TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr.
Januar 2010

Lachen und Ernst
Sektionsleiter | Section Chair: Han-Soon Yim (Seoul National University)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Lachen und Ernst in arabischen Anekdoten und Redewendungen

Mona Noueshi (Kairo)

 

Inhaltsverzeichnis:

1. Zur Entstehung von Gohas Anekdoten und Volksbücher
2. Die Volksgestalt Gohas
3. Die Rolle Gohas in der Weltliteratur
    a) in der arabischen Literatur
    b) in der türkischen Literatur
    c) in der persischen Literatur
4. Charakteristische Besonderheiten der Anekdoten des Volksnarren: Lachen, Spott und Ernst
5. Gohas Weisheit in Redensarten und Sprichwörtern

 

Jede kultivierte Nation mit einer alten Tradition verfügt über hervorragende Genies der Komik, welche die Literatur und Kunst des Landes beeinflussen. Die Bereitschaft zum komischen Ausdruck findet sich gleichermaßen bei allen Nationen. Jedes Land hat einen Witzbold, der den Charakter des Volkes widerspiegelt. In vielen Ländern gibt es eine Schalkfigur, die oft tölpelhaft, mitunter jedoch schlau oder sogar ausgesprochen weise handelt.

Auch im arabischen Raum gibt es zahlreiche Protagonisten, die im Mittelpunkt lustiger, komischer, kurioser, aber auch einen tieferen Gehalt aufweisender Geschichten und Anekdoten stehen und meistens eine bestimmte Lehre vermitteln. Ägypter pflegen seit jeher eine besondere Art des Humors, und sie sind bekannt für ihre Vorliebe für Wortspiele und Witze. Hier ist es Goha, der als Schalkheld auftritt. Der folgende Beitrag ist also eine Untersuchung der Anekdoten Gohas, der Schalkfigur in der arabischen Literatur, die die Gesellschaft zum Lachen bringt und seit alten Zeiten tiefe Weisheiten verkörpert. Näher betrachtet wird auch die Funktion der Anekdoten Gohas, die auch Ursprung einiger Sprichwörter und Redensarten sind. Zur Analyse herangezogen werden seine Herkunft, seine Stellung in der Literatur, seine Wirkung auf das Volk und schliesslich seine Darstellung in seinen Anekdoten und Redensarten. Dabei werden bestimmte Charakteristika Gohas hervorgehoben, die seine bis heute erhaltene Bedeutung im jeweiligen Kulturkreis erklären.

Eine reiche und bunte Schar von Narren, Schalken und Schelmen zieht an uns vorüber, wenn wir einen Blick auf die Kulturgeschichte des ägyptischen Volkes werfen. Schalk ist

ein Mittelwort, welches sowohl einen groben arglistigen Betreiber bezeichnen kann, als auch eine Person, welche andere durch ein unschuldig scheinendes Betragen nur im Scherz zu hintergehen sucht.(1)

Der bekannteste dieser sogenannnten „weisen Narren“ in der ägyptischen Literatur ist Goha. Neben den Anekdoten stehen viele Redensarten und Sprichwörter im Zusammenhang mit Goha.

Bevor ich auf die Schalkfigur und seine Funktion in der Literatur eingehe, werde ich erklären, was unter Anekdote bzw. Anekdote in der arabischen Literatur zu verstehen ist. Witze und Anekdoten, die die Eigenschaften der jeweilgen Nationen sichtbar machen, sind in allen Völkern verbreitet und werden in besonderen Situationen erzählt. Sie dienten als Ventil ihres Unmutes in Zeiten der Bedrängnis, als Empörung oder Protest gegen sich ausweitende Neuerungen.

Der Hang, sich Witze zu erzählen, die in Zeiten der Bedrängnis den Nationen Erleichterung verschafften, ist bei allen Nationen fast gleich. Berühmt sind diese Anekdoten für ihre Schlagfertigkeit und ihren witzigen Geistesblitz. Hinter dem vordergründigen Spott und der Ironie steckt eine bestimmte Weisheit.

Eine Anekdote ist

ursprünglich eine aus bestimmten Rücksichten nicht veröffentlichte; heute eine kurze Erzählung, die eine historische Persönlichkeit, einen Charaktertyp, eine Gesellschaftsschicht oder eine merkwürdige Begebenheit schlaglichtartig beleuchtet. Prägnanz und Objektivität der Darstellung sowie eine Pointe sind ihre wesentlichen Merkmale.(2)

Anekdote ist eine epische Kleinform, die auf eine überraschende Steigerung oder Pointen hinzielt und in gedrängter sprachlicher Form einen Augenblick zu erfassen sucht, in dem sich menschliche Charakterzüge enthüllen. Die Pointe der Anekdote besteht in einer schlagfertigen Entgegnung einer witzigen Aussage, einem Wortspiel, Paradox oder einer unerwarteten Aktion, wodurch sich eine Nähe zu Witz, Aphorismus und Epigramm ergibt. Die Anekdote rankt sich um historische Persönlichkeiten und Ereignisse, aber auch fiktive, jedoch typisierte Gestalten oder allgemein um menschliche Situationen und Handlungen.

In der arabischen Literatur ist " نادرة، نوادر " (nadira, Pl. nawadir: „die Anekdote, die Anekdoten“) eine kurze Mitteilung, eine lächerliche, oft schriftlich niedergelegte kurze Geschichte oder knappe Erzählung. Die arabischen, besonders die überlieferten ägyptischen Anthologien umfassen eine Anzahl von Anekdoten, die um Lehrer, Richter, Geizige usw. kreisen.(3) Nach al-‘Aqqad ist die Anekdote ein Witz, der eine Geschichte benötigt, die mit der Tätigkeit ihres Helden verbunden ist. Die Anekdote dient – wie der Witz – dem Volk als Ventil in einer Situation der politischen Unterdrückung oder als Ausdruck von Empörung gegen Neuerungen. Die Anekdoten verbreiteten sich seit dem 12. Jh. n. Chr. in verschiedenen Volksschichten. In den Anekdoten, die die Ägypter während der türkischen Besetzung im Zeitalter der Mameluken bis zur Zeit des Khediven Ismail erzählten, fand das Volk Erleichterung durch die Beschreibung der Torheit der Herrscher.

