die Beteiligten gemeinsame Ziele innerhalb einer unterstützenden sozialen Atmosphäre verfolgen. Andernfalls komme es zu keinem Kontakt und keinem Einstellungswandel, sondern eher zur Verstärkung der Vorurteile. Durchorganisierte Bustouren würden diesen Anforderungen kaum gerecht werden. Vielmehr werde hier der Kontakt zu Einheimischen und ihrer Kultur durch die Interpretation des zumeist ebenfalls nicht einheimischen Reiseleiters gefiltert. Förderlich seien dagegen ein flexibles Reisearrangement und eine grundsätzliche Offenheit der Reisenden für häufige, intensive Kontakte mit Einheimischen. Tatsächlich seien die typischen Rundreise-Kunden zumeist hoch motiviert, neue Kulturen kennen zu lernen. Die gewonnenen Erfahrungen würden zum Verständnis beitragen.
Diese empirischen Ergebnisse decken sich mit den langjährigen Erfahrungen des Autors als Reiseleiter. Dieser war daher stets bemüht, die Pausen auf seinen Rundreisen so zu gestalten, dass den Kunden ein Maximum an persönlicher Gestaltungsfreiheit offen blieb. Dafür eigneten sich vor allem die Mittagspausen. In der Regel hatten die Touristen diese Möglichkeit zu kleinen Entdeckungsreisen höchst positiv aufgenommen und gerne genutzt. Ihre begeisterten Schilderungen der erworbenen Erfahrungen und Erlebnisse bestärkten den Autor immer wieder in seiner Auffassung. Leider wurden seine Bemühungen in manchen Regionen, besonders in Marokko, zunichte gemacht, wenn regionale Reiseleiter das Reiseprogramm nur nach persönlichen Vorteilen zur Maximierung von Provisionseinahmen in Hotels oder Geschäften gestalteten. Doch sind dies ebenfalls Rahmenbedingungen, die keinesfalls ignoriert werden dürfen, will man einen konstruktiven interkulturellen Kommunikationsprozess zwischen Einheimischen und Reisenden fördern.
Überraschend, wenn auch plausibel, ist der am Beispiel einer Reise australischer Studenten nach Japan belegte Hinweis der Autoren Tomljenovic und Faulkner (2000, S. 27 ff.), dass eine besonders hohe Motivation und eine intensive Reisevorbereitung zur Erlangung kultureller Einblicke nicht unbedingt eine gute Voraussetzung für kulturelles Verständnis sei. Vielmehr würden sich auf diese Weise schon vor der Abreise gut entwickelte normative Stereotype der Destination einprägen. Solche Stereotype werden aufgrund historischer Gegebenheiten, Massenmedien oder durch Ausbildungsprogramme und Literatur geformt und gefestigt, wodurch sie nur noch wenig Raum für Veränderungen zuließen, weil neue Erfahrungen stärker assimiliert werden müssten. Die beiden Autoren nennen dieses Phänomen einem "self-selection process that introduces a tautological element of the problem." (ebd., S. 30) Ohne intensive Vorbereitung hingegen bliebe mehr Spielraum für persönliche Einstellungsänderungen, die durch intensive, positive Erfahrungen ausgelöst werden können, vorausgesetzt, der Betreffende hat eine grundsätzlich neutrale oder positive Grundhaltung. Diese Annahme indizierten die Ergebnisse einer Vergleichsstudie von Tomljenovic und Faulkner (2000, S. 24 ff.) über kroatische Studenten, die zu verschiedenen europäischen Destinationen reisten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Tourismus sowohl zu Verständnis als auch zu Missverständnis beitragen kann. Voraussetzung für positive Ergebnisse sind in jedem Fall guter Service oder die Erfüllung anderer Erwartungen, die von den Reisenden als grundlegend für das Gelingen einer jeweiligen Reise in ein jeweiliges Land erachtet werden. Zudem tragen überwiegend positive Erlebnisse, die die Reisefreude nicht trüben, zu besserem "Verständnis" füreinander bei. Hingegen können Enttäuschung positive Haltungen leicht in negative Eindrücke von Land und Leuten umschlagen lassen.
Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Struktur des jeweiligen Reiseprodukts und die jeweilige Steuerung dessen Ablaufes. So sollten jedenfalls Situationen vermieden werden, bei denen die Beteiligten hinter ihre Zone der kritischen Distanz gedrängt werden. Ein dadurch verursachter Stress reduziert tendenziell die Freude an der Reise und trägt damit zur Verschlechterung des interkulturellen Verständnisses bei. Ein flexibler, zeitlicher Rahmen mit möglichst viel Freiraum und der Option, sich in individueller Art und Weise unter die Einheimischen mischen zu können, trägt wesentlich zum Brückenschlag zwischen Reisenden und Bereisten bei. Hier zeigt sich deutlich die große Verantwortung seitens der Produktentwickler, Tourveranstalter und Reiseleiter für die Gestaltung interkulturell kommunikationsförderlicher Rahmenbedingungen.
Da der Autor bereits mehrfach anderweitig in umfassender Weise auf die Eigenheiten der Tuareg eingegangen ist (2004), werden die nachfolgenden Angaben auf das notwendige Minimum reduziert. Dabei werden im Wesentlichen auf die Autoren Bernus (1993), Bourgeot (1995), Spittler (1998) Göttler (1989) und Grégoire (1999) referiert.
Die Tuareg sind Teil der Berber, der Ureinwohner Nordafrikas, wo sie bis zum Ende des ersten nachchristlichen Jahrtausends lebten. Unter der arabischen Invasion im 8. und 10. Jh. emigrierten Tuareg-Verbände in mehreren Wellen in die Zentralsahara und weiter nach Süden. Durch die Überlagerung mehrerer Verbände entstanden quasi-feudalistisch organisierte Strukturen mit einer kriegerischen Schicht, den "Vasallen", den "Religiösen" und den Sklaven. Letztere wurden von der sesshaften schwarzen Bevölkerung rekrutiert. Die ökonomische Grundlage der Tuareg beruhte im Wesentlichen auf Viehzucht (insbesondere Kamele und Ziegen), auf der Kontrolle des transsaharischen Karawanenhandels und vereinzelt auch auf der Durchführung eigener Karawanen. In Notzeiten wurde das Überleben durch bewaffnete Überfälle, sog. "Rezzus", auf Bauernsiedlungen oder auf gegnerische Tuareg-Verbände gesichert.
Mit der Kolonialisierung zu Beginn des 20. Jh. und der damit einhergehenden Befriedung des Tuareg-Einzugsgebiets setzte sich zunehmend auch der Gartenbau als weitere Einkommensalternative durch. Diese neuen, sichereren Verhältnisse trugen insbesondere für die Tuareg-Gruppe der Kel Ewey in der Region Aïr-Ténéré zu einem signifikanten Aufstieg des Karawanenhandels mit Salz bei. Gleichzeitig büßten die meisten Tuareg-Verbände ihre politische und damit auch ihre ökonomische Vorherrschaft ein. Dieser Prozess des ökonomischen, politischen und soziokulturellen Wandels wurde mit der Dekolonialisierung verstärkt und erfuhr mit den ökologischen Krisen der 70er- und 80er-Jahre eine neuerliche Verschärfung. V erheerende Dürren, die den gesamten Sahel wiederholt für mehrere Jahre heimsuchten, vernichteten die Kamel- und Ziegenherden und damit die Lebensgrundlage vieler Nomaden. In der Folge fanden sich zahllose Tuareg in Flüchtlingslagern wieder. Die "Ischomars", die ebenfalls mittellos und entwurzelt gewordene jüngere Generation der Nomaden, suchte Arbeit auf den Ölfeldern in Algerien oder Gaddafis "Islamischer Armee". Die weitere Entwicklung für die Tuareg insgesamt lässt sich, analog zu jener der Gesellschaften im Westen, als eine Tendenz zu zunehmender Differenzierung und Individualisierung bei zunehmender Einbindung in globale Märkte bezeichnen. Tourismus spielt hier zweifellos eine nicht unwesentliche Rolle.
Um dem Elend und der Arbeitslosigkeit der Nomaden in der Region Agadez etwas entgegen zu setzen, engagierte sich in den 80er Jahren der junge und charismatische Tuareg Mano Dayak um den Aufbau des Tourismus. Nach einer "Ausbildungskarriere", die ihn bis an die Universitäten nach Paris geführt hatte, gelang es ihm, seine geknüpften Kontakte nach Europa für den Sahara-Tourismus zu instrumentalisieren. Wie der Autor noch zeigen wird, besteht seitens der Franzosen eine ungewöhnlich starke, historisch bedingte Affinität gegenüber den Tuareg und der Sahara, die im Wesentlichen auf deren Verklärung beruht. Durch geschicktes Marketing gelang es Mano, die Tourismusankünfte in Agadez signifikant auf bis zu 3000 zahlende Touristen pro Saison zu steigern. Dabei war einer der wichtigsten Voraussetzungen die Einrichtung einer direkten Charter-Linie von Paris nach Agadez.
Manos Auffassung von Tourismus entsprach der damals herrschenden Ideologie von der kulturdestruktiven Kraft des Tourismus, weshalb er Ethnotourismus als eine Form des "Zootourismus" (Dayak 1992, S. 78; Dayak 1996, S. 178) ausdrücklich ablehnte. Nach seiner Vorstellung von einem sozialverträglichen Tourismus sollte dieser als reiner Abenteuer- und Wüstentourismus den Touristen Erlebnisse in der Begegnung mit dieser exotischen Natur ermöglichen, den als Führer und Fahrer beschäftigten Tuareg Arbeitsplätze eröffnen und der Region zu den benötigten Devisen verhelfen. Die nomadische Bevölkerung selbst sollte davon zwar in Form von Subventionen und Projekten profitieren, von Touristen aber unbehelligt bleiben.
Diese erste erfolgreiche Tourismusperiode endete 1991 infolge des Ausbruchs eine Rebellion der Ischomars.(2) Die einstigen Söldner Gadhaffis waren in der Hoffnung auf versprochene Integration aus Libyen nach Mali und in den Niger zurückgekehrt, fanden sich aber letztlich nur in schlecht organisierten Flüchtlingslagern wieder. Die Spannungen zwischen Ischomars und Militär führten schließlich zu einem Massaker an Tuareg-Flüchtlingen durch das Militär. Darauf hin schlossen sich die Ischomars zu einer Rebellenfront zusammen und begannen einen mehrjährigen Kampf gegen das Militär. Allerdings zerfiel die Tuareg-Rebellion bald in zahlreiche unterschiedliche Fronten, die ihre individuellen Interessen auf Kosten der Bevölkerung verfolgten. Ein gemeinsamer Friedensvertrag kam darum erst 1997 zustande. Leidtragende dieser Rebellion war in erster Linie die Bevölkerung, die in diesen Jahren weitgehend von der Außenwelt isoliert war. Auch hatten praktisch alle Entwicklungsorganisationen aus Sicherheitsgründen die Region verlassen, wodurch die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung katastrophal wurde. Viele Menschen wählten als Lösung die Flucht nach vorn, indem sie sich der Modernisierung öffneten. So waren nunmehr viel mehr Eltern als vor der Rebellion bereit, ihre Kinder in die Schule zu schicken.
Seit der Beilegung der bewaffneten Konflikte finanzierte die EU umfangreiche Projekte, um die Krisen geschüttelte Region wieder zu stabilisieren. Eine der wichtigsten Maßnahmen dabei war die Einbindung der Ex-Rebellen in die regulären Sicherheitskräfte. Viele dieser jungen Leute entdeckten jedoch den Tourismus als ein neues Betätigungsfeld. Binnen weniger Jahre schnellte die Zahl der neu gegründeten Reiseagenturen von knapp einem Dutzend, die bereits vor der Rebellion bestanden hatten, auf über 70 bis zum Jahr 2001. Dennoch stieg die Zahl der Tourismusankünfte nicht über 4.000. Die Struktur der nunmehrigen Reiseangebote unterschied sich nicht wesentlich von jener der ersten Tourismusperiode. Wiederum stellten zumeist Tuareg mit wenig touristischen Kenntnissen das Personal der meisten Agenturen.
Was macht eine Reise in den Niger ernsthaft interessant? Tatsächlich hat der Niger, insbesondere aber die Region Agadez, eine Vielzahl an Attraktionen landschaftlicher, biologischer wie auch kultureller Natur anzubieten. Für die Region charakteristisch ist das Aïr-Massiv, eine weitgehend vulkanische Erhebung, die wie eine Barriere gegen die Ténéré-Wüste wirkt. Dank dieser morphologischen Struktur gelangen tropische Luftmassen bis in diese Breiten, die von sommerlichen Niederschlägen profitiert, wo andernorts völlig niederschlagslose Wüsten liegen. Besonders beeindruckend für Europäer ist jedoch die Ténéré-Wüste selbst mit ihren vielfältigen Landschaftsformen wie Dünenfelder, Feldformationen und flachen Ebenen. Diese Region war während der Eiszeiten wesentlich feuchter und war darum Siedlungsgebiet von Jäger- und Sammler- sowie Bauernkulturen, deren Artefakte im Wüstensand auffindbar sind. Zudem gibt es in den Aïr-Bergen Festgravuren aus dieser Zeit in großer Zahl.
Auch in biologischer Hinsicht ist die Region von großem Interesse. Im Aïr-Ténéré-Einzugsgebiet befindet sich das gleichnamige Bioreservat, mit rund 78.000 qkm das größte seiner Art. Hier findet sich eine für Wüstenverhältnisse enorm große Biodiversität. Zu den besonderen Tierarten, die auch von Touristen beobachtet werden können, zählen Straussen, Gazellen, Addax-Antilopen, Mufflons, Paviane, Wüstenfüchse und Chamäleons.
Von kulturtouristischer Bedeutung ist besonders die alte Karawanenstadt Agadez, eine Gründung aus dem 15. Jahrhundert. Im alten Kern finden sich noch überwiegend Bauwerke aus Lehm, deren Errichtung bis in die Gründungszeit zurückreicht, darunter die berühmte Moschee mit dem 27 Meter hohen Minarett sowie dem Sultanspalast.
Neben diesen Attraktionen des klassischen Kultur- und Naturtourismus stellt aber eben auch die Kultur der Tuareg-Nomaden mit ihren spezifischen Siedlungsformen, den Karawanen, den prächtigen Festen und insbesondere den ästhetisch äußerst ansprechenden Handwerksprodukten dar.
Im Folgenden soll nun der Frage nachgegangen werden, warum westliche Reisende von eben solchen Attraktionen angezogen werden. Warum nehmen Angehörige moderner Kulturen Mühen und Kosten auf sich, um freiwillig in abgelegene, unkomfortable Regionen zu fahren? Und was nehmen sie dann wahr, wenn sie "Landschaften" und "exotische Menschen" begegnen?
Reisemotive spiegeln für Winter (1988, S. 208) den herrschenden Zeitgeist wider und geben Einblick in dominierende Präferenz- und Bewertungsmuster bestimmter Epochen, weil sie gleichsam verinnerlichte, wenn auch individuell adaptierte Einstellungen, Sehnsüchte und Träume seien, auf denen die "konkreten Erwartungen gedeihen." Diese Motive, hinter denen nach Hennig (1998, S. 9) "Vorstellungsbilder" oder "kulturell überlieferter Bilder der ‚imaginären’ Geographie" gedeihen, prägen wesentlich die Reiseentscheidungen der Touristen. Insofern sei auch Tourismus eine "Form kultureller Praxis", die zwar vermarktet werden könne, sich letztlich aber teilweise der beliebigen Verwertung entziehe. Um darum verstehen zu können, warum Touristen etwa in die Wüste oder zu den Tuareg fahren wollen, muss man darum die kulturell verankerten Sehnsüchte dieser Wüstenfahrer aufspüren.
Eine vom Autor durchgeführten Befragungen von Agadez-Touristen nach deren Reisemotiven (Friedl 2005, S. 367-394) verdeutlichte, dass Niger-Reisende in erster Linie des Landschaftserlebnisses wegen kommen würden. Nur ein Bruchteil von 16 % nannte Gründe, die unter dem Begriff "Kulturerlebnisse" subsumierbar sind. Darunter fielen Antworten wie "Begegnung mit der Bevölkerung", "Tuareg-Kultur" und ähnliches.
Um zu erhellen, was Einzelne mit der subjektiven Vorstellung von "Wüste" verbinden und womit sie die Faszination der Wüste verbinden, wurden die Probanden um Assoziationen zum Begriff "Wüste" gebeten. Dabei dominierte mit 79 % der Antworten deutlich die symbolische, spirituelle, empfindsame Deutung von "Wüste". Dabei wurde mit Begriffen geantwortet, welche die Wüste als Gegenwelt zur westlichen Zivilisation beschrieben ("Stille", "Ruhe", "Einsamkeit", "Unberührtheit", "Mangel", "Freiheit"...) sowie als Ort der Spiritualität ("Selbstfindung", "Reflexion", "Magie", "Mystik"...)
Hier zeigt sich deutlich, dass Wüste wesentlich als Projektionsraum für Sehnsüchte und Träume dient, als ein Raum für Imaginationen. Hier wünschen manche Reisende, "die Notation der Zeit und des Raumes (zu) verlieren". Für machen eröffnet die Wüste eine "Grenzenlosigkeit, die es erlaubt, seine Grenzen abzuwerfen" (wörtliche Zitate von Probanden).
Diese Ergebnisse wurden auch durch die Antworten auf Fragen nach den Höhepunkten des Reiseprogramms bestätigt. Von 106 Antworten bezogen sich 47 % ausschließlich auf bloße Landschaftselemente. Wertet man allerdings die genannten Kulturelemente als lediglich lebendige Attraktionen, die als Erlebnis einer exotischen Kulisse, als visueller Reiz, dienen, so lässt sich das Gesamtergebnis wie folgt zusammenfassen: Für 81 % stellte das rezeptive, konsumtive Erleben den Höhepunkt ihrer Reise dar: schlichtes Zusehen, Schauen, Fotografieren, auf sich wirken lassen. Lediglich 10 % empfanden das kommunikative Erleben, etwa die Begegnung und der Austausch mit Einheimischen, als Höhepunkt. 9 % der Befragten hatten das kontemplative Erleben gewisser Situationen als Höhepunkt der Reise empfunden.
Auch auf die explizite Frage nach den kulturellen Höhepunkten ihrer Niger-Reise nannten immerhin 43 % solche Elemente, die nichts mit der lebendigen Tuareg-Kultur zu tun haben, wie "Wüste", "Felsgravuren", "Nationalmuseum" etc.
Dieser Trend der Dominanz von Klischees, deren "Wiedererkennen" den größten Eindruck hinterlassen hat bestätigen auch die Antworten auf die Frage nach der wichtigsten prägenden Erinnerung der zurückgelegten Reise. Von den 128 Antworten dominierte klar die Kategorie des Naturerlebens mit 32 %, wogegen sich nur 8 % direkt auf die Begegnung mit Tuareg bezogen. Nach einer Kategorisierung der Antworten entsprechend dem Zugang auf das Reiseland lässt sich abschließend auch hier festhalten, dass für 52 % die wichtigsten Erinnerungen rezeptiv-konsumtives Erleben widerspiegeln, 33 % kontemplatives Erleben und lediglich 15 % kommunikatives Erleben.
Niger-Reisende, das lässt sich damit klar nachweisen, kommen primär wegen des Reizes des rezeptiven Erlebens der Exotik: das Wiedererkennen jener sensationellen fremden Welt, wie sie von den frühen europäischen Berichterstattern überliefert, ständig weitergegeben und somit nachhaltig prägend wurden. Demgegenüber stellt das Fremde, Exotische einer außereuropäischen Kultur eine große Barriere dar, die zwar als visueller Reiz höchst attraktiv, als Möglichkeit zur Kontaktaufnahme dagegen wenig erstrebenswert erscheint. Dieses Ergebnis kommt bei den Pauschalreisenden noch deutlicher zum Ausdruck, denn sie buchen ja eine Reise, um auf sicherem Wege binnen relativ kurzer Zeit das Land "präsentiert" zu bekommen.(3)
Die oben genannten Ergebnisse sind angesichts eines Blicks in die herrschende Literatur keineswegs überraschend. Nach einer Studie aus dem Jahre 1999 des BAT-Freizeit-Forschungsinstituts (zit. nach Agricola 2001, S. 177) verstehen 27 % der Befragten unter ihrem Lieblings-Urlaub den Aufenthalt in unberührter Natur, 16 % verstehen darunter Exotik, möglichst weit weg in fremder Umgebung. Eine Untersuchung von Schrutka-Rechtenstamm (1998, S. 87) ergab sinngemäß, dass die Möglichkeit zu unmittelbarem Naturgenuss für über 50 % der deutschen Reisenden wichtig für ihre Reiseentscheidung sei; 80 % der Befragten bezeichneten intakte Natur und Umwelt als wesentlich für ihre Urlaubszufriedenheit.
In dieser Natur-Sehnsucht kommt der überragende Wunsch nach idyllischen Landschaften und freier, unverfälschter, unberührter Natur zum Ausdruck, wie sie weitgehend in der Sahara zu finden ist. In der Praxis des verbreiteten "Natur-Tourismus" allerdings sind die meisten Urlauber mit der Natur-Kulisse zufrieden, so ist sich Opaschowski (1989, S. 152) sicher: Unterhaltung in einer schönen und sauberen Natur sei letztlich wichtiger, als die Begegnung mit der Natur, weshalb eher eine künstlich geschaffene Naturkulisse akzeptiert werde, als eine belastete oder zerstörte Natur. Dies zeigen deutlich die von Autor durchgeführten Befragungen von Agadez-Touristen, die überwiegend den Müll in den Straßen als negative Erfahrung im Niger beklagten (Friedl 2005, S. 389).
Diese nur scheinbare Diskrepanz ist freilich für Deutschland leicht erklärbar, denn es ist gekennzeichnet durch eine auch für europäische Verhältnisse besonders ausgeprägte Kultivierung des Raumes: Ballungsgebiete werden durch Regionen mit intensiver Landwirtschaft abgelöst. Dazwischen finden sich - im Vergleich zu Frankreich oder Österreich - nur vereinzelt kleinere Naturparks. So erstaunt es wenig, dass die meisten individuellen Saharafahrer aus Deutschland stammen: Wenn sie sich allein in ihrem Fahrzeug durch die "unberührte" Sahara bewegen, "erfahren" diese Touristen gleichsam das Gefühl, die unendliche Natur nur für sich zu "haben". Welch ein Gegensatz zum überstrukturierten und übergeregelten deutschen Straßennetz! Dies macht verständlich, weshalb viele deutsche Sahara-Fahrer 2003 anlässlich der Touristenentführung in Algerien auf das Heftigste gegen jegliche Einschränkung des individuellen Reiseverkehrs in der algerischen Sahara protestiert hatten.(4)
"Touristen sind (...) keine Völkerkundler", hält Nettekoven (zit. in Wahrlich 1983, S. 143) als Erklärung dafür fest, dass sie ein fremdes Land nicht zur Begegnung mit Einheimischen besuchen, ja nicht einmal um seiner selbst willen. Vielmehr bedeute die Destination oft nicht mehr als "eine Kulisse, die prinzipiell austauschbar ist, und die die Wirklichkeit des besuchten Landes bis zur Unwirklichkeit verdecken kann." Destinationen, oder besser "unberührte", "natürliche" Landschaften dienen seit der Romantik der Befriedigung der Sehnsucht nach einer glücklichen, von Ungemach freien Welt. Reisen sind somit wesentlich "durch das Versprechen motiviert, den Inhalt von Ortsmythen fühlbar am eigenen Körper zu erleben (...)" (Shields 1998, S. 68), weshalb Cohen (1995, S. 13) touristische Destination als "realization of the tourist’s motivations" begreift.
Schon der Begriff "Landschaft" verdeutlicht für Ritter (1963, S. 113), dass er eine Konzeption der Tourismuskultur ist, die den "auf dem Land lebenden Menschen (...) fremd" sei. Diese Konzeption ist als Wahrnehmungsraster derjenigen Menschen zu verstehen, die sich im Alltagsleben fernab von naturnahen Landschaften, ja oftmals sogar in bewusster Distanz zu ihr bewegen. Daraus resultiert, dass es ihnen an Verständnis für Natur als Lebensraum mangelt, was substituiert wird durch eigene Projektionen. Darum suchen Touristen auch eher nach künstlich inszenierter Natur, vertrauten Kulturlandschaften wie Naturparks oder Golfplätze, als nach Artenvielfalt oder Natur im Urzustand. Dennoch besteht nach Ansicht Agricolas (2001, S. 353) bei einer gewissen Zahl von Menschen auch der Wunsch nach "authentischem Naturerleben", etwa zum Zweck der Persönlichkeitsbildung, aber das sollte dann doch auch möglichst risikoarm sein.
Damit Touristen Landschaften als solche wahrnehmen, müssen diese bestimmten Kriterien entsprechen, die durch Literatur, bildende Kunst und Film entwickelt wurden. Diese Medien würden heute die Rolle der Produzenten gewisser "Erzählungen" (Meethan 2001, S. 37) übernehmen, nachdem die traditionellen Mythen durch die Moderne aufgelöst worden sind. Short (1991, S. 178) weist etwa auf die Bedeutung des Genres der Western-Filme hin, die ein generelles Mythos von Wildnis verkörperten und zur Entstehung jener "fiktionalen Räume" beitrugen, die der Tourist am Urlaubsort als Bestätigung seiner "geistigen" Bilder erleben möchte.(5) Darum beurteilt Hennig (1998, S. 7 f.) die "touristische Wahrnehmung (als) so ‚unrealistisch’ wie Literatur, Film, Werbung und bildende Kunst."
Diese als "Raumrealität" empfundenen und touristisch vermarkteten Produkte erfahren nach der Ansicht Wöhlers (1999, S. 38) durch die Touristenströme ihre Bestätigung und werden in der Folge weltweit als Vorstellungsbilder transportiert und abermals durch Medien und Reiseführer reproduziert. Dabei ist für diese "Raumrealität" charakteristisch, dass die Touristen in ihrer selektiven Wahrnehmung fast zwanghaft die Zeichen der technischen Zivilisation eliminieren, um den Idealvorstellungen der Modelllandschaft zu entsprechen. Dies gilt besonders für ihre zu erstellenden Fotos. Dadurch schaffen sich die Touristen das "Bild einer archaischen, konfliktfreien Welt, gleichsam eine Märchenvorstellung von fremden Ländern (...)." (Hennig 1998, S. 8).
Die Dynamik der internationalen Tourismusindustrie führt dazu, dass im Grunde die gesamte Welt für Touristen als Vergnügungsraum konzipiert wird, als Bedeutungsträger, der mittels Reiseprodukte konsumiert werden kann. Die Landschaftsfunktion als Bedeutungsträger sei allerdings nach Meethan (2001, S. 32) nicht einfach im Sinne einer vorgeschriebenen Bedeutung "dekodierbar". Vielmehr müsse diese Funktion permanent neu produziert werden, weil im Sinne Sahlins’ (1987, S. 144) jede Reproduktion eines kulturellen Systems ein Dialog zwischen erhaltenen Kategorien (der Vergangenheit) und kontingenten Umständen (der Gegenwart) sei, in welchem Bedeutungen immer "in Gefahr" seien. Nicht Raum verschwindet, wohl aber Bedeutungen.
Beim touristischen Konsum von "Vergnügungsräumen" stehe jedoch nach der Ansicht Wöhlers (1998, S. 97) nicht die materielle Natur des jeweiligen Konsumguts im Vordergrund, sondern dessen Symbolgehalt. Übertragen auf das Beispiel des Niger würde dies bedeuten: Man reist nicht, um den Niger kennen zu lernen, sondern man wandelt prestigeträchtig "auf den Spuren von Heinrich Barth" oder im "Land der letzten Karawanen". Dieses Bedürfnis des postmodernen Menschen resultiere nach Corrigan (1997, S. 35 ff.) aus seiner Loslösung von traditionellen Strukturen und dem damit verbundenen Bemühen, sich über Konsum sozial zu verorten bzw. Identität zu erlangen. Das ermöglichen eben die Bilder und Erzählungen, die als ästhetisch-hermeneutische Zeichen einer Ware zugeschrieben seien und dem Mensch der Postmoderne als Orientierungsmittel dienen.
Manche geographische Räume werden zur Steigerung ihrer Attraktivität nach den Vorstellungen der Touristen oder den potentiellen Investoren zu Recht gerichtet und als "Erbe" und "Kultur" wiederbewertet. In dieser "symbolic economy of space" (Zukin 1995, S. 23 f.) werden gleichzeitig Raum als Synergie von Kapitalinvestition und kultureller Bedeutung sowie Symbole produziert. In diesem Sinn sei nach Wöhler (1998, S. 99 ff.) Marketing nicht als Förderung von Absatz zu verstehen, sondern als Förderung von Erwartungen und Wünschen mit dem Ziel, die zu Images transformierten Räume mit den Wunschbildern der potentiellen Raumkonsumenten, den Touristen, überein zu stimmen. Dabei wirkt dieses Raum-Image wie ein Vertrag, den der Anbieter gegenüber dem Touristen einzulösen hat: Letztendlich wird nicht der bereiste Raum, sondern das Raumimage verkauft.
Wöhler (1998, S. 105) nennt dieses Phänomen die "semiotische Kolonialisierung": Ein fremder, durch lokales Wissen strukturierter und durch lokale Symbole kommunizierter Raum wird für die Tourismusindustrie seines traditionellen Sinnes entleert und mit neuen Eindrücken aufgefüllt, deren Inhalte an das Kultursystem der potenziellen Touristen rückverbunden sind. Denn erst "dadurch wird der Reisende in der Fremde handlungsfähig." Darum seien auch Berichte über fremde Räume stets als "Lektion über das Denken im eigenen Raum" zu begreifen, denn nur durch diese kulturelle Referenz sind Reiseberichte für die Daheimgebliebenen verstehbar.
Darum vergleicht Schütze (1998, S. 51) die Touristen mit Don Quixote, dessen "Reisen aus lauter Wiedererkennung bestehen. Wie sie ist er blind, sein von einer übermäßigen Sinnfülle geblendeter Blick ist nicht länger empfänglich für die Andersartigkeit der Welt. Wie sie fühlt er sich überall zu Hause. Seit Don Quixotes Zeiten, jedoch spätestens seit die großen Entdeckungen abgeschlossen wurden, reisen wir auf der Folie einer zweiten Topographie: durch moralische oder Bildungslandschaften, auf historisch malerisch nobilitierte Gipfel, in geschützte Wildnisse und zu wieder belebten Kulturen."
Hier zeigt sich ein Dilemma zwischen dem Anspruch auf Völkerverständigung und der vorteilhaften Vermarktung einer in Konkurrenz stehenden Region: Einerseits kann eine Region ohne ihre Symbolisierung durch ein deutliches, ansprechendes und sich abhebendes Image mittels des "Destination Brandings" (Scott et al 2000, S. 198, 203 f.) vom Zielpublikum nicht einmal wahrgenommen werden und bleibt darum auf der touristischen Landkarte "inexistent". Andererseits aber droht diese Ökonomie der Raumsymbolik das Auseinanderdriften der Wahrnehmungsraster zwischen Touristen und Einheimischen zu beschleunigen. Nach Buck (1993, S. 179) müsse "das Fremde (...) unter diesen Bedingungen fremd bleiben." Dies gilt freilich nur unter der Annahme, dass so etwas wie Deckungsgleichheit der Wahrnehmungsraster zwischen Touristen und Einheimischen jemals bestanden habe oder überhaupt möglich sei, was der Autor im Weiteren noch widerlegen wird.
