Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 16. Nr. | August 2006 | |
7.5. Frauen und Universitäten |
Rollen-Diskussion (2)
Katharina Prinzenstein (Wien)
[BIO]
Zur Situationsdefinition dieser Diskussion:
Eine Gruppe Engagierter aus unterschiedlichen Disziplinen, mit vielfältigen wissenschaftlichen, methodischen und politischen Zugängen bemüht sich um die Einrichtung eines inter-disziplinären feministischen Instituts an einer fiktiven Universität / Fachhochschule (NC, BP, VS, RE, IC). Zu diesem Zweck diskutieren sie regelmäßig mit dem/der Vertreter/in der Hauptfinanzquelle (FV) über Details.
FV:
Soll in dem neuen Institut auch ein Schwerpunkt feministische Methoden installiert werden?
NC:
Da würd’ ich erst einmal die Frage stellen, was überhaupt in den Sozialwissenschaften Methode bedeutet, wie Sie die Frage gestellt haben, und wieso da eine Differenzierung betreffs Feminismus getroffen werden soll, und dann, welche Bedeutung Feminismusforschung in den Sozialwissenschaften hat.
Und erst dann könnte man vielleicht, glaube ich, auf die Frage eine Antwort annähernd geben, was, wieso wir feministische Methoden brauchen, wenn überhaupt diese Herangehensweise weiter relevant ist. Wenn es relevant ist, dann brauchen wir es natürlich. Aber was das genau heißt und wie es sich von den anderen Methoden differenzieren sollte, darüber sollten wir einig sein. Ob es ideologisch gefasst ist und ob eine ideologische Richtung eine eigene Methodik haben kann, wie zum Beispiel analog gedacht, Marxismus, dass Marxismus eine Dialektik als Methode hat, würde ich [mir] in dem Sinn auch Feminismus vorstellen, abstrahiert davon, dass feministische Forschung auch an sich - wenn die Forschungsweise relevant ist - auch Methoden haben sollte. Und nämlich, ganz grob gesagt, dass sollte für mich Klasse und Geschlecht an sich implizieren, was die anderen sozialwissenschaftlichen Forschungsweisen nicht so gut, nicht so differenziert wie feministische Forschungsweisen machen könnten. - Und kann man das auch mit Naturwissenschaften und überhaupt trans- bzw. interdisziplinär auch noch erweitern im Prinzip.
BP:
Ich denk mir, in einem pragmatischen Zugang geht es bei der Institutsgründung auch darum, ein Institut [zu installieren], das irgendwie auch in der Scientific Society in irgend einer Weise überleben oder auch gehört werden soll. Also, wenn’s um die Gründung geht, hab ich aus den diversen inter-disziplinären Lebenserfahrungen, Wissenschaftserfahrungen, gelernt, dass diejenigen Disziplinen in der Wissenschaft, die Methoden haben, in der Argumentation oft recht gut unterwegs sind und die Disziplinen, die keine Methoden haben, keine eigenen, die es ja auch haufenweise gibt, Schwierigkeiten bekommen, also grad in der Interdisziplinarität. Weil man sich vielleicht auf ein Vokabular einigt, aber dann - die, die mehr Methoden haben, sind meistens die stärkeren.
Also jetzt in diesen Revierkämpfen. Und insofern wäre die Frage, dass wir in irgendeiner Weise Methoden sichtbar machen, strategisch günstig. Weil das das Institut stärkt. Wenn ich schaue, also wir haben jetzt in unserer Diskussion gehabt, dass es eigentlich alle möglichen sind, die sich so in dieser Post- Zeichnung, in diesem Symbol, zu dieser Art Konglomerat oder einer Suppe werden, oder ein Teil in dem man schwimmt. - Sie sollen aber auch jetzt nicht nur durch jahrzehntelanges interdisziplinäres Arbeiten zustande kommen, sondern es wäre feministischer Bereich, wo auch Studentinnen, die anfangen und eigentlich noch nicht die Methodenrepertoires mit sich herumschleppen, durch den feministischen Ansatz, dass die Alltagserfahrung auch genauso wichtig ist, das einbringen, dass man jetzt nicht 50 Jahre alt werden muss, damit man das Recht auf das Wort hat, sondern, dass das anders definiert wird. Aber rein strategisch wäre ich dafür, dass man sehr wohl Methoden ausweist und dass die einen eigenen Budgetposten haben
Leichtes Lachen in der Runde
wenn schon Institutsgründung und der Herr Soros Geld gibt - als Szenario.
