Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | Februar 2010 | |
Sektion 2.8. | Tourismusprospekte in Europa – Herstellung und Übersetzung im Zeitalter der Globalisierung SektionsleiterInnen | Section Chairs: Dagmar Neuendorff und Michael Szurawitzki (Universität Åbo Akademi, Germanische Philologie) |
Auf den Bergen Bulgariens liegt schon wieder Schnee –
Tourismusprospekte auf Deutsch und Englisch in Bulgarien
Teodora Kiryakova-Dineva (SWU Neofit Rilski of Blagoevgrad, Bulgaria)
E-Mail: teodora_kiriakova@mail.bg
Der vorliegende Beitrag stellt eine Untersuchung zu sprachlich-gestalterischen Besonderheiten der Werbeprospekte auf Deutsch und Englisch in Bulgarien dar. Einführend soll der Blick dafür geschärft werden, wie Tourismusprospekte aus der Sicht ihrer gesellschaftlichen Bedeutung analytisch zu betrachten sind. Das Thema meines Beitrags scheint nicht nur wegen der Thematik unserer Sektion angebracht zu sein; die Tourismusprospekte enthalten in sich noch Probleme, die sowohl für die Übersetzungswissenschaft, als auch für die Werbewirtschaft, im engeren Sinne auch für Tourismus und Fremdenverkehr von großer Bedeutung sind. Ein weiterer Grund, dass ich dieses Thema gewählt habe ist die Tatsache, dass die Prospektwerbung in Bulgarien sehr beliebt ist, abgesehen davon, ob sie professionell gemacht wird oder nicht.
Einem solchen Unterfangen, Prospektwerbung mit grenzüberschreitendem Tourismus zu verbinden, stehen einige Schnitt- bzw. Problemstellen entgegen. Zum einen sind das die Auswirkungen des werbenden Sprachgebrauchs, und zum anderen die Besonderheiten des Umworbenen selbst, d.h. des touristischen Objekts.
Der Prospekt an sich könnte sich neben den anderen Werbeformen im Bereich des Tourismus weltweit gut behaupten. Es handelt sich dabei in erster Linie um einen werbenden Komplex, der zwei soziale Phänomene mit massenhaftem Charakter unter einen gemeinsamen Nenner zu bringen versucht: Tourismus und Werbung. Der Tourismus betrifft bekanntlich den Besuch eines fremden Ortes, unabhängig vom Besuchszweck. Die Inhaltsbestimmung des Tourismus nach der Welttourismusorganisation (WTO) lautet:
Tourismus umfasst die Aktivitäten von Personen, die an Orte außerhalb ihrer gewohnten Umgebung reisen und sich dort zu Freizeit, Geschäfts- oder bestimmten anderen Zwecken nicht länger als ein Jahr ohne Unterbrechung aufhalten (Freyer, W. 1999:5).
Ein Tourist ist ein Mensch, der an einen anderen Ort fährt, aus privatem Interesse oder aus geschäftlichen Motiven, die nicht mit der Ausübung einer bezahlten Aktivität am besuchten Ort verbunden sind: Wir als Teilnehmer an der Wiener KCTOS-Konferenz könnten uns zum Teil auch als Touristen beschreiben.
In Anbetracht dessen seien einige Besonderheiten erwähnt:
In meinen Ausführungen folge ich der nachfolgend skizzierten Hauptrichtlinie: Ermittlung der Merkmale des touristischen Prospekts als Werbetext in der pragmatischen Betrachtung der Übersetzung. Die Tätigkeit der Übersetzung erweist sich als äußerst schwierig, weil die Natur dieser Textsorte mit ihrer Pragmatik verbunden ist. Manchmal wird der Zieltext auch so verfasst, dass sich der ausländische Leser wenig angesprochen fühlt. Manchmal ist der Ausgangstext schlecht in der Muttersprache verfasst. In diesem Fall ist nicht die sprachliche Kompetenz des Übersetzers schuld, sondern die Bestimmung des ursprünglichen Prospekts für das einheimische Publikum. In solchen Fällen wird meistens jeder translatorische Versuch scheitern. Anderenfalls ist die Übersetzung in die eine Fremdsprache, z. B. Englisch gelungen, in die andere Fremdsprache, z.B. Deutsch, nicht.