Nach der Vorstellung Wöhlers jedenfalls dürfte die "semiotische Kolonialisierung" in ihrer Dramatik deutlich werden, wenn der Raum durch rücksichtslose Infrastruktur zugerichtet und das Alltagsleben der Raumbewohner für die "Gäste" folklorisiert oder exotisiert wird. Man denke etwa an die Vertreibung der Massai aus der Serengeti und schließlich auch aus dem Ngorongoro-Krater zugunsten der Vergewaltigung dieser Lebensräume zu "Freiluftzoos" (Suchanek 2000, S. 86 f.) oder die Beeinträchtigung der Lebensgrundlagen der Tuareg im Aïr infolge der Errichtung des Aïr-Ténéré-Bioreservats Ende der 80er Jahre (Aoutchiki 1992).
Wie passt dieses Konzept der Raumkonstruktion zum gegenwärtigen Wüsten-Image? Das Image der Wüste als Urlandschaft änderte sich ähnlich wie das Image des Meeres, was sich an Begriffen wie "Dünenmeer", "Sandmeer" oder "Wüstenschiff"(6) erkennen lässt. In der nachfolgenden Argumentation des Autors entwickelt er darum eine Analogie zur Semantik des Meeres von Richter (1998, S. 12 ff.).
In klassischer Zeit erschien die Wüste als unüberwindliche Zone für alles Lebendige, bedeutet doch Ténéré "das Land da draußen". Die Tuareg betrachten die Wüste als Lebensraum der Geister, der Djinns. Gemessen an den traditionellen Vorstellungen der Anrainer dieses Lebensraums hat Wüste somit wenig mit Romantik, Weite, Stille und Freiheit zu tun. Erst die klassische Ästhetik der "Augenlust" wirkte nachhaltig prägend auf die "Betrachtung der Natur(...) (als) Balsam für die Wunden der Seele (...). Natur-Erfahrung wird damit zur Selbst-Erfahrung des sich erneuernden Ich." (Richter 1998, S. 16). Dies schließt auch eine Rückkehr in die verlorene Welt der Vergangenheit ein. In diesem Sinn etwa ist die Projektion der Atlantis-Vorstellung in die Zentral-Sahara in Pierre Benoits Buch "Atlantide" (1919) zu deuten.
Die Analogie zwischen Meer und Wüste zeigt sich für Richter (Richter 1998, S. 21) in der Zeit der Romantik besonders am Beispiel des "romantischen" Strandes, der menschenleer und "und auch weitgehend leer an natürlichen Zeichen ist, Wüste aus Sand und Meer, vom unendlichen Himmel überspannt. Dieser, sein Wüstencharakter, hatte auf frühere Generationen abschreckend gewirkt, jetzt wird gerade dieser Typ der Landschaft eine Art neuer locus amoenus." In der Romantik wächst die Begeisterung an den einsamen, ‚leeren’ Landschaften, die nun "zur Projektionsfläche der eigenen Einsamkeit des aus Tradition und Bindung sich lösenden Bürgers" wird. In der Folge werden solche karge, unwirtliche "Nicht-Landschaften" wie Meer, Gebirge oder Wald zu Lieblingslandschaften der Romantiker.
Die Wüste wird erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts auf Grund neuer Freizeitaktivitäten wie Rallye-Fahren, Klettern oder Durchqueren der Sahara per Fahrrad zum Ort der lustvollen Herausforderung, des Abenteuers und der sportlichen Aktivitäten. Dann aber entfaltet sie sich in ihrer Fülle als umfassende Projektionsfläche des postmodernen, urbanisierten Hybridtouristen auf der Suche nach der absoluten Landschaft, der absoluten Freiheit und der absoluten Reinheit.
In Abschnitt 4.1 wurde nachgewiesen, dass im Fall der Sahara-Reisenden die einheimische Tuareg-Bevölkerung keineswegs das wesentliche Reisemotiv darstellt. Angesichts dieses Umstandes unterliegt der renommierte deutsche Tuareg-Forscher Gerd Spittler, der viele Jahre bei den Kel Ewey im Aïr zugebracht hatte, einem grundlegenden Irrtum, wenn er annimmt, die Reisemotive der Aïr-Urlauber hätte wesentlich mit der Exotik der traditionellen Aktivitäten der Tuareg zu tun. Würden seiner Ansicht nach diese Aktivitäten entfallen, dann bliebe ein "reiner Wüstentourismus ganz anderer Art" übrig. Entgegen dieser Ansicht hat es im Aïr aber nie etwas anderes als einen "reiner Wüstentourismus" gegeben. Dieser wurde seit je her lediglich mit Abstechern zu Nomadensiedlungen und allenfalls mit folkloristischen Einlagen aufgewertet. Dies liegt jedoch in der Natur des Menschen, nicht aber in der Natur eines "falschen" Tourismus. Wie ich oben zu verdeutlichen versucht hatte, können Menschen gar nichts anderes "erkennen" als bereits Gekanntes und "Vertrautes", nämlich solche Belange, die auf vertraute Images referierbar sind. Und da den Europäern Wüsten-Images vertrauter sind als jene von Tuareg, wie ich in diesem Kapitel zeigen werde, ist es auch nicht verwunderlich, dass Agadez-Touristen in erster Linie wegen der Ténéré kommen und erst in zweiter Linie, wenn überhaupt, wegen der Tuareg.(7)
Wenn der Mensch Fremdes mittels Stereotypen "erkennt" und verarbeitet, so würde daraus folgen, dass er auch den Angehörigen fremder Kulturen im ersten Schritt nicht als individuellen Menschen, sondern als Repräsentanten vertrauter Images begegnet, also auch den Tuareg, denn sie "sind" die "Ritter der Wüste"(8). Das zeigt nach Ansicht Lugers (1995, S. 25) die Werbung in Europa, die erfolgreich derartige Vorstellungen instrumentalisiert, indem sie fremde Kulturen mit dem Ziel der Vermarktung als "Gegenwelt" exotisiert und mystifiziert und damit als Reiseziel und als ästhetische Faszination im Sinne von "Traumpfaden"(9) verwertbar macht.
Der Erfolg solcher Bilder resultiert nach Paulhart (1990, S. 124) im Unbehagen an der mit Rationalisierung, Differenzierung, Normierung, Beschleunigung und Entmystifizierung verbundenen westlichen Kultur. Dieses Vakuum an Magie, Zauber und Illusion substituiert die kommerzielle Werbung mit dem Versprechen der Erreichbarkeit der "letzten Paradiese" als Symbol für eine heile, vom Westen unberührte und darum noch magische Welt (Spreitzhofer 1995, S. 63). Wo sonst als im Unbekannten und Fremden kann der Freiraum für die Projektion des Schöneren und Besseren sein?
Dieses "edle, wilde" Fremde allerdings bleibt im Tourismus stets im Rahmen des Sicherheitsnetzes der organisierten Reisen. Dadurch wird die Erfüllung der Illusionen gleichsam Element des Reisevertrages. Der Tourist kann sich auf die positiven Seiten der Fremde beschränken, ohne sich wie ein Ethnologe mittels einer "dichten Beschreibung" (Geertz 1991) mit verschiedensten, meist weniger schönen Seiten einer besuchten Kultur auseinander setzen zu müssen. Dies trägt zwangsläufig zur Bestätigung solcher plakativen Vorstellungen bei.
Diese Idealisierung fremder Kulturen reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. So hatte erstmals Michel de Montaigne (1533-1592) (zit. nach Bitterli 1976, S. 232 f.) die Kolonisatoren wegen ihres brutalen Verhaltens gegenüber den Einheimischen kritisiert und auch ein neues Selbstbewusstsein für die Relativität seines kulturellen Standorts in Abkehr vom bisherigen Ethnozentrismus bekundet. Aus diesem Gedanken entwickelte sich im 18. Jahrhundert in der Reiseliteratur das literarische Genre des "edlen Wilden" als kulturkritischer Ausdruck.(10) Dieser Mythos vom "edlen Wilden" zieht sich bis hinauf zur modernen Tourismuskritik, die im Tourismus die Bedrohung solcher Kulturen erkennt. Damit wird jedoch unterstellt, dass diese Kulturen in einem " pre-commodified of pristine authentic state" existieren, "in which the representational space of the local becomes an ‚arena of homogeneity and authenticity in a world of inauthentic an unrooted global influences. " ( Amin & Thrift, zit. nach Meethan 2001, S. 63).
Diese spezifische Tourismuskritik muss als Weiterentwicklung der schwarzen bzw. elitaristischen Tourismuskritik verstanden werden. So beklagten die elitaristischen Tourismuskritiker letztlich den eigenen Verlust an unberührten Gebieten durch nachfolgende Touristen, die selbst nichts anderes als die Tourismuskritiker tun, nämlich das Privileg des Reisens zu auszuüben. Bei der Kritik an der angeblichen Kultur zerstörenden Kraft des Tourismus wird von westlichen Tourismuskritikern unterstellt, die "Bereisten" würden den Tourismus gar nicht wollen, sondern zögen es vor, in einer Art von vorzivilisatorischem, paradiesischen Zustand zu schweben, der allein durch Tourismus bedroht werde. Erfahrungsgemäß aber kamen derartige Widerstände jedoch wiederum nur von den gesellschaftlichen Eliten eben jener Gruppe, deren "Kultur bedroht" sei. Somit handelte es sich bei der Kritik um einen Versuch, eigene bestehende Privilegien zu legitimieren und aufrecht zu erhalten. Unterstützt wurden diese Gruppen häufig von gut meinenden westlichen Verfechtern einer konservativen und konservierenden Gesellschaftspolitik, die sich als sozial und kritisch präsentierte. Mayerhofer (1992) konnte in ihrer empirischen Fallstudie am Beispiel von Goa nachweisen, dass bei jenem "Aufstand der Bereisten" die angeblich zu beschützenden, tatsächlich aber sozial benachteiligten Schichten selbst gar nicht zu Wort gekommen waren. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, dass eben auch Tourismuskritiker und Wissenschaftler nur Menschen (und Touristen) sind, die ihrerseits nicht gefeit davor sind, in die Falle der Projektionen und Sehnsüchte zu tappen.
In den Augen vieler Touristen repräsentieren die Angehörigen der Dritte-Welt-Kulturen glückliche Landbewohner, die den Boden bewirtschaften oder im Handwerk produzieren, hart aber ehrlich arbeiten, und dies mit Sonnenschein und blauem Himmel, frei von negativen Aspekten der Industrialisierung.
Das ist jedoch nur die eine Seite der Medaille, denn das Bild vom guten, unverdorbenen Fremden ist eng verflochten mit der Unterstellung von allem erdenklich Schlechten wie Barbarei, Brutalität und Armut. Dies weist Atkinson (1999, S. 104 f.) deutlich am Beispiel Afrika nach, das entweder mit exotischen Reisebeschreibungen oder mit Berichten über Kriegs-, Natur- oder Hunger-Katastrophen in die Medien kommt. Für Duffield (1996, S. 179 ff.) wird dabei das Bild einer außereuropäischen Welt gezeichnet, die von unterschiedlichen Kulturen, Ethnien und Stämmen geprägt ist, die ihrerseits miteinander in wilden und blutigen Konflikten liegen, ein Charakteristikum, das gleichsam als in der Geschichte und Tradition Afrikas verwurzelt und daher unveränderbar unterstellt wird.(11) Nach Ansicht von Lindquist (zit. in Atkinson 1999, S. 107) unterscheiden sich diese Images der kulturellen Distanz zwischen dem zivilisierten Westen und dem barbarischen Süden kaum von jenen des 19. Jahrhunderts, als die "primitiven" Kulturen nur wild und brutal dargestellt worden sind. Gerade das hatte als Legitimation für die koloniale Intervention gedient.(12)
Eade und Allen (1999, S. 145 f.) konstatieren für die 90er Jahre des 20. Jh. einen regelrechten Boom des Wortes "ethnisch" in den Medien im Zusammenhang mit "ethnischer Säuberung" in Ex-Jugoslawien und in Afrika. Besonders im afrikanischen Kontext diente "Ethnizität" zur Beschreibung tribalen Zerfalls.Diese Sichtweise beruht auf dem verbreiteten "essentialistischen" Konzept von Ethnizität, das nach der Ansicht von Geertz (1963, S. 110 f.) traditionelle Bevölkerungsgruppen charakterisiert seien durch eine einzigartige soziale und kulturelle Essenz, die sie von "uns" durch tief liegende und unauslöschliche Unterschiede trennen würde. Diese Unterschiede beruhen nach dieser Auffassung in der "Zurückgebliebenheit" in einer Welt vor der Moderne, während "wir" uns auf der "linearen" Bahn eines sozialen und kulturellen Forschritt in die Zukunft zu befinden und uns darum subjektiv zunehmend von den "zurückgebliebenen" Gesellschaften zu entfernen glauben. Meethan (2001, S. 8) sieht hier Modernität als einen Bruch mit der Vergangenheit im Sinne der Überwindung des "Traditionellen".(13)
Neben diesem Konzept haben Anthropologen jedoch noch weitere, äußerst unterschiedliche Zugänge zum Verständnis von "Ethnizität" entwickelt, etwa der relationalistische Zugang von Barth (1969) oder instrumentalistische Zugang von Calhoun (1997) sowie Eade und Allen (1999). Wenn sich aber selbst Anthropologen darüber uneinig sind, was als Ethnie zu verstehen sei, dann stellt sich an diesem Punkt abermals die grundsätzliche Frage der Zugehörigkeit zu einer Ethnie. Und es stellt sich des Weiteren die Frage danach, wie man andere Kulturen verstehen kann. Inwiefern ist etwa ein Informant, der als Übersetzer dient, also Wissen über Grenzen hinweg kommuniziert, der betreffenden Ethnie noch zuzurechnen? Inwiefern ist dann seine Interpretation noch repräsentativ? Oder ist er bereits eine "verfälschende" Konstruktion? Wie werden Grenzen der Zugehörigkeit zu einer "Ethnie" konstruiert, aufrechterhalten und verändert? Eine nähere Analyse dieser Frage würde leider den hiesigen Rahmen sprengen, verdeutlicht aber die Problematik, die sich nicht nur im Tourismus stellt!
Mögen auch nur die wenigsten Reisenden die Begegnung mit Tuareg als explizites Reisemotiv angeben, so lässt sich eines dennoch nicht verleugnen: Vom Begriff "Tuareg" geht eine ungeheure Faszination aus. In seinen Überlegungen über Mythos und Wahrheit von den so genannten "blauen Wüstenrittern" schreibt der Journalist Erik Luoma im populärwissenschaftlichen Magazin "P.M.":
"Reisen zu den Tuareg sind ein Highlight in der Tourismus-Branche. Lesungen des Tuareg-Dichters Ibrahim al Konis(14) finden auch bei uns vor überfüllten Sälen statt. Und schon ein paar Mal hat Désirée von Trotha (...) Briefe von Frauen bekommen, mit dem Ansinnen, ihnen einen Ehemann aus der Wüste zu vermitteln!"
Dass Begriffe wie "Blaue Männer", "Tuareg" und "Wüstenritter" marketingrelevante Blickfänge von ähnlich herausragender Bedeutung sind wie die Bilder tief verschleierter Beduinen, ob als Portrait oder auf Dünen schreitend, beweisen die zahlreichen Produkte, welche mit Begriffen und Bildern aus dem Tuareg-Umfeld beworben werden:
Kaffee-Sorten(15), Motorräder(16) und Motorradzubehör(17), Geländefahrzeuge(18), Spiele(19), Brillen(20) und sogar Klimaanlagen(21) und WC-Deckelbezüge(22) wollen scheinbar bestimmte Qualitäten suggerieren, die angeblich auch gewissen Menschen in der Sahara anhaften sollen. Auch touristische Regionen, wie das Tafilalet(23) in Marokko oder die tunesische Sahara(24), versuchen vom europäischen Tuareg-Image zu profitieren, indem sie sich durch Bilder von "Blauen Männern" oder explizit durch Berufung auf die Tuareg präsentieren.(25) Dabei existiert keinerlei ethnischer Bezug zwischen den betreffenden, zu vermarktenden Regionen und den Tuareg selbst. Deren traditioneller Lebensraum liegt innerhalb der fünf Staaten Mali, Niger, Algerien, Libyen und Burkina Faso (Göttler 1989, S. 11; Claudot-Hawad 1993, S. 10; Bourgeot 1995, S. 257.)
Diese Instrumentalisierung eines Namens ist für Bernus (1993a, S. 63) kaum verwunderlich. "Wenige Völker (sind) so mystifiziert und glorifiziert worden, wie die Tuareg". Entstanden ist dieser dahinter stehende Mythos durch die Berichte von Sahara-Reisenden.(26) Diese hätten nach der Ansicht Zöhrers (1954, S. 34; sinngem. Luoma 2002, S. 107) "einen unübersehbaren Wust phantastischer Berichte über die Tuareg hinterlassen, sie haben tausendmal mehr Erdichtetes als Wahres über die Tuareg zu erzählen gewusst,". Dabei muss jedoch eingeschränkt werden, dass dieses Tuareg-Bild primär im Zusammenhang mit einem weit verbreiteten Sahara-Mythos zu verstehen sei, wie Wandschneider (1990, S. 1) und Henry (1996, S. 249) nachweisen können.
Wer oder was steckt nun hinter der europäischen Vorstellung von den "Tuareg" und woher kommt sie? Welchem historischen Wandel unterlag das Tuareg-Image, in welche Richtung tendiert es gegenwärtig?
"Allein schon das Wort Tuareg wirkt wie ein Zauber" schreibt Luoma (2002, S. 107) und verdeutlicht damit die Selbstreferentialität des Tuareg-Images. Für sich selbst verwenden die Tuareg Bezeichnungen wie "Imascheren" (Sg. Imuhar) bzw. "Imazighen"(27), "Kel Tagelmust" (Tam.: die Leute mit dem Schleier) oder "Kel Tamaschek" (Tam.: die Leute, die Tamaschek sprechen).(28) Diese Begriffe entstammen freilich ihrer eigenen Sprache, dem Tamaschek, das eine der vielen Berber-Sprachen ist, die der hamito-semitischen Sprachfamilie des mediterranen Raumes angehören.
Der Begriff "Tuareg" ist somit exogen, d.h. eine Fremdbezeichnung, die erstmals im 16. Jahrhundert von Leo Africanus (zit. Stühler 1978, S. 77 ff.) verwendet wurde. Zur Herkunft der Bezeichnung "Tuareg" werden die zwei Hypothesen vertreten,
1. "Tuareg" leite sich vom arabischen Wort "terek" ab, was "(von Gott) verlassen" bedeutet und ausdrücken soll, dass nach Ansicht der Araber die Tuareg aufgrund ihrer mangelhaften Religiosität in die Wüste verbannt worden seien. Diese Interpretation ist insofern nachvollziehbar, als die Tuareg unter dem Druck der beiden arabischen Invasionen im 7./8. Jahrhundert und im 11. Jahrhundert nach Süden abgewandert waren und somit - in den Augen der islamischen Araber - nicht der Gemeinschaft der Gläubigen angehörten. Zudem weisen Nicolaisen und Nicolaisen (1997, S. 47) darauf hin, dass die wenigsten Tuareg die Regeln des Islam sorgfältig befolgen. Andererseits verwendeten auch die Kel Ahaggar, die seit über 900 Jahren islamisiert sind, den aus dem Arabischen entlehnten und berberisierten Begriff "akafar" (sg. w.: takafart, Pl.: ikufar) für "Nicht-Gläubige"(29). In jedem Fall spiegelt der Begriff ein Klassifikationsschema der Araber wieder, keinesfalls aber jenes der Kel Tamaschek.
2. Nach der Theorie von Foucauld kommt "Tuareg" von "Tardja" oder "Targa", dem alten Tamaschek- bzw. Berber-Namen für das Hochland von Fezzan (arab. Bezeichnung) im Südwesten Libyens, wo der Berber-Stamm der Houara gelebt hatte: Dieser Stamm, dessen Name zu "Ahaggar" transformiert wurde, sei in das später nach ihm benannten Bergmassiv, das Hoggar oder Ahaggar, emigriert. Die Berber-Stämme, die bereits hier gelebt hätten, die Kel Ulli ("Ziegenleute"), seien von den Kel Ahaggar als Vasallen "unterworfen" worden. In der Folge sei die arabische Bezeichnung Tuareg zum einen als Bezeichnung für jene "adeligen"(30) Tuareg verwendet worden, die der Region Targa entstammten; zum anderen wurde der Begriff auf all jene ausgedehnt, die nunmehr in der von diesen Adeligen beherrschten Region lebten. Bourgeot (1995, S. 31) beobachtet dabei den klassischen Prozess der Identifikation eines Landes mit seiner herrschenden Klasse, schließlich dieser Klasse mit der Gesamtheit der Gesellschaft bzw. - im reziproken Sinn - die Benennung eines Landes mit dem Namen seiner Eroberer.(31)
Eng verbunden mit dem zugeschriebenen Namen ist der Mythos betreffend die Abstammung der Tuareg. Dazu wurden neben plausiblen Abstammungstheorien auch äußerst abstruse entwickelt, die viel zur Romantisierung der Tuareg beigetragen hätten. Die meisten Theorien entstanden nach Pandolfi (2001) in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, als unter französischen Forschern und Wissenschaftlern ein "volonté taxinomique" vorherrschte, jene wissenschaftliche Besessenheit zur Messung und Einordnung indigener Bevölkerung Nordafrikas und der Sahara. Die Klärung der jeweiligen Herkunft war dabei eine der "obsessions majeures".
Die gegensätzliche Theorien zur Herkunft der Tuareg stellt Zöhrer (1954, S. 34) wie folgt gegenüber: "Die einen bezeichnen sie als Nachkommen der alten Ägypter, andere wieder ihrer hellen Hautfarbe wegen und weil bei manchen Stämmen blondes Haar und blaue Augen vorkommen, als Abkömmlinge von Wikingern, Vandalen oder gar von Kreuzfahrern." Müller (1997, S. 16 f.) verweist auf Theorien, wonach die Tuareg von den Etruskern, von Balkanvölkern oder gar aufgrund ihrer hellen Haut überhaupt von Cro-Magnon-Menschen abstammen würden. Hinkmann (1968, S. 76) spricht sogar von einer Verwandtschaftslinie zwischen den Tuareg, den Libyern und Griechenland, wo "die Libyer als Minoer auf Kreta und Pelager in Mykene auch im nördlichen Afrika eine matriarchalische Gesellschaftsordnung schufen". Eine besonders abstruse Hypothese fand mit Pierre Benoits 1919 veröffentlichten und äußerst erfolgreichen Roman "Atlantide" Verbreitung, wonach sich im südalgerischen Hoggar-Gebirge die letzten Reste jenes sagenhaften, verlorenen Atlantis finden sollten. Eine unter französischen Autoren des 19. Jahrhunderts äußerst beliebte und am nachhaltigsten wirkende Hypothese war nach Pandolfi (2001) jedoch, " que les Touaregs font partie intégrante de la race blanche "(32): die Vorstellung von gemeinsamen Wurzeln für Tuareg und Franzosen!
Inwieweit sind nun diese Hypothesen phantastische Spekulation, Wunschdenken oder doch plausible Rekonstruktion historischer Gegebenheiten?
Dass zum Ägypten der Pharaonen und zu den Phöniziern "nachgewiesene Kontakte" berberischer Gruppen über ein Netz von Karawanen- und Handelsrouten bestanden hatten, gilt nach Göttler (1989, S. 301) als historisch bewiesen. Die Argumente für eine Abstammung von den Germanen basieren auf der Tatsache der hundertjährigen Germanendominanz im Raum des heutigen Tunesien, wo die Vandalen unter König Geiserich im Jahr 429 n. Chr. ein Germanenreich errichtet hatten. Nach Geiserichs Tod im Jahr 477 fielen Teile dieses Reiches allerdings wieder an Berberstämme, und 533 geriet das nordafrikanische Küstengebiet unter byzantinische Herrschaft.
Nach der plausibelsten Theorie stammen einige Teilgruppen der dominierenden Nordstämme von den Garamanten ab, deren Reich sich rund 500 Jahre vor Christi Geburt im Hochland von Fezzan befand, und die mit der arabischen Invasion aus dem Mittelmeer-Raum nach Süden verdrängt worden sein dürften. Nach Berichten der römischen Historiker Plinius und Silvius Italicus seien zahlreiche Garamanten sogar als Söldner ins karthagische Heer eingetreten, hätten im Jahr 218 v. Chr. unter Hannibal die Alpen überquert und die Römer bei Cannae besiegt. Der Feldherr Cornelius Balbus habe nach einer Chronik im Jahr 19 v. Chr. Garama, die Hauptsiedlung der Garamanten in der Nähe des heutigen libyschen Sebha gelegen, erobert. Der römische Geograph Claudius Ptolemaeus berichtet um 130 n. Chr. über die Garamanten, dass sich bereits zahlreiche Stämme vor den Römern ins Innere der Sahara zurückgezogen hätten.
Zusammenfassen lässt sich mit Stühlers Worten (1978, S. 6 f.), "dass sich (...) unter den Twareg ein altes Substrat erhalten hat; andererseits lassen sich in der Antike und im Mittelalter Bevölkerungsbewegungen in Nord-Süd-Richtung (und in entgegen gesetzter Richtung) feststellen, die ebenfalls zur Ethnogenese der Twareg beigetragen haben." Somit bleiben letztlich als "wahre" Ergebnisse zur Herkunft der Tuareg nur einige wenige historische Rahmenbedingungen und damit auch nur wenig Gewissheit, was umso mehr das Tor zu beliebiger und stilisierender Mythenkreation offen lässt.
Will man die für Europäer des 21. Jahrhunderts abstrus erscheinende Idee der Verwandtschaft zwischen Tuareg und Franzosen verstehen, so muss man einen Blick auf die damaligen französischen Tuareg-Forscher und -Berichterstatter werfen, die, wie man bei Henri Duveyrier und bei Charles de Foucauld feststellen kann, überwiegend dem Adelsmilieu entstammten.(33) Für französische Aristokraten, die zu Beginn der III. Republik ihren Einfluss im zivilen Bereich weitgehend verloren hatten, war nach Anderson (1996, S. 156) das Militär zum zur Stätte der Aktivitäten geworden. Gegen Ende des 19. Jh. Waren die französischen Generäle überwiegend Aristokraten, die auch eine wesentliche Rolle im Imperialismus des 19. und 20. Jh. spielten.
Die adeligen Sahara-Soldaten sahen in den Imascheren Angehörige einer feudalen, herrschenden Schichte, weshalb sie sich mit diesen "noblen Einheimischen" in gewisser Weise identifizieren konnten, und anhand derer sie die Tuareg-Gesellschaft überwiegend studierten. Dies hatte wiederum zur Folge, dass der europäische Blick auf eben jene als "aristokratisch" betrachtete Gesellschaftsschicht fokussiert wurde, die über politische Macht und über entsprechende Kenntnisse der gesellschaftlichen Strukturen verfügte, und die letztlich auch als repräsentativ für die Tuareg-Gesellschaft betrachtet wurde.
Da nur die Imascheren über Recht und Pflicht zum Kriegshandwerk verfügten, kamen auch fast ausschließlich nur diese mit der "Außenwelt" in Berührung(34). Dadurch prägten sie das Bild vom adeligen "Wüstenritter" und "echten Tuareg" nachhaltig: hoch zu Kamelen, mit "Wurfspeeren und Schilden aus Leopardenfell, (...) der dunkelblaue Umhang (...), der weiße Turban und dazu der Gesichtsschleier, der nur einen schmalen Spalt zu den Augen offenließ." (Schweizer 1981, S. 288)(35)
Durch diese Zugangsweise wurde in der Folge ein Bild von der Tuareg-Gesellschaft vermittelt, deren Aufbau einer Pyramide entspricht, an dessen Spitze die Aristokratie mit dem obersten Chef, dem Amenokal(36), steht, getragen von den Stufen der Vasallen, der imrads, und denen der Religiösen, der ineslemen, die gleichsam als Mittelsmännern gegenüber der dienenden Basis agierten. Auf Grund dieser idealisierten Situation wurde angenommen, dass die Aristokratie hinsichtlich der "Reinheit der Rasse", der Werte und des Wissens gleichsam die höchste Stufe repräsentiere, und die jeweils niedereren Gesellschaftsschichten, die de facto den größten Teil der Tuareg-Gesellschaft darstellten, nach Ansicht der europäischen Forscher deutliche Defizite in all diesen Bereichen aufweisen würden.(37) In diesem Sinn verband etwa Nicolas (zit. in Bernus 1993, S. 76) im Jahr 1950 den Begriff des Imascheren mit der "pureté de la race et aussi à la valeur, à la perfection".(38)
Ähnlich beschrieb auch Neumann (zit. in Bernus 1993, S. 76) die Vorbildlichkeit der Adeligen, deren "hervorragendste Eigenschaften (...) Ausdauer, und das gleichmütige Ertragen von Hunger und Not (ist); hoch geschätzte werden Mut, Fairness, Gastfreundschaft, Geduld, Ergebenheit im Geschick und vor allem würdevolles Betragen. (...) Gang, Gestik und Körperhaltung sollen alle Eleganz, Vornehmheit, Verfeinerung und Stärke ausdrücken".(39)
Diese Stilisierung der adeligen Tuareg als ebenbürtige Menschen durch ihre französischen "Couterparts" ging noch viel weiter, nämlich sogar bis ins Rassistische: So beschreibt im Jahr 1906 Gautier (zit. in Pandolfi 2001) das, was die Tuareg von ihren Nachbarn trennt, den Arabern als auch den "Schwarzen" des Sahels, trennt, als genau jenes, was sie mit den Franzosen verbindet:
"(...) il semble bien, toute sentimentalité à part, qu’il y ait entre eux et nous bien des affinités et des points de contact, bien plus qu’avec les Arabes [...]. En somme, une certaine analogie de mœurs est incontestable, et elle est sentie de part et d'autre. "
Noch deutlicher beschrieb Masqueray 1890 (zit. in Pandolfi 2001) die Tuareg zwar als Barbaren, jedoch
"barbares de notre race avec tous les instincts, toutes les passions, et toute l’intelligence de nos arrière-grands-pères. Leurs mœurs nomades sont celles des Gaulois qui ont pris Rome [...]. Aussi rien n’est plus intéressant que de les questionner tant sur nous que sur eux-mêmes."
Die wichtigsten äußerlichen Elemente, die für diese Identifikation der Franzosen mit den Tuareg herangezogen wurden, waren
die Abhebung der noblen Tuareg als "weiße Rasse" gegenüber den Schwarzen,
als Herren gegenüber den Sklaven und
als "freie" Nomaden gegenüber sesshaften Bauern sowie
die feudale Sozialstruktur, die in den Augen der französischen Forscher des frühen 20. Jh. gleichsam augenfällig mit dem mittelalterlichen Feudalsystem Frankreichs verglichen werden musste.