NC:
für mich ist eigentlich die Frage, wenn es Methoden geben soll, muss es auch eine Epistemologie geben und ich würde davon ausgehen, dass es eine feministische Epistemologie geben soll - also unter den Sozialwissenschaften, die seit dem neunzehnten Jahrhundert institutionell als eigene Forschungsrichtung existieren: Wenn es innerhalb der Sozialwissenschaften eine wissenschaftlich arbeitende Epistemologie gibt, dann sollte es auch in der Feminismusforschung eine differenzierte Epistemologie, die einen kritischen Ansatz hat, geben. Deswegen muss man auch Methode haben. Das hängt für mich unmittelbar zusammen.
VS:
Aber verbunden ist das ganze natürlich auch mit Fragen von Kanon, dass es bei einer Institutsgründung teilweise auch zu einer Kanonisierung kommt. Und die ist ja nicht nur negativ, aber das ist natürlich immer unheimlich schwierig. Und da ist der Begriff - wie hattest du das genannt? Das soll ein Institut für Frauenforschung werden?
(FR):
Ja.
VS:
das glaub ich, das würdest du heute sowieso weder beantragen - noch durchsetzen
Lachen in der Runde
VS:
noch durchsetzen wollen, das würde mindestens Geschlechterforschung, wenn nicht lieber - genau - Gender wie auch immer gerne - nennen. Aber ich glaube eben, dass diese Begrifflichkeit, ob man es eben Frauenforschung nennt oder feministische Forschung oder Gender Forschung oder Geschlechterforschung - dass das eben tatsächlich auch unterschiedliche Inhalte mit sich bringt und unterschiedliche Methoden damit, und dass sozusagen schon in dieser Namensfestlegung auch ein Kanon mit drin versteckt ist, auch was die Methoden angeht. Und dass man sich da drüber bewusst sein sollte. In Berlin gab’s eben die längste Debatte glaub ich darüber, wie dieser Studiengang heißen soll - Gender Studies.
NC:
Weil sozusagen bestimmte Perspektiven eingeschlossen und ausgeschlossen werden soll in diesem Raum -
VS:
Ja, in Berlin war das Argument, und das würde ich auch teilen, dass natürlich Geschlechterforschung der viel breitere Begriff ist als die traditionellen Women’s Studies: Wo es eben Frauenforschung ist - das ist natürlich auch wichtig und das war natürlich auch die Idee, dass man kritische Männerforschung auch fördern möchte und die auch dazu nehmen sollte. Aber das implizierte eben auch - und da gab’s eben auch Streit darum - sagen wir, die Angst davor, dass das alles deshalb weniger feministisch ist, wenn man das eben öffnet zu den Gender Studies, wie eben auch, wie Du erwähnt hast, Klasse und Rasse in den Gender Studies ja stärker sein sollten, aber dann vielleicht dadurch auch weniger klassisch-feministisch sind, was ich jetzt nicht unbedingt glaub! Aber die Angst ist sehr stark da gewesen, und ich glaube, das ist auch heute noch so.
RE:
Aber das ist doch der Punkt. Also bei unserer Institutsgründung denk ich, müssen wir das auf jeden Fall berücksichtigen, zu sagen:
Wir haben auf jeden Fall auch den Strang - Mikromodule -
Leichtes Lachen in der Runde
RE:
um die Begriffe anzugleichen - für Feminismus auf jeden Fall mit drin. Ich finde, das wäre auch meine Antwort auf diese Frage. Ich finde das sehr schwierig mit dieser feministischen Methode. Weil ich denke, selbstverständlich brauchen wir ein Institut mit Methoden. Keine Frage, ja, und ich glaube auch, ich vermute, die Argumentation, so dass das überhaupt den Anschein von Wissenschaftlichkeit bekommt, dass da einige Institute an den Universitäten, genau nach den Methoden fragen. Ich halte diesen Ansatz für ziemlich passend, zu sagen, der Dialektik - als Pendant praktisch zur Dialektik, (...) ich möchte auch kein Dialektik-Institut haben, ich möchte gerne Veranstaltungen dazu haben und so weiter. Aber ich möchte mich nicht gerne so - eingrenzen lassen. Ich glaube, dass es so ein ganz großes Problem auch des Marxismus war, zu sagen, wir sind eine Wissenschaft, und da pressen wir alles rein. Sondern ich würde ein Institut - und wenn wir schon dabei sind, können wir solche Institute gleich an allen Universitäten gründen. - Also, was ich gern möchte, ist, Methoden - und zwar alle - der Sozialwissenschaften. Ich möchte gerne trotzdem weiter Bourdieu lesen können und mir aber anhören können, ok, und wie passt das zu meinem feministischen Thema oder Gender Thema oder Frauenforschung oder was auch immer
