TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 2.6. Übersetzung als Kulturkontakt. Übersetzungsverfahren am Beispiel von Ingeborg Bachmanns Prosa
SektionsleiterInnen | Section Chairs: Kurt Bartsch (Graz, Österreich) und Larissa Cybenko (Lviv / Lemberg, Ukraine)

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Zur Übertragung des Lokalkolorits in Ingeborg Bachmanns Roman Malina

Sevdiye Köksal (Dokuz Eylül Universität) [BIO]

Email: sevdiye.koksal@deu.edu.tr

 

1. Einleitung

„Unter Lokalkolorit versteht man die Eigenart und Atmosphäre, die einen Ort, eine Gegend oder eine Landschaft auszeichnen“, so die Definition in Wikipedia. Als Träger des Lokalkolorits sind ortsbezogene Elemente zu verstehen, darunter vor allem die sogenannten Realia oder Kulturspezifika, zu denen Objekte des Alltags, der Geschichte, der Kultur oder der Politik, aber auch Anrede-, Gruß- Abschieds-, Gebetsformeln, manche Gesten, Feiertage, Titel, Abkürzungen und ähnliche Elemente gezählt werden.

In diesem Beitrag soll untersucht werden, durch welche Elemente das Lokalkolorit in Bachmanns Roman Malina erzeugt wird. Anhand der türkischen Übersetzung des Werkes soll präsentiert werden, welcher Strategien sich der Übersetzer bei der Übertragung einzelner Elemente dieses Lokalkolorits bedient hat.

 

2. Zur Erzeugung des Lokalkolorits in Malina

Der Schauplatz des Geschehens in Malina ist die Stadt Wien. Die namenlose Ich-Figur bekennt sich zu dieser Stadt mit den Worten: „Nur in Wien habe ich zu jeder Zeit mein Leben nicht wirklich, aber auch nicht verloren gelebt“ (S. 102). Der Topos „das Haus Österreich“ sei ihr immer „am liebsten“ gewesen, denn er habe besser als alle andern Ausdrücke erklärt, was sie „bindet", wo sie „immer zu Hause“ ist. Die Bezeichnung „Land“ wäre ihr „zu groß, zu geräumig, zu unbequem“, deshalb sage sie „Land“ zu „kleineren Einheiten“ (S. 97). Ihr „einziges“, „über allem liegendes Land” (S. 48) ist ihr Ungargassenland. So bezeichnet sie ihren Wohnort, die Ungargasse im III. Bezirk, und zwar jenen Teil der Ungargasse, wo sie und die anderen Figuren, Ivan und Malina, wohnen. Zu Beginn des Romans wird die Ungargasse lokalisiert und ausführlich beschrieben: sie beginnt „an einer stillen, freundlichen Stelle am Heumarkt“. Vom Haus Nr. 6 aus, wo die Protagonistin wohnt, kann man den Stadtpark sehen, die Großmarkthalle und das Hauptzollamt; in diesem Teil der Gasse ist man noch „zwischen würdigen, verschlossenen Häusern“; nach Ivans Haus mit der Nr. 9 wird sie unruhiger, ungeordneter und planloser; sie nähert sich dem Diplomatenviertel, dem Nobelviertel‘ von Wien, läßt es rechts liegen und verläuft dann, wie es amtlich hieße, ,in großem Bogen Richtung Stadt‘ (S. 10-11). Streckenweise habe sie ein gewisses Air, etwa auf der Höhe des Consolato Italiano mit dem Instituto Italiano di Cultura, aber bei einem Blick auf die ominöse Garage für Postautos erinnere sie „an ihre ferne Jugend“, an die alte Hungargasse, in der einst die aus Ungarn einreisenden Händler ihre Wirtshäuser hatten. Wir erfahren, wodurch die Ungargasse sich bei ihr so beliebt macht: durch die kleinen Kaffehäuser, die vielen alten Gasthäuser, z.B. den Alten Heller, die Neue Apotheke, die Tabaktrafik auf der Höhe der Neulinggasse, die gute Bäckerei an der Ecke Beatrixgasse, die Garage Automag, durch die nahe liegende Münzgasse, wo sie immer einen Parkplatz finden kann.