Die ausgeprägte Hierarchie der Kel Ahaggar entsprach dabei dem Paradefall "echter Tuareg", weshalb sie in manchen Studien wie jenen von Masqueray (zit. in Pandolfi 2001) im Jahr 1896 als "un peuple-témoin de notre propre histoire" angeführt wurden, verglichen mit "Germanie de Tacite", mit "Grèce homérique" oder eben mit dem ehemaligen französischen Feudalsystem.
Der Ehrenkodex dieser "Wüstenritter" wurde etwa im Jahr 1900 bei der Schlacht von Zangebe, im Süden des heutigen Niger, vorexerziert. Bernus (1993a, S. 65) berichtet davon, wie die Krieger der Kel Geres damals, bewaffnet nur mit Schwert und Schild, gegen das Trommelfeuer der Franzosen anrannten und sich zudem sogar mit Gürteln aneinander banden, um das Zurückweichen vor dem zahlen- und waffenmäßig überlegenen Feind zu verhindern. Angesichts dieser Situation fanden sich die französischen Offiziere jenen Männern gegenüber, mit denen sie scheinbar viele edle Werte verbanden.
Das Image der Tuareg unterlag einem langen, wechselhaften Entwicklungs- und Konstruktionsprozess, den Pandolfi (2001) als Ausdruck eines Übermaßes an Exotismus für enttäuschte Abendländer auffasst. Im Wesentlichen wurde dieses Image geprägt von den Berichten der Forschungsreisenden und der darauf reagierenden Presse sowie durch einige Hundert Sahara-Romane. Diese hat Henry (1996, S. 249) mit folgendem Ergebnis ausgewertet: "Le personnage du Touareg est sans cesse réinventé en fonction d’un face à face avec le ‚Saharien’ français, et avec les attentes de la société française à l’égard du désert."
Ursprünglich war von den Tuareg kaum mehr bekannt als ein mysteriöser Name von Bewohnern des unbekannten Herzens Afrikas. Dabei überlieferten die ersten Berichte von Ibn Khaldoun (zit. In Hugot 1993, S. 40 ) im 14. Jahrhundert ein positives Bild der Tuareg: "(...) die Tugenden, die dem Menschen zur Ehre gereichen und den Berbern zur zweiten Natur geworden sind: Kühnheit, Einhalten gegebener Versprechen, Geduld im Unglück, Stärke bei Kummer, Sanftheit des Charakters, Intelligenz, Verzicht auf Rache, Güte gegenüber Unglücklichen, Respekt vor dem Alter, Gastfreundschaft, Barmherzigkeit, Edelmut, Tapferkeit."
Ganz anders klang ein halbes Jahrtausend später der erste Augenzeugenbericht eines Europäers, René Caillés (zit. Henry 1996, S. 250) , der nach seiner Timbuktu-Reise im Jahr 1828 die dortigen "Touaricks" als "belliqueux mais cruels" und "sauvage et barbare" kritisierte, die den übrigen Bewohnern eine ruinöse Gewaltherrschaft aufjochten.
Bereits anhand dieser beiden Beispiele wird das bipolare Bild deutlich, das im Verlauf der nächsten Jahrzehnte lediglich an Akzenten und Variationen gewinnt. Dabei spielt in weiterer Folge die Erfahrung der französische Eroberung Algeriens und somit häufigere, wenn auch nur indirekte oder beschränkte Kontakte zu den Tuareg, eine prägende Rolle.
Einerseits gelten die Tuareg als Personifikation des Seltsamen, deren Gesellschaft, Sitten und Lebensform in keine bisherige Kategorie, außer jener des moralisch Schlechten, zu passen scheinen. Das Image von den "Piraten" der Wüste, den "Wilde", den "Barbaren" etc. dominiert vor allem in der Presse, doch auch der Timbuktu-Reisende Felix Dubois (zit. in Bernus 1993, S. 63) kritisierte die Tuareg gegen Ende des 19. Jahrhunderts als gesetzlose, feige und verlogene "Vagabunden" und "Straßenräuber".(40)
Andererseits faszinieren die Tuareg die europäischen Romantiker. Das Image der ritterlichen, mutigen und ehrenhaften Aristokraten wird vor allem von Henry Duveyrier nach dessen ersten längeren Aufenthalt bei den Hoggar-Tuareg (1859-61) mit sehr positiver Berichterstattung forciert.(41)
Die unterschiedlichen Sichtweisen von Duveyrier und Dubois lassen sich damit erklären, dass sich der eine, Dyveyrier, als Fürsprecher der Tuareg, der andere aber, Dubois, als Anwalt der von den Tuareg beherrschten sudanesischen Bauern verstanden habe. Im Übrigen aber findet sich jenes dichotome Oszillieren zwischen dem Verehren und dem Stigmatisieren der Nomaden häufig sogar in denselben Texten, was Bertram (1995, S. 49 ff.) als typisch für das Verhältnis des Abendlandes gegenüber "exotischen", kolonialisierten Kulturen nachwies.
An Nachhaltigkeit und Breite gewinnt dieses Image in der französischen Bevölkerung allerdings erst durch geographisch inspirierte Romane(42) wie jene von Jules Vernes: Seit 1865 Mitglied der "Société de Géographie", lässt er sich durch Heinrich Barths Berichte in seinem 1862 erschienenen Roman "Cinq semaines en ballon" zu einer paradiesischen Beschreibung des Aïr-Massivs inspirieren. Später wurden ihm die Arbeiten von Henri Duveyrier zur wichtigsten Quelle für seine saharabezogenen Texte. Die dort verbreiteten Stereotype prägten nach der Ansicht Pandolfis (2002) in weiterer Folge wiederum die wissenschaftlichen Werke vieler Geographen, Historiker und Ethnologen, wie etwa jene des für die Entdeckung der saharischen Felsmalereien bekannten Henri Lhote.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kennzeichneten massive Expansionsbemühungen die Afrikapolitik der Franzosen,(43) die jedoch nach dem Massaker an der Flatters durch Tuareg im Jahr 1881 ein abruptes Ende fanden. Diese Forschungsmission war als Ausdruck des kolonialen Strebens in das von Tuareg kontrollierte Gebiet vorgedrungen, um eine Trasse für das französische Großprojekt einer Trans-Sahara-Bahn zu vermessen. Dabei geriet die Mission in einen Tuareg-Hinterhalt und wurde aufgerieben. Die Berichte der wenigen Überlebenden wurden von der Presse dramatisiert. Für mehrere Jahrzehnte war nunmehr die Sahara für die Franzosen ein undurchdringlicher Raum, allein schon aufgrund der unbesiegbaren Tuareg: Barbaren als Hindernis für die französischen Expansionsbemühungen!
Dieses Image führte einerseits zur weitgehenden Überschätzung der tatsächlichen Tuareg-Macht, andererseits lieferte es auch die Legitimation für die nachfolgende Befriedung der Sahara. 1893 eroberten die Franzosen Timbuktu, 1898-99 durchquerte die Mission Foureau-Lamy erfolgreich die Sahara bis zum Tschad, 1899 fiel In Salah, und e rst am 7. Mai 1902 wurden die Tuareg in der entscheidenden Schlacht von Tit vom französischen Militär unter Laperrine(44) mittels überlegener Waffentechnik bezwungen und unterworfen.
Während dieser kriegerischen Periode fanden sich nur vereinzelte Tuareg-Fürsprecher wie Felix Gautier oder Henri Duveyrier, der davor warnte, das Verhalten der Tuareg mit der Grausamkeit der Araber (!) gleichzusetzen.(45) Die meisten Autoren dämonisierten die Tuareg. So schrieb Foureau (zit. in Bernus 1993a, S. 66), der Leiter der ersten erfolgreichen militärischen Durchquerung der Sahara, am 5. März 1899 in sein Tagebuch über die Tuareg, "dass unsere heutigen Freunde morgen unsere Mörder sein können." Verbreitet wurde diese Kommentierung durch Abenteuer-Literatur, u. a. auch von Karl May,(46) sowie durch die damals schon weit verbreitete, illustrierte Presse. Letztere schilderte in buntesten Farben die "Unterwerfung" der Tuareg, die Siege der Franzosen und deren Großzügigkeit zur Versorgung der Nomaden. Diese Betrachtungsweise zwischen Abscheu und Neugierde bestand bis zum I. Weltkrieg und gipfelte darin, dass einige Tuareg als lebende "Vorzeigeexemplare" bei Ausstellungen in Paris präsentiert wurden.
In der Zeit nach dem I. Weltkrieg beginnt die Romantisierung der Tuareg infolge entsprechender Romanliteratur. Die meisten Geschichten mit einem Sahara-Helden vor dem dekorativen Hintergrund der gewaltigen Sahara spielen im Tuareg-Milieu. Damit beginnt die Phase der positiven Zeichnung des Tuareg-Bildes: die couragierten, asketischen, loyalen, treuen und perfekt an die Wüstenbedingungen angepassten Tuareg, die zum treuen Begleiter, Führer und Initiator des Sahara-Helden mutiert sind. Als Hüter "de valeurs archaiques, qui nous met en communications directe avec le passé, ‚notre’ passé" werden die Tuareg zum "dernier témoin" einer verschwundenen Zivilisation, die nur darauf wartet, noch rasch von den europäischen "Nachkommen" besucht zu werden. Letztlich, so schreibt Henry (1996, S. 265), werde der Tuareg in den 30er-Jahren "le personnage emblématique de l’Empire colonial français, celui qu’on exhibe dans les expositions coloniales ou sur les publicités touristiques" - gleichsam eine Art französisches Maskottchen.
In diese Zeit fällt jene Identifikation französischer Offiziere und Forscher mit den Tuareg, die bereits in Abschnitt 4.5.3 beschrieben wurde. Dabei sind zwei Trends besonders symptomatisch:
1. die positive Unterscheidung der Tuareg von anderen kolonialisierten "Rassen" wie den Arabern und den schwarzen Sudanesen, und
2. die Gleichsetzung der Tuareg mit den saharischen Nomaden par excellence. So schreibt Gautier (1935, S. 176) über den "wahrhaftigen Saharier": "Le véritable Saharien, l’autochtone enraciné, c’est le nomade, dans l’espèce le Touareg [...] ceux qui nous intéressent, les Sahariens du Hoggar, sont peut-être bien les représentants les plus glorieux et les plus caractéristiques du nom."
Von den (Hoggar-)Tuareg repräsentieren wiederum die noblen Imascheren die "wahren" Tuareg, wie Fuchs (o.A., S. 70) verdeutlicht: "Groß von Gestalt, zwei Meter Körpergröße sind nicht außergewöhnlich, schlank und feingliedrig, stellen die Adeligen den klassischen Typ des Tuareg dar. Die weiten Gewänder verleihen ihnen Würde, und der Schleier den Hauch des Geheimnisvollen. Ihr Gang, jede Bewegung des Körpers, ist edel und hoheitsvoll, unterscheidet den Adeligen unverkennbar von dem Vasallen."(47)
Eine bemerkenswerte historische Figur, die in der französischen Literatur zum vorbildlichen Krieger und Liebhaber heroisiert wurde, war Musa ag Amastan, der Amenokal der Kel Ahaggar, der aufgrund seiner Kooperationsbereitschaft mit der Kolonialmacht auch von dieser 1905 offiziell als Chef anerkannt worden war. Nach Bourgeot (1995, Sl 305) stand diese französische Sympathie nur scheinbar im Widerspruch zu der Tatsache, dass Musa am traumatischen Massaker von 1881 ebenfalls teilgenommen hatte. Die Affinität Frankreichs für Musa zu Beginn des 20. Jahrhunderts beruhte nämlich auf dem Umstand, dass dieser als einflussreicher, aber loyaler Chef für Stabilität unter den Kel Ahaggar sorgte. Motiv seiner Kooperationsbereitschaft wiederum war freilich bloßes Machtkalkül mit dem Ziel, sich der Franzosen als Schutzmacht auch gegenüber inneren Rivalen zu bedienen. Darum war er auch im Jahre 1916 bereit, den gegen die Franzosen rebellierenden Tuareg im Aïr in den Rücken zu fallen.
Der Überbewertung der hellhäutigen Kel Ahaggar-Adeligen und ihrer "edlen Gesichtszügen und kühnen Adlernasen" und "würdigen" Bewegungen, die "einer längst vergangenen Sagenwelt von Halbriesen zu entstammen" scheinen, steht eine Geringschätzung der dunkelhäutigen Kel Aïr gegenüber, die bei Zöhrer ( 1954, S. 91) "nichts anderes als Haratin (sind), die man daher verachten muss. (...) Bald werde ich (...)‚wie ein echter Targi’ voll Verachtung auf diese ‚Haratin’ herunterblicken!"(48)
Die Idealisierung der noblen, hellhäutigen Tuareg reicht über das Ende der Kolonialzeit hinaus. Seit den 60er Jahren des 20. Jh. vollzog sich jedoch noch einmal ein grundlegender Wandel im Tuareg-Image: Immer mehr Romantitel und Zeitschriftenartikel (u.a. Harrer o. A.; Ritter 1980; Spittler 1985; Dour el Dane 1990) kündigen das Ende der Tuareg-Kultur an aufgrund deren neuen wirtschaftlichen und politischen Kontakte und einer damit verbundenen unaufhaltsamen Modernisierung.(49) Die Dürrekatastrophen im Sahel drohten in den Augen mancher Autoren überhaupt "ihre" edlen Tuareg auszulöschen oder ihnen eine elende Existenz als "Asphalt-Nomaden" ( Kirtley & Kirtley 1995) an der Peripherie von Agadez aufzuzwingen. Auch Agadez selbst mutierte in den Augen europäischer Betrachter wie Hans Ritter ( Ritter 1979, S. 93) zu einem "ethnologischen Freilichtmuseum". Angesichts dieser Presse erscheint es Henry (1996, S. 265) , als ob die Tuareg für die Dauer von zwanzig Jahren "nicht aufhörten zu sterben."(50)
Hinter dieser Untergangsvision steht für Bourgeot ( 1995, S. 356) die Erschütterung zweier französischer Selbstverständnisse:
1. Mit dem 1962 geschlossenen Vertrag von Evian wurde der Verlust Algeriens, aber auch das Ende des Traums von einer "Sahara français", der "Organisati on commune des régions sahariennes" (OCRS)(51), besiegelt. Darunter litt freilich das Selbstverständnis der Franzosen als dominante Kultur in diesem Raum.(52)
2. Weiters wurde nun offensichtlich, dass die Franzosen es bislang verabsäumt hatten, die Tuareg in die allgemeine Entwicklung der Regionen einzubinden. Leider hatten die Franzosen zur Aufrechterhaltung des "Mythos Tuareg", ob aus politischen oder sentimentalen Gründen, insbesondere die "weißen" Tuareg sogar in der Überzeugung bestärkt, gegenüber den übrigen Bevölkerungsteilen etwas Besonders zu sein. Diese Politik hing eng mit den üblichen Vorstellungen von einem "wahren Tuareg" als Sahara-Nomaden par excellence zusammen.
Wenn aber ein Tuareg betrachtet als ein solches Nomaden-Ideal betrachtet wurde, wie dies in unzähligen Publikationen entsprechend dem Nachweis von Herzog (1982, S. 279) getan wurde, so folgt daraus zwangsläufig, dass für einen westlichen Betrachter ein "echter" Tuareg nur Nomade sein kann und muss. Ein sesshafter Tuareg hingegen, wie er ja auch schon in der traditionellen Gesellschaft existierte, der aber verachtet war, konnte folglich nur als "falscher" Tuareg betrachtet werden, als ein "inauthentischer Tuareg", als Ausdruck des Niedergangs und des Verlusts der ursprünglichen Unverfälschtheit.(53)
Diese Ideologie wird besonders in Alberto Vázquez-Figueroas Roman "Tuareg" (1986) deutlich, in dem der Titelheld als einsamer Held "unbeirrbar (...) an der archaischen Lebensform seiner Vorfahren fest(hält); stolz verteidigt er die Überlieferungen seines Volkes gegen ihre Bedrohung durch die moderne Zivilisation."(54) Nach der Ansicht Steinecks (1998, S. 14)verbreitete und prägte Vázquez-Figueroas Bestseller in Europa nachhaltig das Tuareg-Image des "Übernomaden": "stets adrett wie Klementine, selbstgerecht wie Michael Kohlhaas, trickreich wie James Bond und unendlich stolz wie Oskar," wobei Steineck hinzufügt, dass ihm selbst nie solche Viehzüchter begegnet seien.(55)
Mit dem beginnenden Saharatourismus wurde den Franzosen und den anderen Europäer wieder die Möglichkeit eröffnet, in "ihre" Sahara zu reisen. Dabei wird die Sahara als persönliches Rückzugsgebiet oder als Wildnis verstanden, die es zu erobern gilt. Beeindruckende Bildbände präsentieren die Wüste zumeist als leeren Raum, "exclusivement un espace de déploiement de notre imaginaire", in dem die Tuareg lediglich die Rolle eines "Accessoires" spielen, als "personnage archaïque, anti-moderne, authentifiant un décor de rêve" (Henry 1996, S. 266). Mano Dayak hat dieses sympathische, jedoch eurozentrische Image besonders intensiv gefördert, u.a. auch im Zuge seines Engagements für die Rallye Paris-Dakar. So dient der stilisierte Kopf eines Tagelmust-verhüllten Tuareg als Logo der Rallye (Grégoire 1999, S. 288).(56) Durch diese touristische und damit letztlich auch ästhetische und emotionale "Rückeroberung" der Sahara durch die französische Klientel wurde freilich die Prophezeiung vom "Ende der Tuareg" zum Teil überlagert.
Biernert (1998, S. 70) vermutet treffend, dass "die Ethnie der Tuareg (...) im Bild vieler Touristen zur Sahara dazu (gehört)". In ihrer Studie über das marokkanische Tafilalet gaben 44 % der befragten Touristen an, dass die Tuareg zum Bestandteil ihres Wüstenbildes gehörten. 40 % der befragten Individualtouristen und sogar 64 % der Pauschaltouristen waren nach ihrem Urlaub sogar davon überzeugt, dass es im Tafilalet tatsächlich Tuareg gäbe. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da ein Vortrag über die "Tuareg im Tafilalet" zum Standard-Repertoire marokkanischer Reiseführer gehört.(57)
An dieser Stelle lässt sich vorerst zusammenfassen, dass der Begriff "Tuareg" alles andere als eindeutig ist. Historisch betrachtet spiegelt dieser Begriff eine Vielfalt von Bildern, Sehnsüchten, Wünschen und Illusionen steht, für Metaphern und Rollen wider. Eindeutig ist lediglich, dass die mit dem Begriff jeweils verknüpften Vorstellungen wenig mit der Lebensrealität jener Kel Tamaschek zu tun haben. Umso erstaunlicher scheint es darum zu sein, dass die Kommunikation zwischen Europäern und Tuareg dennoch "funktioniert" hatte.
Bevor diese Frage jedoch genauer untersicht wird, muss noch ein augenfälliger Einwand gegen die "Problematik" des Tuareg-Mythos entkräftet werden: dessen Relevanz für den deutschsprachigen Raum. Denn die bisherige Schilderung der Entwicklung des Tuareg-Images vermittelt den Eindruck, dass die "Tuareg" primär ein Produkt der Franzosen seien. Demgegenüber war diente als deutschsprachiger Sehnsuchtsbegriff eher jener des "Indianer" oder bestenfalls des "Araber". Die Bedeutung dieser Figuren war wesentlich durch Sehnsuchtsliteratur wie jene von Karl May geprägt und in den Köpfen der deutschen Leser verankert worden. In jüngerer Zeit ist die Zentralsahara jedoch auch zu einem beliebten Reiseziel der Deutschen und Österreicher geworden, wodurch Images von den "Tuareg" auch im deutschen Sprachraum immer stärker präsent wurden. Als eine viel wichtigere Ursache für diesen relativen Bedeutungsgewinn erachtet der Autor u.a. auch die häufige Berichterstattung des Magazins "GEO" über die Tuareg seit Beginn der 90er Jahre.(58) Mag dem Autor der "wahre" Grund dafür auch unbekannt sein, so sind einige Fakten freilich sehr vielsagend: der GEO-Autor Michael Stührenberg ist eng verbunden mit der Pariser Vertretung der Tuareg-Reiseagentur "Tidene Expeditiones". Deren Eigentümer wiederum gehören der Familie des charismatischen Mano Dayaks an. Insofern ist es wohl kein Zufall, dass Stührenberg in seinen Sahara-Berichten die Tuareg in ein Licht setzt, ganz in der Tradition von Mano Dayak: die Tuareg als Opfer und Helden der Sahara.
Zu Beginn der 90er Jahre wurde mit dem Ausbruch der Rebellion das Tuareg-Image um zwei neue Facetten bereichert, die eng miteinander verflochten sind:
die Tuareg als Opfer systematischer staatlicher Unterdrückung und
die Tuareg sind Helden eines Unabhängigkeitskampfes.
Beide Images waren im Wesentlichen von Mano Dayak und seinen europäischen Freunden mittels gezielter Medien-Kampagnen erfolgreich forciert worden.(59) Anlass für diese Medienkampagne waren die gewaltsamen Übergriffe des nigrischen Militärs auf das Flüchtlingslager von Tchin Tabaraden im Mai 1990 gewesen. Die dabei verursachten, zahlreichen Todesopfer unter den Tuareg-Flüchtlingen hatten wesentlich zum Ausbruch der Rebellion beigetragen. Zwei Jahre später, im April 1992, gründete Mano Dayak den Verein "Touaregs" mit der Absicht, humanitäre Aktivitäten sowie auch die gezielte und dauerhafte Verbreitung von Information über die Situation und die Nöte der Tuareg-Bevölkerung durchzuführen. Dazu wurde im Juni 1992 in Paris eine Kampagne mit Plakaten gestartet, auf denen über das Gesicht eines verschleierten Mannes geschrieben stand: "Touaregs. Un peuple doit-il disparaître pour exister?"(60) Gleichzeitig wurde unter der Patronanz der Menschenrechtsorganisation "France-Libertés"(61) im Pariser "Musée de l'Homme" die Ausstellung " Touaregs. Dix photographes témoignent " eröffnet. Den Stil der dort präsentierten Tuareg-Fotos kritisierten die Anthropologen Casajus (1995, S. 237 f.) sowie Bourgeot gemeinsam mit Casajus (1992, zit. in 1995a, S. 525) als charakteristisch für das klassisch-westliche Tuareg-Klischees.(62) Als Wanderausstellung wurden diese Fotos in der Folge in weiteren 25 französischen Städten präsentiert. Außerdem belieferte der Verein "Touaregs" Radio- und TV-Stationen, die Presse sowie Nichtregierungsorganisationen mit Informationen aus ihrer Sicht (und somit der Sicht Mano Dayaks) über der "Lage der Tuareg". Dazu erschien im selben Jahr noch Manos Buch " Touareg, la tragédie" (1992), vier Jahre später dessen deutsche Übersetzung (1996).
Bourgeot und Casajus (1992, zit. in 1995a, S. 525) verurteilten diese Kampagne in offenen Briefen an mehrere Redaktionen als regelrechtes Desinformationsunternehmen,(63) welches von den französischen Medien, die "Pariser Tuareg-Lobby, die um den Tourismus, die Welt des Show-Business und die humanitären Vereinigungen von äußerst selektivem humanitären Engagement kreist," (ebd., S. 519) für den Preis des Schreckens einer Rebellion unterstützt werde. Dabei seien Lügen im Überfluss verbreitet worden.(64)
Tatsächlich haben Mano (1992, S. 71 f.) sowie solche namhafte Autoren, die mit der Tuareg-Sache ( Mahamane 1999, 52 ff.; Claudot-Hawad(65) 1993, S. 166 ff.), sehr sympathisierten, die Verhältnisse der Tuareg im Niger verzerrt als "systematische Marginalisierung auf allen Ebenen"(66) dargestellt. So wurde etwa zum Beweis ihrer Benachteiligung im nigrischen Staat die Zahl der Studienplätze, der Offiziersposten und der politischen Führungspositionen für Tuareg gezielt falsch angegeben, was der Historiker Salifou (1993, S. 84 ff.) und die Anthropologen Bourgeot und Casajus (1995a, S. 525) durch konkrete Zahlen widerlegen konnten.
Dass diese Strategie funktionierte, wie Mano Dayak (1992, S. 92) selbst in seinem Buch anmerkte,(67) zeigt sich an der naiven Leichtgläubigkeit und begeisterten Kritiklosigkeit europäischer Tuareg-Fürsprecher gegenüber Mano und seiner Vereinigung. So schreibt Petra Bode (2000) auf ihrer, den Tuareg gewidmeten Homepage über die Kampagne: "So sehr die nigrische Regierung auch versuchte, sich selbst in ein günstiges Licht zu rücken, so gab es doch Tuareg, allen voran Mano Dayak, die die Wahrheit an die Öffentlichkeit brachten. Insbesondere die französischen Medien setzten die nigrische Regierung unter Druck (...)."(68)
Dieser "Druck" bestand etwa in der konsequenten Verbreitung des Images von den "unterdrückten" und "verarmten", obwohl doch "so außergewöhnlichen" Tuareg. Diese Darstellung wurde von den europäischen Medien willfährig und kritiklos übernommen. So berichtete Ashoff im Jahr 1992 in der FAZ (zit. in Waibel 1998, S. 8) über das "letzte große Nomadenvolk der Erde", deren Lebensraum zum "Armenhaus der Welt" werde. Das Reisemagazin "abenteuer & reisen" beklagte durch den Journalisten Schmidt (1992, S. 134) den "Völkermord in der Sahara" als Bedrohung der Existenz der "blauen Ritter der Sahara".
Es scheint, als ob in den Augen der Europäer die Tuareg - nach ihrem langen "Sterben" in den 60er- und 70er-Jahren - als Ritter der Wüste doch überlebt hätten. Plötzlich aber werde dieser Traum von der guten alten Zeit neuerlich vom Untergang bedroht, was von den Anhängern des Tuareg-Mythos so nicht hingenommen werden konnte. Entsprechend schrieb der Journalist Thiolay (1993, S. 92) in GEO France: "Les hommes libres (...) sont désormais condamnés à la misère des camps de réfugiés."(69) Dabei gelang es den Kampagne-Betreibern, den Druck auf die Reizschwelle der Tuareg-Sympathisanten noch zu intensivieren.(70)
Eine der Methoden dieser Desinformationskampagne war es, die tragischen Ereignisse in Tchin Tabaraden wegen der Todesopfer(71) zu einem regelrechten "Völkermord"(72) an den "Tuareg - ein Volk ohne Land" aufzubauschen. Alamine (1995, S. 25 ff.) vergleicht die Situation der Tuareg unter Behauptung jahrelang angewandter Methoden wie "Unterdrückung", "Säuberungskrieg" und "Massaker" mit der Situation der Kurden in Westasien.(73) Mit dieser Mitleids-Strategie wurde beim Publikum der Punkt überschritten, wo jemand nur betroffen zusehen konnte. Die "Gesellschaft für bedrohte Völker" (GfbV, 2000, S. 11) etwa emotionalisierte das Publikum mit dem Ziel, es zum Handeln aufzufordern, um "die qualvolle Geschichte der Tuareg" und, die "unbeschreiblichen Massaker" an "diesem stolzen Volk" zu stoppen und die Tuareg umfassend zu unterstützen.(74)
Der eigentliche Erfolg dieser Image-Kampagne bestand darin, Verständnis und Unterstützung unter den europäischen Tuareg-Fans für den Gewalteinsatz der Tuareg-Rebellen zu gewinnen. So wurde die Lage der Tuareg als Martyrium suggeriert, wie Bourgeot ( 1995, S. 363) kritisch nachweisen konnte, als Schicksal einer Ethnie inmitten einer von "Schwarzen" "dominierten" Region.(75) Mit dieser Unterstellung legitimierten die Rebellen den Einsatz ihrer Gewalt als ein legitimes Mittel der "Selbstverteidigung", wie Stührenberg (1995, S. 124) beteuerte. Auch Bourgeot konnte nachweisen, dass viele dieser arbeits- und besitzlosen jungen Tuareg-Flüchtlinge, die sog. "Ischomars", überzeugt waren, die Revolte sei moralisch durch die Notwendigkeit zur Wiedererrichtung ihrer "verlorenen Würde" legitimiert. Als erfolgreiche Helden des Unabhängigkeitskampfes erlangten die Ischomars ein neues Selbstbewusstsein(76) und auch entsprechende Anerkennung. So berichtet Steineck (1998, S. 17), dass die heroisierenden Lieder über Tingalen, jenen ein Jahr lang vom nigrischen Militär vergeblich belagerten Berg im Norden des Niger, "zum Standardrepertoire jeder Tuareg-Band" gehören würden.
Dass der Griff zur Waffe für die "Tuareg" "offensichtlich" der einzige richtige Weg gewesen sein muss, diesem Eindruck vermittelt auch der GEO-Redakteur Michael Stührenberg (2002b, S. 166 f.). Nach seiner Ansicht seien "die Tuareg (...) geborene Krieger" und hätten mit der Rebellion "nur erneut bewiesen, was seit Ewigkeiten allseits bekannt war: dass die einstigen "Herren der Wüste" hervorragende Einzelkämpfer waren."(77) An anderer Stelle wertete dieser Autor (1992, S. 67) das angebliche kriegerische Ethos noch stärker auf, indem er den Tuareg die Wodaabe als "nur freundliche Opfer, friedlich, hilflos" gegenüberstellt.
Die geistige und materielle Unterstützung für diese Rebellion, insbesondere durch Frankreich, ist für Henry (1996, S. 265) ein wesentliches Indiz für die Richtigkeit seiner Ansicht vom Image der "sterbenden Tuareg-Kultur": Mit der Rebellion schienen die "Sterbenden" und ihre einstigen Werte in den Augen ihrer Bewunderer endlich eine Renaissance zu erleben, eine "Analogie zu einer ruhmreichen kriegerischen Vergangenheit".
Bourgeot und Casajus (1995a, S. 525) gingen mit ihrer Kritik an der "véritable lobby des amis de la ‚cause touarègue’ "(78) noch viel weiter. Nach deren Ansicht resultiere die kritiklose Parteinahme für die Tuareg-Rebellion durch gewisse Medienleute und Intellektuelle in Frankreich aus der Sehnsucht nach Exotismus, wonach die Wüstenkrieger zu rebellieren hätten, anstatt sich als Bürger in einem modernen Staat nach allgemeinen Spielregeln zu engagieren.(79) Dabei werde von diesen Fürsprechern in Kauf genommen, dass die Rebellen als politische Perspektive nur eine Macht auf ethnischer Basis beanspruchten und dadurch einen ethnischen Konflikt provozierten ( Bourgeot & Casajus 1995, S. 519, 521 ).
Überspitzt formuliert erschien die europäische Tuareg-Euphorie als begeisterte, rassistische Kriegspropaganda, eine Reaktion auf einen mittels Images geführten ideologischen Kampfes. Dem gegenüber bleiben aber die von den unkritischen Tuareg-Anhängern ignorierten und den meisten naiven Rezipienten und Touristen unbekannten Umstände, dass
die umstrittenen Tuareg-Regionen von unterschiedlichsten Ethnien bewohnt werden, und dass
wie Göttler (1989, S. 12) verdeutlicht, auch "die Tuareg (...) weder eine einheitliche Rasse noch eine Nation (sind)" und auch niemals waren.