Lachen in der Runde
RE:
Ich möchte auch weiterhin die Geschichtsmethoden, also die historischen Methoden haben. Das waren alles alte Männer, die inzwischen tot sind, aber die haben sich sehr schlaue Sachen gedacht, und wenn man da eben dieses Klasse-Rasse-Geschlecht mit rein bringt, und das ist ja durchaus möglich und das wird ja gemacht, also das würde ich gern mit aufnehmen, und nicht zu sagen, wir schaffen jetzt eine feministische Methode und an die halten wir uns alle
Leichtes Lachen in der Runde
RE:
das finde ich ganz grässlich, und das finde ich ganz unwissenschaftlich. Weil ich würde eher sagen, wir versuchen, den Aspekt >Gender< in die anderen Methoden zu (bringen) - daraufhin die anderen Methoden zu prüfen, und darin auch anzuwenden. Das wäre mir wichtiger, dass das nicht so eine Einschränkung is. Weil ich will nicht als eine Sparte neben ganz vielen anderen sein, sondern ich möchte das in allen diesen Sparten Gender mit drin ist, in der Medizin und in der ... Naturwissenschaft und in - der Geschichtswissenschaft und so weiter. Ich möchte, dass da überall in den ganzen Theorien >Gender< mit drin ist und rein kommt, also drin ist es ja, aber vielleicht sollt’ man es mal rausholen. Und nicht die eine - oder fünf, ich weiß nicht in der (...) Einführung (publizierten) feministische Theorien, vielleicht auch sieben, das finde ich ganz schrecklich.
BP:
Aber es ist nur von der Sozialwissenschaft jetzt die Rede gewesen? Weil zum Beispiel in der Technik und Naturwissenschaft - muss es das ja auch geben -
RE:
Das ist richtig. Und in der Medizin zum Beispiel. Das wäre jetzt wirklich nett, wenn sie eine Medizin für Frauen nicht an Männern testen würden. Ehrlich gesagt, das wäre ein riesiger Schritt nach vorne -
VS:
Aber dazu jetzt die Frage, was dann Methode und was ist eben Fragestellung, oder Gegenstand?
Bestätigendes Murmeln in der Runde ("mm!", "genau!")
NC:
... ich finde da immer Unterschiede. Fragestellung und Gender an sich ist in jedem Fall wichtig. Aber ich glaube, es ist auch sehr wichtig, einfach einen eigenen epistemologischen Zugang zu der Thematik zu schaffen, was auch eine Methode erfordert. Und das war mit der Dialektik nur ansatzweise eine Analogie, um Ideen für eine feministische Methode zu sammeln, das war, was mir jetzt eingefallen ist um meinen Ansatz zu begründen. Aber andererseits, das mit Klasse - Rasse - das hab ich auch allgemein, pauschalisierend gesagt. Aber Methode braucht beide Aspekte - und ich glaube, dass (theoretische) Schulen das überhaupt nicht das ausschließen, dass ein Paradigmenwechsel stattfinden kann. Also, jede Methode an sich erfordert auch, oder impliziert gewisse Paradigmenwechsel. Und wenn es so nicht sein würde, für mich, würde es nach objektiven feministischen Kriterien nicht wissenschaftlich sein. Das muss schon offen sein, das ist auch offen, glaub’ ich. Aber andererseits ist wichtig, dass man an einer Struktur festhalten kann, durch die man gewisse Sachen nach einer gewissen Struktur und nach diesen Maßstäben und Kriterien schon revidieren kann, aber dass man dann weiter aufbaut und Kritik ausübt und ohne dieses Fundament ist das sehr diffus alles, finde ich. Also deswegen finde ich, wie in den Naturwissenschaften, analog gesehen, ist es sehr erfolgreich, wenn man überhaupt eine eigene ideologische Kritik ansetzt, dass gewisse Methoden sich entwickeln, weil nämlich auch Feminismus geschichtlich gesehen durch gewisse Kritik sowohl an den akademischen Diskursen der Sozialwissenschaften und auch Naturwissenschaften als auch an den kritischen Bewegungen sich entwickelt hat. Und da hat auch an sich eine gewisse Methode eingesetzt, durch diese Kritik. Und es geht jetzt darum, dass es wissenschaftlich ausgereifter wird und durch diesen Zugang der Universität - der auch durch den staatlichen Zugang irgendwie schon an eine gewisse Ecke geschoben wird - ist es ganz eingeschränkt eigentlich.
