Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | April 2010 | |
Sektion 2.10. | Kartosemiotik und geographisch-räumliche Abbildungen / Cartosemiotics and geographical images Sektionsleiter | Section Chairs: Alexander Wolodtschenko (Dresden) und Dmitry Zamyatin (Moskau) |
Sektionsbericht 2.10.
Kartosemiotik und geographisch-räumliche Abbildungen
Alexander Wolodtschenko (Dresden) [BIO]
Email: alexander.wolodtschenko@mailbox.tu-dresden.de
Eine kartosemiotische Sektion arbeitet schon das zweite Mal an den projektbezogenen INST-Konferenzen (IRICS-2005, KCTOS-2007) in Wien, der Kulturweltstadt. Das ist nicht zufällig. Die Erforschung von regionalen und transnationalen Kulturprozessen schließt auch kartosemiotische interdisziplinäre Komponenten ein. Im Rahmen dieser Kulturprozesse nimmt auch die raumbezogene Wissensentwicklung und –akkumulation einen wichtigen Platz ein. In diesem Zusammenhang hat die Kartosemiotik mit ihrem großen kommunikativen, multimedialen und synergetischen Potential noch viel zu tun.
Im Rahmen der Neuen Kartosemiotik oder Metakartosemiotik sind interdisziplinäre Fragenstellungen und Diskussionen mit neuen angewandten Richtlinien in der Forschung und Lehre verbunden. Sie charakterisieren auch eine Bildung des neuen kartosemiotischen Paradigmas mit dem Übergang von der Semiotik der Zeichen, graphischen Primitiven und Variablen zur Semiotik der raumbezogenen Wissensmodelle (z.B gedruckte und elektronische mono- bzw. multimediale kartographische, kartenverwandte und kartographisch-textuelle oder Mix-Modelle).
In der Sektion wurde der Versuch unternommen, eine interdisziplinäre Diskussion von Kartographen, Kartosemiotikern, Geographen, Kulturologen, Ingenieuren und allen, die sich mit Untersuchungen bzw. Nutzung, Analyse und Interpretation von diversen kartosemiotischen Modellen (Topo- und Themakarten, Atlanten, Luft/Satellitenbilder, Anamorphoten/Kartoiden usw.) beschäftigen, zu führen. Ursprünglich für zwei Tage geplant, wurde die Arbeit der Sektion aus organisatorischen Gründen auf einen Tag zusammengelegt. Die Sektionsbeiträge wurden am 8. Dezember 2007 in der gemütlichen Volkshochschule Brigittenau in zwei Sessionen mit sechs PowerPoint Präsentationen und 11 Postern sowohl mit kartographisch-semiotisch orientierten Fragestellungen als auch geographisch-semiotischen und methodisch-interdisziplinären Darlegungen zur Diskussion gestellt. Alle Vorträge und Poster kann man in vier thematische Gruppen gliedern.
Die erste Gruppe schließt sechs Beiträge von Anatoli Elchaninov (Moskau, Russland), Kristina Gurjanovaitė (Vilnius, Litauen), Peter Jordan (Wien, Österreich), Nataliya Polyakova (Kyiv, Ukraine), Irina Rotanowa (Barnaul, Russland) und Alexander Wolodtschenko (Dresden, Deutschland) ein, die zur atlaskartographischen und atlaskartosemiotischen Forschung gehören. Es ist deutlich zu sehen, dass die Natur gedruckter und elektronischer Atlanten als meta-semiotische Modelle noch nicht genug untersucht ist und weitere interdisziplinäre Erforschung braucht.
Mit fünf Beiträgen wurden in der zweiten Gruppe von Dmitry Zamyatin, Nadezhda Zamyatina, Olga Lavryonova, Ivan Mitin (alle Moskau, Russland) und Kamilya Kelgenbaeva (Bishkek, Kyrgyzstan) ausgewählte Beispiele der geographisch-orientierten Forschung mit nichtkartographischen Traditionen präsentiert.
In die Gruppe 3 mit vier Beiträgen von Emanuela Casti (Bergamo, Italien), Georg Gartner | Markus Jobst (Wien, Österreich), Horst Kremers (Berlin, Deutschland) und Florian Hruby (Wien, Österreich) wurden interdisziplinäre semiotisch-pragmatische Fragenstellungen mit neuen theoretischen bzw. methodisch-angewandten Aspekten aus der Geographie, Kartographie und Informatik dargelegt und diskutiert.
Die letzte Gruppe 4 „ Kartosemiotische Publikationen“ wird von zwei neuen Beiträgen von A. Wolodtschenko (Deutschland | H.Schlichtmann (Kanada): Ten years and ten issues of discussion-paper series in cartosemiotics/1988-2007/ und E.Casti (Italien) | A.Wolodtschenko (Deutschland) | D.Zamiatin (Russland): Selected monographic works in cartosemiotics gebildet. Es wurden folgende Publikationen präsentiert:
Diese ausgewählten monographischen Arbeiten dienen der Popularisierung des neuen kartosemiotischen Wissens, wo ihre Akkumulation mit kartographischen und nichtkartographischen Traditionen fortgeführt wird.
Die Kartosemiotik als eine Verbindungsdisziplin zwischen der Kartographie und Semiotik ist ein wesentliches Element der räumlichen Kommunikation in der modernen Informations- bzw. Wissensgesellschaften geworden. Leider war die Kartosemiotik eine lange Zeit nur auf die klassische Zeichentheorie in der Forschung und Lehre orientiert und beschränkt. In Deutschland führte eine solche Position mit konservativen und sogar wissenschaftsfremden Erscheinungsformen zur theoretischen Stagnation bzw. in ein „kartosemiotisches Koma“.
Einige Wissenschaftsdisziplinen auch Geowissenschaftsdisziplinen haben basierend nur auf technologischen (geoinformatischen) Umorientierungen eine Kluft zwischen ihren modernen Wissensprodukten (z.B. Minidisplay-Navigationskarten, kartographische Animationen, Geovisualisierungen usw.) und dem Kartenverständnis/ –interpretation ausgelöst. Das Problemfeld „Kritisches GIS“ war nicht zufällig bei Geographen ausgeprägt, wo Defizite von kartosemiotischen Wissen zu bemerken sind. Gerade der Umgang mit der Kartensprache als System (auch als KartenSprachenInformationsSystem/KSIS) von graphischen, mathematischen, ikonischen und verbalen (Sub)Sprachen ist geeignet für die Erkenntnisgewinnung und –vermittlung in kompetenter Form.
Das digitale Zeitalter diktiert die Bedingungen des virtuellen und flexiblen raumbezogenen Wissens. Dieses Wissen ist aber nach wie vor nur ein Privileg der modernen Wissensgesellschaften. Eines ist hier unbestritten, das Kartenwissen ist auch im digitalen Zeitalter unersetzlich, aber ohne Kartenverständnis bedeutet Kartenwissen nichts.
Die erfolgreiche Sektionsarbeit zeigt deutlich, dass die Akkumulation kartosemiotischen Wissens mit kartographischen und nichtkartographischen Traditionen weitergeht, wenn auch nur enthusiastisch und nicht in rasantem Tempo. Denn - ohne Traditionen gibt es keine wissenschaftlichen Schulen.
2.10. Kartosemiotik und geographisch-räumliche Abbildungen / Cartosemiotics and geographical images
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