Genau hier, im militärisch-ideologischen Kampf, zeigt sich die eigentliche Problematik der Mythoskonstruktion und ihrer Instrumentalisierung. Denn in diesen sowohl ideologisch als auch militärisch geführten Rebellionskrieg der "Tuareg" mit seinen katastrophalen Folgen waren nicht nur andere Ethnien verwickelt, sondern es hatten auch viele Tuareg-Angehörige mit der Ideologie der Ischomars wenig bis gar nichts gemein. Abgesehen davon ist freilich die "Rekonstruktion" oder vielmehr "Konstruktion" der eigenen Kultur auf der Basis ethnologischer Studien ein an Bedeutung gewinnendes Phänomen ist, wie Giddens (1994, S. 100) am Beispiel der westkanadischen Kwakiutl aufzeigt: diese Gesellschaft bediente sich zur Rekonstruktion ihrer Vergangenheit der Monographien von Franz Boas.
Was also ist ein Tuareg?
Es dürfte nun hinlänglich verdeutlicht worden sein, dass Begriffe stets mit Vorstellungsbildern gekoppelt sind, die selbst wiederum auf den höchstpersönlichen, biographischen wie auch kulturellen Horizont des Begriffsnutzers referieren. Begriffe sind - wie auch die sich dahinter verbergenden erfahrenen und konstruierten Wirklichkeiten - alles andere als eindeutig. Sie sind Gebrauchsgegenstände. Genau das vermochte ja Ludwig Wittgenstein mit seinen "Sprachspielen" (2003) zum Ausdruck bringen. Insofern erfüllen Begriffe wie auch Klischees eine besondere Wirklichkeitsmodellierungs-, -deutungs- und -orientierungsfunktion, auf die in Abschnitt 7.5.2 noch genauer eingegangen wird.
Im nächsten Schritt interessiert vorerst, was Touristen zu sehen glauben, wenn sie "Tuareg" sehen?
Welche Vorstellung haben Touristen, wenn sie von Tuareg sprechen? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Autor im Zuge seiner gen. Studie im Niger (Friedl 2005). Dabei wurde 52 Probanden die Frage gestellt, ob und wie das Wesen der Tuareg beschrieben werden könne. 42 Probanden gaben darauf folgende 112 Antworten: (Prozent-Angaben sind relativ zur absoluten Probanden-Zahl)
Die besondere Ausstrahlung ("Stolz, Würde") nannten 20 Probanden (48 % )
Angenehme menschliche Züge ("Offenheit", "(Gast)Freundlichkeit", "Großzügigkeit") nannten 15 Probanden (36 % )
Ihre Lebensweise ("Nomaden", "Mobilität") war für 13 Probanden (31 % ) bezeichnend
Ihr Lebensraum ("Wüsten-, Sahel-Bewohner") war für 10 (24 % ) typisch.
Ein differenziertes, Typen-kritisches Bild zeichneten 10 Probanden (24 % ).
"Traditionsbewusstsein" wurde 7-mal genannt.
Reserviertheit war für 6 Probanden typisch.
Schönheit (generell, Frauen) wurde 5-mal genannt.
Als kriegerisch beschrieben 5 Probanden die Tuareg.
Zu den bemerkenswerten Aussagen zählten u. a.: Die Tuareg würden "in Europa als die armen Marginalisierten dargestellt", sie seien "Sahel-Bewohner, die ihre Gegenwart auf Grund ihrer Vergangenheit bedauern, die vielleicht glorreich war", eine "alte Kultur ohne amerikanischen Einfluss; unter den Älteren herrscht Einheit". Sie seien "wie der Löwe und der Wind, ständig in Bewegung und sehr stolz", "die wahren und natürlichen Menschen", "Männer der Wüste, Ritter der Sahara, Saharabewohner per se", und sie verfügen über "enorme Ausstrahlung und ausgeprägte psychische Gesundheit, verbunden mit angemessenem Stolz".
Ohne den unterschiedlichen Beschreibungen durch Kategorisierung Gewalt antun zu wollen, ist doch die Dominanz des klassischen Mythos vom stolzen, edlen, würdigen Menschen mit spezifischer Ausstrahlung nicht zu übersehen. In dieses Schema sind wohl auch die Charakterisierungen "reserviert" oder "distanziert" einzureihen: Würde und Fraternisierung und scherzhaftes Gehabe passen schlecht zueinander.
Zugleich werden aber auch jene Charakteristika relativ häufig genannt, die diesem Bild geradezu widersprechen. Die Zuschreibung von Offenheit und Freundlichkeit war bei jenen Probanden, die einer Gruppenreise angehörten, mit 47 % deutlicher ausgeprägt als im Gesamtschnitt (36 %). Dies könnte damit erklärt werden, dass das Tuareg-Personal der jeweiligen Reisegruppe nachhaltig Fröhlichkeit und gute Laune verbreitet hatte. Hier ist hinzuzufügen, dass es sich bei den Gruppenreisenden zumeist um Mitglieder der Tchimizar-Voyages-Gruppen handelte, die vom Autor geführt wurden.
Eine weitere Erklärung dafür wäre, dass die vom Autor arrangierten und begleiteten Besuche bei gut bekannten Nomadenfamilien in Timia durch die Reisegruppe äußerst ungezwungen abliefen.
Diese Ergebnisse legen die Annahme nahe, dass durch erfrischende persönliche Erlebnisse in vertrauter Umgebung bzw. unter qualifizierter Betreuung Mythen nicht "zerstört" werden können, weil sie als Stereotypen nach wie vor die Funktion von vermittelnden und wegweisenden Symbolen tragen. Zumindest aber werden Stereotype durch solche Erfahrungen relativiert und differenziert, weil auch menschlich-individuelle Züge hinzukommen.
Methodisch ist allerdings einzuwenden, dass unter der Bedingung der schriftlichen Fragebogen-Beantwortung der Trend zu pauschalen Antworten zwangsläufig weit größter ist als bei Tiefeninterviews, die für differenzierte Betrachtungsweisen günstiger sind.
Die Antworten auf die Frage nach spezifischen Eigenschaften verschiedener Bereiche der Tuareg-Gesellschaft gaben im Wesentlichen die klassischen Elemente des "Tuareg-Mythos" wider. Das summarische Ergebnis lautet:
Als markante Elemente des äußeren Erscheinungsbilds wurde von den 36 Probanden mit Abstand am häufigsten (6-mal) die aristokratische Ausstrahlung (nobel, edel, stolzes bzw. schönes Äußeres) beschrieben.(80)
Als Spezifikum der Tuareg-Wirtschaft wurde am häufigsten (7-mal) die "Armut" genannt.
Als gesellschaftliches Tuareg-Spezifikum wurde am häufigsten (8-mal) die besondere Stellung der Frau genannt.(81)
Als politisches Spezifikum wurden am häufigsten die Rebellion (9-mal) und die politische Marginalisierung (8-mal) genannt.
Die Frage nach dem traditionellen Verbreitungsgebiet der Tuareg konnten 14 von 32 Probanden richtig(82) beantworten. Je 6-mal wurden die Tuareg in Mauretanien und im Tibesti (Tschad) angesiedelt, je 4-mal in Tunesien und in Marokko.
Hinter jedem Mythos steckt stets ein Funken Wahrheit, besonders, wenn mythische Zuschreibungen durch Reise- und Produktwerbung europäischer wie auch afrikanischer Anbieter instrumentalisiert werden. In diesem Sinne belegen diese Ergebnisse: Die Reisenden haben ihre Lektion deutlich gelernt und sich die in Medien und Katalogen verwendeten Tuareg-Vorstellungen angeeignet. Dennoch reicht dieses beeindruckende Image nicht hin, um Reisende in signifikanter Zahl wegen der Bevölkerung selbst in die Region zu locken. Attraktion Nummer eins ist und bleibt die Wüste.
Die überragende Bedeutung des Landschaftserlebnisses gegenüber der Begegnung mit Einheimischen spiegeln auch die Antworten der 51 Probanden auf die Frage nach Erfahrungen mit Tuareg wieder. Hier sei daran erinnert, dass bereits 28 der befragten Personen Reisen in Tuareg-Regionen (inkl. Niger) gemacht hatten.
Tuareg noch niemals begegnet zu sein hatten 21 Probenden (41 %) angegeben. Das ist insofern überraschend, als von diesen 21 immerhin 6 Personen angegeben hatten, bereits in einer Tuareg-Region gewesen zu sein
Den Tuareg nur punktuell begegnet waren insgesamt 9 Probenden (18 %).
Einen häufigeren bzw. längeren Kontakt zu Tuareg, insbesondere im Zuge von Touren oder auch in Europa, pflegten bereits 20 Probenden (39 %).
Auf eine dauerhafte und nachhaltige Beziehung zu einem Tuareg konnte nur 1 Proband verweisen.
Überraschend sind die 31 Antworten von 27 Probanden auf die Fragen nach den angenehmsten Erinnerungen aus der Begegnung mit Tuareg.
16 Probanden (52 %) erinnerten sich an konkrete gemeinsame Erlebnisse mit Tuareg (gemeinsame Tätigkeit, traditionelles Leben miterleben, positiver Austausch...)
15 Probanden (48 %), hatten dagegen solche Erinnerungen, die Elemente der klassischen Tuareg-Klischees widerspiegelten (Gastfreundlichkeit, besondere Ausstrahlung, Würde...)
Von allen diesen Erfahrungen waren besonders nennenswert das "Teilhaben am Leben und an der Familie eines Tuareg", das "gemeinsam Ankämpfen während des Karawanenzuges gegen die Natur", das "Treffen mit dem Karawanenchef", die "Einstellung des Führers zur Wüste, zur Stille, sein Respekt dafür", die "Wahrnehmung der traditionellen Lebensweise und des hiesigen Modernisierungswiderstands" oder der Umstand, dass "die Musiker nach Wüste rochen, und das erfreute mich". Eine Probandin hatte sich sogar in einen Tuareg "... verliebt".
Über die Kategorisierung vereinzelter Aussagen lässt sich sicher streiten, z.B. ob die Bemerkung, dass "die Leute so gastfreundlich sind; sie geben ihr Maximum" als klischeehafte Zuschreibung oder unmittelbar erlebte Begünstigung zu beurteilen sei. Doch auch trotz solcher Bedenken ist die relative Häufigkeit von als befriedigend empfundener Wahrnehmung "typischer" Nomaden-Eigenschaften gegenüber emotional berührenden Erlebnissen auffallend. Leider ist die Zahl der Antworten für eine stichhaltige Schlussfolgerung zu gering. Zumindest legt das Ergebnis aber die Vermutung nahe, dass emotional berührende Ereignisse, also ein gelungener Austausch zwischen Touristen und Einheimischem, insofern nachhaltiger wirken als lediglich die bloße Befriedigung positiver Erwartungshaltungen, als erstere die erwartungsbedingte Wahrnehmung erschüttern. Erst dadurch kommt es zu einem Lerneffekt und damit zur Konstruktion eines differenzierteren Bildes der Wirklichkeit.
Die positiven Erfahrungen mit Tuareg sind offensichtlich kaum nachhaltig getrübt worden, denn nur 14 Probanden hatten 15 Antworten (Kneissl: 2) mit Tuareg-kritischen Erlebnissen gegeben. Darunter war nur eine signifikant häufige Antwort:
9 Probanden erinnerten sich aufdringlicher Verhaltensweisen vereinzelter Bevölkerungsgruppen (bettelnde Kindern, Chasse touristes, Händler)
Weitere negative Einzelerfahrungen waren ein "energischer Führer während der Karawanenbegleitung", ein "Diebstahl", die Unerträglichkeit der "gravierenden Armut nach der Dürre", die "Behandlung der Tiere durch Tuareg" sowie die für einen Probanden nicht nachvollziehbare regionale Praxis der Hygiene.
Hier kommt zum einen wieder zum Ausdruck, dass besonders die Beeinträchtigung der gesuchten Idylle durch Personen, die sich nicht erwartungsgemäß verhalten als störend empfunden wurde. Zum anderen trugen Wahrnehmungen von nicht nachvollziehbarem Verhalten zu tief greifenden Irritationen bzw. gewissen "Kulturschocks" bei. Im Wesentlichen zeigt dieses Ergebnis, dass Touristen über Vorstellungen verfügen, die gegenüber neuen Wahrnehmungen entweder "passend" sind, indem das Wahrgenommene gleichsam "wieder erkannt" wird, oder aber sie werden als "falsch" empfunden, weil die persönliche Wahrnehmung mit erschütternden Erlebnissen, ob positiv oder negativ, einher ging. Dieses Schema deckt sich im Wesentlichen mit dem Piaget-Modell der Assimilation und der Akkomodation bzw. mit dem funktionalistischen Prinzip des radikalen Konstruktivismus. Auf diese Zusammenhänge wird in weiterer Folge in Abschnitt 7 noch näher eingegangen.
Wie sieht es nun im "Kopf eines Tuareg" aus, wenn er an einen Touristen denkt und wenn er einen sieht? Auch dieses Unterfangen ist schon an sich problematisch, weil durch die Filter des Gesprächsumstandes oder auch durch den Filter des Autor-spezifischen Verständnisses der im Gespräch gebrauchten Begriffe ein Ausweg aus der Vorstellungswelt des Autors selbst letztlich nicht möglich ist. Dennoch liefern die Ergebnisse signifikante Auffälligkeiten, die zu grundlegenden, weiterführenden Fragestellungen Anlass geben.
Woran erkennen Tuareg der Region Timia (Kel Timia) einen Touristen? Dazu wurden Daten zwischen 1999 und 2001 insgesamt 45 Leitfadeninterviews auf der Basis eines strukturierten Fragenkatalogs mit Angehörigen der Kel Timia geführt, deren Auswahl ein möglichst breites Spektrum der Gesellschaft Timias widerspiegeln sollte. Als Auswahlkriterien dienten Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Berufsgruppen, Dauer des Aufenthalts in Timia sowie besondere politische Position.
Zusammengefasst erkennen die Kel Timia(83) eine Person als Touristen, die viel, grund- und ziellos herumreist (32), die sich Dinge zum bloßen Vergnügen anschaut (22) (84), im Zuge dessen für diverse Käufe viel Geld ausgibt (19) und die Dinge, die ihr gefallen, fotografiert (15). Manche suchen ein "Abenteuer", also außergewöhnliche Erfahrungen (10), und meist sind sie in Eile (7).
Für Mohamed Idrissa, einen 34-jährigen Gärtner, sind Touristen jene, die "immer im Auto herumfahren". Immerhin kommen 99 % der Touristen per Allradfahrzeuge nach Timia(85) und passieren dabei die entlang der Piste gelegenen Gärten. Die vorbei fahrenden Toyotas sind oft das einzige, was Mohamed von den Touristen zu Gesicht bekommt.
Tchindjadam Saghaidou, eine 57-jährige Hirtin, betrachtet die Touristen als Leute, "die zu viel Geld haben und nichts damit anzufangen wissen". Für die meisten Kel Timia ist die Miete eines Fahrzeuges unerschwinglich. Sie unternehmen Reisen zumeist nur aus beruflichen Gründen oder in Notfällen. Vor diesem Hintergrund muss jemand, der zum Vergnügen einen Toyota benutzt, als sehr reich erscheinen.
Ein kaum phänomenologisches, sondern vielmehr motivationsorientiertes Verständnis von Touristen weist Rahmata Ahmed, eine 38-jährige Handwerkerin auf, die auch Lederarbeiten für Touristen produziert. Sie versteht Touristen als Menschen, die "die Wüste, Dünen und schöne Aussicht" suchen. Man merkt Rahmata den vertrauten Umgang mit Touristen und ihr Verständnis für deren besondere astethische Bedürfnisse an.
Guhoudan Atiban, ein 49-jähriger Maurer, der auch den Campingplatz betreut, kann trotz seines gewohnten Umgangs mit Touristen wenig Verständnis für deren Aktivitäten aufbringen. Für ihn sind sie Menschen, die "viel Energie für Abenteuer" - also für nutzlose Reisen - aufbringen.
Daboun Taralou, dem 61-jährigen Chef de Groupement von Timia, fiel besonders auf, dass Touristen "vor allem die alten Sachen kaufen, die wir schon aufgegeben haben." Er kann nicht verstehen, was Europäer mit solchen für ihn nutzlos gewordenen Sachen anfangen, die sie als Antiquitäten schätzen.
Eine utilitaristische Sicht der Touristen wies Fitita Mohamed, eine 33-jährige Hirtin, auf. Ihre prägenden Erfahrungen mit Touristen waren, dass diese ihr gelegentlich leere Konservendosen überlassen hatten, was für sie einen großen Gewinn darstellte, da es im Busch stets an Behältnissen mangelt.
Weniger positive Erfahrungen mit Touristen hat dagegen Fatima Hadda, eine 62-jährige Hirtin. Für sie ist ein "Tourist wie ein Blitz, er bleibt gerade für ein Photo stehen." Mehr hatte sie im Busch bislang von Touristen nicht wahrgenommen.
Eine differenziertere Sichtweise äußerte Adouma Abderahman, ein 30-jähriger Geograf und Projektleiter: Touristen seien jene Leute, die nur für 30 Minuten anhalten, um mit den "Chasses" und den Schmieden zu diskutieren. Adouma, der in Frankreich studiert hat, erkannte, dass die kommunikativen Bedürfnisse der meisten Touristen aus ihren typischen Verhaltensweisen, der Suche nach Souvenirs, resultieren und weniger aus der Suche nach Kontakten zu Einheimischen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Tuareg - analog zu Touristen - diese aufgrund ihrer Wahrnehmung kategorisieren und als solche wieder erkennen. Für Tuareg markant sind dabei jene Charakteristika, die für einen Tuareg - aufgrund seiner, der Umgebung angepassten Lebensweise - eher abwegig erscheinen:
die enorme Eile, die scheinbare Verfügbarkeit über sehr viel Geld, den Drang des Fotografierens und des Kaufes von unnützen Dingen.
Die meisten Kel Timia scheinen sehr rasch verstanden zu haben, worauf es den Touristen ankommt, denn ganz ähnlich wie die vom Autor befragten Touristen nannten die Kel Timia für Reisen in den Niger als wichtigstes Motiv das Betrachten und Fotografieren von Dünen (16), und dann schlichte Neugierde (11). Die Lust am Abenteuer (7) nannten überwiegend jüngere männliche Kel Timia, denen diese Motivation offensichtlich schon etwas vertraut ist. Den Kontakt zu den Menschen, insb. zu den Tuareg (6) vermuteten dagegen eher Personen über 40 Jahren: Ältere Kel Timia können sich scheinbar nicht vorstellen,, dass jemand Reisen aus anderen als beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen unternehmen würde.
Die oben genannte Erklärung für Wüstenreisen wird bestätigt durch die Ergebnisse auf die Frage an die Kel Timia nach dem Motiv der Europäer für Wüstenreisen: die Dünen (25) als eindruckvollstes landschaftliches Phänomen der Wüste, gefolgt von der Weite der Wüste (19). 15 Personen meinten sinngemäß, Europäer suchten in der Wüste eine Art Gegenwelt, die all jene Eigenschaften aufweise, wie sie in keiner Region Europas zu finden seien.
Die Probanden lassen sich in diesem Fall leicht in zwei Kategorien unterteilen:
Die zumeist jüngeren, modernistisch geprägten Kel Timia haben zumeist aufgrund ihrer Erfahrungen mit Touristen bereits ein gewisses Einfühlungsvermögen gegenüber ihrer Klientel entwickelt. So meinte der 23-jährige Eserit Ias, Koch bei Tagelmust V., Touristen würden in der Wüste "Freiheit, Weite und Stille" finden: "Man ist mit sich!". Ähnlich argumentierte auch Fisches, ein 20-jähriger Chasse, mit der "Schönheit der Wüste".
Den zumeist älteren, noch eher traditionell geprägten Kel Timia mangelt es dagegen an jener Empathie. Die 62-jährige Hirtin Fatima Hadda " weiß nicht, was die Leute da draußen wollen". Ähnlich ergeht es auch der 61-jährigen Hirtin Assulo Bolla, die irrtümlicherweise vermutet, Touristen würden in erster Linie wegen des Kontakts zu den Wüstenbewohnern, den Tuareg, kommen.
Was denken nun die Kel Timia über jene Kategorie von Menschen, die bloß zum Vergnügen und in großer Eile nach Dünen und anderen Attraktionen suchen? Vor dem Hintergrund der traditionellen Tourismuskritik am Ethnotourismus (Kievelitz 1989), der Position Mano Dayaks gegen "Zootourismus" ( Dayak 1992, S. 78; 1996, S. 178) und auch der genannten, analogen Position der Niger-Touristikerin und Tuareg-Referentin der GfbV, Eva Gretzmacher, müsste man annehmen, dass die Kel Timia äußerst kritisch über Touristen denken und nichts mit ihnen zu tun haben wollten. Das Gegenteil ist offensichtlich der Fall.
Von 30 Probanden äußerten sich 17 uneingeschränkt positiv, weitere 4 sahen positive wie negative Aspekte an Touristen. Ausschließlich kritisch äußerten sich lediglich 3 Personen. 21 Kel Timia beurteilten Touristen u. a. als potenzielle Einnahmequelle und insofern positiv.
Die Antworten auf diese Frage sind - trotz der relativ geringen Anzahl an Antworten (30 von 45)(86) - sehr differenziert, weshalb sie hier vier unterschiedliche Kategorien von Sichtweisen zulassen.
Verständnislose Traditionalisten
Zu den "verständnislosen Traditionalisten" zählen jene Personen, die noch tief in ihrer nomadischen Welt verwurzelt sind und wenig bis gar keine Erfahrung mit Touristen haben. Darum interpretieren sie die Welt auch vor diesem traditionellen Normenkontext, der im Widerspruch zu Verhalten und Motiven der Touristen steht. Darum ist ihnen die Welt der Touristen weitgehend fremd und unverständlich. So gilt es etwa unter Hirten generell als verpönt, nur aus bloßem Vergnügen durch die Gegend zu reiten und Hirtinnen zu besuchen, eine Tätigkeit, die Hirten mit dem "nutzlosen Umherziehen der Touristen" (Spittler 1998, S. 231)(87) verbinden. Tchindjadam Saghaidou, ein 57-jähriger Hirte, würde darum niemals "zum Vergnügen reisen. Das Geld würde ich meiner Familie geben. Erst jetzt habe ich verstanden, was die Touristen machen. Dieses Reisen ist für mich seltsam." Ähnlich meinte auch Tschibril Aboubakar, ein 36-jähriger Handwerker und Boutiquier, er habe einen Berg nur einmal bestiegen, um ein Kamel zu suchen, sonst wäre er nie hochgestiegen. Auch für Elouali Hadda, einen 22-jährigen Karawaniers, erscheint es unvorstellbar, dass jemand nur aus Vergnügen herumreist, er müsse zwangsläufig davon profitieren.(88)
Ähnliche Erfahrungen mit der Verständnislosigkeit der Karawaniers für Reisemotive von Europäern, die mit ihnen nach Bilma ziehen, berichtet auch Kospach (2002, S. 33): "'Was wollen sie in der Ténéré?', rufen sie herüber. 'Die Wüste gefällt ihnen, sie entspannen sich hier', ruft Abdoulay zurück. Die Männer lachen. 'Was haben sie gesagt?', frage ich ihn. 'Sie finden euch verrückt'. Die Tuareg lieben die Wüste, aber keiner von ihnen würde sie freiwillig durchqueren."
Ebenfalls verständnislos zeigten sich zwei Hirtinnen, jedoch reagieren sie anders als Männer. Die 62-jährige Fatima Hadda hat "Angst vor den Touristen, weil sie einfach nicht stehen bleiben". Weil sie im Busch, wo Begegnungen mit Menschen ohnedies selten sind, ein solch unfreundliches, widersinniges Verhalten nicht begreifen kann, findet sie dieses befremdend und Furcht erregend, ja unberechenbar. Ähnlich empfindet die 36-jährige Lolo Mohamed, weshalb sie die Touristen lieber aus großer Distanz ansieht. Auch mangle es ihr an Französischkenntnissen, was verhindere, Tourist verstehen zu lernen.
Modernisierte Imitatoren
Die Kategorie der modernisierten Imitatoren vereinigt jüngere Menschen, zumeist Männer, die durch ihren intensiven Kontakt mit der modernisierten, westlich geprägten, urbanen Welt auch die westlichen Bilder von der Wüste und die damit verbundenen Denkweisen und Sehnsüchte übernommen haben. Für diese Personen verliert das Reisen bereits seine ursprüngliche Funktion als notwendige, zweckgebundene Fortbewegung, es wird zu einer wertfreien Möglichkeit des Lustgewinns im touristischen Sinne. Für Jousoufa Bahia, der 37-jährige Koch bei Tagelmust, dessen Familie in Niamey lebt, sei das Reiseverhalten von Touristen "normal; das ist die westliche Welt: man macht mit seinem Geld, was man möchte." Hätte er das nötige Geld, würde er sich gleich verhalten. Analog argumentierte auch Bachar al Hadj, der 27-jährige, in Ingall tätige Lehrer: Er sieht den unmittelbaren Nutzen, den die Touristen bringen, und er könne gut verstehen, warum man reise. Auch er würde reisen, wenn er die nötigen Mittel besäße. Darum unternehme er einstweilen nur kleine Reisen zu Fuß oder per Kamel in der Umgebung von Timia oder auf den Bagzan.
Romantische Kritiker
Der romantische Kritiker ist noch stärker modernisiert als der Imitator. Er verfügt über die nötigen Reisemittel, wodurch touristisches Reisen für ihn kein unerreichbares Prestigegut mehr ist. Vielmehr hat er sich von der Lebensrealität Timias schon so weit entfernt, dass er zum intellektuellen Fürsprecher einer Welt wird, die er verklärt als heile Gegenwelt sieht, deren soziokulturelles Gefüge durch Tourismus gefährdet wird. Diese Sichtweise in der Tradition der elitaristischen Tourismuskritik bezieht jedoch auch die ökonomischen Determinanten in intellektuell differenzierter Weise mit ein. So kritisiert der 30-jährige Geograf Adouma Abderahman Touristen als "Leute, die Blödsinn treiben, Müll verursachen, nackt herumgehen, und keine Zeit haben, sich nach den Leuten zu erkundigen". Andererseits würden viele traditionelle und moderne Berufe durch die Touristen erst wirtschaftlich, und Kinder würden durch Geschenke der Touristen profitieren. Ähnlich argumentierte auch der Europa-erfahrener Assistent des Autors, Aghali.
Ökonomische Utilitaristen
Die zahlenmäßig größte Gruppe sieht ausschließlich den ökonomischen Nutzen in Touristen, wenn auch mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Dabei sind unrealistische Vorstellungen über die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung der Touristen für Timia weit verbreitet. So glaubt der 20-jährige Karawanier Rissa Arbas gar, Touristen seien besser als Forscher oder Projekt-Verantwortliche, weil Touristen so viel kaufen würden und die Bevölkerung deshalb von diesen in höherem Maße profitiere als von Projekt-Verantwortlichen. Fiches, der 20-jährige Chasse meinte überhaupt: "Touristen bringen Geld. Ich liebe sie!" Weit pragmatischer, weil erfahrener, formulierte es Achmed Hadda, der 42-jährige Schmied, Boutiquier und Chef der Schmiedekooperative: Touristen seien Leute mit entsprechenden Mitteln, um ihre Neugierde zu befriedigen. Demzufolge werden sie in erster Linie als zu instrumentalisierende Geldquelle betrachtet.
Neben der Wahrnehmungskategorie des "Touristen" gibt es für die Kel Timia auch noch jene des "Fremden", also jener Menschen, die der westlichen Kultur entstammen, aber nicht die Eigenschaften von Touristen aufweisen. Solche "Fremde" fallen bei den meisten befragten Kel Timia unter die Kategorie der Forscher (65 %). Im Gegensatz zu Touristen seien sie helfend tätig, indem sie z.B. Projekte brächten (25 %). Vor allem verfolgten sie ein bestimmtes Ziel oder wollten eine konkrete Arbeit verrichten (12 %), wofür sie sich viel Zeit nehmen würden (12).
Für Adouma "bleibt der Fremde hier, redet mit den Menschen, wird Teil der Familie, gewinnt Freunde, lernt die Subtilitäten und die Sprache ein wenig kennen und lässt, wenn er wieder geht, etwas zurück." Hier kommt für die Menschen, die bereits von der Moderne geprägt sind, die typische Kritik an Touristen als oberflächliche, gehetzte, selbstsüchtige Menschen zum Ausdruck. Adouma hat viele Jahre in Frankreich studiert, ist nunmehr auch mit einer Französin verheiratet und betreut seit Ende der 90er-Jahre ein agrarökologisches Gartenbauprojekt in der Umgebung von Agadez. Insofern ist er nur noch selten in Timia. Somit versteht er sich selbst nicht mehr als eine zu Timia gehörige Person, keineswegs aber als Tourist, sondern als jemand, der hilft, sich Zeit nimmt und über Kontakte verfügt.
Wie sehr die Sicht Adoumas von der Moderne und der "schwarzen" Tourismuskritik gekennzeichnet ist, verdeutlicht Daboun Taralou, der Chef de Groupement: Für ihn beschäftigen sich Forscher mit der Vergangenheit, und die Kel Timia denken nach seiner Ansicht, dies sei unnütz, weil eben längst Vergangenheit und damit nicht als Einkommensquelle nutzbar. "Wenn ein Lastwagen mit einem Forscher und Touristen käme, würden alle Leute zum Touristen gehen, weil sie nicht verstehen, was der Forscher hier macht." Das Interesse an der Vergangenheit, das besonders Gerd Spittler oder auch Heinrich Barth angetrieben hat, spielt offensichtlich für die Kel Timia angesichts ihres durch Monetarisierung gewachsenen Geldbedarfs eher die Rolle eines Streckenpferds. Forscher sind für die Kel Timia dennoch dann von Interesse, wenn durch sie Gewinne möglich werden, etwa durch die Installation eines Hilfsprojekts.
Im Wesentlichen weist ein "Fremder" die für einen Touristen augenfälligerweise typischen Charakteristika nicht auf: Er nimmt sich Zeit, geht auf die Einheimischen ein, interessiert sich für deren Belange anstatt für Attraktionen; er bringt längerfristig Projekte und damit nachhaltig wirkende Einkommensmöglichkeiten.
Wenn sich die Kel Timia solchen positiven Nutzen von Europäern in all seiner Vielschichtigkeit erhoffen, welches Bild machen sie sich dann von "dem" Europäer als eine dem "Touristen" und dem "Fremden" gemeinsame Kategorie? Welches Klischee dominiert in den Köpfen der Kel Timia? Ist das Wahrnehmungsmuster ähnlich simpel gestrickt wie die Bilder der Europäer von den "Wüstenrittern"?
Die 41 Antworten auf diese Frage lassen sich grob in die drei Kategorien eines positiven, eines neutralen und eines negativen Gesamturteils einteilen.