Für die Zwecke besserer Darstellung werden nachfolgend einige Besonderheiten des zu übersetzenden bulgarischen Tourismusprospekts aus sprachwissenschaftlicher Sicht dargestellt. Dabei kristallisieren sich zwei Hypothesen heraus:
I. Hypothese: Ein touristischer Werbetext müsse so gestaltet werden, dass er in allen Fremdsprachen emotional wirkt.
II. Hypothese: Bei der Prospektgestaltung streben die Copywriter danach, die Information in gleicher Art und Weise den potentiellen Gästen zu präsentieren. Struktur und Sprachgebrauch werden nachgeahmt.
Der Werbeprospekt hat sich in Bulgarien früher als die anderen Werbemedien durchgesetzt. Das ist dem geschichtlichen Stand der Entwicklung Bulgariens als einem Land zu verdanken, in dem bis vor ca. 17 Jahren wenig Werbung getrieben wurde. Der Stand der wirtschaftlichen Verhältnisse und das Vorhandensein einer begrenzten Zahl der Länder, von denen die meisten Touristen nach Bulgarien kamen, war der Grund dafür. Es gab nur ein einziges Zentrum für touristische Reklame. Diese Werbezentrale gibt es heute nicht mehr. An ihrer Stelle existieren viele Werbeagenturen, die diese Tätigkeit mehr oder weniger erfolgreich ausüben.
Jede Werbeagentur kann nach Wunsch einen „guten und günstigen“ Prospekt „kreieren“. Wenn man aber als Kunde jedem Fachmann im Bereich der Werbung vertrauen würde, könnte es zu Kuriositäten wie den folgenden kommen:
Ausgehend davon, dass die Werbeagenturen wenig Erfahrung haben, ist dieser unklare Sprachgebrauch erklärlich. Manchmal sind es die Hotelinhaber selbst, die den Text zusammenstellen, ohne dass sie einen Fachmann mit dem Redigieren beauftragen. Dabei bestehen sie manchmal darauf, dass man den Text nicht verändere.
Der bulgarische Urlauber wird dem in bulgarischer Sprache verfassten Prospekt wenig Aufmerksamkeit schenken, weil ihn andere Aspekte wie Preis, Ausstattung und Dienstleistungen interessieren. Für den ausländischen Gast sieht die Situation anders aus. Falls ein schlecht gemachter Prospekt mit Sprachfehlern in die Hände eines Ausländers kommt, so ist dann nicht unbedingt zu erwarten, dass er als Gast nach Bulgarien kommt, unabhängig von den angebotenen Dienstleistungen.
Beschäftigt man sich wissenschaftlich mit dem Thema Werbung, so ist es zunächst sinnvoll, mit der Definition des Begriffes Werbung zu beginnen. Eine solche Definition findet sich bei Hoffmann:
„Werbung wird die geplante, öffentliche Übermittlung von Nachrichten dann genannt, wenn die Nachricht das Urteilen und/oder Handeln bestimmter Gruppen beeinflussen und damit einer Güter, Leistungen oder Ideen produzierenden oder absetzenden Gruppe oder Institution (vergrößernd, erhaltend oder bei der Verwirklichung ihrer Aufgaben) dienen soll“ (Hoffmann, in: Janich 2003: 19).
Diese Definition trifft auch für die Form des Prospekts zu. Was man genau unter einem Prospekt in Bulgarien zu verstehen hat, ist der nachfolgenden Definition zu entnehmen:
„Der Prospekt ist einer der am meisten gebrauchten Werbeartikel, der dem Adressaten, vorwiegend einem Fachmannn, dazu dient, sich von den neuen Firmenangeboten ein Bild zu machen. Der Prospekt kann je nach Ziel des Werbers nur informieren, stimulieren oder über einen Verkauf orientieren. Der Vorteil des Prospekts liegt in seinem kleinen Umfang, in sein?r vollendeten Form und in seiner leichten Verbreitung. Er wird auf Messen und Aufstellungen durch Adressatenwerbung verteilt und begleitet meistens das Werbeobjekt. Es überwiegen das Textuelle und der informative Stil der Aussage, wenn auch die Gestaltung mit besonderer Sorgfalt gemacht wird. Je nach der Menge der Waren, um die geworben wird, gibt es Spezialprospekte und Korporativprospekte“ (D. Doganov und P. Durankev, 2000:156) (1).