Um so wichtiger ist es für uns, die Ungargasse kennenzulernen, weil es im Text heißt, ein Fremder würde sie nie zu Gesicht bekommen. Er würde am Schwarzenbergplatz oder spätestens am Rennweg, beim Belvedere umkehren. Trotzdem finden wir eine Wegbeschreibung für den Fremden: falls er in dem neuen Steinkasten, dem Vienna Intercontinental Hotel, logiere, könne er sie von der anderen Seite, vom Eislaufverein her erreichen, wenn er zu weit in den Stadtpark spaziere. Bei dieser Beschreibung kristallisieren sich gleichsam manche beliebte Besichtigungsorte und Unterkunftsmöglichkeiten in der Stadt heraus.

Durch die Ich-Figur finden wir Anschluß an Wien, sowie sie durch ihre Liebe, durch Ivan, Anschluß an Wien findet. Wir sind bereits darüber informiert, dass, wenn wir über die Reichsbrücke und den Praterstern, auf die Stadt zufahren, den Franz-Josefs-Kai und den Donaukanal bewundern können, dass wir über den Schottenring in die Innenstadt gelangen, wo sich die Universität, das Burgtheater, das Rathaus, das Parlament, die Peterskirche befinden. Wenn sie mit İvan durch Wien fährt, machen „diese reißenden Bilderfolgen“ sie „schwindlig“, es ist, als sähe sie auf der Ringstraße „Wunder über Wunder“ (S. 58). Während wir ihr Glück begleiten, gleitet vor unseren Augen gleichsam das Bild einer Stadt vorbei, die äußerst sehenswert erscheint.

Die Ich-Figur flaniert über den Graben, die Bellaria, durch die Mariahilfer Straße, schlendert über die Freyung, durch den Prater oder über den Lobkowitzplatz. Weil Ivan der Stadtpark zu nah ist, fahren sie zum Luftholen in den Wienerwald, auf den Kahlenberg, bis zu den Schlössern Laxenburg und Meyerling, bis nach Petronell und Carnuntum ins Burgenland hin. Den ersten warmen Tag genießen sie im Gänsehaufel, im Sommer fahren sie zum Schwimmen an die alte Donau. Ganz Wien sei im Sommer am Wolfgangsee, aber am allerschönsten sei es am Mondsee.

Die Stadt wird mitsamt Umgebung so glaubwürdig vor Augen geführt, dass eine Atmosphäre, ein Lokalkolorit entsteht, so dass der Leser, der nie in Wien war, das Gefühl bekommt, die Stadt nun gewissermaßen zu kennen.

Diesen Text, der die Tiefe der inneren Welt der Ich-Figur widerspiegelt, kann man sogar als Stadtführer oder praktischen Ratgeber rezipieren, wenn man will. Wir erfahren die Namen von beliebten Cafes und Restaurants. Wir erfahren, dass man hierzulande „einen Schwarzen“ oder „einen Braunen“ bestellt, wenn man Kaffee trinken will, dass man zum Weintrinken zum Heurigen geht, dass man in den Kaufhäusern „Gerngross“ und „Herzmansky“ in der Mariahilfer Straße billig einkaufen kann.

Der Text bietet sogar die Gelegenheit, die einheimische Küche zu studieren. So werden im Text manche Gerichte der alten Wiener Küche erwähnt wie z.B. Zwetschkenröster, Kaisererdäpfel, Husarenbraten, Griesflammeri oder österreichische Spezialitäten wie Tafelspitz, Marillenknödel, Krambambuli, aber auch ungarische Spezialitäten wie Pörkölt und Palatschinken.

Wien tritt mit seinen Gedächtnisdenkmälern hervor, mit seinen Palais (Trautsonpalais, Strozzipalais, Palais Palffy), den Schlössern und den Museen, deren Geschichte so gut archiviert sein soll, dass man „auch ohne Fremdenführer durchkommt“, heißt es.

Wir nehmen die Orte und Einrichtungen mitsamt den Assoziationen der Abneigung oder der Vorliebe wahr, welche die Ich-Figur für diese hegt: für sie hat der Stadtpark nichts mehr von dem „alten Duft aus Märchenzeit“, sie meidet die großen Kaufhäuser auf der Mariahilfer Straße, weil diese sie an den Schwarzen Markt erinnern, für sie ist es „eine Qual“, durch die Museumstraße gehen zu müssen, am Justizpalast vorbei, denn dort brenne es „täglich“ (S. 91).