Der offene, kompetente und engagierte Europäer
16 Personen (39 %) gaben über Europäer ein überwiegend positives, zum Teil sogar enthusiastisches Gesamturteil, wobei 50 % der Frauen, aber nur 35 % der Männer diese Sicht vertraten.
Von diesen 16 betrachten 10 Personen die Europäer vor allem als wissensdurstig und aufgeschlossen. So meinte die 54-jährige Handwerkerin Dilliou Illias, die Europäer hätten die Mittel für Abenteuer und würden darum die Wüste freiwillig durchqueren. Und weil sie die Tradition der Menschen in den Wüstenregionen lieben und darum suchen, seien sie nicht jene, die sie zerstören, sondern jene, die sie fördern würden.
5 Personen sahen Europäer in erster Linie als kompetent und besonders intelligent an, weil sie offensichtlich komplizierte Technologien zu beherrschen, entfernte Länder mühelos zu bereisen und schwierigste Probleme zu lösen imstande seien. So meinte etwa die 17-jährige Schülerin Fatimata Iousoufou, Europäer "wollen die ganze Welt entdecken und sind viel intelligenter als die Leute von hier".
4 Personen sahen im Europäer vor allem einen hilfreichen, humanitär engagierten und großzügigen Menschen. Die 33-jährige Hirtin Fitita Mohamed berichtete von ihren positiven Erfahrungen mit Europäern, die ihren Müll wiederverwerten würden, indem sie ihr die leeren Dosen als Behältnisse überließen. Zudem seien die Europäer "gut gewachsen und parfümiert".(89)
Der Europäer als Angehöriger einer anderen Tradition
Zu einem eher neutralen Gesamturteil gelangten 17 Personen (42 %), von denen 8 (20 %) die Individualität und geistige Unabhängigkeit hervor strichen, was sie weniger als außergewöhnliche Eigenschaft, als vielmehr im wertfreien Sinne als Ausdruck einer anderen Kultur betrachteten. So meinte Ilies Ghabdoumen, der 51-jährige Handwerker, Europäer "leben, wie sie wollen, und pfeifen auf die Religion". Gewisse Ähnlichkeiten zwischen Tuareg und Europäern meinte der junge Lehrer Bachar al Hadj zu erkennen, weil die europäischen Frauen wie bei den Tuareg sehr frei seien.
Sehr differenziert und analytisch betrachtet dagegen der Europa-erfahrene Aghali Imoumoumene die Europäer, die genau, sauber und pünktlich seien, effizient mit ihrer Zeit umgingen und ein funktionierendes System von Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit zuwege brächten. Doch dafür fehlte es ihnen an zwischenmenschlicher Wärme, denn sie seien sehr kontaktscheu.
Europäer als Ungläubiger
Immerhin 8 Personen beurteilten Europäer eher negativ, wobei sich das Urteil von 7 Personen auf deren "Ungläubigkeit" gründete.(90) Von diesen Personen waren die meisten im fortgeschrittenen Alter. Dass Europäer keine Muslime seien, kritisierte als besonderen Makel lediglich Ousmane Batti, ein 47-jähriger Marabut.(91)
Das einzige negative Urteil, das sich auf andere als religiöse Motive gründete, stammte vom Akademiker Adouma Abderahman, der in fortschrittskritischer Manier Europäer als "neugierig, oberflächlich und aufdringlich" beurteilte; Europäer würden "sehr viel reden, ohne etwas zu sagen."
Vorstellungen von Menschen korrelieren zumeist mit Vorstellungen von deren Lebenswelt. Ähnlich wie Europäer annehmen, Tuareg würden in der Wüste leben, obwohl sie tatsächlich lediglich in den noch hinreichend fruchtbaren Randzonen der Wüste überleben können, so interessiert vice versa natürlich auch die Vorstellung der Tuareg über Europa. Welche Bilder verbinden die Tuareg mit den Ländern, aus denen diese "eiligen, fotografierenden Wesen im Kaufrausch" kommen?
Bei 42 befragten Kel Timia bedeutet "Europa" für die deutliche Mehrheit (37 Personen oder 88 %) in erster Linie Reichtum. 7 nannten den vielen Regen, 7 den vielen Verkehr bez. die unzähligen Fahrzeuge, 4 sahen in Europa einen hohen Entwicklungsstand.
Die Antworten lassen sich in drei Kategorien einteilen:
Die Modernisierungskritiker
Die Modernisierungskritiker verfügen alle über eine höhere Schulbildung, sind eher jüngeren Alters und haben zum Teil auch Europa-Erfahrung. Sie heben die klassischen Errungenschaften des modernen Europas, die wirtschaftliche Entwicklung und den technischen Fortschritt als positiv hervor, übersehen aber auch nicht die damit verbundenen Kosten.
Für den Lehrer Bachar al Hadj ist Europa ein grüner Kontinent mit viel Industrie, hoher Entwicklung, enormem Fortschritt, jedoch für den Preis der Umweltverschmutzung. "In Europa gibt es alles, wenn man die nötigen Mittel hat." Der Regionalberater Aghali Imoumoumene nannte als positive Seiten Europas die Sauberkeit auf den Straßen, die gute Arbeitsmoral, die Pünktlichkeit sowie die Tatsache, dass keine Kinder unbeaufsichtigt auf den Straßen seien. Kritisch nannte er hingegen die Luftverschmutzung und das Waldsterben.
Überwiegend kritische Worte für Europa fand der Projektleiter Adouma Abderahman, der in Frankreich studiert hatte. Aus einer scheinbar wohlstandsüberdrüssigen Perspektive assoziierte er mit Europa lediglich "Stress, Geld, Maschinen, Lärm und Umweltverschmutzung".
Eine politische Perspektive vertrat hingegen der Student Aghali Isoufou, für den die EU ein wichtiges Entscheidungszentrum sei, von dem der Niger sehr abhängig wäre.
Die Zyniker
Die Zyniker betrachten den enormen Reichtum Europas weniger mit sehnsüchtigen, als vielmehr mit distanzierten, kritischen, aber auch erstaunten, fassungslosen Augen. So meinte der Boutiquier Ghabdat Guhai, Europa sei "auch wegen Afrika reich". Der Gartenbauer Machmud Illo sieht für Europa keine Entwicklung mehr: "Es ist schon so reich, dass die Europäer nicht mehr wissen, wohin mit dem Geld." Jemana, die 46-jährige Handwerkerin, vermutet, dass es in Europa so viele Bäume und Häuser, also offensichtlich "zu viel Reichtum gibt, weshalb die Leute hierher kommen".
Die Träumer
Die Träumer sehen Europa in den rosigen Farben, ähnlich wie viele Europäer heile Welten in manchen Ländern der Dritten Welt erkennen wollen. Tschibril Aboubakar, ein 36-jähriger Boutiquier, nannte Europa ein "Paradies mit schönen Städten", und die 36-jährige Hirtin Lolo Mohamed ist überzeugt davon, dass "alles Gute und Schöne von Europa kommt".
Die wenig differenzierte Europa-Sichtweisen der Kel Timia erstaunt nicht weiter, denn von 43 Personen haben lediglich zwei bereits Europa besucht: Aghali Imoumoumene war mehrmals vom Ethnologen Gerd Spittler nach Deutschland eingeladen worden, und Adouma Abderahman hatte in Frankreich studiert und ist mit einer Französin verheiratet.
Die Frage, ob sich die Kel Timia für einen Besuch Europas interessieren würde, bejahten von 38 Personen, davon 11 Frauen, insgesamt 31 Personen. Dabei gaben sich die Frauen eher zurückhaltender, da von ihnen nur 7 (63 %) ein solches Interesse zeigten, während 92 % der Männer sofort Geschmack an einer solchen Reise finden würden. Für eine solche Reise wurden von den Befragten folgende Gründe genannt:
Neugierde
20 Personen, die zumeist jünger als 35 Jahr waren, würden gerne aus bloßem Interesse nach Europa reisen, um die Unterschiede zum Aïr kennen zu lernen. Von den wenigen älteren Personen meinte der 47-jährige Karawanier Ibrahim Alimone, er würde gerne "all den Reichtum in Europa sehen". Den 67-jährige Karawanier Hadda Imoumoumene würde es reizen, auf die europäischen Weiden "die Kühe zu führen".
Weniger aus bloßer Neugierde als vielmehr aus einem berufsbedingten Interesse antwortete Daboun Taralou, der Chef de Groupement: Er würde neben Europa auch gerne Amerika kennen lernen, "um die Dinge besser zu verstehen". Ein ähnliches Motiv bewegte auch Achmed Hadda, den Präsidenten der Schmiedekooperative; er würde die dortigen Märkte studieren, um davon zu lernen.
Arbeits-Chancen
Vier Personen, darunter ein Gärtner, ein Boutiquier sowie die zwei Europa-Erfahrenen, nannten berufliche Chancen als Grund für ihr Europa-Interesse. So meinte der Projektleiter Adouma Abderahman, er sei zwar "nicht begeistert von Europa. Ich mag das System nicht, aber es ist notwendig, darin zu arbeiten, zu leben und um in den Niger zurückkehren zu können."
Sonstige Vorteile
Weitere 4 Personen erhofften sich durch eine solche Reise sonstige Vorteile wie das Gewinnen von Kunden oder von Geschenken. So meinte der Karawanier Achmoudiou Archi, er würde "Werbung für Timia machen, um Hilfsprojekte herbeizuschaffen". Weniger altruistisch, vielmehr auf seinen eigenen Vorteil bedacht erklärte der 51-jährige Schmied Ilies Ghabdoumen, er erwarte sich von Europa, dort ein Auto als Geschenk zu bekommen. Viele Schmiede mit Europa-Erfahrung hätten ihm erzählt, in Europa Autos geschenkt bekommen zu haben.
Besonders in der letzten Äußerung kommt die für außereuropäische Länder so typische und höchst gefährliche Dynamik einer sich selbst verstärkenden Prophezeiung von Europa als Paradies zum Ausdruck, in dem das Geld gleichsam auf dem Boden liege. Eine Folge dieses Mythos ist die Tatsache, dass vor allem Schmiede in der Meinung nach Europa zu reisen versuchen, dort in großen Mengen Schmuck verkaufen zu können, eine Hoffnung, die eher mit höheren Kosten für Flüge etc. verbunden ist als mit reichlichen Einnahmen.
Das jeweilige Bild von Europa oder von Europäern entstand sowohl durch Kurzkontakte mit Touristen als auch durch längere, tiefer gehende Kontakte mit Europäern, zu denen sich eine engere Beziehung entwickelt hatte, und mit denen ein über bloße kommerzielle Beziehung hinausgehender Kontakte besteht. Solche Kontakte können wesentlich dazu beitragen, die herrschenden Mythen über Europa und auch über Touristen und Tourismus aufzubrechen und zu differenzierender Kritikfähigkeit anzuregen. Aus diesem Grund fragte der Autor die Kel Timia nach möglichen engeren Bekanntschaften zu Europäern .
Von 41 Personen gaben 28 (68 %) an, in engerem Kontakt zu Europäern zu stehen oder gestanden zu haben. In 12 Fällen waren diese Kontakte im Zuge von Hilfs- und Forschungsprojekten entstanden. Die am häufigsten genannte Kontaktperson war Gerd Spittler, gefolgt von Mitarbeitern der gtz und den "Amis de Timia". 2 Schmiedefrauen hätten im Zuge von Filmprojekten näheren Kontakt zu Europäern gewonnen. Wie nachhaltig der Tourismus auch in Hinblick auf solche Kontakte wirkt, indizieren die Antworten jener 10 Personen, deren Bekanntschaften sich aus vertieften Kontakten zu Touristen entwickelt hatten.
Über keinerlei weiterreichende Bekanntschaften zu Europäern verfügten 13 Personen (32 %). Für den 20-jährigen Karawanier Rissa Arbas war der Autor sogar der erste Europäer, mit dem er gesprochen haben wollte. Aufgrund seiner spezifischen Arbeit und der Karawanenreisen, die zumeist abseits der Touristenrouten verlaufen, hatte er auch wenig Gelegenheit, mit Europäern näher in Kontakt zu gelangen. Weniger ein "strukturelles" als vielmehr ein "Werteproblem" hat Daboun Taralou, der 61-jährige Chef de Groupement. Er könne nicht wie ein Kind auf Fremde zugehen, weil dies dem traditionellen Ethos "Eschek" widerspreche, das die Kontaktaufnahme bestimmten Regeln unterwerfe. Allerdings seien Europäer keine Muslime und stünden darum außerhalb des Eschek-Reglements, weshalb Daboun es "theoretisch lernen könnte", auf sie zuzugehen. Bislang aber fiele es ihm sehr schwer.
Die Antwort von Daboun Taralou lässt vermuten, dass er einen weiterreichenden Kontakt zu Europäern doch sehr schätzen würde. Überhaupt zeigt sich bei den Kel Timia, die von europäischen Freunden berichteten, dass deren Kontakte bereits weiter zurück liegen. Gerd Spittler war zuletzt vor der Rebellion, Ende der 80er-Jahre in Timia gewesen, und die letzten Besuche der gtz-Mitarbeiter Helmut Paschen und Pit Weingartner liegen noch weiter zurück. Um Einblick zu gewinnen, welche Bedeutung die Kel Timia solchen Bekanntschaften zuschreiben, fragte der Autor auch danach, ob und warum jemand gerne neuerlichen engeren Kontakt mit Europäern wünsche.
Von den 35 Personen, die solche Kontakte wünschten, begründeten dies 18 (51 %) mit der Chance, zu profitieren. Diese Personen waren zumeist fortgeschrittenen Alters (>45 Jahre).
16 Personen (46 %), die zumeist eher jüngeren Alters waren (<35 Jahre) und denen verhältnismäßig mehr Frauen angehörten, erhofften sich durch solche Bekanntschaften vor allem geistigen Austausch durch Korrespondenz.
8 Personen (23 %), zur Gänze Männer um die 35 Jahre, konkretisierten ihre Profitmotiv näher: Sie hofften, durch eine solche Bekanntschaft nach Europa eingeladen zu werden.
4 Personen (11 %) meinten, durch Kontakte gegenseitig mittels kommerziellen und geistigen Austauschs profitieren zu können.
3 Personen (9 %) meinten, durch solche Kontakte weitere touristische Kunden gewinnen zu können.
An dieser Auflistung wird deutlich, wie utilitaristisch - im wertfreien Sinne - die Kel Timia denken, dass sie keineswegs dem Bild des naiven "edlen Barbaren" entsprechen, die keine Ahnung von der Welt haben und darum von den Touristen verdorben werden können. Vielmehr scheint es, dass die Kel Timia bereits in sehr kreativer Weise "global" denken, und in einer "Vernetzung" mit dem Westen gleichermaßen Vorteile zu erkennen glauben wie westliche Befürworter der Globalisierung. Dabei verstehen sie ihre Trümpfe, nämlich die "Schönheiten" ihrer Umgebung und ihres Dorfes, aber auch ihre Offenheit durchaus gezielt einzusetzen, um das "Herz" eines Touristen und damit seine Brieftasche für den Kauf von Produkten zu öffnen oder ihn gar an das Dorf zu binden, wie es ja bereits des Öfteren im Falle Timias gelungen ist.
Auffallend ist freilich auch, dass ein entsprechendes Maß an direktem Kontakt die Voraussetzung für die Entwicklung "entsprechender" Vorstellungen ist. Wie der Autor in weiterer Folge argumentieren wird, geht es letztlich somit nicht um die "Korrektur" von Klischees, um den Gegenüber "richtig" zu verstehen. Denn dies ist aus Sicht des Autors schon aus rein neurobiologischen Gründen und insofern auch erkenntnistheoretischen Gründen schlichter Unsinn. Vielmehr geht es um die Entwicklung von "passenden" Vorstellungen, solchen nämlich, die dem Betreffenden am besten dienlich sind, um seine eigenen Präferenzen optimal realisieren zu können.
Angesichts der empirischen Befunde darüber, wie Touristen und Einheimische einander wahrnehmen, weshalb sie den Kontakt zu einander mehr oder minder suchen, und was sie übereinander denken, erscheinen die euphorischen Annahmen über Tourismus als Völkerverständigung geradezu unsinnig. Gleichermaßen kann dies aber auch für die Haltung der Tourismuskritiker behauptet werden. In beiden Fällen "passt" deren Vorstellung von "Verständnis" ganz einfach nicht mit neueren Modellen zu (interkultureller) Kommunikation zusammen. Darum lässt sich die Suche nach einem neuen Konzept des Verstehens nicht vermeiden.
Voraussetzung zur sinnvollen Beantwortung der Frage, ob Tourismus als Mittel der Völkerverständigung geeignet sei, ist die Klärung der Bedeutung des Begriffes "Völkerverständigung". So leuchtet schon bei oberflächlicher Betrachtung ein, dass der Begriff der "Völkerverständigung" etwas bezeichnet, was realistisch betrachtet absurd ist. Wie soll man ganze Völker - im kollektiven Sinn - "verstehen" können, indem man sich etwa empathisch in diese "Völker" einfühlt? Zu komplex ist das dynamische Geflecht aus Selbstverständnis, Kultur und Alltagsproblemen der verschiedenen Angehörigen einer kulturell abgrenzbaren Gruppe. Man muss sich zur Probe lediglich selbst prüfen, wie weit man sein "eigenes" "Volk" versteht. Schon an dieser Frage zeigt sich die Problematik, die hinter dem Begriff "Völkerverständnis" steht: Wer ist mit dem "Volk" gemeint? Wer soll dazu gehören? Verstehe ich meinen Nachbarn? Verstehe ich überhaupt meinen Vater, meinen Bruder, meine Gefährtin...? Aufgrund dieser zahlreichen Probleme wird der Autor nunmehr an Stelle von "Völkerverständigung" nur mehr von gelingender (interkultureller) Kommunikation sprechen.
In diesem Abschnitt hat der Autor die Absicht, einige grundlegende Überlegungen zum Vorgang des Verstehens zu erläutern und zu reflektieren. Damit sollen Antworten auf die Frage entwickelt werden, wo denn ein realistisches Ziel im Bereich des interpersonellen und - in einem weiteren Schritt- - interkulturellem Verständnis liegen könnte.
Verstehen im weitesten Sinne kann wohl in Anlehnung an Ungeheuer (1987, S. 320) als erfolgreiche Kommunikation verstanden werden. Hat man somit versucht, jemandem etwas Bedeutungsvolles durch Zeichen, Worte etc. zu vermitteln, so wird man anhand der Reaktion des Gesprächspartners beurteilen können, ob er das Vermittelte "verstanden" hat und "richtig" deuten konnte. Bei diesem kommunikativen Akt dient das "Modell" der Vorstellung vom Gesprächspartner (dessen Verständnishorizont) gleichsam als "Bedeutungsgrundlage", spricht man doch zu einem Baby anders als zu einem Hochschulprofessor, weil man andere Vorstellungen von der Wahrnehmungs- und Verständniskompetenz dieser Personen hat. Zur Beurteilung des Kommunikationserfolgs wird dann wiederum das eigene "Modell" der Vorstellung vom Gesprächspartner herangezogen. Entsprechen die verbalen und nonverbalen Reaktionen des Gesprächspartners den eigenen Erwartungen, dann wird man den kommunikativen Akt als "gelungen" bzw. "erfolgreich" betrachten. Ob der Gesprächspartner aber die Botschaft so verstanden hat, wie sie "gemeint" war, bleibt hingegen der Erkenntnis verschlossen. Vielmehr muss nach Luger und Herdin (2001) "Bedeutungen" in der Kommunikation "ausgehandelt" werden. Dabei müssen zwangsläufig subjektive Erfahrungen und kulturelle Bezüge einfließen.
Bei diesem kommunikativen Akt setzt man zwangsläufig voraus, dass der Kommunikationspartner (in der Folge kurz "Gesprächspartner" genannt) das gleiche Regelwerk kommunikativen Verhaltens benützt wie man selbst. Die Reaktion des Gesprächspartners richtig zu interpretieren hängt somit von der hinreichenden Kenntnis dessen Kommunikationskultur ab - oder besser: von einem Vorstellungsmodell von dieser Kultur, das mit dem Vorstellungsmodell des Gesprächspartners von der Kommunikationskultur des Sprechers hinreichend kompatibel ist. An diesem Beispiel wird bereits deutlich, dass Kommunikation umso erfolgreicher sein wird, je vertrauter zwei Gesprächspartner einander sind bzw. je größer der gemeinsame Lebenskontext und Verständnishorizont ist. Dies gilt um so mehr für nonverbale Gesten, für deren gelingende Verwendung das Wissen um einen gemeinsamen Kontext eine Grundvoraussetzung sei. Das allerdings ist nur ein Indiz, denn letztlich gibt es kein gesichertes Wissen über täuschungsfreies Verstehen des Gesagten, wie Missverständnisse auch zwischen Ehepartnern nahe legen.
Vorausgesetzt, der Gegenüber hat die vermittelte Bedeutung "verstanden", so heißt dies jedoch keineswegs, dass er sie im gleichen Sinne wie man selbst verstanden hat. Im Gegenteil ist sogar davon auszugehen, dass der Gegenüber das Vermittelte nur vor dem Hintergrund seiner persönlichen Lebenswelt "nachvollziehen" kann. Geht man nämlich von der - mittlerweile als brauchbares Modell weitgehend anerkannten - Theorie des radikalen Konstruktivismus (Fischer 1995; Jensen 1999; von Foerster 2005; Glasersfeld 2005) aus, so baut sich jeder Mensch eine innere Realität auf, die in Referenz zu den Signalen seiner Außenwelt steht. Da jeder Mensch durch seine Biographie über individuelle Erlebnisse und Prägungen verfügt, müssen sich zwangsläufig persönliche "Weltmodelle" bzw. die Vorstellungen von der Außenwelt mehr oder weniger unterscheiden.
Vermittelt nun jemand seinem Gesprächspartner eine Botschaft, die ein Detail seiner persönlichen Weltsicht oder -erfahrung ausdrückt, so muss der Gesprächspartner diese Botschaft erst in seinen eigenen Bedeutungskontext integrieren, um ihre Bedeutung erfassen bzw. ihr einen Sinn entnehmen zu können. Hier, an diesem Punkt, zeigt sich, wie relativ Verständnis ist, denn ein Großteil aller Botschaften betrifft Lebenserfahrungen, von denen der Gesprächspartner zumeist nur auf vermittelte Weise, nämlich durch Erzählungen, Erklärungen, Darstellungen, Beschreibungen udgl. Kenntnis erlangt. Doch selbst diese Schilderungen können nur vor dem Hintergrund des vorhandenen Referenzsystems, nämlich der eigenen, höchstpersönlichen Lebenswelt, "verstanden" bzw. "konstruiert" werden. Nach Moscardo (1999) entwickeln die Menschen ihr Verständnis von der Welt aktiv, indem sie sich an vertrauten, selbständig entwickelten Mustern orientieren und diese auf der Basis des Neuen anpassen oder dem vertrauten Wissen neue Muster hinzufügen.
Dies ist auch der Grund für die Entstehung von Mythen, wie etwa dem Sahara- oder Wüsten-Mythos: Nach der Vorstellung der Europäer bedeutet Wüste ein Dünenmeer, obwohl die Sahara nur zu 20 % von Sand und nur zu 9 % mit Dünen bedeckt ist.
Dieser Mythos ist zum einen die Folge begeisterter Schilderungen früher europäischer Forschungsreisender von den Dünenfeldern, die sie in der Wüste passiert hatten. Dass diese Forscher viel häufiger Dünen als andere Wüstenformen zu Gesicht bekommen hatten, erklärt Popp (2001, S. 110 f.) mit dem Hinweis, dass Sandwüsten besser mit Wasserressourcen ausgestatten und darum für menschliche Aktivitäten einfacher nutzbar seien als etwa Hammada- oder Serir-Wüsten. Dementsprechend konzentrieren sich die menschlichen Dauersiedlungen der Sahara bevorzugt um Ergs." Die europäischen Expeditionen verliefen darum notwendigerweise entlang der Oasenketten, was die vielen Begegnungen der Forscher mit Sandwüsten erklärt. In der Folge wurden ihre Berichte von den europäischen Lesern fälschlicherweise "als Inbegriff von Wüste rezipiert" ( Popp 2000, S. 52 f.)
Zum anderen kann sich selbst ein Europäer unter Sanddünen schon darum etwas vorstellen, weil derartige geologische Phänomene gelegentlich auch an europäischen Küsten oder Flüssen auftreten können. Damit verfügt ein Europäer über nötige Analogien, um dem Wort "Wüste" innerhalb seiner Lebenswelt Bedeutung zuzuschreiben. Dass dieser Mythos in der Folge durch Abenteuerliteratur, ästhetisch anspruchsvolle Reisereportagen und dergleichen aufgegriffen, verstärkt und zuweilen auch erweitert wird, entspricht dem Prinzip der selbstreferenziellen Kommunikation: Ausgehend von der eigenen Vorstellung wird diese, durch Kommunikation vermittelt, von der Referenz-Kultur bestätigt und damit verstärkt. Als Beispiel für diesen Prozess wurde bereits die historische Entwicklung des "Mythos Tuareg" näher erläutert.
Wenn nun ein Sahara-Forscher einem Gesprächspartner vom "Leben in der Wüste" erzählt, so wird dieser zunächst wohl die durch Medien vermittelte Dünenbilder mit Karawanen etc. vor sich sehen. Er wird somit scheinbar verifizieren, dass z.B. die Tuareg "in der Wüste" leben: Als der Autor im Februar 2000 seine erste Probetour mit vier Österreichern durch das Aïr-Massiv durchführte, fuhr diese Reisegruppe auch zu den Dünen von Adrar Chiriet. Eine Dame rief beim Anblick der Dünen im Abendlicht begeistert, hier könnte sie ewig leben, dies sei ein Ort, wo sie sich sofort wohl fühlen würde. In der (damals noch von einer naiven Aufklärungsüberzeugung geleiteten) Absicht, die Dame über die "wahre" Bedeutung der "Wüste" für die Einheimischen aufklären zu müssen, entgegnete der Autor, Dünen seien für die Tuareg ein lebensfeindlicher Ort, man könne hier nicht leben. Darauf wurde der Autor vom Ehemann der Dame, einem ehemaligen Himalaya-Expeditionsarzt, mit dem Hinweis korrigiert, man könne auch auf Gletschern - mit der entsprechenden Ausrüstung - viele Monate leben...
Die zwei genannten Touristen hatten deutlich gezeigt, dass sie "Wüste" vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Lebenserfahrungen "wahrgenommen", "verstanden" und als "richtig" empfunden hatten.(92) Hätte der Autor damals den Reisekunden erfolgreich vermitteln wollen, was Tuareg - entsprechend seiner eigenen Vorstellung - über die Wüste dachten, so hätte er dies unter Verwendung von Analogien aus dem Lebenskontext der Zuhörer versuchen müssen. So hätte er wahrscheinlich erfolgreicher und "sinnvoll" vermitteln können, dass auch "Wüstenbewohner" tatsächlich gar nicht in der Wüste selbst leben, sondern bestenfalls am Rand der Wüste, wo es genügend Wasser und Weiden gibt. Damit wäre vergleichbar, dass man auch in der "Betonwüste" Stadt nur darum leben kann, weil es ein funktionierendes Netz für die Versorgung mit Lebensmitteln, Energie und Wasser gibt. Auch Las Vegas beweist, dass man mit entsprechendem Aufwand in der Wüste "leben" kann, doch diese komplexen technischen Mittel fehlen eben den Nomaden. Sie können sich nur so lange in der Wüste aufhalten, als ihre Vorräte es zulassen.
Zusammenfassend lässt sich vorerst mit Lenke, Lutz und Sprenger (1995, S. 119) festhalten, dass "Bedeutung, Verstehen und Kommunikation zwar individuell konstruierte Kognitionen und damit subjektabhängig und individuell sind. Sie sind aber (...) auch sozial konstruiert durch die Ausbildung von Verhaltens- und Handlungsmustern."
Als theoretisches Modell zur Darstellung der Beziehung zwischen Reisenden und Einheimischen bietet sich Erving Goffmans (1983) Konzept der Interaktion als eine Art Theaterspiel an. Der Autor geht davon aus, dass die Menschen alle im Alltag Theater spielen. Dabei bedient sich Goffman einiger Metapher wie Vorderbühne (frontstage), Hinterbühne (backstage), Selbstdarstellung, Publikum usw., die in seine Analysen übertragen werden.
Für den Tourismus würde dies bedeuten, dass auf der "Vorderbühne" eine inszenierte Begegnung zwischen Gästen und Einheimischen stattfindet, wobei die Einheimischen den herzlichen Gastgeber vorspielen, um daraus kommerziellen Nutzen zu ziehen. Die Hinterbühne hingegen dient für die Einheimischen als Rückzugsgebiet, wo sie ungestört ihre wahre Identität ausleben können. Hier ist persönlicher Freiraum gegeben, der zugleich dazu dient, die touristische Inszenierung nicht zu stören. Je länger freilich die Saison dauert und je mehr Touristen kommen, desto kleiner wird diese "Hinterbühne" zu Ungunsten der sich ausweitenden "Vorderbühne". Die eigene Kultur wird dann nach Luger (1995, S. 32) zunehmend von der Dienstleistungskultur durchdrungen. Nach Goffmans Modell kommt es demnach zu überhaupt keiner persönlichen Beziehung, und dennoch sind die Voraussetzung für die erfolgreiche Kommunikation zwischen den beteiligten Gruppen gegeben, da jeder Beteiligte - nach Goffmans Auffassung - genau das bekommt, was er für sich erwartet.
Übertragen auf die Interaktion zwischen Touristen und Tuareg würde dies bedingen, dass die betreffenden Gruppen ein hinreichendes "Bewusstsein" dafür entwickelt hätten, um entscheiden zu können, ob sie sich auf der Vorder- oder Hinterbühne befänden. Problematisch an diesem Modell ist aber der Umstand, dass manche Touristen durchaus nach "authentischen" Begegnungen mit "echten" Tuareg streben. Dennoch bleiben sie letztlich ihren Vorstellungen davon verhaftet, was ein "echter" Tuareg sei. Analoges gilt auch für Tuareg, die nachweislich sehr wohl den Kontakt zu Touristen suchen, dabei aber ein Verhalten an den Tag legen, wie es in ihrer Kultur gegenüber Fremden üblich ist: die Übung von Zurückhaltung.
Dieses Verhalten ist aber letztlich weiter nichts als der Ausdruck einer notwendigen Differenzierung zwischen "vertrauten" und "fremden" Personen: Je mehr einem ein Mensch vertraut ist, desto mehr öffnet man sich ihm, und desto weniger "spielt" man unverbindliche Rollen vor. Bei den Tuareg äußert sich wachsendes Vertrauen darin, dass die Person im Laufe eines einvernehmlichen Gesprächs ihren Gesichtsschleier zunehmend aus dem Gesicht schiebt und sich "entblößt". Diese Vorgehensweise des "Herankommen lassen" aufgrund gewonnener Vertrautheit erscheint jedoch transkulturell zu sein und dürfte keineswegs nur mit dem Tourismus verknüpft sein.