Neben den Prospekten nennt Sowinski (1979:152) noch Kataloge, Broschüren, Preislisten, Flugblätter, Werbekarten, Antwortkarten, Gutscheine und gedruckte Werbebriefe (als Drucksachenwerbung). Leider werden in Bulgarien oft die verschiedenen Formen des Prospekts wie Prospektblatt, Kleinprospekt, Prospektheft, Faltprospekt allesamt als Broschüre bezeichnet. Auf jeden Fall ist die Grenze dazwischen fließend.
Zum Zweck des vorliegenden Beitrags und aus demjenigen Grund, dass sich die Werbefachleuten der kategorialen Abgrenzung wenig bewusst sind, schlage ich folgende Definition vor:
Der Tourismusprospekt ist ein mehrmals gefalteter, beidseitig bedruckter Papierbogen zur knappen informativ-expressiven Darstellung eines touristischen Objekts und touristischer Dienstleistungen vorwiegend in Schrift und Bild.
Damit ein guter bulgarischer Prospekt als ein gelungener internationaler Prospekt betrachtet werden kann und bei den ausländischen Touristen gut ankommt, muss der Werbetexter eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt haben. Bei der Ausarbeitung einer Werbekonzeption muss man komplex vorgehen. Es müssen mehrere Faktoren mit ins Kalkül gezogen werden, die für die Wirkung der Werbebotschaft vom Belang sind. Aus der Lasswell-Formel der Massenkommunikation vom 1948 „Wer sagt was, warum, wie und mit welchem Effekt zu wem?“ ergeben sich für die Tourismusprospekte in der Hotelbranche folgende Determinanten:
Die erste Determinante ist zweigliedrig. Einerseits ist das Unternehmen (das Hotel) selbst, andererseits ist es der Texter, der die Botschaft kreiert. Die zweite Determinante bezieht sich in allen Fällen auf Naturgegebenheiten wie geografische Lage und gute Urlaubsbedingungen im dargestellten Hotel. Die Darstellung hat einen sowohl informativen, als auch emotional-expressiven Charakter. Nach den Kriterien der Werbetexte beinhaltet der Text Appelle. Die Determinanten Absicht und Effekt sind miteinander verbunden. Sie enthalten in sich die Idee, dass nicht jeder Werbeappell bei einem Empfänger gleich gut ankommen kann. Die Tatsache, dass die in den Prospekten dargestellten Objekte und Dienstleistungen auf die verschiedenen Personen nicht gleich wirken, kann durch die verschiedene Werbeempfindlichkeit des Rezipienten erklärt werden. Es wäre deswegen besser, wenn man in der Art und Weise werben würde, dass das Werbeobjekt aktuell und lebensnah erscheint. Der Hotelprospekt ist solchen Themen gewidmet wie Urlaub, Erholung, Freizeitgestaltung und neuen interessanten touristischen Destinationen, welche selbst eine Voraussetzung dafür sind, einen höheren Grad der Akzeptanz zu erwarten. Auf jeden Fall soll sich der Werbemacher nicht darauf verlassen, dass der gezielte Werbeeffekt bei jedem Prospekt wegen seiner Thematik leicht zu erreichen wäre.
Als eine weitere Komponente kann die „Werbezeit“ betrachtet werden. Eigentlich lässt sich bei dem Werbemedium Prospekt die Zeit der Beeinflussung nur schwer voraussagen. Es handelt sich um eine Art Einwegkommunikation, bei der der Informationsaustausch nicht mit Sicherheit vorgeplant werden kann. Der Umworbene kann in einer ungewissen Zeit eventuell zum Prospekt greifen: auf einer Messe, während einer Tourismusausstellung oder aus einem anderen Anlass. Entweder liest der Adressat den Prospekt oder nicht. Außerdem kann eine große Zeitspanne zwischen den beiden Kommunikationsakten liegen. Bei den nachstehend beschriebenen Beispielen gibt es eine Druckschrift, die vor etwa 10 Jahren entstanden ist, auf den ich aber erst vor kurzem gestoßen bin. Die Sprachgestaltung halte ich für trotzdem für gelungen und beispielhaft:
Das eigentliche Glockengießen ist von giftigen Dämpfen begleitet, die beim Schmelzen der Metallegierung entstehen. Deswegen mussten die Meister nach jedem Glockenguß eine längere Pause einlegen. Aus diesem Grund konnten sie höchstens 300 Glocken (Tierglocken, Schellen) pro Jahr fertigen. Es wurden auch Herdenglocken (Tschan) produziert, die hauptsächlich von den Bauern in der Region gekauft wurden. (Goce Delcev Reiseführer)
Diese Tatsache bestätigt die Annahme, dass ein touristischer Werbetext so gestaltet werden müsse, dass er auch auf die Dauer emotional wirkt und dem Leser zu einem ästhetischen Genuss verschafft. Außerdem wird oft der Tourismusprospekt mit den Innovationen in der Tourismusbranche verbunden. So betont P. Dimitrov (2006:24) die wesentliche Rolle, die die Werbemittel für die Entwicklung des Tourismus haben:
„Die folgende Erfahrung, die die Konsumenten beim Gebrauch neuer Produkte, Technologien usw. bekommen, eröffnet neue Bedürfnisse und stimuliert den Bedarf an neuen, nachfolgenden Innovationen.“ (P. Dimitrov, 2006:24)(2).