Die soziale und politische Lage der Ägypter stellt die Ursache für die Unterschiede zwischen den ägyptischen Anekdoten und den Anekdoten anderer Nationen in Europa dar. So wurden die Herrscher, von denen in den ägyptischen Anekdoten die Rede ist, als Sorglose und als Tote beschrieben.(4)

1. Zur Entstehung von Gohas Anekdoten und Volksbücher(5)

Seit der Pharaonenzeit haben die Ägypter ihre Feinde ironisch kritisiert und humorvolle Geschichten in Wandmalereien dargestellt. Der griechische Dichter Teokritus, der in Alexandria während des 3. Jhs. vor Chr. gelebt hat, wies auf diese Vorliebe der Ägypter hin, ihre Feinde (z. B. die Perser, Griechen, Romanen) ironisch und humorvoll darzustellen. Der Ägypter Sibawih, der zur Zeit der I’hsid lebte, übte Kritik an dem ausländischen Reich der I’hsiden und dessen Beamten und lachte über deren Torheit und Dummheit. Er stand auf den Märkten, wo sich die Leute um ihn versammelten, und erzählte ihnen seine lustigen Anekdoten, die ihnen halfen, die Ungerechtigkeit in diesem Zeitalter zu ertragen, und die gleichzeitig eine politische Verspottung darstellten. In seinen Anekdoten benutzte er Verse aus dem Koran oder Teile aus der Prophetentradition. Die Einen hielten ihn für einen Verrückten, die Anderen für einen Tapferen und Mutigen, der sich für das Recht einsetzte und die Wahrheit sagte. Sein Ziel war es, das Volk zum Lachen zu bringen und ihm die Wahrheit zu zeigen.(6)

Der Humor verbreitete sich in der Dichtung des Zeitalters der Fatimiden weiter, in dem die Tatimiden und ihre Handlungen ironisch kritisiert wurden. In dieser Zeit erweiterten sich die literarischen Kreise immer mehr. Die literarischen Bücher enthalten viel vom Humor des Ibn Quddus ad-Dimyati, dem wichtigsten Dichter am Ende der Fatimidenzeit.

(7) Zur Zeit von Salah ad-Din al-Ayyubi erschien das Buch: "كتاب الفاشوش فى حكم قراقوش" (kitab al-fasus fi hukm qaraqus: Das Buch des Taugenichts über Qaraqus-Herrschaft). Es wurde von al-Asa’d Ibn Mamiti verfasst, der durch seine treffenden, stechenden Anekdoten berühmt geworden war. Es ist eines der ältesten und humorvollsten Bücher in der Geschichte des islamischen Ägyptens. Das Buch umfasst komische Anekdoten über den türkischen Baha’a ad-Din Qaraqus, einer der Heerführer von Salah ad-Din. In diesen lustigen Geschichten wird die Ungerechtigkeit Qaraqus sowie seine strengen und dummen Beurteilungen kritisiert. Nach der Meinung des Orientalisten Casanova, der sich um das Erscheinen und die Erforschung dieses Buches bemüht hat, hat Ibn Mamati dieses Buch nicht nur zur Verspottung von Qaraqus Ungerechtigkeit, sondern auch als Schilderung und Beschreibung seiner Unzufriedenheit gegenüber dem ayyubischen Staat geschrieben. Ibn Mamati hat für sein Buch die ägyptische Umgangssprache gewählt, wahrscheinlich um eine möglichst weite Verbreitung unter dem einfachen Volk zu ermöglichen. Seine Anekdoten waren tatsächlich im Volk sehr bekannt, so dass die Ägypter jeden folgenden ungerechten Herrscher mit Qaraqus verglichen und ihn sogar mit dem Namen „Der wie Qaraqus ist“ titulierten.

Später erschienen neue Bücher, die Anekdoten über Qaraqus erzählten. Am Ende des Zeitalters der Mameluken hat as-Siyuti ein Buch verfasst und den Titel von Ibn Mamati entliehen, aber es unterscheidet sich in vielen Anekdoten vom Original. Dies lässt vermuten, dass das Buch von as-Siyuti selbst oder von anderen nachfolgenden Generationen geschrieben wurde. Man kann sagen, dass die Persönlichkeit von Qaraqus symbolisch geworden ist und zwar für jeden ausländischen Herrscher in Ägypten.

Die Ägypter haben während der türkischen Herrschaft im Zeitalter der Mameluken und auch danach seine Anekdoten weitererzählt und auch neue hinzugefügt. Später erschien das Buch Das bemalte Muster in der Herrschaft des Sultan Qaraqus, das auch Anekdoten über Qaraqus enthält und an die beiden oben genannten Bücher anknüpft. Dies alles macht deutlich, welch großen Einfluss Ibn Mamati mit seinem Buch und seinen Anekdoten über Qaraqus hatte.(8)

Der ägyptische Humor verbreitete sich besonders während des Zeitalters der Mameluken. Nach dem Ende der Kreuzzüge entfalteten sich unterschiedliche Arten von Spielen, Zeitvertreib, Scherz und Unterhaltung. Bei ihrem Treffen beschäftigten sich die Dichter größtenteils mit dem Erzählen von Witzen und Anekdoten über ihre ausländischen Herrscher, die mamelukischen Türken. Zur Zeit der Mameluken wurde auch der Diwan "نزهة النفوس و مضحك العبوس" (nuzha al-nufus wa madhak al-'ubus: Spaziergang der Seelen und das Verlachen der Düsterkeit) von Ibn Sudun verfasst, der Anfang des 10. Jhs. gelebt hat. Dieser Diwan umfasst Gedichte, einige prosaische, lustige Geschichten und Anekdoten. Der größte Teil des Diwans wurde in umgangssprachlichen Stil geschrieben, der keinen großen Unterschied zu unserer heutigen ägyptischen Umgangssprache aufweist. Al-Aqqad meint, Ibn Sudun könnte in seinem Zeitalter als „Goha“ Ägyptens bezeichnet werden, da seine Geschichten und Anekdoten ähnlich komisch waren.(9) Doch bei bei ihm finden sich nicht nur wie bei Goha Witze und Anekdoten, sondern auch eine ganz estimmte Art von Humor.

Obwohl die wirtschaftliche, wissenschaftliche und literarische Lage während des osmanischen Zeitalters in Ägypten sehr schlecht war, verlor das ägyptische Volk nicht seinen Sinn für Humor und Ironie. Es thematisierte Hunger, Not und Elend in Humor und Witz. In dieser Zeit erschien das Buch "هز القحوف"  (hazz al-quhuf: Schütteln der Schädel) von dem Gelehrten und Prediger Yusuf as-Sirbini. Das Buch besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil, der die Einleitung zum zweiten Teil war, umfasst Anekdoten über das Leben der Dorfbevölkerung und deren Armut und Unwissenheit, der zweite Teil besteht aus einem Gedicht und Erläuterungen dazu. Al-Sirbini hat viele Anekdoten über die Theologen des Dorfes und deren Unwissenheit geschrieben. Er mischte diese Anekdoten mit anderen alten über Goha, Abi Nawwas u.a.

