TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr.
März 2010

Sektion 2.5. Übersetzung und Kulturtransfer
SektionsleiterInnen | Section Chairs:
Aleya Khattab (Universität Kairo) und Ernest W. B. Hess-Lüttich (Universität Bern)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Die Maßstäbe der Übersetzungskritik:

Die Grundlagen der Übersetzungskritik als künstlerische, wissenschaftliche, philosophische und hermeneutische Tätigkeit

Muharrem Tosun und Sevinç Kabukcik (Universität Sakarya, Türkei)

Email: mtosun@sakarya.edu.tr

 

Einleitung

Der traditionelle Charakter der Übersetzungskritik beruht auf der Erfassung der Satz- und Wortfehler und auf ihrer Offenbarung. Die Methoden der Kritik sind Widerspiegelungen der linguistischen Methoden. Es ist aber offen, ob die Korrektur von solchen sprachlichen Fehlern, die Übersetzungsfehler nicht aufheben können. Mehr noch sucht die Übersetzungskritik Lösungen auf die Frage, welche Entscheidungen eine Übersetzung, die keine sprachlichen Fehler enthalten, beeinflussen. Das Problem der Übersetzer fokussiert sich nicht nur auf die linguistischen, sondern mehr noch auf Sachwissen, Sachinteresse, Leserwissen und Leserinteresse.

Die negative Kritik, die den generellen Charakter der meisten Kritiken ausmacht, macht sich auch bei der Übersetzungskritik bemerkbar. Das Bestreben dieser Fehlersuche hat verursacht, dass eine falsche Art der Kritik – die subjektive Kritik heißt – in den Vordergrund getreten ist. Die Übersetzungskritik sah die Feststellung der sprachlichen und linguistischen Fehler der Übersetzung als eine wissenschaftliche Methode der Kritik an. Die wissenschaftliche Kritik ist gegen die subjektive Kritik, weil sie die Entwicklung von Maßstäben verhindert, aber ihr Streben nach Objektivität führt sie wiederum zu neuer Subjektivität. Es bedeutet aber auch nicht, wenn eine Kritik wissenschaftlich heißt, dass sie auf jeden Fall objektiv ist. Die Methoden der Kritik haben Schwierigkeiten ausreichende Bezugspunkte zu finden. Der Grund dafür wird als Misstrauen gegenüber wissenschaftliche Methoden aufgezeigt, aber der wahre Grund ist nicht das Aufkommen gegen die Wissenschaftlichkeit. Insbesondere die Auffassung der Sozialwissenschaften, die die wissenschaftliche Kritik als gleichwertig mit der objektiven Kritik ansieht, setzt für die objektive Kritik Maßstäbe fest, führt Kritikregeln ein, die die Kritik noch mehr in die Sackgasse führt.

Der Kritiker kann nicht eine gesunde Kritik verwirklichen ohne in Betracht zu ziehen, wie der Übersetzer unter welchen Voraussetzungen mit dem Text als Objekt eine Beziehung eingeht und was seine Interpretation für den Leser bedeutet. Ein Kritiker muss einen Text in seiner Entstehung, seiner Philosophie und Ästhetik und in der Voraussetzung, in dem er sich befindet, interpretieren können.     

Bei der objektiven Kritik wird die Subjektivität des Kritikers und des Textverfassers in Betracht gezogen. Die subjektive Kritik als eine Art der Kritik ist nicht die Kritik der eigenen Subjektivität des Kritikers, sondern es ist eine Kritik, in dem bewusst ist, dass der Übersetzer ein Subjekt ist und den Text und die Umgebung subjektiv wahrnimmt und dass die eigene Wahrnehmung des Kritikers subjektiv ist.

Objektivität bei der Kritik bedeutet, dass das Subjekt in allen Perioden der Geschichte in ihrer Beziehung zum Objekt und mit der Natur auf objektiver Interpretation basiert. Maßstäbe festsetzen bedeutet aber nicht Regeln festsetzen. Mit der Festsetzung der Maßstäbe wird der Übersetzer nicht eingeschränkt, sondern im Gegenteil wird die Freiheit des Übersetzers garantiert, dass er nicht eingeschränkt werden kann. Die Wissenschaftstheorie beweist, dass die wissenschaftliche Objektivität keine generelle Objektivität besitzt und dass sich in der wissenschaftlichen Entwicklung die Objektivität mit der Wahrnehmung des Subjekts verändern kann.