Für die touristischen Werbetexte gilt noch die Anforderung, dass die Konzeption so kreiert werden sollte, dass der Tourist die Aussagen vorwiegend als glaubenswürdig und realitätsnah erkennt. Zu diesem Zweck werden Bild und Sprache in ihrer Gesamtheitsgestaltung integriert.
2. Gestaltungskomponente eines Hotelprospekts
2.1 Die Titelseite
Die erste Seite des Tourismusprospekts ist die Titelseite. Sie wird durch typographische Mittel gegenüber den restlichen Seiten hervorgehoben. Sie bildet den sprachlichen und visuellen Blickfang, wobei das zentrale Element das Bild ist. Das Bild selbst stellt eine umfangreichere Panoramaabbildung des umworbenen Hotels dar. Das Textuelle besteht aus dem Namen des Hotels, dem Untertitel und dem Slogan (falls vorhanden). Diese zwei Elemente, eventuell auch drei, zusammen mit der bildlichen Darstellung der Sternekategorie des Hotels, nehmen den oberen Teil der Titelseite ein. In einigen Fällen kann symbolisch repräsentiert werden, in welchen Sprachen der Text darin verfasst ist.
In der heutigen „Sekunden-Kommunikation“ stellt die Titelseite das wichtigste Gestaltungselement der Prospektwerbung dar. Die hohe Anziehungskraft der Titelseite muss genutzt werden, um das Interesse für das Hotel zu erwecken. Zu diesem Zweck werden erstens Bilder mit einem bewegenden Ausblick ausgesucht und zweitens sollten die Farben gut ausgewählt werden. Es heißt Typologie, Farbe und Schrift sind ausschlaggebend. Wenn die Titelseite schön gemacht wird, so wird vom Rezipienten erwartet, dass das Hotel selbst schön ist. Die Funktion der Titelseite kann mit der Funktion der Schlagzeile in der Anzeigenwerbung verglichen werden.
2.2 Die Innenseiten
Die Innenseiten bestehen aus Fließtext und Bildern vom Hotel. Der Fließtext wird in Textblöcke gegliedert. Manchmal stehen Überschriften und Zwischenüberschriften davor. Eine beliebte Methode ist die Aufzählung. Es ist jedoch ratsam, nicht zu viele Listen und Aufzählungen zu gebrauchen, sonst würde der Prospekt unseriös erscheinen. Was die Länge des Fließtextes betrifft, werden zwei Formen unterschieden (Janich 2001: 48):
Von allen betrachteten Hotelprospekten sind die meisten, mehr als 70%, in der Form einer Shortcopy gemacht. Dabei ist aber die Text-Bild-Beziehung von großer Bedeutung.
Von großer Bedeutung für die Gestaltung eines Hotelprospekts ist die Rückseite. Sie wird für die Kontaktinformation, Adresse und eventuell für die schematische Darstellung der Lage des Hotels genutzt.
2.4 Der Hotelname
Der Hotelname nimmt eine Zwischenstellung zwischen den Eigennamen und den Appellativen ein. Er dient einerseits zur Identifizierung von Einzelobjekten, wie bei den Eigennamen. Ein Hotel wird durch seinen Namen im Sinne einer Differenzierung von anderen Hotels identifiziert. Der Gast merkt sich leichter einen schönen, extravaganten und wohlklingenden Namen. Benennungen wie Concordia, Splendid, Estreya Palace bleiben leichter in Erinnerung. Der Rezipient soll ein positives Image und ein bestimmtes Vorstellungsbild mit dem Namen verbinden und außerdem das Produkt sofort wieder erkennen können (Janich 2001:51ff.).