Diese Kritik und diese Infragestellung wird dann ganz diffus in mehrere Gebiete geteilt und nur geschichtlich kursiert das dann, also es werden gewisse Aspekte benannt und Fragestellungen, aber es ist dann nicht mehr homogen und nicht mehr eine Wissenschaft. Das ist nur ein Überblick schaffendes Feld. Aber mir geht es auch darum, dass es eigentlich auch eine gewisse Sozialkritik und eine gewisse Wissenschaftskritik an sich haben sollte. Und ansatzweise wissenschaftliche Aspekte reinbringen sollte. Und ich glaube, deswegen sollte man nicht unbedingt mit dem Blickwinkel der Universitäten einsteigen, weil es schon Erfahrungen gibt dass es anders geht, unterrichtet werden kann. Finde ich.
Nachdenkliches Murmeln in der Runde ("mm.")
VS:
Einen Aspekt der Wissenschaftskritik finde ich ganz, ganz wichtig, und den kann man natürlich auch bei so einer Institutsgründung auch sehr stark machen, also jetzt wieder strategisch gedacht. - Das glaub ich, ist etwas, was momentan sehr notwendig ist und was gerade in der Infragestellung der Geisteswissenschaften momentan auch ein Thema ist. Darum wäre die Institutsgründung, abgesehen davon sowieso wichtig. Die Frage, ob Geisteswissenschaften heute noch eine Aufgabe und Sinn haben, geht ja auch in die Richtung.
BP:
Die Naturwissenschaftskritik wird auch in die Technik- und Naturwissenschaft reinkommen. Unter "Gender" ist frau schon bemüht, da auch hineinzukommen.
Lachen und Durcheinanderreden in der Runde
NC:
Das sollte sich nicht nur auf Genderaspekte beziehen. Das ist natürlich sehr wichtig, dass man in allen Fächergebieten diese Perspektive einbringt und nicht nur draufzulagern, also es muss unmittelbar diese perspektivenübergreifende eigene Methodik haben, eigentlich. Oder Forschungsansätze. Forschung ist einfach ausgefeilt, das ganze.
VS:
Aber die Frage ist eigentlich, gibt es eine oder mehrere Methoden
NC:
Ja das ist die Frage!
VS:
- die dann für alle Forschungsprojekte anwendbar sind? Das ist die eine Frage und die andere Frage ist, dass je nachdem, an wen das Institut auch gerichtet ist, als Zielgruppe.
Sollen das Graduierte schon sein, sollen das StudentInnen im Grundstudium sein, oder allgemein Studierende - dann ergibt sich natürlich auch das Problem, das wissenschaftliche System funktioniert noch mit bestimmten Disziplinen und was für einen Abschluss bieten wir und was für einen Berufsperspektive bietet man damit auch?
[...] / Kassettenwechsel.
FV:
Dürfte ich jetzt noch um ein paar kurze Ideen von allen bitten?
RE:
Die Praxis war schon einmal angesprochen worden. Das wäre ganz wichtig: Praxisbezug.
FV:
Im Studium?
RE:
Im Studium und auch in der Lehre, aber vielleicht nicht nur in der Form von Praktika.
FV:
jaja.
BP:
Ich täte trotzdem die parallele Implementierung - also trotz des Instituts - die Implementierung überhall (fordern), jede/ r Lehrende muss das machen.
Lachen und Durcheinanderreden in der Runde
RE:
Sozusagen in allen Sparten Gender mit drin. Aber wir sollten die Kritik am universitären System schon auch ausweiten und uns nicht damit begnügen, zu sagen, wir setzen uns hin, machen das selbe wie alle anderen, aber wir kritisieren es auch.
Lachen und Durcheinanderreden in der Runde
FV:
Noch Ideen?
BP:
Ich verweise auf meinen nächsten Vortrag.
Lachen und Ende.
Hinweis:
Weitere Anregungen zur interdisziplinären Diskussion über feministische Methoden finden sich auf der Homepage der Diskussions-Initiatorin: "Feminist Methods’ Debate" http://www.unet.univie.ac.at/~a8401943/
© Katharina Prinzenstein (Wien)
ANMERKUNGEN
(1) Verschriftlichung des Diskussionsworkshops Wie wäre es für uns mit feministischen Methoden? im Anschluss an den Vortrag Wie wär’s mit feministischen Methoden? am 10.12.05, im Rahmen der Sektion Frauen und Universitäten der IRICS-Konferenz, Wien Siehe: http://www.inst.at/irics/speakers_n_s/prinzenstein2.htm
(2) Für Feedback zu dieser Verschriftlichung bedanke ich mich herzlich bei den Teilnehmerinnen, Mitgliedern und Vortragenden der Sektion "Frauen und Universitäten" am 10.12.2005, insbesondere bei Sabine Prokop.
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