In neuerer Zeit wurden viele Anekdoten und lustige Geschichten über Sayh Hasan al-Alati erzählt, der 1889 verstarb. Er studierte an der al-Azhar, dann wandte er sich dem Gesang zu. Deshalb bekam er den Namen (al-Alati: „der Musiker“). Er schrieb das Buch: ترويح النفوس (tarwih al-nufus: Aufheiterung der Seelen), das auf humorvollen Situationen und voksliedhaften Strophengedichten basiert, wobei die Türken und Ausländer, die das Land ausgeraubt hatten, ironisch kritisiert wurden.(10)

Zur Zeit Ismails erschienen spasshafte Zeitungen und Zeitschriften, die Ernst und Humor verbanden, dazu gehören: die Zeitung ) " أبو نظارة " Abu Nazzara: Derjenige, der eine Brille trägt) von Ya’qub Sannu’ und die Zeitungen "التنكيت و التبكيت" (al-tankit wa al-tabkit: Witzelei und Tadel) und " " الأستاذ  (al-ustad: Der Meister; ein Gelehrtentitel, aber in Ägypten oft auch sehr frei besonders für Gebildete im Allgemeinen gebraucht) von ‘Abd Allah Nadim.

Die Cafés und Gesellschaften zum Ende des letzten und zum Anfang dieses Jahrhunderts wurden zu literarischen Versammlungsorten, wo Mohammad al-Babli und Sayh ‘Abd al-‘Aziz, al-Bisri und Hafiz Ibrahim Geschichten über lustige Situationen und Erlebnisse zum Besten gaben, die die Ägypter dann weitergaben. Einige lustige und witzige, aber auch andere Geschichten hat al-Bisri in seinen Schriften aufgezeichnet.(11)

Dem türkischen Hoga Nasr ad-Din wurde eine große Anzahl von Ankedoten zugeschrieben. Eine türkische Sammlung erschien 1850. Sie umfasste 255 Seiten und ist in Asitana gedruckt worden. Sie beinhaltet nicht alle Nasr ad-Din zugeschriebenen Anekdoten.(12) Die älteste Handschrift, die bereits im Jahre 1625 in europäischem Besitz war, umfasst 76 Geschichten. Diese ist in der Universitätsbibliothek von Leiden in Holland aufbewahrt.

Die Anekdoten verbreiteten sich von Osten nach Westen, wurden von Mund zu Mund weitererzählt und von einer Sprache in die andere übersetzt. Die erste gedruckte türkische Ausgabe von Nasr ad-Din ar-Rumi, die 125 Anekdoten umfasste, erschien 1837. Später folgten andere Bücher mit Anekdoten Gohas in unterschiedlichen Sprachen. Die Geschichten Gohas wurden teilweise mit der Zeit erweitert, oder es kamen neue hinzu, so dass im Werk des deutschen Orientalisten Wesselski die Goha-Geschichten zu einem Bestand von über 500 Schwänken und Anekdoten anwuchs. Diese erste gedruckte Volksausgabe, die später revidiert und wesentlich erweitert wurde, erschien in Konstantinopel. Dieser Ausgabe wurde die deutsche Übersetzung von Camerlehrer zugrundegelegt, die 1855 in Wien veröffentlicht wurde, und die lange Zeit, wohl wegen der darin vorkommenden freien und mitunter anstößigen Gedanken, auf dem Kodex der verbotenen Bücher stand. So ist es selbstverständlich, dass mit der Zeit einige Änderungen und Hinzufügungen in den Anekdoten entstanden.

2.Die Volksgestalt Gohas

Viele Nationen kannten Goha, der nicht nur in der mündlichen Überlieferung, sondern auch in der Weltliteratur erscheint. Trotz seiner außergewöhnlichen Berühmtheit weichen die Meinungen der Forscher bezüglich der Persönlichkeit Gohas, seiner wirklichen Existenz und seiner Nationalität voneinander ab. Es scheint, dass diese sonderbare Persönlichkeit unter den Forschern weiterhin Meinungsverschiedenheiten hervorruft, und dass Goha als ein Sinnbild des Frohsinns und der Zerstreutheit bleiben wird, das man sich in der ganzen Welt von ihm gemacht hat.(13)

Die Forscher vertreten unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich seiner Herkunft und der Quellen seiner Anekdoten. Einige Quellen behaupten, Goha sei nur eine literarische Figur, wie ihn zum Beispiel al-Maydani in seinen Sprichwörtern bezeichnet hat;(14) andere meinen, Goha hat wirklich existiert und seine Existenz sei nachweisbar. Noch andere meinen, der Ursprung der Anekdoten von Goha sei in der türkischen Sprache zu finden. Diese Anekdoten, deren Held in der Türkei gelebt hat, wurden also nicht aus dem Arabischen übertragen. Als Beweis für diese Behauptung seien seine Wortspiele zu nennen, die einige Anekdoten betreffen, die nur in der türkischen Sprache zu finden sind und in anderen Sprachen fehlen, zum Beispiel das Wortspiel zwischen "جل"  (gull: „Hauptteil“) und كل" ” (kull: „Gesamtheit; jeder“).(15) Ein weiterer Hinweis dafür ist, dass sich viele in den Anekdoten beschriebene Städte und Regionen in Kleinasien befinden.

Sehr wahrscheinlich war Goha (Nasr ad-Din) eine türkische Persönlichkeit, da er in Kleinasien gelebt hat, wo religiöse Darwische verbreitet waren. Diese waren durch ihre Wundertaten und Witze bekannt, die sie vor dem ungerechten Herrscher schützten, denn so konnten sie ihre Meinung und Kritik offen anbringen und manchmal auch die Leute betrügen. Nasr ad-Din war auch, wie diese Darwische, durch seine Wundertaten berühmt.

 Andere sind der Meinung, dass Goha im 12. oder im 14. bis Anfang des 15. Jhs. gelebt habe. Eine Gruppe der Forscher vertritt die Anschauung, dass die Anekdoten Gohas Ende des 10. Jhs. erzählt wurden und Goha unter dem Namen Abu al-Gusn Dagin Bin Tabit bekannt gewesen ist. Er käme aus dem Stamm Fazara und hätte in der Stadt Kufa zur Zeit der Revolution von Abi Muslim al-Hurasani gelebt. Durch das Weitererzählen seien diese Anekdoten dann in die Türkei gekommen und der Held habe den Namen as-Sayh Nasr ad-Din ar-Rumi angenommen.