2.5 Das Logo
Das Logo ist die ästhetisierte graphische Darstellung des Hotels. Es sollte einprägsam und unverwechselbar sein. Des Weiteren ist von großer Bedeutung, dass das Logo mit anderen werbenden Gestaltungselementen harmonisiert und durch seine Gestaltung einen bleibenden Erinnerungswert erhält.
3. Text-Bild-Beziehung im Tourismusprospekt der Hotelbranche
Weil Tourismusprospekte als eine Kommunikationsform gelten, bei der das Zeichensystem, das Sozial- und Kultursystem gleichzeitig Verwendung finden, ist die Kopplung von Sprache und Bild ein wichtiges Charakteristikum. Im Folgenden soll diese Beziehung näher bestimmt werden.
Im Großen und Ganzen kann das Visual eine Person, eine Situation, ein Produkt oder Objekte und Symbole abbilden. Das Ziel des Visuals ist es, Aufmerksamkeit zu erregen, indem Emotionen evoziert werden. Die Beziehung des Visuals zum Produkt ist oftmals vielfältig und damit frei für Assoziationen (Balsliemke 2001:16), was auf einen erhöhten mentalen Beschäftigungsgrad mit dem Produkt abzielt. Das Motiv ist meistens möglichst „lebendig“. Bei der Gestaltung von Tourismusprospekten ist zu berücksichtigen, dass Text und Visual unterschiedlich wahrgenommen werden. So kann die Beachtung eines Textes verstärkt oder abgeschwächt werden, je nach der Lage des Textes gegenüber der des Bildes. Kalka (1995) macht folgende Bemerkung über die Anzeigenwerbung:
„Bei Bild-Text-Anzeigen mit klar abgrenzbaren verbalen Syntagmen zeigt sich, dass ein Text rechts neben oder unterhalb des Visuals eine grössere Fixationshäufigkeit besitzt als andere Textanordnungen.“ (Kalka 1995: 58)
Das Visual hat mit dem Einzug der technischen Reproduktionsmöglichkeiten von Bildern eine große Bedeutung innerhalb aller Werbemittel, in dieser Zahl auch in der Prospektwerbung gewonnen. Diese Bedeutung ist im Wesen des Bildes zu suchen:
„Am Anfang war das Bild: vor der Schrift das Felsbild, vor der artikulierten Sprache der mimische Ausdruck, vor der rationalen Überlegung die mythische Vorstellung.“ (Doelker 1999:16)
Das im Zitat Ausgesagte ist für die vorliegende Untersuchung ausschlaggebend, weil das Visual derjenige Teil ist, der am stärksten auf das Unterbewusstsein einwirkt. Für die Touristen ist wichtiger, wie ein Hotel aussieht, und nicht, wie es beschrieben wird.
Bilder wirken emotional. Kroeber-Riel (1990) bestätigt auch die Annahme, dass der bildliche Textteil als Erstes durch den Rezipienten gesehen wird. Der Grund dafür sei die erlernte Art, Zeitschriftenseiten und allerlei Druckschriften zu lesen. Dem Bildmotiv unterliegt es, im Betrachter Interesse und Neugier zu wecken, damit dieser, um das Bild zu verstehen, sich den weiteren Fließtexten zuwendet. Außerdem sind große, bunte und zentral platzierte Elemente am wirkungsvollsten.