Es gibt im Werk Anspielungen auf Ereignisse in der Stadtgeschichte, die mit unangenehmen Assoziationen verbunden werden, wie der angesprochene Brand des Justizpalastes (15. Juli 1927), der ehemalige Schwarzmarkt am Resselpark, die universelle Prostitution, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Stadt betrieben worden sei, Phänomene, die ihre Folgeerscheinungen im heutigen Zeitgeschen hätten. Auch Wien ist von der „Hochspannung“, von dem „Schizoid der Welt“ nicht verschont. In den Restaurants, auf den Parties, in den Wohnungen zirkulieren „törichte Redereien“, das „Gemetzel“ in der Stadt geht weiter und in diesem Gemetzel wird die Gesellschaft zum „allergrößte(n) Mordschauplatz“ (S. 290).

Die im Wiener Text von Bachmann vorkommenden ortsbezogenen Elemente sowie gesellschaftliche, kulturelle und geschichtliche Aspekte verleihen dem Text eine besondere Tonlage, erzeugen ein Lokalkolorit.

 

3. Realia als Träger des Lokalkolorits

In der Übersetzungstheorie herrscht im allgemeinen die Meinung, dass ortsbezogene Elemente der Übersetzung große Schwierigkeiten in den Weg legen können. Besonders diejenigen, die nur im Land der Ausgangssprache bekannt sind, oder diejenigen, deren Konnotation fest im Kontext verankert ist.

Im Folgenden soll kurz dargelegt werden, wie manche Übersetzungstheoretiker (Levý, Reiß, Koller, Newmark) Realia betrachten. Anschließend soll anhand der türkischen Übersetzung von Malina die Übertragung der in dem Werk vorkommenden Kulturspezifika tabellarisch aufgezeigt und kommentiert werden.

3.1. Theoretische Ansätze zur Definition und Übersetzungsstrategie

Jiri Levý betrachtet in seinem Werk Die literarische Übersetzung Realia als Bestandteile breiterer Kontexte im Lebensmilieu der einzenen Völker. „In der Übersetzung ist es nur sinnvoll“, so Levý, „die Elemente des Spezifischen, die der Leser der Übersetzung als für das fremde Milieu charakteristisch empfinden kann, zu bewahren“ (1969: 94). Levy weist allerdings darauf, dass zwischen dem Original und der Übersetzung keine Identität bestehen und man daher das Spezifische nicht bis zu letzten Konsequenz wahren könne.

Levý schlägt für die Übersetzung von kulturellen Elementen folgende Verfahren vor:

  1. Transskription (Umschrift): Übernahme eines Zeichens aus einer Sprache in eine andere (z.B. Anredeformen oder Währungen als bewusst eingesetztes Stilmittel);
  2. Substitution: die Anwendung einer Analogie in der eigenen Sprache; dieses Verfahren hält er nur dort für angebracht, wo die allgemeine Bedeutung gegenüber der besonderen überwiegt;
  3. innere Erläuterung im Text: Hinzufügung von İnformationen (z.B. bei Zeitungsnamen als kleineres Übel gegenüber der Unverständlichkeit oder der Fußnote - Fußnoten lehnt er – als Editionsapparat außerhalb des Werkes stehend – ab (vgl. 1969: 90, 98) .

Katharina Reiß definiert in ihrem Werk Möglichkeiten und Grenzen der Übersetzungskritik die Realia als ‚ortsbezogene Determinanten’, „die an Land und Volk der Ausgangssprache, darüber hinaus aber auch solche, die an den Schauplatz eines geschilderten Geschehens gebunden sind“ (1986: 77). Dabei ist der Ortsbezug eine Kategorie, die den ‚außersprachlichen Determinanten‘, d.h. der Textsituation oder dem kommunikativen Kontext zuzuordnen ist. Für Reiß stellt die Übersetzung der ortsgebundenen Realia kein großes Problem dar, da sie heutzutage durch die Massenkommunikationsmittel und den Tourismus in aller Welt bekannt werden.