Eine Methode der Kritik kann sich nicht nur mit seiner eigenen Kritikkenntnis seines Fachbereiches begnügen. Wie der Wissenschaftler, der sich nicht nur mit seiner eigenen Fachkenntnis begnügen darf und das Bedürfnis auf Wissenschaftstheorie, wissenschaftliche Philosophie und andere Disziplinen hat, hat auch der Kritiker das Bedürfnis zu wissen wie sich die anderen wissenschaftlichen Annäherungen entwickeln.             

Um in der Kritik erfolgreiche Annährungen entwickeln zu können, muss man im Zusammenhang mit fundamentalen Gesichtspunkten spezielle Theorien der Kritik entwickeln, mit denen alle wissenschaftlichen Disziplinen ihren eigenen Weg finden können. Ausgehend von den Ansätzen, die für den Kritik ein gemeinsames Fundament bilden und ausgehend von dem Dreieck Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft, die einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben, ist unser Streben in den Bereichen der Sozial- und Naturwissenschaften eine Theorie zu entwickeln. Es darf nicht vergessen werden, dass die Wissenschaft, Kunst und Philosophie nicht aus verschiedenen Bereichen entstammen, sondern im Gegenteil sich ergänzen und dass diese drei Bereiche die Voraussetzung für die Bildung der Wissenschaftstheorie aufbereiten.

In der Geschichte der Textinterpretation galten die Interpretationen der Textschreiber für die heiligen Bücher und literarische Texte als absolut. Und das Prinzip der Ungültigkeit der anderen Interpretationen wandelte sich zu einer subjektiven Interpretation. Unter Objektivität verstand man die Suche nach den Äußerungen des Autors. Die traditionelle Hermeneutik entwickelte eine Theorie, die nicht die Interpretation des Lesers, sondern die Objektivität der Interpretation suchte und widersprach sich damit selbst. Die antihermeneutischen Ansichten, erscheinen so als ob sie die Objektivität vertreten, aber in der Wahrheit vertreten sie die Ansicht, dass es sehr viele Interpretationen geben kann und dass in der Wahrheit der Text oder das Werk keine Wirklichkeit darstellt.

Die Wahrnehmung des Textes in Unabhängigkeit vom Autor als zweite Phase der Hermeneutik, brachte wieder ein Problem der Objektivität hervor. Strukturalistische und zeichentheoretische Auffassungen vertreten die Meinung, dass der Text und das sprachliche Zeichen eine absolute Bedeutung haben und dass diese unabhängig vom Autor und Leser die eigene Wirklichkeit des Textes ist. Bei der Entwicklung der Zeichentheorie nach Saussure stellte sich heraus, dass neben der zweifachen Funktionalität des sprachlichen  Zeichens, noch die Eigenschaft existiert, vom Zeichenbenutzer interpretiert zu werden. Die Forschungen mit der Behauptung, dass Texte in Unabhängigkeit vom einem Interpreter keine einzige Bedeutung haben, führte zur Entwicklung von leserorientierten Theorien.

Die Interpretation des Lesers hat keine absolute Geltung, diese könnte man als historische Interpretation benennen, die zu jenem Zeitpunkt Gültigkeit haben. Ein Leser kann einen Text aus sehr vielen verschiedenen Blickwinkeln interpretieren. Die Interpretation kann sowohl vom Text als auch vom Autor nicht begrenzt werden, denn sogar die Autoren, die noch am Leben sind, erläutern die Wahrheiten in ihren eigenen Text nicht, sondern sie interpretieren ihre Texte. Diese Autoren vertreten die Meinung, dass ihre Texte auch verschiedene Bedeutungen haben könnten. (Tosun, 2007:7)

Die Maßstäbe, die wir in unserer Einführung festgestellt haben, bilden den Ausgangspunkt für unsere Hypothese, die wir als die vier Grundlagen der Übersetzungskritik benennen.       

 

Wissenschaftstheoretische Grundlagen der Übersetzungskritik

Die Kritik im Allgemeinen und die Übersetzungskritik in ihrer Eigenschaft auf wissenschaftlicher und künstlerischer Weise zu untersuchen widerspricht nicht den Entwicklungen der Theorien der Wissenschaft. Die Beobachtungen der Wissenschaftler müssen intuitiv, kreativ und teleologisch sein, sonst können wissenschaftliche Forschungen nicht entwickelt werden. Die Intuition und die Kreativität von Übersetzern und Kritikern verläuft in bestimmten Phasen künstlerisch und in bestimmten Phasen wissenschaftlich. Aus diesem Grunde wird der Übersetzungsprozess als künstlerischer, subjektiver und kreativer Prozess wahrgenommen und der Zieltext als Produkt der Übersetzung als objektiver und wissenschaftlicher Text untersucht.