Andere Quellen behaupten, der Ursprung der meisten Anekdoten über Nasr ad-Din sei die arabische Literatur, die reich an diesen Anekdoten ist. Einige von ihnen könnten durch die persische Literatur übertragen worden sein.(16) In einem Buch eines unbekannten Verfassers, das im Jahre 1888 erschien, steht: „Man könnte aus den Anekdoten sagen, dass Goha unter dem Namen Dagin Bin Tabit bekannt wurde, der Mitte des 7. Jhs. n. Chr. geboren wurde und ungefähr bis Mitte des 8. Jhs. gelebt hat.(17)  Einige Überlieferungen behaupten, Goha, dessen Name zu "خوجة" (Hoga; „Lehrer“) umgewandelt wurde, kam zu den Barbaren durch die Araber und Malteser und wurde "حاخان"  „Hahan“ genannt. Al-Gahiz erzählt, sein Name sei Noah gewesen und er sei bekannt gewesen unter dem Namen Abu al-Gusn, der mit etwa 100 Jahren gestorben sein soll.(18) Ibn al-Gauzi meint, Goha sei ein Wundertäter gewesen und erzählt einige Anekdoten über ihn, die ihn als klugen Mann darstellen, während die meisten der Anekdoten Goha als dumm darstellen.(19)

Einige Quellen behaupten, Goha hätte den Namen al-Hoga Nasr ad-Din ar-Rumi erst im 6., 7. und dann im 8. Jhd. n. Chr. getragen. Aber die oben genannten Bücher erwähnen diesen Namen überhaupt nicht.(20) Mikki Bin-Ibrahim sah in Goha einen sympathischen Mann, über den nur von seinen Nachbarn, die ihn hassten, dumme, unwahre Geschichten erzählt wurden.(21) Al-Maydani schreibt in seiner Sprichwortsammlung: Goha sei ein Name, der nicht sinnvoll abgeleitet werden könne, er entstamme dem Wort "جاح"  (gaha: „zugrunde richten“), sowie dem Namen  "عمر" ('Omar), von dem das Wort "عامر"  ('amir: „bewohnt“) abzuleiten sei.(22) Goha, so sagt al-Maydani weiter, war vom Stamm der „Fazara“ und trug den Namen Abu al-Gusn Dagin Bin Tabit, er war ein gut zu verstehender und ausgeglichener Mann. In jedem Volk ist zu jeder Zeit eine ähnliche Figur zu finden.(23) Al-‘Aqqad meint, Goha sei ein Türke gewesen, der nicht aus anderen Ländern kam, da er in Kleinasien gelebt hat, und dass er zu den Gruppen von religiösen Darwischen, die vor dem Islam gelebt haben, gehört hätte.(24) Im Buch "حياة الحيوان"  (hayat al-hayawan: Das Leben der Tiere) von Demiri steht, Goha sei identisch mit Abu al-Gusn Dagin Bin Tabit. Nach dem Erscheinen Abu al-Gusn sind viele Spaßmacher bekannt geworden, die nicht so verbreitet oder berühmt waren wie Goha. Diese bekamen einfach den Namen Goha.(25)

3. Die Rolle Gohas in der Weltliteratur

a) in der arabischen Literatur

In der arabischen Literatur heißt es, dass „Goha ein Spitzname für einen Mann namens Abu al-Gusn Dagin Bin Tabit, vom Stamm der Fazara, gewesen sei.(26) Während der Revolution von Abu Muslim al-Hurasani sei er in der Stadt Kufa gewesen. Es wird behauptet, dass er unbekannt gewesen sei, bis er eines Tages das Symbol für Dummheit und Einfältigkeit wurde. Scheinbar waren seine Geschichten bei der Bevölkerung bekannt und wurden mündlich weitergetragen, bis sie von einigen Autoren schriftlich gesammelt wurden. So wies auch Ibn an-Nadim in seinem Werk   "الفهرست " (al-fihrist: Das Inhaltsverzeichnis) auf die Existenz eines Buches namens " " نوادر جحا (nawadir guha: Die Anekdoten Gohas) hin. Darin heisst es: Sein Verfasser ist unbekannt. Es werden diesbezüglich zahlreiche Bücher über seine aussergewöhnlichen Geschichten erwähnt, wie zum Beispiel: "نوادر أبى ضمضم" (nawadir Abi Damdam: Anekdoten von Abi Damdam) oder "نوادر ابن الموصلى" (nawadir Ibn al-Musili: Anekdoten von Ibn al-Musili). Scheinbar haben die beiden Verfasser diese Bücher für die Allgemeinheit und zur Erheiterung der volkstümlichen Gruppen geschrieben. Daher hielten sie es für unwichtig, ihnen ihre Namen zu geben. Jedenfalls, wenn wir in Betracht ziehen, dass Ibn al-Nadim am Ende der zweiten Hälfte des 4. Jhs. n. Chr. verstorben ist, wird uns klar, dass die Geschichten Gohas sich während jener Epoche im arabischen Raum verbreitet haben und unter der Bevölkerung weiter überliefert worden sind.(27)

Die Ägypter glauben, dass Goha während der Zeit der Mameluken in Ägypten gelebt habe. Sie beschreiben ihn als einen kühnen Mann, der sich über die Herrscher mit seiner Dreistigkeit, über ihre Unterdrückung mit Ironie und über ihre Dummheit und Unwissenheit mit Spott hinweggesetzt hat. Jedoch stellen sie ihn andererseits als einen Sozialkritiker dar. Wenn wir auf seine Erlebnisse zurückschauen, die sich die Leute von Goha erzählen, so erkennen wir in ihnen Ausdrücke von Sozialkritik bezüglich der ägyptischen Gesellschaft, zuhause oder auf der Strasse, am Arbeitsplatz oder was den Menschen untereinander im täglichen Leben, im öffentlichen oder privaten Bereich so widerfährt.

b) in der türkischen Literatur

In der türkischen Literatur ist Goha unter dem Namen as Sayh Nasr ad-Din Hoga bekannt, der im 13. Jh. gelebt hat. Er wurde in der Stadt Siyuri Hasar in Anatolien geboren und lebte in der Stadt Aq Sahr, wo er auch starb. Er war ein Gelehrter und hielt in einigen Städten Vorlesungen und war dort auch Imam. Er bereiste unter anderem die Gebiete Kunyas, Ankar u.a. In der Nähe der Stadt Aq Sahr gibt es eine Ortschaft, in der sich das Grab des Sayh Nasr ad-Din befinden soll. Die Bevölkerung dort erbittet von ihm Segen und glaubt, er könne Wunder vollbringen. Einige hängen Stofftuchreste an das Grab, im Glauben, von Fieber geheilt zu werden und Segen zu erhalten. Wenn sie diesen Ort besuchen, lachen sie sehr viel, denn sie glauben, dass jeder, der beim Besuch seines Grabes nicht lacht, vor dem ihm bevorstehenden Unglück nicht bewahrt werden kann. Andere meinen, er sei ein Mann namens Nasr ad-Din ar-Rumiund sei im Dorf Horto in SiyuriHasar in Anatolien im Jahre 1227 n. Chr. gestorben.(28)

Auf Goha wies der bedeutende türkische Reisende Ulia Gilbi hin, wobei er über die Gelehrten und Frommen berichtete, die in Aq Sahr beerdigt sind: Demnach befand sich unter ihnen eine besondere Persönlichkeit, der Sayh Hoga Nasr ad-Din. Er wuchs heran unter dem Kriegsherrn Hadawandak und seine Jugendzeit fiel in die Epoche Jeldasim. Er war sehr weise und von aufrichtiger und ehrwürdiger religiöser als auch weltlicher Haltung. Er saß an der Seite des Amirs Taymurlank, der ihn seinen Freund nannte. So wurde die Stadt Aq Sahr aus Ehrfurt vor Goha vor ihrer Zerstörung verschont.