Einen etwas differenzierteren Zugang erlaubt das Vier-Kulturen-Modell von Thiem (1994), das von einer Interaktion ausgeht zwischen
der Kultur der meist urbanen Quellregion,
der von Touristen während der Ferien gepflogenen Ferienkultur,
der von den Einheimischen entwickelten touristischen Dienstleistungskultur und
der "traditionalen" Kultur der Zielregion.(93)
Ein direkter Kontakt zwischen Touristen und Gastgebern läuft demnach nur innerhalb der Schnittmenge zwischen Ferienkultur und Dienstleistungskultur ab. Längerfristig allerdings wirkt diese Interaktion zurück auf die anderen Kulturebenen und trägt bei zu Veränderung in Richtung gewisser gegenseitiger Abfärbung, - etwa bei kundenspezifischerer Werbung und Angebotsorientierung innerhalb der Kultur der Quellregion. Dies wiederum kann zur Förderung gewisser Vorstellungen der Touristen von der inszenierten Zielregion-Kultur beitragen.
Nach diesem Modell bedienen die Gastgeber bewusst und gezielt die Wünsche und Vorstellungen ihrer Gäste. Sie gestatten diesen in beschränktem Ausmaß den "authentischen" Blick in ihre Lebensweise, darüber hinaus aber wird eine bewusste Selbstdarstellung und Inszenierung betrieben. Diese "Folklorisierung" i.S. einer Aufbereitung und Überhöhung des Alltags wird zunehmend von einzelnen Gruppen in professionalisierter Weise betrieben. Dabei wird den Touristen das Gefühl des Miterleben-Dürfens von Werten suggeriert, wie sie einer privaten, nicht-kommerziellen Beherbergung entsprechen. Nach der Ansicht von Schrutka- Rechtenstamm (1998, S. 93 f.) entsteht dann bei den Touristen im günstigen Fall "ein Gesamtbild, das eine scheinbar heile Welt repräsentiert, in der Natur, Landschaft und Menschen zu einer Einheit verschmelzen." Diese Technik der inszenierten interkulturellen Kommunikation beherrschen die Schmiede vom Aïr-Dorf Iferouane besonders gut. Um dem touristischen Bild des "echten Tuareg" im Sinne der französischen Vorstellung zu entsprechen, kleiden sie sich in ihre besten Indigo-Gewänder, laden die Touristen in ihre Werkstätten zum Teezeremoniell ein, stellen vor den interessierten Touristen einfache Schmuckstücke her und achten dabei stets darauf, dass sie in direktem, kommunikativem Kontakt mit den Touristen bleiben.
Auch das Modell von Thiem führ vor Augen, dass es letztlich zwischen Touristen und Einheimischen, zumindest mit solchen, die bereits eine gewisse Kompetenz im Umgang mit Tourismus erworben haben, zu keinem "echten" Austausch von Intimität - komme, worauf noch näher einzugehen ist. Dennoch "funktionieren" diese Begegnungen offensichtlich: Jeder der Beteiligten erreicht, was er bezweckt. In diesem Sinn gelingt die Kommunikation, wonach sich die beteiligten Gesprächspartner "verstehen": Jeder ist zufrieden sein Kommunikation sziel erreicht zu haben, keiner ist von seinem Gegenüber enttäuscht. Hat aber in dieser Situation "Völkerverständigung" stattgefunden? Wenn nicht, so drängt sich die Frage auf, was denn geschehen müsse, dass von "Völkerverständigung" die Rede sein könne! Wie tief müssen Touristen in den Intimbereich der "Bereisten" eindringen, um sich den Orden der Völkerverständigung umhängen zu dürfen?
Abgesehen von der Frage, ob dieser paradoxe Zwang zur Intimität überhaupt vertretbar sein kann, was der Autor in Abrede stellt, ist zuvor die noch viel wichtigere Frage zu klären, in welcher Weise und in welchem Grad Fremde überhaupt überwindbar und Intimität gegenüber den Angehörigen einer fremden Kultur überhaupt zu erlangen ist.
Nach Koeppen (1988, S. 34) sei die Überwindung von Fremdheit an sich durch Reisen oder durch Bildungsprogramme eine weit verbreitete Illusion. Für die Autorin bleibe letztlich "dem Fremden (...) das Fremde fremd: Diese Distanz zu erkennen, zu formulieren und auszuhalten - darin läge für mich die pädagogische Aufgabe." Analog argumentiert Heinrichs (1999, S. 42 f.) für die Figur des Fremden, diese repräsentiere "all das, was wir nicht sind. Er stellt unsere eigene Rolle in der Gesellschaft in Frage." Ihn anzusehen bedeutet somit, sich in den Augen eines anderen als Fremder zu wissen. "Letztlich fürchte ich ihn nur, weil ich vor mir selber erschrecke. Er gleicht mir." Weil aber jede Kultur und letztlich auch jede Gruppe im Prozess der Selbstbewusstwerdung den Fremden als "Kristallisationspunkt für Unbehagen" braucht, können die Figuren des Eigenen und des Fremden nicht von der eigenen Identifikation abgelöst werden.
Die Akzeptanz des Fremden - nicht zuletzt als Teil von sich selbst - sei in diesem Sinn für Obrecht (1992, S. 52) die einzige Möglichkeit, die Existenz von Fremdem zuzulassen, wenn er fragt: "Muss nicht das Fremde fremd bleiben dürfen (...)?" Die westliche Kultur habe in verbissener Weise stets "die Analytik des Fremden in einer Weise betrieben, die die Erkenntnis des Fremden und dessen Erklärung mit der Veränderung des Erkannten exekutiert hat: So blieb nicht viel - außer die Zerstörung des Selbst im Anderen, in dem, das nicht als eigenes zugelassen werden konnte." Freilich verwendet Obrecht den Begriff des Verstehens anders als der Ethnologe Ungeheuer als ein "Nachvollziehen grundlegender, sozialer Weltordnungsprinzipien". Im Kern geht es aber um dieselbe Problematik, nämlich das Erfahren oder Erlernen der Selbstverständlichkeiten einer fremden Kultur. Doch genau dies sei einem westlichen Betrachter unmöglich, solange er mit dem "Wissensinstrumentarium unserer, rational-analytisch mit der Welt verfahrenden Denkweise an die Beschreibung und Erklärung außereuropäischer Kulturen herangeht (...)." Das Ergebnis werde - gleich wie bei Touristen - nach Obrecht (1995, S. 60 ff.) letztlich nur jenen Wirklichkeitsausschnitt erfassen, "der innerhalb seines Wissensrepertoirs interpretierbar und strukturierbar ist."
Daraus folgt, dass Verständigung stets mit Veränderung einher geht, sei es mit der Veränderung des Fremden, um diesen für den Verständnissuchenden geistig "verdaubar" zu machen, sei es mit der Veränderung des Verstehenden selbst:
Dieser Alternative entspricht das Konzept des "Going nativ", verstanden als gänzliche Überwindung der Distanz unter völliger Identifikation mit dem Subjekt und unter Aufgabe westlicher Analysemuster. Dieser Weg ist Touristen in jedem Fall versperrt, zum einen, weil die dafür notwendige Zeit im Rahmen einer üblichen organisierten Reise fehlt, zum anderen, weil dieser Prozess auch mit "erschütternden Erfahrungen"(94) verbunden ist, die sich als Phänomen des "Kulturschocks" (95) (Larcher 1992) äußern. Die Erklärungsmodelle von Goffman und Thiem legen zudem nahe, dass die Einheimischen - und nicht nur diese - nicht unbedingt an solcher Vertrautheit interessiert sein müssen...
Mögen auch Ethnologen den Kulturschock gleichsam berufsbedingt anstreben, so gilt gerade das nicht für Touristen. Wie die empirischen Daten verdeutlichen, streben diese vielmehr nach Landschaftserlebnissen als nach interkultureller Interaktion oder gar nach ethnologischen Spitzfindigkeiten. Wie aber gehen Touristen überhaupt mit Fremdem um?
In jedem Fall entsteht für den Touristen angesichts der Konfrontation mit Fremdem ein unmittelbarer, subjektiver Bedarf an Ordnungsleistung innerhalb des eigenen Weltbilds. Die dabei möglichen Spektren von Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung unterteilt Schäffter (zit. in Luger & Herdin 2001, S. 8-10) in vier Ordnungsschemata, so genannte "Modi des Fremdverstehens":
Das erste Schema interpretiert Fremdheit als lediglich äußere Unterschiedlichkeit, deren Wesen jedoch dem Eigenen grundsätzlich gleich sei und den gleichen Wurzeln entstamme, somit eine gemeinsame Allgemeinheit teilt. Die Möglichkeit der Fremdheit als solche wird somit aberkannt. (Bsp.: "Afrikaner sind lediglich ‚schwarze’ Europäer.")
Das zweite Schema versteht die Fremdheit als Gegenbild im Sinne der Negation von Eigenheit. Das Fremde wird als Fremdkörper empfunden, und die Integrität der eigenen Ordnung subjektiv bedroht. Die Aufmerksamkeit richtet sich nicht auf das Gemeinsame, sondern auf das Gegensätzliche, das Fremde wird zum Feind, gegen den sich der Tourist durch Ausgrenzung des Andersartigen wehrt. Dadurch werden konflikthafte Gegensätzlichkeiten unvermeidbar. (Bsp.: "Afrikaner sind barbarisch.")
Das dritte Schema interpretiert Fremdheit als Chance zur Ergänzung und Vervollständigung. Dabei wird das duale Deutungsmuster "vertraut - fremd" angesichts der komplexen und vielschichtigen Wirklichkeit als unzureichend empfunden, wodurch sich die Eindeutigkeit in der Abgrenzung des Eigenen nach außen verflüchtigt. Für die Identitätsbildung werden Assimilation und Anpassung bedeutsam. Vor dem Hintergrund einer gewissen Neugierde und Risikobereitschaft werden im Zuge eines Selbsterfahrungsprozesses eigene Mängel aufgedeckt, wobei das Fremde einerseits als Lernfeld gesehen, andererseits als strukturelle Ergänzung funktionalisiert wird. Dabei wird die als "relevant" empfundene Fremdheit in Form von Informations- und Lernprozessen zur Entfaltung latenter Potenziale genützt. (Bsp.: "Manche Afrikaner verfügen über gewisse Fähigkeiten, die zu erlernen sich lohnt.")
Das vierte Schema fasst Fremdheit als etwas gegensätzliches, prinzipiell Andersartiges auf, dessen Nichtaneignungsfähigkeit als Kennzeichen betrachtet wird. Der interne Standpunkt des Betrachters bleibt unverändert, jedoch unter gleichzeitiger Anerkennung einer komplementären Ordnung wechselseitiger Fremdheit. Das Fremde wird als Ergebnis einer Dauerreflexion des Fremderlebens zwar erkennbar, jedoch nicht endgültig bestimmbar. Dabei besteht die Chance, die Verwurzelung in der eigenen Kultur klar zu erkennen, und ein Gefühl für die Abhängigkeit von den eigenen gesellschaftlichen Normen, im Denken, Empfinden und Handeln zu entwickeln. Im Bewusstsein um die Kulturverwurzeltheit der eigenen Perspektive kann es gelingen, im Sinne Obrechts das Fremde als Fremdes zu belassen: Man gerät in die Lage "zu verstehen, was man nicht versteht. Aus dieser Erkenntnis des Andersseins und dessen Akzeptanz entstehen möglicherweise neue Formen von Gemeinsamkeit." (Luger & Herdin 2001, S. 10)
Aus diesem Konzept würde demnach folgen, dass unter gewissen Bedingungen sehr wohl ein "Verständnis" zwischen einander fremden Personen, auch im touristischen Kontext, möglich sei, wobei jedoch "Verstehen" völlig unterschiedlich interpretiert wird. Aus konstruktivistischer Perspektive lässt sich jede dieser Varianten von "Verständnis" als Prozess der Inkorporierung von als fremd empfundenen Phänomenen in den eigenen Horizont erklären. Die Offenheit dieses Horizonts für seine Ausdehnung, um Fremdes leichter zu inkorporieren, hängt dabei wesentlich von der Stabilität der Identität des Verstehenden ab. Resultat eines solchen Verständnisprozesses ist aber stets nur die eigene Deutung des Fremden auf der ausschließlichen Grundlage des eigenen Deutungsmaterials. Ob somit das Fremde als fremd oder vertraut empfunden wird, ist letztendlich ein subjektives Empfinden des Verstehenden, in Abhängigkeit vom gelingenden Kommunikationsprozess.
Nach Ansicht des Autors ist aber die Frage, ob der Verstehende seinen Gegenüber als fremd oder vertraut empfindet, grundsätzlich sekundär gegenüber der viel wichtigeren Frage, wie Fremdheit oder Vertrautheit von den in diesen Prozess Involvierten empfunden wird. Insofern muss an dieser Stelle wiederholt werden, dass Intimität kein Wert ist, der an sich anzustreben ist. Vielmehr muss sich aus dem Kontext einer Begegnung ergeben, ob und wie viel Nähe überhaupt erwünscht und damit erstrebenswert ist. Schließlich pflegen wir auch im urbanen Europa keine Naheverhältnisse zu Servicepersonal, was wohl die emotionale "Tragfähigkeit" eines Individuums enorm belasten dürfte. Fremdheit erfüllt somit eine wichtige Funktion der Orientierung in der Welt. Insofern ist sie nicht an sich "schlecht".
Im letzten Teil dieser theoretischen Analyse soll näher betrachtet werden, wie "Touristen sehen". Welches sind die Charakteristika der Wahrnehmung von Reisenden, und wovon wird dieser "touristische Blick" determiniert? Die Ergebnisse sollen eine weitere und differenziertere Antwort darauf liefern, auf welche Weise und zu welchem "realistischen" Zweck eine Verständigung zwischen Reisenden und Bereisten möglich ist.
Benötigt man für das Verständnis des touristischen Blicks eine Tourismustheorie?(96) Davon ist auszugehen, denn schon anhand der zum Teil äußerst simplifizierten Überlegungen zur Völkerverständigungshypothese lässt sich erkennen, dass unter den Kritikern zuweilen skurrile Konzeptionen vom "homo touristicus" kursieren. Die ersten, auf Enzensberger (1964, S. 179 ff.) zurückgehenden Theorien aus den 60er-Jahren haben sich substanziell weiterentwickelt. Dies betrifft sowohl den Bereich des Phänomens Tourismus als solches als auch die Instrumente und Perspektiven innerhalb der Sozialwissenschaften generell. Es wandelte sich die Blickrichtung von der Produktion zum Konsum als wesentlichen Forschungsfokus ( Corrigan 1997; Wöhler 1998) . Pionierstudien in diesem Bereich waren jene von MacCannell (1990) und Urry (1990). Mittlerweile wurde in den Sozialwissenschaften ein weiterer Schwenk weg von der Analyse der Moderne und hin zur Postmoderne, zu Wandel und Globalisierung vollzogen (Robertson 1992, Ritzer 1993, Latouche 1996, Beck 1997). Angesichts des Bedeutungswandels sozialen Kategorie der "Nation" als Grenze sozialer Entitäten untersuchen Anthropologie und Soziologie zunehmend Entwicklung und Auswirkungen der Diaspora oder transnationaler Kulturen (Hannerz 1996, Clifford 1997; Hall 2000).
Trotz dieser neuen Trends mangelt es dem Tourismus nach Ansicht Meethans (2001, S. 2) immer noch an brauchbaren Theorien: "At a general analytical level it remains under-theorised, eclectic and disparate." Ein relativ weiter Konsens herrscht mittlerweile zwar darüber, dass es für Tourismus als Phänomen angesichts der Vielzahl an touristischen Tätigkeiten, Erscheinungsformen und Aktivitäten keinen singulären Zugang geben könne, weshalb manche Autoren wie Dann und Cohen (1991); Ryan (1991) oder Tribe (1997) einen eklektizistischen Zugang als Ausweg wählen. Insbesondere Tribe schlägt vor, Tourismusanalysen am besten interdisziplinär, multidisziplinär und "conscious of its youthfulness" ( 1997, S. 638) zu bewerkstelligen.
MacCannel betrachtet das soziale Phänomen Tourismus als exemplarisch für "post industrial modernity" ( 1990, S. 7) , charakterisiert durch Differenzierung, Fragmentarisierung, Diskontinuität und Entfremdung, den typischen Wesenszügen des modernen Lebens. Dabei wird Modernität als jene Kraft betrachtet, die das Leben der Menschen aus der Stabilität interpersoneller Beziehungen, wie sie in traditionellen Familienstrukturen zu finden sind, heraus bricht. Hier wird bereits die Unterscheidung zwischen Moderne und Vor-Moderne im Sinne einer Undifferenziertheit deutlich, die als Spielplatz für den modernen, entfremdeten Betrachter konserviert werden soll. Tourismus wird hier begriffen als Suche nach dem Authentischen und "Primitiven" im Sinne einer rituellen Antwort auf die Entfremdung durch Modernisierung, die sich in Konstrukten wie dem "Kulturerbe" oder einer "sozialen Identität" materialisiert. Dieser Auffassung entspricht das lange vertretene Modell des Tourismus als Fluchtbewegung vor der Moderne, welches auf Enzensberger (1964) zurückgeht, oder Tourismus als Ritual bzw. säkulare Pilgerfahrt auf der Suche nach Utopien, etwa nach dem Authentischen und Primitiven, erstmals thematisiert von Graburn (1989).
Ähnlich argumentiert auch Müller mit dem Begriff "Ferienkultur" (2002, S. 97), wonach diese vitale Funktionen zur kulturellen Identitätsfindung übernehme und "Grundbedürfnisse im sinnlichen und emotionalen Bereich (befriedigt), die in der ratio-nutzenorientierten Industriegesellschaft kaum mehr Platz haben. Dazu gehören Mythen, Rituale und Utopien." Die Ferienkultur gibt einen sozialen Rahmen vor, in dem die Verwirklichung sinnlicher, emotionaler Bedürfnisse, wie etwa die Suche nach Freiheit und Glück, erlaubt sei. Dabei bedienen sich die Touristen immer mehr gängiger Rituale, gerade weil diese in der Industriegesellschaft kaum mehr eine Rolle spielen. Im Urlaub aber erfüllen die Rituale wesentliche Funktionen. Nach Thiem (2001, S. 31) reduzieren sie Komplexität, indem sie bestimmte Verhaltensmuster vorgeben. Rituale lassen das Gefühl der Verbundenheit entstehen, sie strukturieren Zeit und vermitteln dadurch Orientierung.
Die genannten Gründe erklären, warum kontinuierlich eingehaltene Essenszeiten auf Touren seitens der Touristen weniger als Einschränkung denn als Orientierungspunkte und als Rückzugsraum empfunden werden. Die Gewissheit, sich während der Mittagspause von der "Fremde" in das Gewohnte zurückziehen zu können, lässt jene Sicherheit zu, die für eine aktive Auseinandersetzung mit dem Fremden tagsüber nötig ist. So wird das gemeinsame Essen quasi zum rettenden Ufer, das der ungeübte Schwimmer bei seinen Schwimmversuchen stets im Blickfeld behält.
Die postmoderne Interpretation von Tourismus erscheint angesichts der oben genannten Kritik von Tribe ( 1997, S. 638) wie eine Flucht nach vorne, da in ihr konzeptionelle Fixierungen aufgegeben werden. Dem besseren Verständnis dieser Ansicht dienen Überlegungen zum Begriff der "Postmoderne" selbst Diese könne etwa für Lyon (1996, S.6) als Idee, als kulturelle Erfahrung, als soziale Bedingung oder sogar als Kombination all dieser Elemente betrachtet werden. Für Meethan (2001. S. 25) oder auch Kumar (1995, S. 117) liegt das Wesen der Postmoderne in der Differenzierung von Werten und Normen und damit völlig im Gegensatz zur Moderne, deren Charakteristikum die Differenzierung, Standardisierung und Hierarchisierung gewesen sei.
Auf den postmodernen Tourismus übertragen würde dies bedeuten, dass sich die Unterschiede zwischen Wahrem und Unwahrem, zwischen Authentischem und Inszeniertem, Moralischem und Unmoralischem zunehmend auflösen und keine Rolle mehr spielen außer jener, gut unterhalten zu werden. Darum haben etwa Erlebniswelten, wo Elemente der Vergangenheit zu perfekten Phantasiewelten recycelt werden, solche enormen Erfolge.(97) Dieser Trend würde, auf die interkulturelle Begegnung übertragen, um so mehr einer "Völkerverständigung" im fundamentalen Sinn entgegenstehen. Bestenfalls würde dieser Trend "funktionierende" Interaktionen in dem Sinn zulassen, dass Touristen in der Begegnung mit Einheimischen ein "tolles Erlebnis" erzielen, und Einheimische ihrerseits auf ihre Kosten kommen, indem sie sich über die Fremden amüsieren oder ihnen erfolgreich etwas verkaufen.
Ein letztes relativ junges Tourismusphänomen sei abschließend noch erwähnt, weil es einen weitern Aspekt aufwirft: der Trend zu touristischen Einrichtungen, die der geistigen und körperlichen Regeneration, aber auch der Sinnfindung dienen. Eine zentrale Rolle spielen hier "Wellness-Oasen", die bereits die touristische Bedeutung der Erlebniswelten weltweit überflügelt haben. Dieser Trend ergibt sich aus dem wachsenden Druck auf das Individuum, sich als "Ich-AG" bei Arbeit, Partnerwahl, Erhaltung der Jugendlichkeit und Sinnsuche bewähren zu müssen. Das fortschreitende Alter wird in diesem Wettbewerb zunehmend als entscheidender Nachteil empfunden.
Da diese sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen für alle im Berufsleben stehenden Menschen prägend sind, stellt sich ernsthafte die Frage, ob nicht das vor 40 Jahren so populäre Fluchtmotiv wieder an Bedeutung gewinnen könnte. Denn auch die Zahl der Menschen, die im Zuge eines Sabbaticals z.B. in die Sahara fahren und dort ganze Monate verbringen, um sich in der Umgebung einer traditionellen Lebenswelt "wieder zu finden", oder die bewusst Trekking-Touren unternehmen, um gezielt in einen anderen Rhythmus als den der klassischen Rundreisen zu gelangen, ist im Steigen begriffen. Allerdings lassen sich derartige Phänomene auch als Rituale mit dem Ziel der Regeneration erklären, nur eben in einer exotischen, idealisierten weil "besseren als der westlichen" Lebenswelt.
Damit wird zumindest eines deutlich: Postmoderner Tourismus lässt sich immer weniger generalisieren, er differenziert sich zusehends stärker, wirft neue Facetten auf, und Megatrends wechseln so schnell, wie sich die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern. Angesichts dieser wachsenden Entwertung von eindeutigen Modellen wäre es höchst an der Zeit, zur Klärung der touristischen - wie jeglicher menschlichen - Wahrnehmung - mehr Anleihen bei der Naturwissenschaft, insbesondere bei jener Disziplin zu nehmen, die sich unmittelbar mit Wahrnehmungsprozessen beschäftigt: der Neurologie und der Neurophysiologie. Denn es ist davon auszugehen, dass die Erkenntnisse von Forschern wie Antonio Damasio (2004) oder Gerhard Roth (1992, 2003) zu einer wesentlichen Filterung auch weiterhin vertretbarer Theorien über das Verstehen beitragen werden.
Als Abschluss dieser theoretischen Untersuchung soll die Funktion der Klischees näher erörtert werden. Sollte sich nämlich herausstellen, dass Klischees wesentliche Funktionen erfüllen und somit unverzichtbar sind, dann würde damit die Kritik an Klischees ad absurdum geführt werden. Die Geschichte der Entwicklung des "Mythos Tuareg" dürfte dann nicht mehr zum Kopfschütteln Anlass geben, als vielmehr Einsicht in die Denk- und Sichtweise der jeweiligen Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit erlauben.
Noch einmal erlaubt sich darum der Autor die Frage zu stellen, was ein Tourist wahrnehmen mag, wenn er "Landschaft" oder Menschen einer fremden Kultur betrachtet? Als der Autor zum ersten Mal im Jahr 1989 die Zentralsahara bereiste, "erschien" vor dem Canyon von Arak im südlichen Algerien plötzlich wie aus dem Nichts eine Gruppe Tuareg. Auf ihren Kamelen ritten sie, verschleiert, im Trab am Fahrzeug des Autors vorüber und verschwanden so rasch, wie sie gekommen waren. Das einzige Foto, das der Autor damals von dieser plötzlichen "Erscheinung" "geschossen" hatte, war verschwommen, und die Reiter wirkten darauf wie Wesen von einem anderen Stern. In gewisser Weise gab diese Verschwommenheit äußerst treffend die damalige Wahrnehmung des Autors wieder.
Als der Autor zehn Jahre und etliche Saharareisen später anlässlich seines Forschungsaufenthalts von Niamey nach Agadez fuhr, hielte er bei einem kleinen Markt an, auf dem Tuareg-Nomaden ihre Waren, Salzstöcke, Handwerksprodukte udgl. anboten. Der Autor fühlte sich damals, als würde er, bebend vor Ehrfurcht und Entzücken, an den am Boden sitzenden, verschleierten Männern vorüberschweben, sich verneigend, glückselig, fassungslos... "echte Tuareg" flimmerte es damals im Kopf des Autors.
Zwei Monate später, nachdem der Autor bereits einen mehrwöchigen Aufenthalt im abgeschiedenen Tuareg-Bergdorf Timia hinter sich gebracht hatte, nahm er die verschleierten Gestalten nicht mehr als "Besonderheit" wahr: Was er nunmehr wahrnahm, waren Gesichter konkreter Personen, nicht aber "Tuareg". Ein Blick in die Augen eines verschleierten Gesichts genügte zu diesem Zeitpunkt bereits, um eine Person wieder zu erkennen.
Umso mehr amüsierte den Autor damals die Tuareg-Faszination, von der nunmehr seine Gefährtin erfasst wurde, als sie aus Graz nach Agadez auf Besuch kam. Was die junge Frau auf ihrem ersten Aufenthalt in einem Dritte-Welt-Land wahrnahm, war - wie in Fall des Autors wenige Monate früher - die Erscheinung der verschleierten Gestalten, um die sich in Europa Klischees und Mythen ranken. Diese Klischees waren ihr vor der Abreise des Autors wohl durch dessen Schilderungen vermittelt worden, vor Beginn der Forschungen des Autors also, als er selbst diese Sichtweisen über die Tuareg noch für wahr, selbstverständlich und passend befunden hatte.
Das Phänomen, auf Menschen eines bereisten Landes Klischees oder Stereotype zu projizieren, sie auf diese Weise zu fotogenen Objekten zu degradieren und damit zugleich diese Klischees bestätigt zu sehen, anstatt hinter die Kulissen dieser konstruierten Postkarten-Welt zu blicken, ist ein lange gepflogener Vorwurf der Tourismuskritik (Beek & Orlovius 1984, S. 56; Scherrer 1986, S. 12; Maurer et al. 1992, S. 99; Luger 1995, S. 22; Meethan 2001, S. 154).
Doch geht dieser Vorwurf an der Bedingtheit touristischer bzw. menschlicher Wahrnehmung vorbei. Stereotype erfüllen eine wichtige, psychologische Funktion als kognitive Formel: Sie dienen der Reduktion externer Komplexität (Roth 1992, S. 247), schaffen somit einen festen Orientierungsrahmen insbesondere dort, wo es an entsprechendem Wissen mangelt. Stereotype gedeihen darum hauptsächlich dort, wo objektive Erkenntnisse schwierig zu gewinnen sind. Dadurch helfen sie, kräftezehrende Orientierungsprobleme in fremder Umgebung zu vermeiden. Stereotype kommen somit dem Bedürfnis erholungswilliger Urlauber entgegen, die die Vielschichtigkeit der fremden Welt durch einfache Symbole erfahren können (Luger 1995, S. 22). Die Hartnäckigkeit der Stereotype erklärt sich dadurch, da niemand gern die Sicherheit aufgibt, die eine von vielen geteilte Einstellung im Umgang mit der Welt verleiht. Erst recht gilt das innerhalb des Kollektivs einer Reisegruppe. Darum wird Kommunikation innerhalb der Reisegruppe oft zum Austausch von Stereotypen.
Gudykunst und Kim (1992, S. 91) betrachten die Stereotypisierung als das "natürliche" Resultat jedes Kommunikationsprozesses. Für sie ist es gleichsam unmöglich, ohne die Verwendung von Stereotypen zu kommunizieren. Besser verständlich wird diese Auffassung durch einen Rückgriff auf Moscovicis Erklärung von sozialem Verhalten und Interaktion als Aktivitäten, die überwiegend durch soziale Repräsentation, also durch Theorien und Stereotypen, geleitet werden. Dabei sind Stereotypen sowohl Ergebnisse als auch Mechanismen der Sozialisation und Komponenten der Identitätsgruppe (Moscovici 1984, S. 3 ff.). Negative stereotype Zuschreibungen ermöglichen es, Meinungen innerhalb einer Bezugsgruppe und damit das "Wir-Gefühl" zu stärken, da gemeinsam "erkannte" Werte verbinden.
Daher ist die wichtigste Quelle für die Vermittlung von Stereotypen die persönliche Kommunikation mittels Erzählungen und Alltagsgesprächen. Persönliche Empfehlungen gelten für Destinationen oder Reiseveranstalter als die wichtigsten Informationsquellen der Touristen. So entschied sich i m Jahr 1989 etwa ein Drittel der deutschen Bundesbürger über 14 Jahren für ein Urlaubsziel nach Empfehlungen von Bekannten, Verwandten oder Arbeitskollegen (Braun 1993, S 304 f.). Das zweitwichtigste Medium der Vermittlung von Stereotypen stellen gemäß den Untersuchungen von Schrutka- Rechtenstamm (1998, S. 86) die Massenmedien dar, jene "Münzanstalt der touristischen Bedürfnisse", wie Armanski (1978, S. 26) die Reisewerbung bezeichnet.
Das "Gesetz der sozialen Wahrnehmung" (Beuchelt 1982, S. 245) hängt mit der psychologischen Orientierungsfunktion der Stereotype zusammen, wonach besonders solche Verhaltensweisen wahrgenommen werden, die den bereits vorhandenen Einstellungen(98) und Vorurteilen entsprechen, während die mit der eigenen Erwartungshaltung inkompatiblen, äußeren Phänomene, gleichsam ausgeblendet werden. Wahrnehmung, sprachliche Zuordnung und Kommunikation mit dem sozialen Bezugssystem stehen in einem engen, rückgekoppelten Zusammenhang, der sich ständig reproduziert, was auch die Beständigkeit der Stereotypen erklärt. Maturana und Varela ( 1991, S. 31) sprechen daher von der "Zirkularität (...) von Handlung und Erfahrung", wonach "jeder Akt des Erkennens eine Welt hervorbringt. (...) Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun."
Anhand der Kommunikationsstruktur von Reisegruppen lässt sich der individuelle Prozess des "Erkennens" in Wechselwirkung mit der gegenseitigen Bestätigung wieder erkannter Stereotypen nachvollziehen. Weil die Gruppenmitglieder zumeist der selben Kultur entstammen, vor allem aber der selben Situation ausgesetzt sind, nämlich im Schutz der Gruppe gegenüber Fremdem, bewähren sich die Stereotype; sie sind kompatibel mit der gewohnten Vorstellungswelt der Gruppenmitglieder: die Wahrnehmung "funktioniert".