Die Begriffe Wissenschaft und Kunst werden unterschiedlich behandelt, aber wenn der Mensch als Subjekt darin mit einbezogen wird, merken wir, dass die Weltanschauung desselben Menschen, sowohl bei der künstlerischen als auch bei der wissenschaftlichen Haltung, nur von dem Unterschied der Interpretation bestimmt wird. Diese Interpretationsunterschiede treten in den späteren Phasen der Methode als verschiedene Stufen auf. Wenn wir die Vorstellungen untersuchen, schreiten wir mit der Kunst, wenn wir die Objekte untersuchen, schreiten wir mit der Wissenschaft fort. In der Philosophie kommen diese zwei Methoden zusammen und bilden die gesellschaftliche Sicht und die Entwicklung. Sowohl die Kunst als auch die Wissenschaft ändern die Umgebung und die Natur des Subjekts. Durch das Zusammentreffen der Kunst und der Wissenschaft wird die Weltanschauung des Menschen bestimmt. Aus dieser Zusammenkunft und Umwandlung kommen moderne und postmoderne Epochen zustande. Die Moderne und die Postmoderne sind genauso künstlerisch wie wissenschaftlich. Man braucht diese zwei Gesichtspunkte nicht auf alle Wissenschaftsbereiche, auf die Kunst, auf die Gesellschaft und auf die Kritik auszuführen, denn diese Entwicklung als eine Atmosphäre beeinflusst schon die ganzen Handlungen der Menschen. 

Bei der Kritik der Übersetzungstheorien benutzen wir die Theorien, die derzeit gültig sind. Die ganzen wissenschaftlichen Kritisierungen sind subjektiv und geschichtlich, da sie im Zusammenhang mit damaligen gültigen Theorien durchgeführt worden sind. Hier können wir als wichtige Anhaltspunkte den Paradigmenwechsel und die Paradigmenbegriffe von Kuhn nennen. Die bestehenden Paradigmen beeinflussen uns und mit dieser theoretischen Sicht des Paradigmas entwickeln wir wissenschaftliche Methoden. In diesem Sinne kann auch nicht von der Objektivität der Naturwissenschaften die Rede sein, denn nachdem das vorhandene Paradigma durch ein anderes abgelöst wird, kann das betreffende Wissen als subjektiv bewertet werden.

Keine der Kritiken sind absolut, jeder neue Blickpunkt kann ihren Standpunkt verändern. In diesem Sinne kann die wissenschaftliche Kritik nicht mit bestimmten Maßstäben eingegrenzt werden und sie ist mit der Subjektivität des Autors, der geschichtlichen Periode und der wissenschaftlichen Theorie objektiv und ist nur innerhalb dieser Gültigkeit als objektive Kritik zu bewerten.  Das bedeutet, dass gemäß der Wissenschaftstheorie und dem allgemeinhin geltenden wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Paradigma gehandelt wird. Nachdem der Grund des Paradigmenwechsels auftritt, wird das alte Paradigma kritisiert; d.h. das alte Paradigma wird durch das neue theoretische Denken abgelöst und dementsprechend kommt durch dieses neue Paradigma eine wissenschaftlicher Haltung und Kritik zustande.

Wir vertreten bei den Theorien der Übersetzungskritik nicht den Standpunkt, dass die Übersetzungen nur auf wissenschaftlicher Basis untersucht werden können und dass außerhalb des wissenschaftstheoretischen Bereichs keine Kritisierungen möglich sind, sondern wir stehen auf dem Standpunkt, dass auf wissenschaftliche Daten stützende, in nicht-wissenschaftlichen Bereichen durchführbare objektive Maßstäbe zu gewährleisten sind.     

 

Philosophische Grundlagen der Übersetzungskritik

Während Kant ein Subjekt orientierte Philosophie vertrat, bildete er ein dreifaches System: Wahrnehmung des Subjekts, Umwandlung der vom Subjekt wahrgenommenen Vorstellungen und Wahrnehmung und Vorstellungsvermögen der Vernunft. Kant unterscheidet bei seiner Philosophiekritik, die er mit den Bereichen reiner Vernunft und praktischer Vernunft systematisiert hat, zwischen wissenschaftlicher und ethischer Wahrnehmung. Aus dieser Unterscheidung können wir den Entschluss fassen, dass die Kritik in subjektive und objektive Kritik geteilt werden muss.   