Der türkische Literaturprofessor an der Universität Istanbul Qubrili Zade sagte, Goha gehörte zur Gesellschaft des Prinzen Biyazid. Seine Nachkommen seien während der Regentschaft Murads des Dritten nach Istabul ausgewandert. Qubrili Zada bestätigte die Echtheit einer Stelle auf dem Grab des Sayh Nasr ad-Din, indem er als Beweis dafür zwei gebräuchliche gesetzliche Stiftungselemente anführte. Ferner verfasste er mehr als 50 der sonderbaren Erlebnisse Gohas in Gedichtform.

In der Türkei gibt es ein sehr bekanntes umfangreiches Buch, das unter dem Titel Anekdoten des Hag Nasr ad-Din bekannt ist. Dieses Werk enthält eine große Anzahl der Berichte, die über Gohas seltsame Erlebnisse in türkischer, arabischer Sprache und in anderen Sprachen überliefert wurden. Übersetzt wurde dieses Buch von Herrn Hikmat Sirif al-Tarabulsi. Der Orientalist Basih ist der Meinung, dass die Geschichten des Zayh Nassr ad-Din, die in der Türkei bekannt sind, Übersetzungen der Araber aus dem Leben Gohas sind, die im 15. oder 16. Jhd. vorgenommen worden seien. Basih bezweifelt seine Echtheit und die Existenz des Sayh Nasr ad-Din, der bei den Türken unter dem Namen Goha bekannt geworden ist. Der Orientalist Harniman ist der Ansicht, dass die seltsamen Geschichten und Anekdoten, die in der Türkei dem Sayh Nasr ad-Din zugeschrieben werden, dem Allgemeingut der Weltliteratur angehören, zu der auch die türkische zählt. Zur selben Ansicht gelangte auch der Orientalist Kimiski; er sagte, dass die Geschichten Gohas den Geschichten aller Nationen ähneln und überall zu finden sind.(29)

c) in der persischen Literatur

In der persischen Literatur wurden einige Erlebnisse Gohas im Rahmen der Scherzworte des Dichters Abayd al-Zakani erzählt, diese erwähnen jedoch nicht seinen Namen. Ferner wurden Goha und seine Erlebnisse während der Regentschaft von Maulana Galal ad-Din (Anrede für Herrscher) erwähnt; darüber hinaus findet man auch einige Erlebnisse Gohas in der Geschichtssammlung des Habib Allah al-Kasani und dem Werk Baharistan von Abd ar-Rahman al-Gami.

Die Geschichten Gohas verbreiteten sich in der persischen Bevölkerung. Die Perser bekräftigen, dass er persischer Abstammung gewesen sei und zur Einwohnerschaft Isfahans gezählt habe; sein richtiger Name sei al-Malla Nars ad-Din gewesen. Unter der Bevölkerung ist der Glaube an seine Rückkehr verbreitet. Sie stellen Goha bildlich als einen weisen und wissenden Mann dar, der jedoch seine Weisheit durch Witz und Ironie über die Menschen und das Leben vermittelt. Das Bild Gohas ähnelt sehr stark der bildlichen Darstellung bei den Ägyptern.(30)

Zur Zeit der orientalischen Renaissance haben einige Ausländer, die im Orient gelebt haben, dabei geholfen, Merkmale in Gohas Anekdoten zu bestimmen. So haben A. Ades und A. Josipovici Gohas Anekdoten ins Französische übersetzt. Das Buch trägt den Titel: " كتاب جحا الساذج " (kitab guha al-sadig: Gohas naives Buch). Josipovici war Beamter im königlichen Schloss und hat an einigen islamischen Lektionen in der al-Azhar teilgenommen. Und da er in Konstantinopel (1892) geboren war, hatte er Kenntnisse in der türkischen und arabischen Sprache. Er hatte sogar Gelegenheit, sich einen Überblick über Gohas Anekdoten in ihren unterschiedlichen Quellen zu verschaffen.

Albert Ades wurde in Kairo 1893 geboren und hat in den dortigen Schulen seine Ausbildung erhalten. Er hat sogar an der al-Azhar studiert, so dass er die Anekdoten in ihrem volkstümlichen Dialekt verstehen konnte. Prof. Dr. Mirbeau hat zu diesem 1916 aus dem Arabischen ins Französische übersetzten Buch eine Einleitung geschrieben, in der er über Goha folgendes geschrieben hat: Goha sei ein Stück aus dem orientalischen Leben, das keine Erklärung brauche, da die Anekdoten nichts anderes zeigen als das Normale und Bekannte im Leben ohne Auswahl oder Suchen. Dieses ins Französische übersetzte Buch wurde auch in viele andere europäische Sprachen übersetzt. Die Leser dieses Buches waren sowohl die Gebildeten als auch die einfachen Leute. Eine dieser Übersetzungen ist die englische Veröffentlichung unter dem Titel Goha the fool. Ein anderes wichtiges Buch über Goha: مغامرات بخارى " " (mugamarat Buhari: Buharis Abenteuer) hat der russische Schriftsteller Leonid Soloviev 1948 verfasst, das von Tanjana Shebunina im gleichen Jahr ins Englische übersetzt wurde.(31) Goha wird in diesem Buch als ein wandernder Propagandist beschrieben, der in den asiatischen Ländern ziellos wanderte, um vor der Ungerechtigkeit der regierenden zu fliehen. Er wanderte hier und dort hin, um das regierende System, das das Volk mit Steuern ermüdete, zu kritisieren.(32)

Wahrscheinlich haben diese Anekdoten Gohas bei den europäischen Lesern deshalb großes Interesse gefunden, weil Goha ihren lustigen Helden ähnelte, deren Geschichten, ob wahr oder von ihnen geschaffen, ihnen aus der Überlieferung vertraut waren. Vielleicht sind die Anekdoten Gohas in das europäische Leben eingedrungen durch das mündliche Erzählen oder durch die arabischen Bücher oder deren Übersetzungen. Es ist auch möglich, dass die Anekdoten über Marokko zur Insel Malta gelangten, deren Muttersprache vom Arabischen sehr stark beeinflusst wurde.

Wie schon oben erwähnt wurde, hat die orientalische Renaissance die Europäer auf die Erbschaft des Orients aufmerksam gemacht. So schrieb Askar Nahhas das französische Buch: " تأملات ابن جحا " (ta'ammulat ibn guha: Überlegungen Gohas Sohn)(33), in dem der Sohn mit seinem Vater in Weisheit und Witzen spricht. Die Schwänke Gohas haben auch Eingang in die indische und süddeutsche Literatur gefunden. Der orientalische Schalk ist in den meisten Geschichten ein weiser Tor, der sehr wohl weiß, wie er sich zu verhalten hat, nur verwendet er andere, ungewöhnliche Methoden, die auf den ersten Blick lächerlich erscheinen, die sich bei genauerer Betrachtung aber oft als Weisheit herausstellen.