Reiß betont die Abhängigkeit der Übersetzungsstrategie der Realia vom Texttyp und unterscheidet vier Übersetzungsverfahren:

  1. die Entlehnung: Übernahme der AS-Bezeichnung (ausgangssprachlichen Bezeichnung), z.B. Guerilla, Teenager etc.;
  2. die Lehnübersetzung: Bildung neuer Lexeme in der ZS (Zielsprache), z.B. Wolkenkratzer;
  3. die Übernahme des AS-Ausdrucks mit Fußnote;
  4. die erklärende Übersetzung, z.B. Retiro-Park, Puzzle-Spiel etc.( vgl. 1986: 79)

Werner Koller spricht in seiner Einführung in die Übersetzungswissenschaft von „Sachverhalte(n) politischer, institutioneller, sozio-kultureller, geographischer Art, die spezifisch sind für manche Länder“, bei denen es sich um „echte Lücken im lexikalischen System der ZS“ (Eins-zu-Null-Entsprechungen) handeln kann (2001: 232).

Zur Schließung solcher lexikalischen Lücken schlägt Koller folgende Übersetzungsverfahren vor:

  1. Übernahme des AS-Ausdrucks in die ZS
    1. als Zitatwort (Fremdwort) mit oder ohne Anführungszeichen;
    2. als vollständige oder teilweise Anpassung an die Normen der ZS (Lehnwort);
  2. Lehnübersetzung: Wörtliche Übersetzung des AS-Ausdrucks in die ZS (fast-breeder reactor: Schneller Brüter);
  3. Wahl der am nächsten liegenden Entsprechung : Als Entsprechung zum AS-Ausdruck wird in der ZS ein bereits in ähnlicher oder gleicher Bedeutung verwendeter Ausdruck gebraucht ( performance: Sprachverwendung);
  4. Explikation oder definitorische Umschreibung: Der AS-Ausdruck wird in der ZS umschrieben, kommentiert oder definiert ( non-foods – Produkte, die keine Lebensmittel sind);
  5. Adaptation: Ersetzung des mit einem AS-Ausdruck erfaßten Sachverhalts durch einen Sachverhalt, der im kommunikativen Zusammenhang der ZS eine vergleichbare Funktion bzw. einen vergleichbaren Stellenwert hat (vgl. 2001: 232-234).

Peter Newmark kategorisiert in seinem Werk Approaches to Translation die kulturellen Elemente in Texten unter „proper names“, „institutional terms“ und „cultural terms“ und gibt konkrete einzelfallorientierte Hinweise für deren Übersetzung (1981: 79ff.).

Nach Newmark werden proper names (z.B. historical figures), literary proper names (Heinich Heine) übersetzt oder naturalisiert; geographische Namen werden naturalisiert (Fribourg-Freiburg) oder nicht bzw. nur teilweise übersetzt (Towerbrücke); Anredeformen (Mr., Senor) werden übernommen; akademische oder aristokratische Titel werden übersetzt, wenn entsprechende Äquivalente existieren; Namen von Firmen, privaten Institutionen, Krankenhäusern etc. werden i.d.R. nicht übersetzt; Namen von Zeitungen etc. werden i.d.R. transkribiert (vgl. 1988: 103).

3.2. Zur Übertragung der Realia in der türkischen Übersetzung von Malina

Malina ist 1985 von dem renommierten Übersetzer Ahmet Cemal ins Türkische übersetzt worden. Ahmet Cemal, dem eine sehr überzeugende Übersetzung gelungen ist, informiert im Vorwort den Leser nicht nur über die Autorin, sondern auch über sein übersetzerisches Vorgehen. Er verweist auf die besondere Sprachverwendung von Bachmann, die von der These herrührt, dass eine neue Welt erst durch eine neue Sprache errichtet werden könne. Um Bachmanns Sprache gerecht zu werden, hat Cemal die Möglichkeiten des Türkischen voll ausgeschöpft, stellenweise die Grenzen des Türkischen gesprengt, damit das Original „durchscheint”. Er habe sich nicht gescheut, ja sich sogar besondere Mühe gegeben, dem Zieltext den “Geschmack” einer Übersetzung anhaften zu lassen.

Im folgenden soll seine Vorgehensweise bei der Übertragung der Realia dargelegt und kommentiert werden.