Diese Einteilung wurde auch von den ganzen philosophischen Ansichten, Wissenschaftstheorien und besonders von den Theorien der Ästhetik durchgeführt. Eine andere Widerspiegelung der Einteilung der Kritik im Allgemeinen und der Übersetzungskritik in ihrer Eigenschaft in „wissenschaftliche“ und „ästhetische/künstlerische“ Kritik, zeigt sich auch als eine Einteilung der Kritik in „subjektive“ und „objektive“ Kritik.  

Obwohl die Kritik die Absicht hat objektiv und wissenschaftlich zu sein, kann sie nicht eine wissenschaftliche und theoretische Kritik sein, wenn sie neben der Wissenschaftlichkeit eine ästhetische Subjektivität nicht beachtet, da die Kritik eine Handlung des Subjekts ist. Kant teilt die menschliche Handlung als Repräsentierungsfähigkeit in drei Bereiche: die erste ist die Fähigkeit der Kenntniserwerbung durch den Kontakt mit dem Objekt, die zweite ist die Fähigkeit die Beziehung zwischen Grund und Auswirkung herauszustellen und die Repräsentierung des Subjekts durch sich selbst, und die dritte ist die Fähigkeit der Repräsentierung indem das Subjekt sich selbst übertrifft.

Die in drei geteilte Repräsentierung von Kant kann in Hinsicht der Übersetzungskritik wie folgt formuliert werden: der Übersetzer nimmt die Information auf und bearbeitet sie und in Hinsicht der Bearbeitung des Wissens wird der Übersetzer kritisiert. Das ist die erste Art der Repräsentierung. Der Übersetzer, der mit seiner Umgebung in Beziehung steht, übersetzt, indem er die Ereignisse, die in seiner Umgebung stattfinden, mit ihrem Grund und ihren Auswirkungen interpretiert. Der Kritiker kritisiert in diesem Zusammenhang die Übersetzung, das ist die zweite Art der Repräsentierung. Der Übersetzer interpretiert die Wahrnehmungen und Vorstellungen mit seinen eigenen Intuitionen und Kreativität, er wandelt seine Vorstellungen unabhängig von der Erzählung in Darstellungen und in Tatsachen um. Der Kritiker kritisiert die Vorstellungen des Übersetzers, das könnte man als die dritte Art der Repräsentierung nennen.

Die Trennung der Ästhetik und Form in der Philosophie von Kant verläuft parallel zur Trennung der Bereiche in Kritik. Die Kritik der reinen Vernunft als Kritik der Form, kritisiert das Vorstellungsvermögen, das nach der Wirkung des Objekts auf das Subjekt zustande gekommen ist. In diesem Sinne ist bei der Kritik im Allgemeinen und bei der Übersetzungskritik in ihrer Eigenschaft die Reflektierung der Auswirkungen des Objekts auf den Autor oder auf den Übersetzer eine formelle Kritik. Die Kritik der praktischen Vernunft als Kritik der idealen Form ist nicht das Resultat des Vorstellungsvermögens, das nach der Wirkung eines Objekts auf das Subjekt zustande gekommen ist, sondern es ist das Resultat des Begehrungsvermögens, das in Unabhängigkeit des Objekts von der Vernunft vorgestellt wurde. In diesem Sinne werden bei der Kritik im Allgemeinen und bei der Übersetzungskritik in ihrer Eigenschaft die Begehrung der Ästhetik und die Vorstellungen des Autors und des Übersetzers kritisiert, die in der Unabhängigkeit des Objekts reflektiert wurden.

Der Übersetzer und der Übersetzungskritiker stehen, wie es Kant auch in seiner Philosophie vorgeworfen hat, einer transzendentalen Denkweise gegenüber. Der Übersetzer übersetzt entweder mit dem, was er in seinem Bewusstsein hat oder er interpretiert seine Gedanken. In diesem Sinne ist die Übersetzung ebenso eine transzendente Handlung wie subjektiv. Die Reflektion der Gedanken des Übersetzers als transzendente Denkweise ist ein Vorgang, in dem der Übersetzer den Text unter Berücksichtigung der Leser und ihrer Kultur interpretiert. Der Übersetzungskritiker kann genauso nicht wie das Subjekt selbst eine Kritik ausüben, seine Kritik muss eine transzendente Kritik sein. Wenn der Kritiker nicht mit seinem eigenen Bewusstsein, sondern mit dem das Subjekt übertreffenden Bewusstsein kritisiert, verwirklicht er einen objektiven und in der Wirklichkeit der Beziehung von Subjekt-Wesen eine transzendente Kritik. In diesem Sinne kann in der Kritik nicht von einer reinen objektiven Kritik die Rede sein.