War also Goha in allen Quellen die gleiche Person? Einige Quellen gehen mit Bestimmheit davon aus, dass es nicht nur einen einzigen Goha gab. Es ist unmöglich zu glauben, dass die große Anzahl von Anekdoten einer einzigen Person zugeschrieben werden kann, da viele Widersprüche, Gegensätze und Extreme hinsichtlich der Zeit, des Ortes, der Gegensätze und Extreme hinsichtlich der Zeit, des Ortes, der Gedanken und der Charaktere auftreten.(34)

Einige Anekdoten erzählen von Leuten, die zur Zeit der Abbasiden oder zur Zeit Taymurlanks oder des Frühislams lebten, andere spielen zur Zeit nach der Erfindung der kleinen Taschenuhren oder zur Zeit der Gefährten des Propheten Mohammads. Das beweist, dass die Anekdoten Gohas von unterschiedlichen Personen stammen. Auch unterscheiden sich die Umgebungen, Sitten und Gebräuchein den Geschichten. Einige Anekdoten erzählen von den Sitten in Persien, in Bagdad, in Damaskus und auch in Kairo.(35)

Wer immer auch Goha gewesen sein mag, seine Geschichten lassen sich unmöglich auf einen einzigen Verfasser zurückführen. Verwunderlich ist also die Ansicht, dass die Geschichten Gohas von einem einzigen Mann geschaffen sein sollen. Es ist eher zu glauben, dass sich die Flut dieser Geschichten zusammensetzt aus dem Zusammenfluss von verschiedensten Erzählungen aus dem fernen Europa bis über Afrika und aus dem asiatischen Kontinent. Beispielsweise gibt es eine Geschichte über Goha, Abu Nawwas und den französischen Rabelais. Wer hat über Abu Nawwas berichtet? Es war kein Schrifsteller aus Bagdad, Damaskus oder Kairo, sondern ein englischer Autor namens Ingram. Ingram hat die Geschichte in sein Werk Abi Nawwas Legenden aufgenommen, und zwar in der Küstensprache und der arabischen Sprache Ostafrikas, so wie er sie gehört hat. Einige wurden auch in den Geschichten Tausend und eine Nacht erzählt, wie zum Beispiel die Geschichte vom Esel und dem Ochsen mit dem Ackerbesitzer. Diese und andere Anekdoten wurden durch Reisende und Weltenbummler, die in die Länder von Osten nach Westen wanderten, weitererzählt. Durch das Erzählen und das Hören solcher Anekdoten und Witze versuchten sie, sich die Zeit zu vertreiben.(36)

4. Charakteristische Besonderheiten der Anekdoten des Volksnarren:
Lachen, Spott und Ernst

Die Figur Gohas ist weder positiv noch negativ gekennzeichnet. Sie besteht nicht nur in der mündlichen Überlieferung, sondern auch in der Weltliteratur weiter. Seine charakteristischen Erkennungsmerkmale sind dabei seine Mütze und sein Esel. Seine Anekdoten erfüllen spezifische Funktionen und bleiben weit über seine Zeit hinaus lebendig. Er steht für die mögliche Emanzipation des Menschen gegenüber der Norm und Ordnung überhaupt. Goha, der historisch heimatlos ist, wurde als Volksheld aufgefasst. Er ist wie der Narr, der ein leeres Gefäß ist, in das die verschiedenen Zeiten ihre verschiedenen Gehalte füllten. So kam er an und ist „ewig“ geworden.(37)Man hat früh erkannt, dass die Schwänke des Volksbuches Gohas inhaltlich so auseinandergehen, dass einige Quellen behaupten, sie können nicht auf eine Person bezogen werden.

Goha lebte arm und starb arm, verlassen und elend. Nie hielt er Geld als Kapital, sondern nur zu seinem Lebensunterhalt. Kennzeichen für Gohas Wesen ist der „ständige Wechsel des Ortes und der Maske, und die Fähigkeit, gleichzeitig in allen Ständen und Lebensbereichen zu Hause zu sein.“(38) Obwohl ohne Ausbildung, zeigte Goha sich geschickt im Umgang, sowohl mit Bürgern und einfachen Leuten als auch im Kreis von hohen geistlichen und weltlichen Herren. Nirgends aber hielt es ihn lange in einer Stellung oder an einem Ort, ohne erkennbaren Zweck ist das ruhelose Wandern dieser Figur ihr eigentliches Lebenselement. Goha ist vogelfrei, d.h. er sichert sich mit Gelegenheitsarbeiten seine Freiheit. Er erscheint als Bäcker, Schneider, Schuster, Arzt usw.

Zweck und Absicht sämtlicher Gohasschwänke scheint es zu sein, zu verstören, zu verwirren, durch Konfrontierung mit dem Ungewohnten Überraschung und Verblüffung zu erregen. Die Schwänke sind also geiwssermaßen ein Selbstzweck, Gohas Schalkhaftigkeit ist ein Zwang, das zu tun, was von den anderen Menschen nicht für möglich gehalten wird.(39) In einigen Schwänken besteht Gohas Funktion darin, als Schalk seinen Mitmenschen in Konventionen, Gewohnheiten und Vorurteilen den Spiegel des Lebens vorzuhalten und die Widerspüche aufzudecken, die zwischen der Wirklichkeit und dem Zwang der Moral,der Sitte und der Religion bestehen. In ihm tritt der gesunde, lebenskräftige Volksnarr, der Unterhalter, der die Gesellschaft durch Spott zum Lachen bringt, klar und deutlich hervor.

Das Leben Gohas war eine Kette derber, bitterster, aber vom Humor der Überlegenheit und Zuversicht überstrahlter Protestaktionen gegen die Unterdrückung des Volkes. Er war Wahrheitssucher und Menschenfreund. Goha entlarvt die Ungerechtigkeit und Dummheit. Er schadet den Reichen und Mächtigen. Das Objekt seiner Kritik waren auch Könige, Herzöge, Landgrafen, wie zum Beispiel die Person Taymurlank, der grausame Tyrann mit einem blinden Auge und einem lahmen Fuss, der zur Zeit Gohas geherrscht hat. Die Opfer Gohas reagierten meist auf die Streiche mit einer merkwürdigen Mischung von Ärger, Betroffenheit und Verblüffung, die sich je nach Charakter in Zorn oder Gelächter äußerte.