Eine ähnliche Funktion erfüllen auch Images, die Mazanec als "schematisierte Vorstellungen von hohem Prägnanzniveau" definiert, "die der emotionalen und pseudorationalen Bewältigung (...) zugänglich sind." (1978, S. 60) Länder und Reiseformen, hinter denen jeweils komplexe Realitäten stehen, werden durch solche stellvertretende Vorstellungsbilder repräsentiert. Dies gilt nach Luger (1995, S. 23) auch für touristischen Sehenswürdigkeiten und Souvenirs, die als Symbolträger dem Touristen ermöglichen, das Fremde und Neue einfach, übersichtlich, unterhaltsam und erlebnisreich zu konsumieren.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der "touristische Blick" (Urry 1990) auf die Fremde von Reiseerwartungen geprägt ist und dadurch zwangsläufig selektiv standardisiert wird. Das wichtigste Element der touristischen Wahrnehmung sind Symbole, wie sie nach Meethan (2001, S. 84) für die Tourismuskultur typisch und gleichzeitig prägend sind. Aus diesem Grund ist der Autor unter Berufung auf zahlreiche ethnographische Studien davon überzeugt, dass der "Blick" in anderen Kulturen "intrinsically the same as that anywhere else" sei.
Spreitzhofer (1995, S. 63) zieht aus diesen Gegebenheiten die Schlussfolgerung, eine Überwindung der auf Stereotypen beruhenden Faszination sei in Hinblick auf interkulturelles Verständnis unmöglich, weil der Mensch gleichsam in seiner Gedankenwelt gefangen bleibe(99). Die jüngeren Erkenntnisse der Hirnforschung (Damasio 2005, S. 142 ff.) deuten in eben diese Richtung. Was aber folgt daraus schlussendlich? Ist etwa interkulturelles Verstehen unmöglich?
Interkulturelles Verständnis, das hier in Analogie zu Luger und Herdin (2001) als "interkulturelles Lernen" zielt darauf ab, Menschen zur Kommunikation mit Menschen anderer kultureller Bezugssysteme zu befähigen, ohne dass sie sofort Wertungen bzw. Abwertungen vornehmen, weil nur so ein Austausch entstehen könne. Dieser Lernprozess ist mit einem Sensibilisierungsprozess verbunden und setzt Offenheit, Toleranz, Wissen über andere Kulturen, Selbstreflexion im Hinblick auf die eigene Kultur und Person sowie Empathie voraus. Nach Ansicht des Autors ist diese Forderung jedoch überzogen, da es ganz einfach nicht möglich ist, wahrzunehmen ohne zu werten, wie Damasio (2005, S. 227 ff.) mit seinem Modell des somatischen Markers verdeutlicht. Wesentlich ist vielmehr die Fähigkeit, solche vorbehaltenden Wertungen hintanstellen zu können
Psychologische Barrieren können interkulturelles Lernen verhindern. Zu solchen Barrieren zählen Gefühle wie Angst und Unsicherheit, bedingt durch fehlende Sprachkenntnisse, Orientierungslosigkeit durch Unwissenheit über geltende Verhaltensnormen, aber auch destruktiv verlaufende Gruppendynamik.
Sprachendefizite führen in der touristischen Praxis häufig zur Substitution direkter Kommunikation durch "Konsum symbolischer Botschaften" (Gyr 1994, S. 55), also Souvenirkäufen oder Verzehren fremdländischer Speisen als Möglichkeit der symbolischen Annäherung an die Menschen des Gastlandes.
Hilflosigkeit, Angst oder gar Aggression sind Reaktionen auf die plötzliche Ungültigkeit der eigenen vertrauten Codes zur Dekodierung der Umwelt, wenn diese durch eine fremde Kultur strukturiert wird. Plötzlich scheinen die Handlungen der Fremden "sinnlos" zu sein, und eigene vertraute Kommunikationsmuster erweisen sich als unbrauchbar, ja führen vielleicht sogar zu Missverständnissen. Je größer das Kulturgefälle zwischen den einzelnen Kulturträgern ist und je weniger Rückhalt der Betroffene in vertrauten Strukturen finden kann, desto eher kann " Kulturschock" zu schwierigen persönlichen Konflikten und traumatischen Erfahrungen führen.(100)
Die Konfrontation mit solchen subjektiven Phänomenen sehen Pearce und Stringer (1991, S. 147) als Grund dafür, dass Gruppenreisende nach außen für Kommunikationsschwäche sehr anfällig sind. Die Reaktionen darauf können bis zur totalen Abkapselung führen. Reisegruppen bilden dann eine Art "cultural bubble" (Craig 1987, S. 172) innerhalb der "exotischen" Umwelt, sei es durch den Rückzug ins Hotel oder in den Reisebus, sei es durch die Beschäftigung mit sich selbst und den Mitreisenden.(101)
Seitens der Tourismusindustrie dient dieses Phänomen als Grund, um direkten interkulturellen Kontakt organisatorisch so weit wie möglich zu vermeiden. Dadurch können interkulturelle Komplikationen weitgehend verhindert werden, was zur Optimierung des Reiseverlaufs beiträgt, was wieder Kosten, Zeit, körperlichen und geistigen Einsatz, Kompetenz etc. einspart.(102) Außerdem trägt die Instrumentalisierung des Kulturschocks unter dem Vorwand der Kulturbewahrung dazu bei, dass die "exotische Ware" Kultur durch die eigenen Touristen nicht verdorben werde, sondern für die nächsten Kunden erhalten bleibe. Überdies kann auf diese Weise den Kunden die Illusion der "Unberührtheit" erhalten werden, weil sie nicht mit der - zumeist bereits von modernen Elementen durchdrungenen - Realität konfrontiert werden.(103) So ist es auch zu verstehen, warum die österreichische Reiseleiterin und "Tuareg-Expertin" Eva Gretzmacher im Oktober 1997 den Besuch des Dorfes Timia durch ihre Reisegruppe mit dem Hinweis unterbunden hatte, dadurch würde die Intimität der Dorfbewohner gestört werden.
Besteht seitens der Reiseleitung der grundsätzliche Wille zur Förderung des interkulturellen Kontakts, so hängt der Erfolg wesentlich von der inneren Festigung der Reisegruppe und deren Bereitschaft zur Öffnung nach außen ab. Auch die jeweilige Reiseform ist maßgebend. Nach den Erfahrungen des Autors fällt es um so leichter, die Gruppe zur Öffnung zu motivieren, je mehr Möglichkeiten der Reiseleiter nützt, um auf die Gruppe durch anregende Vorträge, Unterhaltungsprogramme und persönliche Gespräche einzuwirken.(104) Eine gewisse Rolle spielt allerdings auch die Zusammensetzung der Reisegruppe in Hinblick auf ihre vielfältigen Persönlichkeiten(105) sowie deren unterschiedliche Reisemotivationen.(106)
Moscardo (1999) plädiert für ein reisepädagogisches Modell auf der Basis des Konzepts der "Mindfulness" (Aufmerksamkeit) der Psychologin Ellen Langer (1989): Während die Menschen in unbekümmerten ("mindless"), unaufmerksamen Situationen vertrauter Routine folgen, nehmen sie neue Informationen nicht an, sind somit nicht fähig, ihre Perspektive zu ändern oder neue Kenntnisse zu erlernen. Aufmerksame Menschen vermögen dagegen neue Informationen aktiv zu verarbeiten, neue Kategorien für diese Informationen zu bilden, ihre Perspektiven zu ändern und neue Routinen zu entwickeln. Daraus folgert Moscardo, dass das entsprechende Ziel der Interpretation die Ermutigung der Besucher zur Aufmerksamkeit sei.
Das wichtigste Ziel des interkulturellen Lernens ist nach Ansicht Störgers (1994, S. 23), "das Tun von Unbewusstem, Unreflektiertem auf ein bewusstes, reflexives Niveau zu heben", wobei es wesentlich um die "Bewusstwerdung" gehe, "andere Kulturen als bereichernd und die eigene Kultur vertiefend zu erfahren." (ebd., S. 34) Dies entspricht der vom Autor erhobenen Forderung, den kulturellen Kontext des jeweiligen Reisegastes als determinierenden Horizont zu akzeptieren, innerhalb dieses Horizonts jedoch bestehende Verständnispotentiale zu mobilisieren.
Dazu müssen zuweilen gewissen Auffassungen verändert werden, die tief in der Persönlichkeit verankert sind. Die größte Chance zu einer solchen Änderung der Weltanschauung besteht dann, wenn Phänomene einer fremden Kultur als den vertrauten Stereotypen widersprechend und insofern als fremd "erkannt" werden. Dadurch entsteht eine Art Erklärungsvakuum und somit der Bedarf an einer neuen, einheitlichen Sinngebung für diese als widersprüchlich erfahrenen Inhalte. Für den Betreffenden eröffnet sich damit die Chance, auf einer Metaebene zu lernen (Richards & Glasersfeld 1992, S. 212) , um so seine bisherige Grundeinstellung im Sinne eines Paradigmenwechsels neu zu interpretieren. Dabei kommt dem Reiseleiter die Rolle des "Neudeuters" (Hartmann 1982, S. 62) zu, indem er neue Interpretationsmodelle als Substitution für die alten Sichtweisen anbietet.
Interkultureller Kontakt als Mittel zum interkulturellen Lernen kann wesentlich durch spezifische Kontaktpersonen, "Führerpersönlichkeiten" (Bitterli 1976, S. 95) bzw. "Cultural brokers" ( Harron & Weiler 1992, S. 87 ff.) gefördert werden. Diese Angehörigen der "exotischen" Kultur sind aufgrund ihrer sozialen Randposition oder ihres innovativen Charakters besonders geeignet, die "exotische" Kultur den touristischen Erwartungen entsprechend zu präsentieren, indem sie das Unerwartete für den Besucher abfedern. Gleichzeitig belassen sie dem Touristen das Gefühl, "authentische" Erklärungen zu liefern. Damit agieren diese Mittelsmänner als interkulturelle Intermediatoren und Interpreten.
Diese Darstellungen verdeutlichen die essentielle Bedeutung des Reiseleiters bzw. des lokalen Reiseführers für den interkulturellen Kontext und damit für die Förderung von konstruktiven, für alle Beteiligten befriedigenden Interaktionsprozessen im Tourismus, wie sie der Autor bereits anderweitig hinlänglich thematisiert hat (Friedl 2005). Von diesen Schlüsselpersonen und deren Strategien hängt es wesentlich ab, inwieweit die Integration von touristischen Erwartungen in ein erklärendes Rahmenwerk gelingt, das zum Teil auch lokale Interessen involviert, gleichsam verhandelt, und zur Regulierung der Tourismusindustrie beiträgt.
Abschließend soll nun ein markanter Kommunikationsfall zwischen Tuareg der Kel Timia und Touristen beschrieben und anhand des vom Autor entwickelten Modells der selbstreferenziellen Wirklichkeitswahrnehmung analysiert werden.
Die größte Attraktion im Umfeld des Dorfes Timia ist ein großer Pool, der unterhalt einer Basaltschwelle etwa fünf Kilometer abseits des Dorfes liegt. Der Pool wird ganzjährig von einer Quelle gespeist, was für diese aride Region höchst ungewöhnlich ist. Die meisten Touristengruppen halten ausschließlich am Pool, um sich hier zu erfrischen und gelegentlich auch eine Mahlzeit unter den Akazien einzunehmen. Vor dem Dorf halten dagegen die wenigsten Touristengruppen an, und dies zumeist nur, um die Wasservorräte aufzufrischen.
Jene Kel Timia, die vom Tourismus zu leben versuchen, müssen sich diesem Umstand entsprechend anpassen. Dazu wandern die Schmuckhändler jeden Morgen mit ihren Schätzen zum Pool, wo sie auf Touristen warten. Der Autor konnte noch im Jahr 1999 beobachten, mit welcher Strategie die Tuareg versuchten, binnen der vermeintlich kurzen Zeit der Anwesenheit der Touristen möglichst viel an Schmuck zu verkaufen. Dies äußerte sich in der Weise, dass die Händler auf ihre Kunden mit Bitten eindrangen, diese mögen ihnen doch einen Gefallen erweisen und etwas kaufen.
Hinter dieser Strategie stand die bereits skizzierte Vorstellung von Touristen als Menschen, die stets in Eile seien, über sehr viel überflüssiges Geld verfügten und gerne viel überflüssige, aber schöne Ware kaufen würden.
Aus der Sicht des Autors ereignete sich nun ein dysfunktionales "Gelingen" von Kommunikation: Tatsächlich hatten die Tuareg mit ihrer zudringlichen Strategie den Erfolg, dass sich so manche Kunden zu einem Kauf überreden ließen. Allerdings wurden dann eher "Notkäufe" kleinerer Schmuckstücke von geringem Wert getätigt. Aus der Sicht der Tuareg wurde ihr Konzept von Touristen bestätigt, und auch ihre Strategie erwies sich als "erfolgreich": die Touristen kauften, wenn auch nur sehr wenig.
Aus Sicht der Touristen spielte sich die Situation etwa folgendermaßen ab, rekonstruiert aus qualitativen Gesprächen, die der Autor mit betroffenen Reisenden geführt hatte:
Die Touristen nahmen das große Angebot als äußerst attraktiv wahr, wurden aber durch die Zudringlichkeit der Händler bei ihrer Suche nach einem besonders schönen Stück beeinträchtigt und in die Enge getrieben. Als Ausweg, um die Händler "ruhig" zu stellen und auch aus der Überzeugung heraus, dass die Tuareg doch sehr arm seien und darum wohl so zudringlich agieren würden, entschieden sie sich rasch für ein preiswertes Stück und zogen sich zurück.
Aus der Sicht eines Beobachters wird deutlich, wie sie die beiden Sichtweisen voneinander wunderbar ergänzen und bestätigen, wenn auch nicht mit dem bestmöglichen Ergebnis. Sie sind selbstreferentiell in Sinne des Konzepts von "mehr desselben" (Watzlawick, Weakland und Fisch 1988, S. 51 ff.), wonach die Handlung A die Reaktion B bewirkt, die wiederum Begründung für die Handlung A ist, die wiederum die Reaktion B auslöst und so fort... Die Kommunikation ist hier nur suboptimal, weil alle Beteiligten nicht wirklich zufrieden sind: die Kunden würden gern mit Ruhe die angebotenen Stücke goutieren, und die Händler würden gerne mehr verkaufen. Die Angst der Händler aber, die Kunden könnten ohne einen getätigten Handel wieder weiterfahren, zwingt sie zur Aufdringlichkeit.
Eine Verbesserung der Interaktion zwischen den beiden Gruppen ist hier nur durch eine externe Intervention möglich, und zwar durch eine Person, zu der beide Gruppen Vertrauen haben. In dieser Situation war der Autor, da er einerseits als Reiseleiter für eine Reisegruppe verantwortlich war und somit Einblick in die Bedürfnisse seiner Gruppenmitglieder hatte; zum anderen war er durch seinen vorangegangenen Forschungsaufenthalt in Timia den Händlern bekannt.
Der Autor hatte nun versucht, den Schmieden ein anderes Bild von den Touristen zu vermitteln. Dabei versuchte er sie davon zu überzeugen, dass die angebotenen Schmuckstücke von hoher Qualität und darum für die Touristen von hoher Attraktivität seien, dass aber Touristen gerne schöne Dinge aus sich wirken ließen, bevor sie eine Kaufentscheidung treffen würden. Je mehr die Händler somit Druck auf ihre potenziellen Kunden ausüben würden, desto geringer sei ihr Verkaufserfolg. Würden sie hingegen ihre Kunden einfach schauen lassen, so würden sie viel mehr verkaufen.
Der Autor bezweifelt, dass seine Erklärung zu einer Veränderung der Sichtweisen der Händler geführt hatte. Dagegen sprechen frühere Erfahrungen von ähnlichen, gescheiterten Versuchen, durch Erklärungen die Veränderung von Verhaltensweisen zu bewirken. Zudem entspricht es bei den Kel Timia auch nicht der Lernkultur, Verhalten auf der Basis von Erklärungen zu gestalten oder zu verändern. Vielmehr lernen die nomadisch geprägten Kel Timia hauptsächlich durch Imitation und Praxis (Spittler 1998). Abstrakte Begründungen hingegen sind ihnen fremd.
Dennoch führte die Intervention zu einer Verhaltensänderung zumindest in den Fällen solcher Verkaufsaktivitäten, bei denen der Autor anwesend oder wenigstens in der Nähe war. Aufgrund der Autorität des Autors gegenüber den Händlern, so dessen Vermutung, beugten sich diese dem Wunsch des Autors, sich gegenüber interessierten Kunden "zurückzuhalten".
Dadurch entstand aber eine völlig neue Situation: Die Touristen konnten sich völlig ungestört ihrem Schwärmen für die Schmuckstücke hingeben und kauften auch manche schöne Stück der oberen Preisklasse. Gleichzeitig konnten die Händler beobachten, dass ihr Verkaufserfolg ohne ihre als notwendig erachtete Intervention beträchtlich anstieg. Durch diese ihren Erwartungen widersprechende Erfahrung waren die Händler gezwungen, eine neue "Theorie" von ihren Kunden zu entwickeln. Diese musste u.a. berücksichtigen, dass europäische Touristen nicht nur in Eile sind, sondern sich für wichtige Dinge auch Zeit zu nehmen pflegen, dass sie nicht nur billigen Ramsch kaufen, sondern auch besonders schöne und wertvolle Dinge, und dass sie diesen Dingen - scheinbar - auch die gebührende Anerkennung erweisen würden.
Dem widersprachen oft massiv die tatsächlichen Kaufmotive der Touristen, sei es, dass diese den Schmuck als besonders preiswert erachteten und darin eine gute Chance sahen, schon auf Vorrat billige, aber attraktive "exotische" Geschenke für Freude und Verwandte zu kaufen. Dieser Widerspruch besteht aber ausschließlich für den externen Beobachter, wenn dieser über zwei sich - im Kopf des Beobachters - widersprechende "Vorstellungen von den Vorstellungen" verfügt.
Für die zwei betroffenen Kommunikationspartner hingegen zählt allein das erhaltene Feedback, der Erfolg des Handels:
Erlangt der Kunde sein Ziel, ein von ihm als schön erachtetes Stück zu einem von ihm als günstig erachteten Preis zu kaufen, dann ist er zufrieden. Sieht er dann noch das zufriedene Gesicht des Händlers, so mag er noch zufriedener sein.
Vice versa ist der Händler mit seinem Verkaufserfolg zufrieden. Sieht dann noch das strahlende Gesicht des Kunden, wird seine Vorstellung von "richtigem Handeln" doppelt bestätigt.
Keiner der beiden Beteiligten verfügt hingegen über eine adäquate Vorstellung darüber, wie sein Gesprächspartner "wirklich" ist, welche Sorgen dieser hat, ob er kurz vor der Scheidung steht, an einer schweren Krankheit leidet, sich über Gott und die Welt den Kopf zerbricht oder ob er ein überbezahlter BAWAG-Bankdirektor ist. In diesem Kontext spielt dies auch keine Rolle. Beide Seiten haben erfolgreich miteinander kommuniziert. Wenn man überhaupt von Völkerverständigung sprechen kann, so ist eine solche Situation aus der Sicht des Autors ein gelungener Akt von Völkerverständigung: Beide Interaktionspartner sind zum erwünschten Ziel ihres Interaktionsaktes gelangt, ohne dass der Gegenüber Schaden nehmen musst. Alles andere erscheint dem Autor angesichts der oben angeführten Einwände das beste, was an "Völkerverständigung" erreicht werden kann. Und dies ist bereits sehr viel.
Das Konzept der kybernetischen Ethik (Friedl 2006) geht, in aller Kürze skizziert, beruht auf dem epistemologischen Paradigma des Radikalen Konstruktivismus, geht also davon aus, das der Mensch seine wahrgenommene Wirklichkeit konstruiert, während er die Wirklichkeit "an sich" nicht erkennen kann. Vorstellungen sind somit stets das Resultat eines dynamischen Feedback-Prozesses von Wahrnehmung, Konstruktion, Lernen und Anpassung. Insofern ist Wahrnehmung immer auch mit Wertung verknüpft, weil Wahrnehmung körpergebunden ist.
Ethisch "richtiges" Handeln für ein Individuum im Sinne der kybernetischen Ethik ist somit das Resultat
seiner persönlichen Wahrnehmung des betreffenden Problems und dessen Umfeld
angesichts der vom betroffenen Individuum als möglich wahrgenommenen Handlungsoptionen, determiniert durch die für das Individuum bestehenden Limits der Ressourcen wie Zeit, Aufmerksamkeit, Energie, Kapital, Kompetenz etc.
und angesichts der Bewertung der möglichen Folgen der jeweiligen Handlungsoptionen aus der Sicht des Individuums.
Das Kriterium zur Bewertung der Vertretbarkeit von Handlungsfolgen ist die Stabilität der vom Individuum wahrgenommenen Prozesse seiner Wirklichkeit. Darunter fallen das persönliche Überleben und die Gesundheit, die Aufrechterhaltung der sozialen und ökonomischen Netzwerke sowie der ökologischen Umwelt.
Die Einschränkung auf die Handlungsspielräume und Sichtweisen des Individuums ist grundlegend, denn jegliche Handlungsmöglichkeit eines Menschen ist immer gebunden an seine wahrgenommene Wirklichkeit. Diese ist aber veränderbar und erweiterbar durch Interaktion. Jedes Handeln, ob verbal oder nonverbal, ist somit eine Beeinflussung des "Systems Wirklichkeit". Doch aufgrund der Komplexität der Wirklichkeit beschränkt sich die Auswirkung des Handelns zumeist auf eine gewisse Beeinflussung der komplexen Systeme wie Gesellschaft, Umwelt oder Tourismus.
Für das Thema der Völkerverständigung bedeutet dies, dass die Förderung gelingender Kommunikation, bei der die beteiligten Gesprächs- oder Handelspartner zufrieden sind, zu einem gewissen Zeitpunkt die bestmögliche Beeinflussung der Wirklichkeit und insofern "gutes" Handeln darstellen kann. Würde ein Reiseleiter hingegen versuchen, seiner Reisegruppe ethnologische Monstervorträge zuzumuten in der Absicht, sie über das "wahre Wesen" der Tuareg aufzuklären, so wird er aus mehreren Gründen scheitern:
Die Touristen werden sich nach einer gewissen Zeit angeödet abwenden, weil sie Erlebnisse suchen und nicht Belehrung.
Auch die ethnologischen Erkenntnisse sind weiter nichts als falsifizierbare Vorstellungen davon, wie die Menschen einer fremden Kultur leben und denken könnten, Vorstellungen, die zudem niemals auf alle Mitglieder dieser Kultur übertragbar sind.
Die Erfahrung beweist, dass richtiges Wissen noch lange nicht zu entsprechendem Handeln führen muss. Sonst gäbe es keine Raucher und Alkoholiker unter Ärzten.
Die Voraussetzung für die Förderung von gelingender interkultureller Kommunikation bleibt letztlich die persönliche Erfahrung als Resultat eines Feedback-Prozesses. Insofern lässt sich zusammenfassen, dass Reisen zwar eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung für Völkerverständigung ist. Durch die aktive Förderung von gelingender Kommunikation zwischen Reisenden und Bereisten aber können die negativen Folgen des Tourismus - wie wirtschaftliche oder politische Desintegration der Bereisten sowie ökologische Überlastung ihres Lebensraumes - zumindest reduziert werden. Ohne gelingende interkulturelle Kommunikation ist nicht einmal das möglich.
Die zentrale Frage der kybernetischen Tourismusethik ist somit: Wie lassen sich Kommunikations- und Handlungschancen zur Mehrung positiver Folgen des Tourismus und zur Minderung negativer Folgen des Tourismus maximieren. Und dafür gibt es viele Möglichkeiten, die alles eines gemeinsam haben: sie setzen gelingende interkulturelle Kommunikation voraus.
© Harald A. Friedl (FH JOANNEUM Bad Gleichenberg)
MMag. Dr. Harald A. Friedl ( harald.friedl @fh-joanneum.at ) dissertierte über Ethnotourismus bei den Tuareg und lehrt Tourismusethik und Nachhaltige Tourismusentwicklung an der FH JOANNEUM, Studiengang " Gesundheitsmanagement im Tourismus" in Bad Gleichenberg, Steiermark.
ANMERKUNGEN
(1) Die unverzichtbare, weil Orientierung stiftende und Komplexität reduzierende Funktion von Klischees wird in Abschnitt 7.5.2 näher erörtert.
(2) Zum detaillierten Rebellionsverlauf siehe Grégoire 1999.
(3) Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch Ryan und Huyton (2002) in ihrer Untersuchung der Aborigines als kulturelle Attraktion für Australienbesucher.
(4) Die südalgerische Agenturvereinigung UNATA hatte anlässlich der Entführung europäischer Touristen im Winter 2003 in einer Presseerklärung die Verantwortung für die Entführungen indirekt den überwiegend deutschen Individualreisenden zugeschrieben, weil diese, insbesondere die entführten Gruppen, ohne algerische Agentur und ohne einheimischen Führer unterwegs gewesen waren. Darum forderten sie restriktive Einreisebedingungen für Individualfahrer (Friedl 2003).
(5) So suchte ein Mitglied einer Niger-Reisegruppe im Tamgak verzweifelt nach einer geologisch ungewöhnlichen Felsformation, die in einer GEO-Ausgabe (7/97) abgebildet war. Da aber jenes Foto aus ungewöhnlicher Perspektive gemacht worden war, verifizierte der Autor erst drei Jahre später, dass der Betreffende damals direkt vor dieser Formation gestanden war, sie aber nicht als "die gesuchte Landschaft" erkannt hatte.
(6) Die metaphorische Bezeichnung für das Kamel.
(7) Diesem grundsätzlichen, konzeptionellen Irrtum Spittlers unterliegt übrigens auch Kievelitz (1989, S. 32 ff.) in seiner kritischen Schrift gegenüber "Ethnotourismus".
(8) Laxson (1991, S. 365 ff.) befragte US-Touristen in einem Indianer-Museum in New Mexico über ihr Bild von den Indianern. Er zeigte, dass deren Wahrnehmung der Kultur der Amerikanischen Ureinwohner mehr über deren eigene Weltsicht und kulturelle Stereotype aussage als darüber, wie viel sie von ihrer Reise lernen konnten.
(9) So betitelt der deutsche Reiseveranstalter "Oase Reisen" seinen Katalog über Sahara-Reisen.
(10) Wahrlich (1983, S. 81 ff.) weist darauf hin, dass J. J. Rousseau entgegen den landläufigen Behauptungen die Formel "Zurück zur Natur" ebenso wenig benutzt habe wie den Topos des "edlen Wilden". Sein "Naturmensch" sei vielmehr eine Fiktion, ein theoretisches Modell, als Basis für seine Kritik an der eigenen kulturellen Entfremdung.
(11) In diesem Tenor war auch eine Glosse von Günter Lehofer (2003) mit dem Titel " Der dunkle Kontinent. Aids, Hunger, Bürgerkriege ruinieren Afrika" in der Kleine Zeitung vom 12. 7. 2003 erschienen. Auf meine diesbezügliche Kritik antwortete mir der Redakteur, ihn hätten bezüglich seiner Afrika-Beurteilung die dortigen Ereignisse "dazu gebracht, das Schwergewicht nicht mehr auf außerafrikanische Einflüsse zu setzen, sondern auf die Antworten der afrikanischen Eliten darauf" (Lehofer, e-Mail vom 22. 7. 2003)
(12) Und eben diese Argumentation wird auch gegenwärtig wieder als Legitimation für Interventionen wie in Afghanistan und Irak genutzt, um dann Akte der menschenrechtswidrigen Barbarei wie jene von Guantanamo oder von Abu Ghraib unter dem Vorwand der Notwendigkeit zu setzen.
(13) In Afrika ist die Wahrnehmung von derartigen tribalen Identitäten als Typus ethnischer Formation eine Folge der entsprechenden Zuschreibung durch die kolonialen Autoritäten. Diese Konstruktionen entwickelten eine Eigendynamik; die Betroffenen glauben, ihr "Stamm" habe eine lange und reiche, vorkoloniale Vergangenheit (Eade &Allen 1999, S. 152).
(14) Der im libyschen Ghadames geborene Tuareg Ibrahim al-Koni ist ein im deutschen Sprachraum sehr bekannter und mehrfach preisgekrönter Dichter von Tuareg-Poesie und -Romanen. Er lebt seit 1993 in der Schweiz. Weitere Details zu seiner Biografie und Bibliografie siehe http://www.marabout.de/Koni/Koni.htm.
(15) In der TV-Werbung für "Carte noir" spazierte ein Tuareg über eine Düne.
(16) Das Modell "Tuareg" der italienischen Firma Aprilia.
(17) Jacken und Hosen "Tuareg" der Marke Hein Gericke.
(18) 2002 brachte VW ein luxuriöses Allrad-Fahrzeug namens "Touareg" auf den Markt. Schrott (2002, S. 49) schrieb darüber in einem Kommentar: "Die ‚Blauen Männer’ der Sahara sind stolz, mutig, extrem anpassungsfähig und hart im Nehmen. Kein Zufall, dass das erste SUV (Sport Utility Vehicle, ein Kleintransporter im sportlichen Design und mit Geländetauglichkeit , Anm. d. A.) von VW ihren Namen trägt: Touareg."
(19) Das Strategiespiel "Targui" für 2 - 4 Spieler ab 12 Jahren von der niederländischen Firma Hausemann en Hötte aus dem Jahr 1987.
(20) Das Radsport-Brillenmodell "Tuareg" der Firma Point Racing.
(21) Das Modell "Tuareg" der Marke Saeco.
(22) Ein solches Produkt wurde im November 2002 auf der Auktionsplattform Ebay.de (Artikelnr. 2076185397) angeboten.
(23) Der deutsche Reiseveranstalter Ikarus warb u.a. im Katalog des Jahres 2002 für seine Expeditionsreisen nach Südmarokko mit dem Transport durch "Tuareg-Fahrer". Die GEO-SAISON-Redakteurin Birgit Knop (1998, S. 18 ff.) schrieb sogar einen ganzen langen Artikel über die "Tuareg" im Drâa-Tal von Südmarokko (vgl. dazu die Kritik von Tolla 1996, S. 215-219). Diese neu geschaffenen, selbstreferenziellen "Tatsachen" stehen freilich in keinerlei Zusammenhang mit der Tatsache, dass der nigrische Tuareg-Stamm der Igdalen, der unter dem Druck der arabischen Invasion mit der ersten "Tuareg-Welle" vor 1000 n. Chr. im Aïr eingewandert sei und der heute noch Westen des Aïr siedelt, gemäß mancher Überlieferungen aus Marokko stamme, wie Bernus (1993, S. 59) berichtet.
(24) In der Annonce von Neckermann Österreich für Tunesien-Reisen aus dem Jahr 2002 schreitet ein blau verhüllter Mann über eine Düne dem Betrachter entgegen.