Laut Kalka werden besonders intensiv „Motive mit kontrastreicher Gestaltung und einem Umfang von einem Viertel der Anzeige betrachtet“ (Kalka, 1995: 58). Es sollte hier noch daran erinnert werden, dass die Werbewirkung nur bei einer erfolgreichen Einprägen des Werbeinhaltes Sinn hat. Hier liegt eine weitere entscheidende Spezifik, die das Bild gegenüber dem Text auszeichnet:
„Das Gedächtnis für Bildinformationen ist wesentlich besser als das Gedächtnis für sprachliche Informationen. Das gilt sowohl für einfache als auch für komplexe sprachliche und bildliche Reize.“ (Kroeber-Riel, 1990:356)
3. Merkmale eines touristischen Werbetextes aus pragmatischer Sicht
Dominanz des Empfängerbezugs
Die Dominanz des Empfängerbezugs bestimmt von vorn herein die Chancen für die Wirksamkeit des in einem Werbetext enthaltenen Appells. So ist es außerordentlich wichtig, dass der Aufsteller (und Übersetzer) eines touristischen Werbetextes das Zielpublikum immer im Visier behält. Dieses Publikum ist keine unbeschreibbare Größe. Es lässt sich örtlich, zeitlich und mentalitätsmäßig bestimmen. Seine Aufmerksamkeit kann im Voraus erforscht und determiniert werden, so dass der Texter eine entsprechende Werbestrategie finden kann. Die Aufnahmefähigkeit des Rezipienten gegenüber bestimmten Werbebotschaften hängt von vielen Faktoren ab. Als eine gemeinsame Werbestrategie für die näher erforschten Prospekte erweisen sich in erster Linie die Benennung des Hotels und seine bildliche Darstellung auf der Titelseite, gefolgt von einführenden Bezeichnungen der Lage, des Zimmerbestandes und weiterer Ausrüstungen, Dienstleistungen und Unterhaltungsmöglichkeiten. Diese sachliche Kennzeichnung des Werbeobjekts, d.h. des Hotels, durch Angaben über seine tatsächliche Beschaffenheit und Leistung sind notwendig, damit sie den Eindruck von Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit verleihen. Obwohl solche informativen Werbeanzeigen vor allem im technischen Bereich anzutreffen sind und in einem Druckmedium unerwartet erscheinen, haben sie eine spezielle Stellung im Hotelprospekt. Diese Textelemente haben denotativen Charakter. Dadurch werden in gewisser Art und Weise Glaubwürdigkeit vermittelt und das Vertrauen des Konsumenten erweckt. Die erwähnten Teilaspekte beschränken sich auf die Vorzüge des Produkts (Sowinski 1998: 32f). Negative Angaben werden grundsätzlich verschwiegen, wenigstens bin ich bis jetzt auf solche nicht gestoßen.
Wie bereits erwähnt, haben Werbebotschaften das primäre Ziel, Appelle anzuwenden, um bestimmte Emotionen auszulösen, wie in den Beispielen:
Prospekt von Maritim Hotel Berlin
Besuchen Sie uns, wir freuen uns auf Sie!
Prospekt Amber Hotel
Emotionen werden dabei als „eine Gemütsbewegung, seelische Erregung oder einen Gefühlszustand verstanden“ (Duden Fremdwörterbuch, 1997: 223). Da entsteht die Frage, in wieweit beim Tourismuswerbung von emotionaler Werbungen die Rede sein kann. Zwar versucht der Prospekt den Konsumenten durch die Botschaft für sich zu gewinnen, doch wird oft mit rein informativen Angaben gearbeitet. Der informative Wert verwirklicht sich durch den Einbezug von Appellen verschiedenen Charakters. Bestimmend sind die Appelle an Status und Prestige. In der Prospektwerbung werden Bezeichnungen verwendet, die heimlich dieser Funktion unterordnet sind.
So finden sich unentbehrliche Angaben, wie z.B. 5-Sterne-Hotel, mit Andeutung an dem höheren Rang und Preis des Hoteldienstleistungen SPA-Hotel, Luxusappartement, Präsidenappartement, Konferenzsaal u.a. Selbst die Namen der neueren Hotels sind strategisch mit hochwertigen Bezeichnungen. So z.B. heißen sie Romance, Alexandra Palace, Grand Hotel, Victoria, Residenz. Die emotional wertenden Benennungen haben auch zum Ziel, Gäste anzulocken. Andererseits verweisen die Benennungen auf das Bedürfnis des Menschen, innerhalb der sozialen Rangordnung einen möglichst hohen Platz einzunehmen. Mit der Werbung werden Statussymbole geschaffen, welche bestimmte Konsumenten zum Kauf des Produkts und somit zum Erreichen des aufgezeigten Status ermutigen und andere Konsumenten in ihrem bestehenden Status bestätigen. Die Situation in Bulgarien ist jedoch so, dass das Geld für die Reklame öfters von den reicheren Hotelinhaber gegeben wird. In so einem Hotel kann der Gast natürlich mit Exklusivausstattung, speziellen Dienstleistungen wie WLAN, Movie flat, Telefon mit Modemanschluss, Voice-Box, Satelliten, Hosenbügler, Sauna, Massage, Vichy shower und vielem anderem rechnen.