In der Welt, in der sich Goha bewegte, der Welt der Kleinbürger, Handwerker und Kaufleute u.a. ist Goha der einzige, der sich an keine Norm gebunden und gegenüber keinen Gesetzen verpflichtet fühlt. Während alle anderen Menschen, die er trifft, sich in festen Bahnen bewegen und durch Gewohnheiten gefesselt sind, die ihnen ihr Stand oder ihr Beruf vorschreibt, führt er unter ihnen ein völlig ungebundenes Leben, das sich selbst Gesetz ist und deshalb ständig mit den Normen und den Gesetzen der Allgemeinheit in Konflikt gerät. Er präsentiert ein anderes, neues und überraschendes Gesicht je nach Laune oder Gelegenheit und ist sehr gutmütig, witzig, satirisch oder streng, so wie es die Gelegenheit fordert. In seinen Erlebnissen und Weltreisen, geht der Spaßmacher aus seinen Abenteuern immer als Sieger hervor, da er blitzartig denken kann und auch wegen seiner Überlegenheit, seines Witzes und seines Einfallsreichtums oder auch wegen der großen Unbedenklichkeit in der Wahl der verwendeten Mittel. Goha liegt nichts ferner, als die Welt zu verändern. Als Narr ist er heroisch und kein Moralist. Das Argument des Narren ist nicht zu widerlegen. Es geht Goha darum, die gesellschaftliche Hierarchie zu entlarven.

Zeitlosigkeit in Stoff und Motivik und Zeitbedingtheit in Funktion und Aussage ist typisch für die Gattung des Schwankromans. In der schalkhaften Person verbirgt sich eine tiefe Weisheit, die aus ihm zu allen Zeiten sprach. Er entdeckt die Widersprüche im täglichen Handeln und Reden.(40) Diese Schalkfigur hat sich nie etwas mit Gewalt angeeignet, Waffen sind ihm wesensfremd. Seine Mittel waren der gutmütige Humor. Wortspiel und Wortwitz spielen in den meisten Schwänken eine große Rolle. Durch Spott wird die Gesellschaft zum Lachen gebracht. Der Stil der Schwanksprache ist einfach, schlicht, benötigt keinen großen Wortschatz und kennt auch viele Wiederholungen und stereotype Wendungen. Die Sprache ist einfach, aber treffend. Die Methoden, die Goha benutzt, wechseln ständig, aber die Wirkung ist immer gleich. Deshalb hatten die Schwänke Gohas eine eigentümliche Faszination auf das Publikum. Die satirischen Elemente in den Schwänken Gohas erfüllen wichtige erzieherische Funktionen.

Die Schwänke, die Goha in der Jugend verübte, unterscheiden sich ihrem Charakter nach nicht von der späteren Zeit, sie sind also austauschbar und lassen sich umstellen oder ergänzen. Drei Charaktere begleiten Goha in der arabischen Literatur immer, sie sind eine Art Vervollständigung seiner Persönlichkeit: seine Frau, sein Sohn und sein Esel. Gohas Frau, hässlich und starrköpfig, hat das erste und letzte Wort im Haus. Deshalb gibt es ständig Auseinandersetzungen zwischen beiden. Gohas Sohn ist ein geschwätziger und neugieriger Typ. Das Leben zwischen dem Vater und Sohn ist gekennzeichnet durch Zank und Unruhe. Der Sohn ahmt alles nach, was sein Vater tut und spricht. Gohas Esel, das dumme, faule und starrköpfige Tier, geht Goha meistens auf die Nervern und bringt ihn außer sich. Allerdings ist weder von Mutter und Vater noch von seiner Kindheit bei Goha die Rede.

Goha, der eine große, runde, bunte Mütze aus Baumwolle auf dem Kopf trägt, hatte ein langes Leben und wurde ganz normal – nach den religiösen Sitten – ca. im Jahre 1305 beerdigt. Goha war mit seinen Wundertaten auch lange nach seinem Tode bekannt. Sein Grabmal wird heute noch von Verehrern besucht.

5. Gohas Weisheit in Redensarten und Sprichwörtern

Heute haben sich einige ausgestorbene oder auch verlorengegangene Volkserzählungen in Sprichwörtern zum Teil noch erhalten und sind uns nur in diesen greifbar. So können Sprichwortanspielungen in der Literatur sogar aus Zeiten sein, aus denen wir keine systematischen Aufzeichnungen und Sammlungen besitzen.(41) Neben Anekdoten bilden Sprichwörter einen großen und wichtigen Teil der orientalischen bzw. ägyptischen Weisheitsliteratur. Die Sprichwörter bedienen sich konkrete Namen, um bestimmten Handlungen, Eigenschaften und Zuständen eine greifbare Anschaulichkeit zu verleihen.(42)

In der arabischen bzw. ägyptischen Literatur verdankt die Figur Gohas ihre Berühmtheit nicht nur den lustigen, ironischen, im Volk lebendigen Geschichten und Anekdoten, sondern sie spielt auch eine wichtige, bedeutende und belehrende Rolle in den ägyptischen Sprichwörtern. Goha erscheint in den Sprichwörtern in unterschiedlichen Formen, Bildern und Merkmalen. In vielen Fällen ist Goha der Kluge und Weise, der dem Volk durch ein eigenes Erlebnis Wiesheit vermittelt, wie im folgenden Sprichwort.(43)

قالوا: يا جحا ، مراة أبوك بتحبك . قال : هى اتجننت ؟
(Man sagt: Deine Stiefmutter liebt dich, Goha. Er sagt: Ist sie nicht mehr bei Sinnen?)

Hier betont Goha die Beziehung zwischen den Frauen und den Kindern ihrer Männer. In einer Anzahl von Sprichwörtern über Goha wird ein Zerrbild seines Verhaltens gegenüber den Menschen aufgedeckt, besonders gegenüber seiner Frau, wie im Folgenden:

قالوا: يا جحا ، فين بلدك ؟ قال : اللى امراتى فيها .
(Man sagt: Wo ist dein Vaterland, Goha? Er antwortet: Es ist dort, wo meine Frau lebt.)

Egoismus und Selbstbewusstsein sind wichtige Faktoren in den Sprichwörtern über Goha:

قالوا : يا جحا ، امتى تقوم القيامة ؟ قال :لما أموت أنا .
  (Man sagt: Wann ist der Jüngste Tag, Goha? Er antwortet: Wenn ich sterbe.)

Hier erkennen wir die Neigung der Sprichwörter zur hyperbolischen Übertreibung, zur Drastik und Groteste.
Goha tritt auf als der Allwissende, hier in Sachen Heirat, zum Beispiel in folgendem Fall:

سألوا جحا عن الزواج . فقال : الله يقطع اللى اتجوزوا قبلى و اللى اتجوزوا بعدى . فسألوه : ماذا تقصد؟ فقال : اللى اتجوزوا قبلى لم ينصحونى ، و اللى اتجوزوا بعدى لم يستشيرونى .
(Man fragte Goha nach der Heirat. Er sagte: Gott verdamme diejenigen, die vor und nach mir heiraten. Dann fragten sie: Was meinst du damit? Er sagte: Diejenigen, die vor mir heirateten, haben mich nicht beraten; und diejenigen, die nach mir geheiratet haben, haben mich nicht danach gefragt.)

Von diesem Egoismus handelt auch das folgende Sprichwort:

جحا أولى بلحم طوره .
(Nur Goha gehört das Fleisch seines Ochsen.)