Ausgehend primär von der Terminologie von Reiß und Koller wurden die Realia nach den folgenden sechs Übertragungskriterien klassifiziert: Übernahme als Zitatwort, Lehnübersetzung, Übernahme mit Fußnote, erklärende Übersetzung, nächstliegende Entsprechung, Adaptation.

Die in dem Roman auftauchenden Toponyme werden als Zitatwort ohne Anführungszeichen in die Zielsprache übertragen (Tabelle 1). Nur da, wo, um mit Levý zu reden, der allgemeine Faktor, d. h. die Bedeutung dominiert, wird lehnübersetzt.

Der Ausdruck ‚das Haus Österreich‘ taucht im Text zwei mal auf und wird jedesmal mit Fußnote übertragen. In der ersten Fußnote wird erklärt, dass der Ausdruck unübersetzbar ist und früher die kaiserliche Dynastie und das Land zugleich bezeichnet habe. Die zweite Fußnote verweist auf die türkische Bezeichnung von „Haus“ (ev).

„Bezirk“ wird übersetzt u. mit Fußnote versehen, in der der Leser über die Einteilung Wiens in Bezirke informiert wird, wobei “Bezirk” als Zitatwort angegeben wird.

Die Straßennamen werden als Zitatwort übertragen, nur die Universitätsstraße wird übersetzt. Die Gassennamen werden entweder als Zitatwort übertragen oder lehnübersetzt. Manche werden als „Sokak“ teilweise übersetzt (Beatrix Sokağı/Neuling Sokağı/Münz Sokağı), manche naturalisiert (Viyana Sokağı), andere werden vollübersetzt (Gaziler Sokağı/Macar Sokağı). Bei manchen trifft man auf beide Versionen (z.B. Münzgasse und Münz Sokağı). Als „Sokak“ werden solche Gassen übertragen, deren Konnotation sich für den Text als bedeutend erweist oder solche, die in der ZS und der ZK (Zielkultur) Parallelbezeichnungen haben (z.B. Invalidenstraße/Gaziler Sokağı).

Übersetzt werden Toponyme, die mit See, Brücke, Platz, Kai, Kanal, Park zusammengesetzt sind, also einen allgemeinen Faktor enthalten. Zusammensetzungen mit „Rampe“ oder „Weg“ sowie manche Bildungen mit „Platz“ werden dagegen stehengelassen.

Tabelle 1

Realia
Toponyme
Übernahme als Zitatwort Lehnübersetzung Übernahme mit Fußnote Erklärende Übersetzung Nächstliegende Entsprechung Adaptation
Land     ‚das Haus Österreich‘      
Bezirk   III. Bölge (III. Bezirk ) → [bölge:Bezirk]      
Strasse Landstrasse-Hauptstrasse, Museumstrasse, Reichsstrasse, Argentinienstrasse Üniversite Caddesi

 

 

 

 

Gasse Liebiggasse, Seidengasse, Linke-Bahn-Gasse,


    Ungargasse (als Adressenangabe)
      Münzgasse
Beatrix Sokağı, Neuling Sokağı, Rasumomsky S. Viyana Sokağı Gaziler Sokağı (Invalidenstraße)
Macar Sokağı (Ungargasse) Macar Sokağı Ülkem (Mein Ungargassenland)
Münz Sokağı
       
See   Wörther Gölü, Wolfgang Gölü        
Brücke   Glan Köprüsü, Reich Köprüsü        
Platz Karsplatz , Josefsplatz Waag Alanı, Lobkowitz Alanı Peter Alanı        
Rampe/Weg Albrechtsrampe, Rennweg          
Kai/Kanal   Franz Josef Rıhtımı, Tuna Kanalı        
Park   Kent Parkı (Stadtpark), Ressel Parkı        

 

Bei der Widergabe von Einrichtungen fällt Folgendes auf (Tabelle 2):

„Das Hochhaus in der Herrengasse“, das „Kaufhaus“ als Einkaufszentrum, die „Stube“ als Speisesalon oder z. B. ein Kulturinstitut wie „Institut Français“ werden als Elemente des Spezifischen empfunden und in die Zielsprache übernommen. Dass dagegen das İtalienische Kulturinstitut und das İtalienische Konsulat übersetzt werden, hängt wohl damit zusammen, dass ihnen im Originaltext eine Bedeutung in Bezug auf die Ungargasse zukommt, die eine zentrale Stellung im Roman hat.