Die objektive und subjektive Kritik vertreten eine postmoderne Sichtweise, an die wir üblicherweise in den Bereichen der Kritik nicht gewöhnt sind und entsprechen somit nicht der üblichen modernen Sichtweise. Insbesondere bei der Übersetzungskritik können die übersetzungstheoretischen Arbeiten, die sich der heutigen postmodernen übersetzungswissenschaftlichen Auffassung anpassen, als unvereinbar mit den bisherigen angesehen werden. Eines darf aber nicht vergessen werden, ohne die postmodernen Epochen kann sowohl die Moderne als auch die Wissenschaft nicht voranschreiten.

 

Ästhetische Grundlagen der Übersetzungskritik

Ein Fotograf, ein Bildhauer, ein Schriftsteller und viele andere Künstler ahmen die Originalität in ihrer Umwelt nach, meistens reflektieren sie mit ihren Vorstellungsvermögen die Ereignisse oder Tatsachen der Natur und werden somit zu Künstlern, sogar zu genialen Künstlern, obwohl dieses nichts anderes ist, als die Natur nachzuahmen und erneut wiederherzustellen. Nach dieser Auffassung kann die Fotografie, Malerei und die Bildhauerkunst nicht als Kunst bewertet werden. Diese Kunstbereiche sind eine Reflektion des Originals und sind nicht die Originale selbst. Translatorisches Handeln oder die Übersetzungskunst ist nichts anderes als solch eine Reflektion. In einer Übersetzung interpretiert ein Übersetzer die vorhandenen sprachlichen Zeichen eines Textes und gibt sie in einem anderen Text wieder und dies wird als Kunst bezeichnet.

Natürlich sind nicht alle Übersetzungen als ein Kunstwerk zu bewerten und genauso sind nicht alle Übersetzer als Künstler zu betrachten. Es ist die Denkweise, das Vorstellungsvermögen, die Interpretationsfähigkeit und die Begabung, die der Kunst eine ästhetische Form verschaffen. Ein unbegabter Übersetzer ist kein Künstler. Wenn ein Text keine ästhetischen und künstlerischen Eigenschaften hat, kann sie nicht als ein Kunstwerk übersetzt werden. Umgekehrt ausgedrückt, ein begabter Übersetzer ist ein Künstler. Die ästhetische Übersetzung eines Textes ist eine künstlerische Handlung.

Die Kunst und die Ästhetik spielen bei der Entwicklung der Theorien der Übersetzungskritik eine wichtige Rolle. Ein künstlerisches translatorisches Handeln kann nur mit einer künstlerischen Auffassung der Kritik ermöglicht werden. Die Kritisierung einer Handlung kann nicht mit der Kritisierung einer Übersetzung verglichen werden. Das translatorische Handeln, ist durch Intuition, Kreativität, Genialität und Interpretationsfähigkeit des Übersetzers zustande gekommen und hat somit in einer anderen Sprache neue Welten erschaffen. Unabhängig aus wissenschaftlichen und künstlerischen Blickwinkel zu bewerten, würde sich bezüglich der Kritik als ungenügend herausstellen. Die Übersetzungskritik wird wie bei den anderen Bereichen der Kritik, der Wissenschaft, der Philosophie, der Literatur, der Kunst, der Religion und der Sprache usw. neue Werke  erschaffen und somit die Kritik der Handlung sein.

Eine Übersetzungskritik, die die Übersetzung nicht nach ihren ästhetischen Eigenschaften kritisiert, kann nicht als eine Übersetzungskritik angesehen werden. Solch eine Übersetzungskritik kann nur eine sprachlich fundierte Kritik sein. Die sprachliche Ästhetik ist ein untrennbares Teil, sowohl von künstlerischen und philosophischen Texten als auch von wissenschaftlichen und technischen Texten.          