In manchen Sprichwörtern wird Goha als dummer Mensch hingestellt, wie im Folgenden:

قالوا: يا جحا ، فين مراتك ؟ قال: بتطحن بالكرا . قالو: و طحينك ؟ قال: كريت عليه . قالوا: كنت خلى مراتك تطحنه .
(Man sagt: Wohin ist deine Frau gegangen? Er antwortet: Meine Frau mahlt für andere gegen Lohn. Sie fragen: Und dein Korn? Er sagt: Ich habe jemanden gegen Lohn damit beauftragt. Sie sagen: Du solltest deine Frau es mahlen lassen.)

Ein häufiges Thema, das in den Sprichwörtern immer wieder in verschiedenen Schattierungen auftaucht, ist das Problem des Geizes und der Vorsicht.

قالوا : يا جحا عد غنمك . قال : واحدة نايمة ، وواحدة قايمة .
(Sie sagen zu Goha: Zähle deine Schafe. Er antwortet: Wozu die Zählerei? Eins liegt und das andere steht.)

Wie auch in weiteren Sprichwörtern wird Goha als Beispiel des Geizes und der Vorsicht dargestellt:

جحا طلع النخلة و خد بلغته معه
(Goha hat die Palme erklettert und hat seine Schuhe mitgenommen.)

Das oben genannte Sprichwort ist ein typisches Sprichwort, wo sich Schlauheit mit Weisheit paart.
In der Person Gohas wurden Erfahrungen und manchmal auch optimistische Ansichten mancher Leute aus dem Volk überliefert, zum Beispiel in folgendem Sprichwort:

قالوا : يا جحا ، عد موج البحر . قال: الجيات أكثر من الريحات .
(Man sagt: Goha, zähle die Meereswellen. Er antwortet: Die Kommenden sind mehr als die Weggehenden.)

Hier betont der Volksheld Goha, dass man nicht an das Vergangene denken soll, denn es kommen immer wieder andere neue, schöne, fruchtbare Zeiten mit vielen guten Ereignissen, die man nicht zählen kann.


Fußnoten:

1 Zur Bedeutung von „Schalk“ vgl. Steiner, G. (1959): Zur Exegese des Volksbuchs von Till Eulenspiegel, 141; Wiswe, H.: Sozialgeschichtliches um Till Eulenspiegel II, 176f.; Lindow, W. (1979): Der Narr und sein Publikum. In Eulenspiegel. Interpretationen; Der Schalk im Spiegel der Forschung, hrsg. v. Werner Wunderlich, München 1979. (182-186), hier S. 183; Könneker, B. (1970): Das Volksbuch von Ulenspiegel. In: Eulenspiegel. Interpretationen, a.a.O., S. 108 -130, hier S. 110; Schmidt, L.: Die Volkserzählung, 299; Braak, I. (1980): Poetik in Stichworten, Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe, Kiel, S. 198, 206.
2 Grundwissen. Deutsche Literatur (1976), bearbeitet von Karl Kunze / Heinz. Obländer, Stuttgart, S. 15. Vgl.: Metzler Literatur Lexikon, Hrsg. G. / I. Schweikle, Stuttgart 1984, S. 13f.
3 .11 شوقى ضيف، الفكاهة فى مصر، دار المعارف ، القاهرة ،1988، ص (Sauqi  Daif, al- fukaha fi misr: Der umor in Ägypten, Kairo,11.
4 .86 ، 85 عباس محمود العقاد، جحا الضاحك المضحك، دار نهضة مصر للطباعة و النشر ، االقاهرة ، ص (Abbas  Mahmoud al-'Aqqad, Goha al-dahik al-mudhik: Goha der Spassmacher, der Lachende,  Kairo, 85f.
5 Einige Bücher sind: البيان و التبيان للجاحظ (al-bayan wa al-tibyan: Die Mitteilung und die Erklärung); أخبار الحمقى والمغفلين لابن الجوزى (Ibn al-Gauzi, ahbar al-hamqa wa al-mugaffalun: Nachrichten der Narren und der Unachtsamen); المحاضرات لأبى القاسم الراغب الأصفهانى (al-Asfahani, al-muhadarat: Die Vorlesungen).
6شوقى ضيف، الفكاهة فى مصر، ص 26، 27.  (Daif, a.a.O., 26f.
7 Ebd ., S. 32f.
8 Ebd ., S. 40f.
9 Ebd ., S. 83.
10 Ebd ., 22.
11 Ebd ., 167.
12 عباس محمود العقاد، ص 144.  (al-'Aqqad, a.a. O., 144)
13 فهمى عبد اللطيف، جحا قال لى، المكتب االمصرى الحديث للطباعة و النشر ، القاهرة ، ص 5.  (Fahmi 'Abd al-Latif, Goha   : Goha sagte mir, Kairo, 5.
14 142, 143. a.a.O., عباس محمود العقاد (al-Aqqad, a.a.O., 142f.)
15A  .a.O., 81:    . شوقى ضيف ((Daif, a.a.O., 81)
16 شوقى ضيف،    82.    ebd.
17  عباس محمود العقاد، 103. (al-Aqqad, a.a.O., 103)
18 Ebd .
19 Ebd .
20 Ebd .
21 Ebd .
22 Ebd ., S. 102.
23 Ebd ., S.101, S. 142
24 Ebd ., S. 142f.
25 Ebd .
26 فهمى عبد اللطيف، ص 10.  (al-Latif, a.a.O., 10)
27 Ebd .
28 Ebd ., S. 11.
29 Ebd.
30 Ebd ., S. 12.
31 عباس محمود العقاد، ص 139.  (al-Aqqda, a.a.O., 139)
32 Ebd ., S. 139.
33 Ebd ., S. 139.
34 Ebd ., S. 144f.
35 Ebd ., S. 100.
36 Ebd ., S. 103f.
37 Haug, W.: A.a.O., S. 202f.
38 Könneker, B.: A.a.O., S. 117.
39 Könneker, B.: A.a. O., S. 118.
40 Haug, W.: A.a.O., S. 203.
41 Röhrich, L.: A.a.O., Lexikon sprichwörtlicher Redensarten, Bd.1, Freiburg, 1977, S. 250.
42 Ebd ., S. 83f.
43 Die Übersetzung will so weit wörtlich sein, wie es irgendwie mit dem deutschen Sprachempfinden vereinbar ist. Ich bin insbesondere bemüht gewesen, den Bilderreichtum der Sprache zu erhalten und durch die Art der Wiedergabe Verständnis für seinen Eigenwert zu wecken. Um es dem abendländischen Leser nahezubringen, mussten einige Veränderungen vorgenommen werden.

1.9. Lachen und Ernst

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TRANS
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INST

For quotation purposes:
Mona Noueshi: Lachen und Ernst in arabischen Anekdoten und Redewendungen - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/1-9/1-9_noueshi.htm

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