Namen von Kaffehäusern, Restaurants, Bars werden selbstverständlich zitiert; wenn sie einen allgemeinen Faktor enthalten, werden sie auch übersetzt. „Der Heurige“ wird als Weinschenke ausgegeben; der Übersetzer braucht ihn nicht weiter zu erklären, da er im Text sowieso mit wienerischer Leutseligkeit konnotiert wird.

Bezeichnungen für Spital, Palais u.a. werden teilweise übersetzt.

Creditanstalt, Benediktinerschule, Ursulinergymnasium werden (sicherlich als Elemente des Spezifischen) zur Aufklärung des Lesers erklärend übersetzt. Zeitungen wie WIENER TAGBLATT und WIENER NACHTAUSGABE werden mit Fußnote des Verlegers übernommen, in der ihre türkische Übersetzung angegeben wird.

Tabelle 2

Realia: Übernahme als Zitatwort Lehnübersetzung Übernahme mit Fußnote Erklärende Übersetzung Nächstliegende Entsprechung Adaptation
Institutionen, Einrichtungen Herrengasse’deki Hochhaus          
  Kaufhaus, Stube          
  Institut Français İtalyan Kültür Enstitüsü ve İtalyan Başkonsolosluğu (Consolato Italiano mit dem Instituto Italiano di Cultura)



    Peter Kilisesi



Spital, Palais   Dreifaltigkeit Hastanesi, Strozzi Sarayı



Restaurants
  Bars Kaffehäuser   Der Heurige
Cobenzl, Alter Heller, Stadtkrug Loos-Bar Cafe Sacher, Cafe Landmann, Cafe Heumarkt, Cafe Museum Üç Süvari (Drei Husaren) Mavi Bar (Blaue Bar)    
 


Şarap içmeye gidilen yer (Weinschenke)


Bank       Creditanstalt adını taşıyan banka (die Bank, die Creditanstalt genannt wird)    
Schule       Benedikt Tarikatı Okulu (Benediktinerschule) Ursulinler Tarikatı Lisesi (Ursulinergymnasium)    
Zeitungen     WIENER TAGBLATT WIENER NACHTAUSGABE      

 

Eine Reihe von Übersetzungsverfahren bietet die Übertragung von Spezialitäten der einheimischen / ungarischen Küche (Tabelle 3). Manche werden als Fremdwort übertragen, manche – mit Fußnote übernommen. Wenige werden erklärend (Flammeri tatlısı) oder durch die nächstliegende (verallgemeinernde) Entsprechung übertragen.

Tabelle 3

Realia: Übernahme als Zitatwort Lehnübersetzung   Übernahme mit Fußnote Erklärende
Übung
Nächstliegende Entsprechung Adaptation
Speisen, Getränke Zwetschkenröster, Kaisererdäpfel, Husarenbraten, Schnitzel, Sauce Mousseline   Marillenknödel Tafelspitz , Pörkölt Krambambuli Flammeri tatlısı (Griesflammeri/ Flammeri ) Kahve (Kleiner Schwarzer/ Brauner; Großer Brauner, doppelter Brauner, Mokka)  

 

Die Anredeformen Fräulein, Herr und Frau werden übernommen, Bay/Bayan werden weniger verwendet (Tabelle 4). Während die Anredeformel „Sehr geehrte Herren“ normgemäß (Sayın Baylar) übersetzt wird, wird z.B. „Sehr geehrter Herr Schönthal“ als „Çok Sayın Herr Schönthal“ normwidrig in die ZS übersetzt. Der Übersetzer wendet eine verfremdende Übersetzungsstrategie an, um den Leser mit fremdsprachlichen Formeln vertraut zu machen .

Die Vielfalt der Sprachvarietäten im Text wird bewahrt. So wird ihr Koloritwert erhalten. Sprüche auf Slowenisch oder Windisch (Jaz in ti. In ti in jaz.), Ungarisch ( eljen, gjerekek) Englisch, Französisch und Latein werden übernommen, da es nicht primär auf ihre inhaltliche Verständlichkeit kommt. Im Grunde geht es darum, die Vielsprachigkeit der Stadt widerzuspiegeln.