Dadurch werden auch die sozialen Appelle miteinbezogen, welche auf die Bedürfnisse der Konsumenten nach sozialem Kontakt und nach sozialer Akzeptanz zielen. Mit dem umworbenen Produkt zusammen kann ein sozialer Zusatznutzen vermittelt werden, wie z.B. ein naturfreundliches Bio-Hotel. Die Konsumenten würden dann ihre Erlebnisse als einen persönlichen Erfolg in sozialer Hinsicht betrachten, welcher durch das umworbene Hotel erreicht werden kann.
Die Einstellung des Umworbenen zu einer Webebotschaft ist auch zeitlich determiniert. Für den Fall des Touristenprospekts ist es zweckmäßig, dass man im Winter für Ski-Urlaub wirbt und im Sommer – für Urlaub in den Meereskurorten. Bei dem Empfang der Botschaft erweist sich als Nächstes die Mentalität des Empfängers. Darunter sind die sozial-kulturellen Gewohnheiten, die emotionalen und intellektuellen Notwendigkeiten zu verstehen. Der soziale Status ist bei dieser Art Werbung auch nicht zu vergessen. Ein 5-Sterne-Hotel mit exklusiven Dienstleistungen sollte zum Beispiel einem Publikum mit höherem finanziellem Verögen angeboten werden: Der Werbetexter (und Übersetzer) muss die Charakteristika der Mentalität aufs Genauste kennen, damit der verfasste Werbeprospekt seine Appellfunktion erfüllen kann.
Bei Tourismusprospekten, die von Bulgaren erfasst worden sind und für bulgarische Kurorte und Hotels werben, besteht die Gefahr, dass Tatsachen und Objekte, die für Bulgaren von großer Bedeutung sind und an ihr Nationalgefühl appellieren, den Ausländer kaum ansprächen:
Gemäss den angeführten Beispielen kann angenommen werden, dass bei Tourismusprospekten, die mehr auf die Ausgangskultur Wert legen, indem sie in einem pathetischen Ton die Tatbestände darstellen, der Übersetzer danach streben sollte, funktionale Adäquatheit zu erzielen. In der Übersetzung wäre angemessen, dass er diejenigen Momente des Originals invariant erhält, die das Interesse und die Neugier eines Ausländers erwecken würden und allerlei patriotische Gefühle vermeidet.
Ein weiteres Beispiel soll dafür zeugen, dass viele Touristenprospekte diese Besonderheit beachten sollten:
In den oben angeführten Sätzen ist die empfängerorientierte Art der Aussage nicht berücksichtigt. Sollten die Texte nur für Bulgaren geschrieben werden, klingen all die Erläuterungen interessant und anlockend. Ist das aber nicht der Fall und werden die Touristenprospekte für einen ausländischen Empfängerkreis bestimmt, scheint das nicht genau die notwendige Information zu sein, die den Ausländer anreizen würde.
In dieser Hinsicht lohnt es sich noch zu bemerken, dass die empfängerorientierte Funktion eines Textes zu den Herausforderungen an den Übersetzer zählt.
4. Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass Tourismusprospekte in Bulgarien sehr beliebt und verbreitet sind. Sie werden im Auftrag verschiedener Institutionen, Reisebüros, Hotels und Restaurants verfasst. Dabei lassen sich folgende Gesetzmäßigkeiten feststellen:
Die durchgeführte Analyse zur gestalterisch-sprachlichen Struktur eines Tourismusprospekts in Bulgarien, der in einer Fremdsprache verfasst ist, konnte feststellen, dass in dieser Hinsicht mehr zu erwarten wäre. Sowohl die sprachliche Gestaltung, als auch die Übersetzungen sollten ein höheres sprachliches und stilistisches Niveau erzielen, damit es nicht zu einer Anti-Werbung durch die nicht fehlerfreien Texte kommt. Dabei gibt es gelungene Tourismusprospekte, die als sprachliche und visuelle Vorbilder dienen könnten.
Literaturverzeichnis:
Anmerkungen:
2.8. Tourismusprospekte in Europa – Herstellung und Übersetzung im Zeitalter der Globalisierung
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Webmeister: Branko Andric last change: 2010-03-09