(25) Brunswig (2000, S. 159) berichtet von sesshaften Nomaden im marokkanischen Tafilalet, die im Tourismus arbeiten und sich "nicht selten hommes bleues (nennen): ‚Blaue Männer’, und wollen dabei an ihre großen Helden, die Tuareg, erinnern, mehr noch, sich mit ihnen gleichstellen.". Ähnlich berichtet auch Biernert (1998, S. 70 f.), dass manche Teppichhändler oder Reiseführer im Tafilalet die romantischen Klischeevorstellungen der Touristen von Wüstennomaden erkannt hätte und ihnen nun bieten würden, "was sie sehen wollen: in blaue Gandoras gehüllte Tuareg," wozu sie dann kurz vor ihrem Auftritt in das blaue Kostüm schlüpfen würden.
(26) Zur erschöpfenden Auflistung von Tuareg-relevanten Publikationen der Forschungsreisenden des letzten Jahrhunderts vgl. Eydoux (1949) und Rodd (1966, S. 1-35); zu Publikationen über die Tuareg vgl. die Bibliographien von Leupen (1978) und Chaker (1988).
(27) Zahlreiche Autoren übersetzen "Imascheren" als "Freie", was als einen schon über Generationen kolportierter Übersetzungsfehler bezeichnet, weil die Bedeutung "frei" im Tamaschek gar nicht existiert. Es existiert lediglich ein Verb für das Freilassen von Sklaven, das jedoch nichts gemein habe mit dem Wort "Imuhar". Die in der südalgerischen Hoggar-Region befindlichen Kel Ahaggar würden das Wort ähnlich eines Namens als nicht übersetzbar beschreiben.
(28) Vgl. Claudot-Hawad (1993, S. 98) und Bourgeot (1995, S. 423 ff.) weisen darauf hin, dass der Begriff Tamaschek nicht nur Ausdruck für die Tuareg-Sprache, sondern auch Bezeichnung für eine noble Frau sei, also einer weiblichen Person, die niemandes Autorität unterworfen sei. Als KelTamaschek wurde somit (seitens der Aristokraten) jemand verstanden, der mit den Werten der Aristokratie übereinstimmt. Letztlich wird dieser Begriff der Komplexität der Tuareg-Gesellschaft jedoch keinesfalls gerecht.
(29) Ursprünglich bezeichnete der Begriff Franzosen, die ja die ersten "Nicht-Gläubigen" waren, denen die Kel Ahaggar begegnet waren. In weiterer Folge wurde der Begriff auf alle "Nicht-Gläubigen", mit eingeschlossen Touristen, ausgedehnt.
(30) Gemäß der Analyse der politischen Struktur der Kel Ahaggar von Stühler (1978, S. 87) ist auch die Zuschreibung aristokratischer Qualitäten weniger Ausdruck tatsächlicher Machtverhältnisse als vielmehr Ausdruck der eigenen Wertschätzung der Kel Ahhagar und somit eines Images, das die Europäer in der Folge dankbar und in überzeichnender Weise übernahmen.
(31) Analog wurde auch die Normandie nach den normannischen Eroberern bezeichnet.
(32) Pandolfi verweist dabei auf Boetsch G., Ferrie J. N. 1992: Du Berbère aux yeux clairs à la race eurafricaine: la Méditerranée des anthropologues physiques. In: Basfao, K.; Henry, J.-R. (Hrsg.): Le Maghreb, l'Europe et la France. Paris: C.N.R.S., S. 191-207.
(33) Keine adelige Herkunft konnte der Bäckerssohn René Caillé vorweisen, weshalb er auch für seine Expedition nach Timbuktu keine Unterstützung von Frankreich erhalten hatte. Als erster europäische Besucher im Jahr 1828 von Timbuktu wieder lebend heimgekehrt, disqualifizierten britische Forscher seine Aufzeichnungen als "Geschwätz eines Analphabeten" (Durou 1993, S. 111.)
(34) So wird plausibel, dass auch in einem frühen Berichten des arabischen Forschungsreisenden Ibn Battuta ( zit. in Schweizer 1981, S. 288.) aus dem Jahr 1352 über den Überfall zahlreicher Tuareg-Krieger auf eine Handelskarawane die Adeligen zwangsläufig im Mittelpunkt stehen.
(35) Dieser eindrucksvollen Erscheinung der Adeligen im Gegensatz zu Angehörigen einer abhängigen sozialen Schicht konnte sich auch Heinrich Barth (1986, S 144 f.) nicht entziehen, sah er sich doch gezwungen, "von der ungeheuren Verschiedenheit betroffen zu werden, welche zwischen diesen verächtlichen, entarteten Mischlingen und unseren hoch und kräftig gewachsenen, kriegerisch aussehenden Verfolgern stattfand."
(36) Zöhrer (1954, S. 35) bezeichnete den Amenokal als "Fürsten der Zentralsahara"; Fuchs (1953, S. 157) schreibt vom "König aller Ahaggar Tuareg und seinem Hof"; Nicolaisen & Nicolaisen (1997, S. 507-9) schildert den Amenokal als oberster Chef einer Föderation. Tatsächlich aber verfügte über absolute Macht lediglich der Amenokal Goma Anfang des 17. Jahrhunderts dank einer eigenen Garde. Nach dessen Tod zerfiel diese straffe politische Struktur der Tuareg, der Amenokal wurde zu einer Art Integrationsfigur zwischen den Förderationen ohne echte Durchsetzungskraft. So verfügten die Kel Ulli als wirtschaftlich dominante Gruppe über eine Art Veto-Recht gegenüber dem jeweiligen Amenokal-Kandidaten. Erst der von den Franzosen eingesetzte und von den Kel Ulli bestätigte Amenokal Musa ag Amastan gewann mit französischer Unterstützung wieder an signifikantem Einfluss und trug zum Bild von der hierarchischen Tuareg-Struktur wesentlich bei, wie Nicolaisen & Nicolaisen (1997, S. 514) berichten.
(37) Entsprechend brachte auch Père de Foucauld im Vorwort seines 1951 erschienenen Tamaschek-Lexikons seine Überzeugung zum Ausdruck, dass allein die Adeligen das Tamaschek korrekt sprechen würden, eine Kompetenz, die er den "plébéiens", den imrad (Vasallen), abspricht und die Sklaven überhaupt einer Sprachweise bezichtigt, die er als "défectueuse" (de Foucauld, zit. in Bernus 1993, S. 76) bezeichnet. Dagegen fanden die Kel Ewey, obwohl sie als Spezialisten für den Karawanen-Fernhandel die "wichtigste Verbindung zwischen dem arabischen Norden und dem schwarzen Süden darstellen"(Spittler 1984, S. 300), unter Forschern bis in die späten 70er Jahre hinein nur wenig Beachtung, eben weil diese Tuareg-Gruppe sich "ethnisch und kulturell mit den Haussa im Süden vermischten, (wodurch) sie dem Verdikt der Forscher, die den ‚reinen’, hellhäutigen Tuareg mehr Aufmerksamkeit schenkten", verfielen.
(38) Wie sehr dieses Image heute noch innerhalb gewisser Kreise der Tuareg-Gesellschaft verbreitet ist, zeigt sich anhand einer vom Autor durchgeführten Befragung der Kel Timia hinsichtlich ihres Selbstverständnisses eines "echten" Tuareg, worauf sie sich als "Imascheren" stets deutlich von den " imrads" abgrenzten (Friedl 2005).
(39) Auch im 21. Jahrhundert ändert sich an diesem idealisierenden Zugang wenig. So beschreibt Perrotti (2002, S. 42) ihren Karawanenführer Aorat: "Auffällig ist auch die geradezu königliche Haltung und Eleganz der Tuareg. (...) (Sie) wahren stets die für den alten Kriegeradel typische aristokratische Haltung."
(40)"Das Nomadenleben machte sie zu Vagabunden, zu Plünderern und Straßenräubern. Diebstahl wurde neben der Viehzucht ihr Hauptbroterwerb. (...) kein Band einte ihre Stämme, welche durch bittere und tiefe Hassgefühle gespalten waren. (...) Plünderer und Mörder sind sie, wenn sie zahlenmäßig überlegen sind, unterwürfige Bettler, wenn sie sich unterlegen fühlen, sie kennen jedenfalls weder Versprechen noch Ehrenwort (...). Vor allem nachts werden sie mutig, wenn ihre Gegner oder Opfer schlafen. List ist ihre Hauptwaffe." (Dubois, Felix 1897: Tombouctou la mystérieuse. Ed. Flamarion, Paris; zit. in Bernus 1993a, S. 63.)
(41) So schwärmt Duveyrier (1864, zit. in Bernus 1993a, S. 63) von der "sprichwörtlichen" Tapferkeit der Tuareg und von "ihrer Unabhängigkeitsliebe, die sie in die Wüste führte und sie dort festhält. (...) (und dass) Lüge, Diebstahl innerhalb des Lagers und Vertrauensmissbrauch bei den Tuareg nicht bekannt sind."
(42) Zur Prägung der kolonialen Wahrnehmung durch die frz. Literatur vgl. etwa Girardet 1972 .
(43) Direche-Slimani (1996, S. 240) sieht diese Expansionsbemühungen als Reaktion auf die Niederlage gegen das Preußische Reich und insofern als Mittel zur Revitalisierung des erschütterten Nationalgefühls.
(44) Der enge Freund von Charles de Foucauld wurde nach diesem Sieg von Frankreich nach den Worten von Dautheville (1993, S. 120) so verehrt "comme (...) d’Artagnan".
(45) Duveyrier, der 1864 noch die Goldmedaille der "Société de Géographie de Paris" für seine Veröffentlichung "Les Touareg du Nord" erhalten hatte, war zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, er habe ein falsches, beschönigtes Bild der Tuareg vermittelt. Doch hatte Duveyriers Forschung im Geist der utopischen politischen Philosophie der Saint-Simonisten des frühen 19. Jhts. gestanden, getragen vom romantischen Ideal eines gegenseitigen Verständnisses und kommerziellen Austauschens zwischen Europa und Afrika. Das ausgehende 19. Jahrhundert hingegen war geprägt vom politischen Klima eines militärischen Imperialismus. Enttäuscht nahm sich Duveyrier am 25.4.1892 durch einen Revolverschuss das Leben (Casajus 2004).
(46) Karl May (zit. in Taubert 1984, S. 45) beschrieb die "blauen Männer der Wüste" als gefürchtete Wüstenräuber, die "verwegen, furchtlos, tollkühn, listig, verschlagen, verräterisch (...) Karawanen (überfallen), morden und plündern - und (...) nach ihren Raubzügen in den Weiten der Wüste, ihrer Heimat, (verschwinden)."
(47) Ähnlich schreibt Zöhrer (1954, S. 36), der einen "edlen Targi aus einem Fürstengeschlecht" vorstellt als "schlank und hager, sehnig und kräftig. (Er) (...)erinnert (...) in seiner strengen klassischen Gesichtsverschleierung, die er niemals lüftet, an einen mittelalterlichen Ritter mit geschlossenem Visier. Man sieht ihn nie ohne sein berühmtes Schwert (...). Mit ihm hat er seit seiner Jugend sämtliche Schlachten geschlagen und vielen weißen und dunklen Feinden das Lebenslicht ausgelöscht."
(48) Auf die bis in die 70er Jahre des 20. Jhts. herrschende Missachtung eben dieser Kel Aïr seitens westliche Forscher hatte der Autor bereits hingewiesen.
(49) So schrieb Dour el Dane (1990, S. 38): "Mal adapté au monde actuel, poursuivi par es pouvoirs politiques, le monde touareg est en train de disparaître."
(50) Orig.: "(...) ce peuple n’en finit pas de mourir."
(51) Die "Organisati on commune des régions sahariennes" hatte zum Ziel, die Saharagebiete, die annähernd die Siedlungsgebiete der Tuareg umfassten, von den in die Unabhängigkeit drängenden Regionen abzuspalten und als eigenes Staatsgebilde unter frz. Verwaltung zu stellen (Bourgeot 1995, S. 352-357.)
(52) Keenan (2002, S. 134 ff.) weist die bedeutende Rolle Henry Lhotes als Fürsprecher für die Aufrechterhaltung eines französischen Algeriens hin: Lhotes Felsbild-Expeditionen standen unter der Patronanz des stv. Direktors des Pariser Musée de l’Homme, Jacques Soustelle, dem wichtigsten Fürsprecher für ein französisches Algerien in Paris und seit 1959 de Gaulles Minister für Sahara und Nuklear-Angelegenheiten. Die Öffentlichkeitswirkung aus der "Entdeckung" der Tassili-Felsmalereien (Lhote 1958) lieferte, ein Jahr nach den Ölfunden in der Sahara, nach Ansicht Keenans "a cultural fig leaf to wrap their vehemently conservative, imperialist and often racist calls for a French Algeria. Mit Lhotes Präsentation der Funde unterstellte er auch zugleich das französische Vorrecht an dieser Entdeckung. Zur Betonung dieser "Berufung" hatte Lhote sogar Felsmalereien gefälscht, um ägyptische und europäische, "weiße" Einflüsse nachweisen zu können.
(53) In diesem Sinn bezeichnete Krings (1980, S. 95) die "Seßhaftwerdung der Tuareg" den "Ausdruck eines allgemeinen sozialen und demographischen Niedergangs"; in den Augen der Autorin Ramir (1991, S. 15) leben die Tuareg "tout le traumatisme d’une transition vers le modèle dominant des sédentaires"; und Stührenberg (1992, S. 63) kommentierte das Foto eines Tuareg-Schneiders mit den Worten "Vom Nomaden zum Schneider - ein Tuareg-Schicksal"; sinngemäß hadert auch die Wiener "Tuareg-Expertin" Eva Gretzmacher (1995, S. 19) bezeichnenderweise im Medium "Bedrohte Völker" über den Niedergang der Tuareg.
(54) Ein ähnliches Tuareg-Bild wird auch im Agenten-Roman "Blauer Ritter der Wüste" von Guenter (1984) oder in David Balls "Ikufar" (1999) vermittelt.
(55) Im Dezember 1999 hatte eine Dame aus der Reisegruppe der Wiener "Tuareg-Expertin" Eva Gretzmacher dem Autor Vázquez-Figueroas’ Roman als Lektüre mit dem Hinweis nahe gelegt, auf diese Weise würde ich "wirklich" begreifen, wie ein "echter Tuareg" sei.
(56) Daran änderte auch Mano Dayaks explizites Eintreten gegen einen "anthropologischen Tourismus" nichts, in dem die Tuareg angeblich ein Objekt der ästhetischen Begierde repräsentierten. (Dayak 1992, S. 78; 1996, S. 178).
(57) Dies widerfuhr dem Autor, der viele Jahre als Reiseleiter tätig war, mit vier verschiedenen marokkanischen Reiseführern. Die dezenten Hinweise des Autors gegenüber den Reiseführern auf deren fundamentalen Irrtum wurden im günstigsten Fall freundlich ignoriert, im schlechtesten Fall hingegen als Untergrabung ihrer Kompetenz wütend zurückgewiesen.
(58) Siehe dazu Stührenberg 1991, 1992, 1992a, 1995, 1996, 1998, 1999, 2001, 2002a-c.
(59) Die nachfolgende Analyse und Kritik der Schaffung und Instrumentalisierung von Mythen darf keinesfalls als Infragestellung des Selbstverständnisses ethnischer Gesellschaften an sich missverstanden werden. Das Ethnos, definiert durch eine "Menschengruppe mit gemeinsamer Abstammung, Überlieferung und Wir-Bewusstsein" (W. Hirschenberg, zit. in Obrecht 2003, S. 356), war - und ist nach der Ansicht Obrechts (2003, S. 208 f.) besonders im subsaharischen Afrika noch heute im weiten Teilen - konstitutiv für die Identität der Menschen. Doch kann auf die komplexe Problematik der Konflikte, die aus der Verschränkung der beiden - an sich - inkompatiblen Konzepte des "Stammesmitglieds" einerseits und des "individuellen Staatsbürgers" andererseits resultieren, hier nicht weiter eingegangen werden.
(60) Übers.: "Tuareg. Muss ein Volk verschwinden, um zu existieren?", Orig. zit. in Pandolfi 2001.
(61) Deren damalige Präsidentin war Danielle Mitterand, die Ehefrau von Staatspräsident François Mitterand (vgl. Dayak 1996, S. 188).
(62) Orig.: "dans cette représentation stéréotypée qui répond si bien aux désirs et aux intérêts des Occidentaux"
(63) Orig.: "véritable entreprise de désinformation".
(64) Orig.: "le lobby touareg parisien, gravitant autour du tourisme, du monde du spectacle et d’associations humanitaires à humanitarisme trop sélectif. (...) Des mensonges furent diffusés à profusion!"
(65) Die Anthropologien Claudot-Hawad ist mit dem Tuareg-Poeten Hawad verheiratet.
(66) Dayak (1993a, S. 46), der im Zuge eines Interview der französischen Zeitschrift " Sciences humaines " behauptet: "Depuis 30 ans au Niger, les Touareg ont été systématiquement marginalisés à tous les niveaux."
(67) "AParis, notre campagne de presse marcha à merveille."
(68) Auf die kritische Anregung des Autors hin korrigierte jedoch die engagierte Ethnologie-Studentin jedoch ihre Skizze der Rebellion in Richtung eines differenzierten Bildes; vgl. auch Bode (2004, S. 27) mit ihrem freundlichen Hinweis auf die diesbezüglichen Anregungen des Autors.
(69) Übers. d. A.: "Die freien Männer (...) sind von nun an verdammt zum Elend der Flüchtlingslager."
(70) Auch auf politischer Ebene versuchte die Tuareg-Rebellenfront CRA (1994) in einem Memorandum vom 3. 2. 1994 eine zurechtgerückte "vérité" der Geschichte der Tuareg zu proklamieren. Dabei wurden die Legitimität des Anspruchs dieser Front auf zwei Drittel des nigrischen Staatsgebiets aus einer präkolonialen "nation touarègue" abgeleitet und die Tuareg selbst als ein "Märtyrer-Volk dargestellt. Diese Behauptungen konnte der Anthropologe Bourgeot (1995, S. 363) als Fiktion widerlegen, wofür er in weiterer Folge von Tuareg massiv angefeindet wurde.
(71) Die Zahl der Todesopfer betrug nach Angaben der nigrischen Regierung 63 Menschen, gem. NGO-Angaben 600-700 Opfer (vgl. Bourgeot 1995, S. 358; Ramir 1991, S. 100) und gem. der Association Touaregs (1993, S. 3; vgl. auch Dayak 1992, S. 90) 2000 Tote. Salifou (1993, S. 161) berichtet vom frz. Journalisten Christophe Bois Bouvier, er habe die Angaben der Association Touaregs vor Ort widerlegen können. Sogar Dayak (1996, S. 187) selbst nennt in seiner vier Jahre später erschienenen Autobiografie unter Bezug auf ein Interview von Berlit, Bischof von Niamey, nur noch die (nicht minder tragische) Zahl von 600 Opfern.
(72) Afrika Post 4/1992, zit. in Waibel 1998, S. 8.
(73) Dass die Rede vom Tuareg-Genozid als ideologisches Instrument missbraucht wurde, zeigt sich auch deutlich an folgender Episode: Bei einem Versuch des Autors (Friedl 1998, S. 7 f.) im Jahr 1997, mit Tuareg über die Problematik der wiederholten Massaker an Fulbe-Nomaden zu diskutieren, wurden diese von den Tuareg-Gesprächspartnern banalisiert oder gar grundsätzlich negiert.
(74) Im Zuge einer Spenden-Kampagne der "GfbV" Ende der 90er Jahre gelang es der Tuareg-Referentin Eva Gretzmacher, binnen weniger Monate 150.000 Schilling aufzutreiben, wie die GfbV (2000, S. 11) selbst berichtete.
(75) Stührenberg (2002b, Geo Nr. 4, S. 166 f.) schreibt über die Geschichte der Tuareg der vergangenen 100 Jahre: "Nirgendwo fanden die Tuareg ihren Platz; überall wähnten sie nur Gegner und neue Herren. Bis heute fühlen sie sich als Außenseiter."
(76) Wanayer (1996, S. 129), ein junger Kämpfer der Rebellion, drückt seine Begeisterung für eine Revolution wie folgt aus: "prendre les armes, se libére eux-memes, etre maitres de leurs pays, etre un monde au sein du monde.".. Bourgeot (1995, S. 434) spricht in diesem Zusammenhang von einem "état de relique folklorique".
(77) Stührenberg 2002b, S. 166 f.
(78) Übers. d. A.: "wahrhaftigen Lobby der Freunde der ‚Tuareg-Angelegenheit’ "
(79) "Quand donc disparaîtra ce goût de l’exotisme qui peint les Touaregs en guerriers des sables, et qui fait qu’on les préfère en rebelles plutôt qu’en citoyens d’un État moderne essayant de jouer le jeux - certes conflictuel - de la démocratie?!"
(80) Noch häufiger waren solche Antworten, die lediglich typische Kleidungsstücke, insb. den Tagelmust, anführten. Die übrigen, überwiegend nur vereinzelten Antworten bezogen sich auf unterschiedlichste Aspekte wie "helle Haut" (1x) oder "dunkle Haut" (2x) und ließen sich zu keiner Kategorie zusammenfassen. Dies gilt auch für die weiteren Fragen zu "Tuareg-Eigenschaften".
(81) 5mal die "Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau", und 3mal das "Matriarchat".
(82) Burkina Faso, Mali, Niger, Algerien, Libyen.
(83) 40 Probanden hatten zu diesem Thema geantwortet, Mehrfach-Nennungen waren möglich.
(84) Eine sinngemäße Interpretation von Touristen findet sich interessanterweise im "Dictionnaire universale du XIXe siécle" aus dem Jahr 1876, wonach Touristen als "people who travel for the pleasure of travelling, out of curiosity and because they have nothing better to do" (zit. in Signaux 1966, S. 7) definiert werden.
(85) Ich selbst kam im November 1999 auf dem LKW der Timia-Kooperative, also wie auch die Kel Timia, angereist.
(86) Die geringe Anzahl der Antworten lässt sich damit erklären, dass es für traditionelle Tuareg eher ungewöhnlich ist, über etwas ein Urteil zu fällen und dieses abstrakt zu formulieren. Scheinbar hatte auch der Assistent des Autors, Aghali, Schwierigkeiten mit dieser Frage, da von jenen Probanden, die er ohne Beisein des Autors befragt hatte, kein einziger geantwortet hatte.
(87) Das Tamaschek-Wort für Spazierenreiten ist "awelellek".
(88) Man darf nicht übersehen, dass die Kategorie der "Reiselust" auch in Europa erst in der Romantik und auch dies nur innerhalb der gehobenen Schichten entstanden ist (Stangl 1974, S. 69).
(89) Ähnlich war auch die vorherrschende nepalesische Auffassung vom Abendland bis vor der Öffnung des Landes für den Massentourismus, wonach es technisch hoch entwickelt und seine Menschen als großzügig und dem Egalitarismus verpflichtet angesehen wurden. Zwischen den ostnepalesischen Sherpas und ihren ausländischen Besuchern sei eine "Gesellschaft zur gegenseitigen Bewunderung" entstanden. James Fisher, zit. in Hutt 1998, S. 79.
(90) Insgesamt nannten zwar 11 Personen dieses Charakteristikum, jedoch akzeptierten dies 4 Personen einfach als andere Denkungsweise und weniger als Makel.
(91) Spittler (1998, S. 28 f.) kommt zu einem ähnlichen Urteil, wonach fremde Weiße unter den Kel Ewey tendenziell als Ungläubiger bzw. Heiden (akafer, Pl: ikufar) gelten, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um Christen oder Atheisten handle. Zumeist wird "Ikufar" neutral verwendet, doch ist auch die negative Konnotation, etwa als Schimpfwort, gebräuchlich.
(92) In diesem Sinn unterstreicht auch Lidchi (1999, S. 94) die Kontextualität und Relativität von Bedeutung.
(93) Eine Erweiterung dieses Konzepts stellt das "Sechs-Kulturen-Modell" von Peter Schimany (1997) dar. Dabei wird die Kultur der Quellenregion (importierte Kultur der Touristen), die Ferienkultur (touristische Kultur), die Dienstleistungskultur der Bereisten und die Kultur der Zielregion (lokale Kultur der Bereisten) um die Kategorie der "Interaktionskultur" als Schnittmenge von Ferien- und Dienstleistungskultur sowie "globale Kultur" erweitert, wobei letztere die ersten fünf Bereiche in Gestalt globaler Konsumprodukte beeinflusst und überlagert.
(94) Auch der Autor selbst hatte einen solchen Kulturschock während seines mehrmonatigen Forschungsaufenthalts bei den Kel Timia erfahren. Diese machten sich als vorübergehende Gefühle der Verlorenheit, des Alleinseins, der Apathie und Appetitlosigkeit sowie auch der Abneigung gegenüber seinen Gastgebern bemerkbar.
(95) Larcher (1992, S. 24) versteht Kulturschock als "alle möglichen Arten von Irritation, Erschrecken und Abwehr (...)" als Reaktion auf soziale Phänomene einer fremden Kultur, die "meinen tiefsitzenden Vorstellungen über die angemessene Deutung der Welt, die Normen des vernünftigen Zusammenlebens und des richtigen Handelns ziemlich genau entgegengesetzt" sind. Kulturschock ist somit eine psycho-physische Reaktion auf den totalen Verlust von Vertrautheit.
(96) Eine detaillierte Auflistung der verschiedenen Auffassungen von Tourismus hat der Autor in Friedl 2002, S. 21 ff. erstellt.
(97) Mit jährlich 200 Mio. Besuchern sind diese künstlichen Ferienwelten längst die wichtigsten Reiseziele weltweit. Allein Disney World empfängt rund 30 Mio. Besucher pro Jahr, mehr als doppelt so viele wie spanische Costa Brava und italienische Adria zusammen. Diese Besucher sind zudem treu, denn die Zahl der Mehrmalsbesucher ist ungewöhnlich hoch (vgl. Hennig 1997, S. 165).
(98) Einstellungen sind nach Winter (zit. in Spreitzhofer 1995, S. 57) "langfristig erworbene, geordnete, mentale Strukturen, die das Gesamt der lebenswichtigen Erfahrungen eines Menschen bündeln, verdichten, in eine für die Selbstakzeptierung (...) erfolgversprechende Form bringen."
(99) Spreitzhofer verweist an dieser Stelle auf Chateaubriands berühmtem Ausspruch: "Jeder Mensch trägt eine Welt in sich, zusammengesetzt aus all dem, was er je gesehen und geliebt hat, und in die er immer wieder zurückkehrt, auch wenn er meint, eine fremde Welt zu durchstreifen und zu bewohnen."
(100) Siehe dazu die in Abschnitt 7.4. angeführte Definition von Larcher (1992). Furnham (1984, S. 45) sieht u.a. die Wahrnehmung des Verlusts eines Freundeskreises, des beruflichen und sozialen Status etc., die subjektiv empfundene Ablehnung sowie das Gefühl der Ohnmacht durch anfängliches Unvermögen, die neue Kultur zu "verstehen", als wesentliche Kriterien des Kulturschocks. Genau dieses Gefühl empfand der Autor in den ersten Wochen seiner Studienzeit in Frankreich. Dagegen blieb er von dem "Kulturschock" während seines Forschungsaufenthalts in der Stadt Agadez weitgehend verschont, weil er dort eine klare Rolle als "Verstehender" hatte und kulturelle Irritationen und Missverständnisse selbstverständlich zum erwarteten Forschungsverlauf gehörten.
(101) Eine psychologische Untersuchung in Nordsumatra durch Orlovius & Wetzels (1986, S. 87) ergab, dass sich die Kontakte der Mitreisenden im Wesentlichen auf einander richteten. Eine ähnliche Erfahrung machte der Autor im Zuge seiner Forschung im Niger: Während seiner Probetour mit vier österreichischen Touristen im Aïr-Massiv im Feber 2000 lehnte ein Salzburger Ehepaar eine Einladung zum Käseessen bei Nomaden mit dem Hinweis ab, sie würden vorziehen weiterzuwandern. Dabei wäre dies die erste Begegnung mit Nomaden seit mehreren Tagen gewesen. Offensichtlich war es dem Autor damals als Reiseleiter nicht gelungen, das Paar für eine Begegnung mit Nomaden entsprechend vorzubereiten. Eine andere, von ihm geführte Reisegruppe im März 2003 zeigte dagegen großes Interesse, die Nomaden zu kontaktieren, nachdem der Autor in zahlreichen Erzählungen und Erklärungen eine solche Begegnung vorbereitet hatte.
(102) So wurde dem Autor im November 1999 von einer US-Reisegruppe berichtet, deren Reiseführer hätte die Siedlungen im Aïr und im Kawar stets mit der Begründung umfahren, die Bewohner seien "Hunde". Erst aufgrund der Intervention des Autors ließ sich diese Reisegruppe überzeugen, dass die Bewohner vom Tuareg-Dorf Timia keine bösen Menschen seien. Darauf zwangen sie ihren Reiseführer, für sie ein Nachtlager im Dorf Timia zu organisieren. Im Nachhinein empfanden die Touristen diesen Aufenthalt als besonders bereicherndes Erlebnis.
(103) So beklagte sich im Sommer 2002 ein enttäuschter Teilnehmer einer Reise nach Sumba (Nusa Tengara, Indonesien), die dortigen, im Reisekatalog als "unberührt" beschriebenen Dörfer wären gar nicht mehr so unberührt, da sie bereits "hässliche Plastikplanen" anstelle von Palmenwedeln als Sonnenschutz verwenden würden. Erstaunlich an dieser Äußerung war besonders die Tatsache, dass es sich bei diesem Teilnehmer um einen Geographielehrer der pädagogischen Akademie handelte.
(104) Besonders gute Erfahrungen machte der Autor in großen Reisebussen mit guten Mikrophonen und ausreichend Raum für Bewegungsfreiheit. Dabei spielte die Größe der Gruppe kaum eine Rolle. Dagegen fiel dem Autor die gruppenzentrierte Kommunikation in Ländern wie Nusa Tengara, Indonesien, sehr schwer, wo es den Fahrgelegenheiten an funktionierenden Mikrophonen, an ausreichender Bewegungsfreiheit und an Komfort mangelte. Gleich schwierig gestaltete sich auch die Steuerung der Gruppendynamik auf Allrad-Touren im Niger, da hier die Mitreisenden auf mehrere Fahrzeuge verteilt sind und bei Pausen mehr Bedürfnis nach Erholung als nach Instruktionen heben.
(105) Nach der Erfahrung des Autors sind die Schwierigkeiten mit der "Bändigung" der Gruppe um so größer, je höher der Anteil an Lehrern oder anderen berufsbedingten Autoritätspersonen (Militär, Polizei etc.) ist.
(106) Für die Förderung von interkulturellen Kontakten keineswegs förderlich ist auch die vermehrten Klags- und Beschwerdefreudigkeit der Reisenden nach ihrer Rückkehr, ein Trend, der durch eine zunehmend konsumentenfreundlichere Judikatur gefördert wird. Dadurch verschlechtern sich insgesamt die rechtlichen Rahmenbedingungen für sozialverträgliche Reiseprodukte.
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6.8. Fremde erleben / Experience the Foreign
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