Die Lieder sind mit Konnotationen beladen und daher wichtig für das Verständnis des Textes. Deshalb werden sie entweder in der Fußnote oder im Text übersetzt: „Prinz Eugen, der edle Ritter“, Thomas Koschats Lied „Verlassen, verlassen bin i“ stehen als Zitatwort im Text; deren Übersetzung wird in der Anmerkung angeführt. Der Notentext von Schönbergs Lied Pierrot lunaire (op.21) „O alter Duft aus Märchenzeit“, das am Anfang und Ende des Romans als Leitmotiv fungiert, steht im ZT auf Türkisch.

„Hofrat“ wird als Fremdwort übernommen, in einer Fußnote wird darauf hingewiesen, dass dieser Titel kein Äquivalent im Türkischen hat.

Da der Nikolaustag als Festtag in der ZK nicht bekannt ist und im Textzusammenhang nicht so bedeutend ist, wird er mit der nächstliegenden Entsprechung „Noel“ substituiert. Gebetsformel (Jesusmariaundjosef /Aman Allahım) und Grußformel (Servus, Küß die Hand) werden in die ZS adaptiert (Merhaba, Saygılar).

Tabelle 4

Realia   Übernahme als Zitatwort Lehnübersetzung
(Voll-/Teilübung/ Naturalisierung)
Übernahme mit Fußnote Erklärende Übung   Nächstliegende Entsprechung Adaptation
Anredeformen
Herr Kramer Herr Wellek, Herr Karl / Frau Agnes Frau Breitner

Bayan Jellinek Bayan Breitner




Sprachvarietäten Sprüche auf Slovenisch oder Windisch (Jaz in ti. In tiin jaz.), Ungarisch
(eljen, gjerekek), Englisch, Französisch, Latein





Titel     Hofrat      
Lieder   Schönbergs Notentext (op. 21) Thomas Koschat’s Lied ‘Verlassen, verlassen bin i’, ‘Prinz Eugen, der edle Ritter’      
Festtage         Noel (Nikolaustag)  
Grussformel           Merhaba (Servus) Saygılar (Küß die Hand)
Gebetsformel           Aman Allahım (Jesusmariaundjosef)

 

4. Fazit

Aus den angeführten Beispielen ließen sich zu der Übersetzungsstrategie der Realia in Malina folgende Behauptungen aufstellen:

Der Übersetzer ist geneigt, viele Kulturspezifika unverändert als Zitatwort in die ZS zu übertragen. Durch Hereinnahme fremder Sprach- und Kulturelemente wird der Koloritwert des fremdsprachlichen Textes erhalten. Ferner wird der zielsprachliche Leser mit der Ausgangssprache und der Ausgangskultur direkt konfrontiert. Die Grenzen der eigenen Sprache werden außerdem erweitert, was für die eigene Sprache eine Bereicherung bedeutet.

Übersetzt werden Realia, die nicht nur allgemeine Bedeutung haben, sondern mit einer Konnotation im Text beladen sind oder in der ZK bekannt sind.

Fußnoten werden nur in wenigen Fällen beigefügt. Innere Erläuterungen im Text werden äußerst sparsam benutzt. Dadurch wird der Sprachfluss des Werkes nicht unterbrochen. Da das Buch viel Lokalkolorit enthält, hätten manche Leser sich wohl mehr Anmerkungen des Übersetzers gewünscht. Andere würden diese Erklärungen wohl als Beeinträchtigung des Leseerlebnisses empfinden. Gerade das letztere hat die Tätigkeit des türkischen Übersetzers geprägt. Die Übersetzung entspricht im Sprachfluss und Leseeindruck dem Original und nutzt dabei die Möglichkeiten der eigenen Sprache voll aus.

 

Literaturverzeichnis:

Primärliteratur

Sekundärliteratur


2.6. Übersetzung als Kulturkontakt. Übersetzungsverfahren am Beispiel von Ingeborg Bachmanns Prosa

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For quotation purposes:
Sevdiye Köksal: Zur Übertragung des Lokalkolorits in Ingeborg Bachmanns Roman Malina - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/2-6/2-6_koeksal17.htm

Webmeister: Branko Andric     last change: 2010-03-04