Ein künstlerisches Werk wird nicht in Betracht der Empfänger angefertigt. Die künstlerischen Werke, die die Empfänger in Betracht ziehen wandeln sich zu Handwerken. Die Romane und Gedichte werden, ohne die Leser in Betracht zu ziehen geschrieben (Moran, 1991:96). Wenn sie die Leser in Betracht ziehen, verlieren sie an ihrer Kreativität, weil sie dem wahren Kunstwert objektive Eigenschaften hinzufügen. Der Übersetzer als Schriftsteller erlebt diese beiden Gefühle während seines Handelns. Einerseits verfolgt der Übersetzer eine Strategie, indem er die Leser in Betracht zieht, andererseits benutzt er während des Übersetzens seine sprachlich ästhetische Kreativität und Intuition. Während der Übersetzer einen leserorientierten Übersetzungsvorgang verwirklicht, ist er gleichzeitig ein Leser des Zielkreises. Sogar ein „Modelleser“ wie es Eco definiert hat, der sich als Textschreiber mit seinem erschaffenen Text identifiziert und somit die gleiche Handlung wie der Künstler ausübt.

Alle Übersetzungen können nicht als künstlerisch bewertet werden, aber es ist möglich sie alle als eine ästhetische Handlung anzusehen. Der wichtigste Faktor, ist die sprachliche und stilistische Ästhetik, die dem Text in allen Bereichen eine Funktionalität verschafft und die der Übersetzer dem Text beifügt. Auch wenn bei der Übersetzung von einem Brief, von einem Antrag oder von einem technischen Text keine künstlerische Kreativität gebraucht wird, werden sie keinen Gefallen finden und somit ihr Ziel nicht erreichen, wenn sie nicht mit einem ästhetischen Stil übersetzt worden sind.

Ein ästhetischer Wissenschaftszweig muss immer gegen dogmatische und normative Kritik sein. Regeln und Dogmas schränken nur die ästhetischen Handlungen ein, die das Produkt von Kreativität, Intuition und Genie sind. Wenn eine ästhetische Handlung mit Regeln eingeschränkt wird, verliert sie ihre ästhetische Eigenschaft und wandelt sich zu einer handwerklichen Tätigkeit.

Eine der wichtigsten theoretischen Ansätze, die der Übersetzungstheorie und der Theorie der Übersetzungskritik gebildet haben, ist, dass ein ästhetisches Werk nicht mit Regeln eingeschränkt werden kann und seine Maßstäbe nicht festgesetzt werden können. Übersetzungswissenschaftliche Theorien betonen jederzeit, dass die Übersetzungswissenschaft der Übersetzung keine Regeln, Maßstäbe und Normen festsetzen kann. Die Aufgabe der Übersetzungswissenschaft und der Übersetzungskritik ist, die Handlung des Übersetzers und das Produkt, das am Ende dieser Handlung zustande gekommen ist, darzustellen, und die inneren und äußeren Faktoren zu beobachten, die den Übersetzer beeinflusst haben.  

 

Hermeneutische Grundlagen der Theorien der Übersetzungskritik

Wir werden die Phasen der Paradigmenwechsel für Text und Kritik von Eagleton, die für  Kritik und Übersetzugskritik die drei wichtigsten Paradigma bilden, zur Hand nehmen. Diese sind die "Autorenzentrierte Phase", die "Textzentrierte Phase" und die "Leserzentrierte Phase". Diese drei Phasen können als die Erweiterung der Theorie der Hermeneutik oder als die verschiedene Interpretation der Theorien der Hermeneutik aufgezeigt werden. Wir müssen aber betonen, dass diese drei Gesichtspunkte heute noch gleichzeitig in allen Kritiken und Textinterpretationen verwendet werden.

Bei allen Texttypen können von diesen drei Gesichtspunkten, je nach dem Zweck der Interpretation und Kritik und je nach den Maßstäben des Kritikers, eine oder mehrere benutzt werden. Die heutigen Theorien der Kritik konzentrieren sich bei den Textkritisierungen auf die "Leserzentrierte Kritik".

Wenn wir die Übersetzung als eine Sondersorte der Textinterpretation ansehen, müssen wir wissen, dass die Übersetzung nicht nur mit einer Ansicht abgegrenzt werden kann. Die Übersetzungskritik benutzt entsprechend für jede der drei Situationen alle drei Ansichten. Der Übersetzer interpretiert den Ausgangstext, in diesem Sinne verwirklicht er eine "Textzentrierte Kritik". Die Schwierigkeiten, mit denen der Übersetzer während des Übersetzungsprozesses zu tun hat, haben notwendigeweiser zur Folge, dass der Übersetzer auf denAutor, auf die Interpretation der sprachlichen Zeichen und auf die geschichtliche Epoche des Werkes zurückgreifen muss. Die Interpretation des Übersetzers wird durch den Text begrenzt. Die Strategie der "Leserzentrierten Übersetzung", ist eine Methode, die der Übersetzer unbedingt bei allen Übersetzungsprozessen benutzen muss. Der Übersetzer interpretiert zuerst als ein Leser den Text, danach muss er als Autor den Text für eine andere Kultur neu verfassen und damit verwirklicht der Übersetzer einen intertextuellen Prozess. Das bedeutet, dass der Übersetzer den Ausgangstext und den Zieltext im Zusammenhang der Intertextualität interpretieren muss. Der Übersetzungskritiker verwirklicht eine umfangreichere Kritik als die normale Kritik, denn neben der Interpretation des Autors des Ausgangstextes, muss der Übersetzungskritiker die Interpretation des Autors des Zieltextes, den Stil des Zieltextes und die Erwartungen der Übersetzungsleser in Betracht ziehen. Aber trotzdem wird seine Kritik durch die Werk-Text-Leser Kombination, die für die normale Kritik gilt, begrenzt.    

Ein Text kann, ohne die Leser in Betracht zu ziehen, nicht kritisiert werden. Auch wenn ein Text, ohne die Leser in Betracht gezogen zu haben, geschrieben wurde, kann er vom Übersetzungskritiker kritisiert werden, wenn es vom Leser interpretiert worden ist. Der Kritiker wird in dieser Situation den Text als ein Leser mit seinen Maßstäben bewerten.

Der Übersetzungsprozess gleicht einer Textkritisierung. Der Übersetzer interpretiert den Ausgangstext und konstruiert ihn wieder durch einen Kritikprozess in der Zielsprache. Der Zieltext als ein Produkt dieses Prozesses und wird als ein Text, der vom Übersetzer produziert wurde, kritisiert. Mehr als die Übersetzung, wird die Befähigung der kritischen Annäherung des Übersetzers kritisiert. Der Übersetzer muss bei der Übersetzung von allen Texten die Leser berücksichtigen und sein Ziel ist, die Erwartungen der Leser zu erfüllen. In diesem Sinne ist der Übersetzer ein Kritiker des Ausgangstextes. Wenn von der Übersetzungskritik die Rede ist, können wir sagen, dass die erste Kritik des Ausgangstextes vom Übersetzer verwirklicht wird und die Kritisierungen des Zieltextes als eine Kritik der Kritik bezeichnet werden kann.  

Solange ein Text nicht gelesen wird, ist er ein toter Text. Ein Text gewinnt erst nachdem er gelesen wird einen Wert. In diesem Sinne sind alle Texte, solange sie nicht übersetzt werden, für die Rezipienten einer anderen Sprache tote Texte. Der Übersetzer bringt mit seiner Handlung ein stillstehendes System in Bewegung. Nur mit der Interpretation des Übersetzers und des Lesers gewinnen übersetzte Texte die Kraft, das Leben zu verändern.

Nach der Theorie von U. Eco sind die Übersetzer  Modelleser. Der Übersetzer, der verpflichtet wurde den Text zu lesen, ist ein Leser und ein Interpreter. Der Modelleser unterscheidet sich von dem anderen empirischen Leser, weil er ein Fachmann des Themas ist und weil das Thema für ihn entworfen wurde. Der Modelleser besitzt die notwendigen Fähigkeiten, um einen Text interpretieren und beurteilen zu können. Der Übersetzer im Sinne von Eco, interpretiert einen Text als ein Modelleser und stellt als ein Modellautor den Zieltext her. Der Modellautor stellt sich auf seine Leser ein, er kennt ihre Ziele, ihre Erwartungen und dass sie im Stande sind, den Text zu interpretieren und zu vervollständigen. Die Übersetzung ist also ein Text, der für den Modelleser entworfen wurde (Vgl. Eco, in Tosun, 2007: 303),

Der Übersetzer als ein Modelleser des Ausgangstextes, kritisiert den Ausgangstext, auf der anderen Seite üben die Leser der Übersetzungen, die als Lesermasse entworfen wurden,  die Tätigkeit des Modellesers aus, von diesem Gesichtspunkt ausgehend sind sie auch als Kritiker anzusehen. Die Leser der Übersetzungen sind Kritiker der Übersetzungen. Wenn die Übersetzung nicht recht verstanden wird, kritisieren sie den Übersetzer. Wenn die Leser den Text nicht verstehen, bemerken sie, dass es eine Übersetzung ist. Ab diesem Zeitpunkt lesen sie den Text nicht mehr, sondern sie kritisieren die Übersetzung. Der Leser schlüpft in die Rolle des Kritikers. Die Kritisierung des Lesers der Übersetzung ist eine stumme Provokation, aber die Kritisierung der Übersetzungskritiker wandelt aich in eine laute Handlung um.   

 

Schlussfolgerung

Die Begriffe Wissenschaft und Kunst werden unterschiedlich behandelt, aber wenn der Mensch als Subjekt darin mit einbezogen wird, merken wir, dass die Weltanschauung desselben Menschen, sowohl bei der künstlerischen als auch bei der wissenschaftlichen Haltung, nur von dem Unterschied der Interpretation herrührt. Diese Interpretationsunterschiede treten in den späteren Phasen der Methode als verschiedene Stufen auf. Wenn wir die Vorstellungen untersuchen, schreiten wir mit der Kunst, wenn wir die Objekte untersuchen, schreiten wir mit der Wissenschaft fort. In der Philosophie kommen diese zwei Methoden zusammen und bilden die gesellschaftliche Sicht und die Entwicklung. Sowohl die Kunst als auch die Wissenschaft ändern die Umgebung und die Natur des Subjekts. Mit dem Zusammentreffen der Kunst und der Wissenschaft wird die Weltanschauung des Menschen bestimmt. Aus diesem Zusammentreffen und Umwandlung entstehen moderne und postmoderne Epochen. Die Moderne und die Postmoderne sind genauso künstlerisch wie wissenschaftlich. Man braucht diese zwei Gesichtspunkte nicht auf alle Wissenschaftsbereiche, auf die Kunst, auf die Gesellschaft und auf die Kritik auszuführen, denn diese Entwicklung als eine Atmosphäre beeinflusst schon die ganzen Handlungen der Menschen. 

Die Kritik im Allgemeinen und die Übersetzungskritik in ihrer Eigenschaft auf wissenschaftliche und künstlerische Weise zu untersuchen widerspricht nicht den Entwicklungen der Theorien der Wissenschaft. Die Beobachtungen der Wissenschaftler müssen intuitiv, kreativ und teleologisch sein, sonst können die wissenschaftlichen Forschungen nicht entwickelt werden. Die Intuition und die Kreativität von Übersetzern und Kritikern verläuft in bestimmten Phasen künstlerisch und in bestimmten Phasen wissenschaftlich. Aus diesem Grunde wird der Übersetzungsprozess als künstlerischer, subjektiver und kreativer Prozess wahrgenommen und der Zieltext als Produkt der Übersetzung als objektiver und wissenschaftlicher Text untersucht.

Literaturverzeichnis

Vermeer, Hans J., Übersetzen Als Utopie, TextconText Verlag., Heidelberg 1996
Reiss, Katherina, Möglichkeiten Und Grenzen Der Übersetzungskritik, Kategorien und Kriterien für eine sachgerechte Beurteilung von Übersetzungen, Max Hueber Verlag, München 1971
Moran, Berna,   „Edebiyat Kuramlari Ve Eleştiri“, Cem Yayınevi, 8. Baskı, İstanbul 1991
Eagleton, Terry,  „Edebiyat Kuramı“, Çev. Esen Tarim, Ayrıntı Yayınevi, İstanbul 1990
Eco Umberto,   „Anlati Ormanlarinda Alti Gezinti“, Can Yayınları, İstanbul 1996   
 Eco, Umberto,  „Yorum ve aşiri yorum“, Can Yayınları, İstanbul 1996
Tosun, Muharrem, „Çeviri Eleştirisi Kuramının Temelleri“, Sakarya Yayıncılık, Sakarya 2007


2.5. Übersetzung und Kulturtransfer

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For quotation purposes:
Muharrem Tosun: Die Maßstäbe der Übersetzungskritik.Die Grundlagen der Übersetzungskritik als künstlerische, wissenschaftliche, philosophische und hermeneutische Tätigkeit - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/2-5/2-5_tosun-kabukcik17.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-05-22