TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. Februar 2010

Sektion 3.10. Komparatistik und Weltliteratur in der Epoche der Globalisierung
Sektionsleiterin | Section Chair: Mária Bieliková (Matej-Bel-Universität Banská Bystrica, Slowakei)

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Zum Vergleich literaturwissenschaftlicher Kinder- und Jugendliteratursysteme
in den deutschsprachigen Ländern und in Tschechien.

Kinderwelten und Phänomene der Realität
in den Werken neuer moderner Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur.

Tamara Bučková (Karlsuniversität Prag, Tschechien) [BIO]

Email: tamara.buckova@volny.cz

I.

Der vorliegende Aufsatz knüpft an das Referat an, das im Dezember 2007 bei der Konferenz Komparatistik und Weltliteratur in Wien gehalten wurde und das den ersten Teil des Projekts „Neue moderne Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur im Fremdsprachenunterricht“ vorstellte. Ebenso wie das Projekt, beschäftigt sich auch dieser Aufsatz mit dem Vergleich unterschiedlicher Auffassungen literaturwissenschaftlicher Systeme der Kinder- und Jugendliteratur (weiter nur KJL) in den deutschsprachigen Ländern und in Tschechien und konzentriert sich auf das Schaffen deutschsprachiger Autorinnen, die die Literatur nach dem Paradigmenwandel geprägt haben. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die problemorientierte Jugendliteratur.

Das Projekt, das die erforschte Problematik ins Gebiet des Fremdsprachenunterrichts projizierte und die Methode des Romanführers als Beispiel der didaktischen Adaptation eines der analysierten Romane vorstellte, endete im Dezember 2008. Im Juni 2009 kam zur Auswertung der letzten Ergebnisse, die teilweise auch in diesem Aufsatz präsentiert werden sollen. Im Jahr 2010 rechnet man mit der Buchpublikation mit dem Titel Zu Strukturen und Themen der Kinder- und Jugendliteratur im Fremdsprachenunterricht.

Der folgende Aufsatz hebt den literaturwissenschaftlichen Teil des Projektes hervor, aus dem die Überlegungen zum Vergleich der KJL-Systeme und weiter die Thesen zur Ausgrenzung der Begriffe Schüsselautor und neuer moderner Klassiker ausgewählt wurden. Im Zentrum der Klassifizierung der problemorientierten Jugendliteratur steht die literarische Darstellung der Kinderwelten und Phänomene der Realität.

 

II.

Zu unterschiedlichen Klassifizierungen der Kinder- und Jugendliteratur

Die Kinder- und Jugendliteratur  stellt ein im Rahmen der allgemeinen Literatur ein relativ selbständiges System dar, das in einer bestimmten Opposition zur Literatur für Erwachsene steht und mehrfache, qualitativ unterschiedliche Beziehungen zu ihr aufweist. Es handelt sich und ein bis heute unterschätztes Gebiet, das vor allem unter dem Blickwinkel der Kindheit, als zeitlich ausgegrenzter Lebensepoche betrachtet wird. Im Bereich der Literaturwissenschaft gibt es verschiedene Interpretationen des Begriffes Kinder- und Jugendliteratur.

Man kann von der allgemeinen Definition von Hans-Heino Ewers ausgehen, nach dem die Kinder- und Jugendliteratur (weiter nur KJL) einer Gesamtheit kinder- und jugendliterarischer Botschaften dargestellt (Vgl. Ewers 2000). Diese Definition kann man in verschiedene Richtungen ausdehnen. Meistens werden die KJL-Texte in drei Textkorpora geteilt und zwar in:

  1. die Gesamtheit der für Kinder und Jugendliche als geeignet empfundenen Literatur (geläufig ist diese Gruppe als intentionale KJL-Literatur, in der neuen Terminologie von Hans-Heino Ewers die intendierte KJL).
  2. die Gesamtheit der für Kinder und Jugendliche geschriebenen fiktionalen und nicht fiktionalen Texte (diese Gruppe der Texte ist meistens als spezifische, in der neuen Terminologie als originäre KJL zu bezeichnen)
  3. die Gesamtheit der von den Kindern und Jugendlichen rezipierten fiktionalen und nicht fiktionalen Texte (in der alten Terminologie Kinder und Jugendlektüre, in der neuen vorgeschlagenen Terminologie faktische Kinder- und Jugendlektüre).

Diese drei Textkorpora gehören in der literaturwissenschaftlichen Auffassung deutschsprachiger Länder zum Symbolsystem, in dem Texte nach ihren Eigenschaften(1) beschrieben sind. Das Symbolsystem der KJL verfügt  über ein Subsystem - sog. Handlungssystem, das als der Weg des vom Autor schon fertig geschriebenen abgeschlossenen Werks zum faktischen Leser zu beschreiben ist. Am Anfang dieser kommunikativ-pragmatischen Kette steht gewöhnlicherweise der Verlag, die Buchhandlung, die Bibliothek oder eine andere Institution die für den Umgang mit der Literatur fachlich zuständig ist. In der Mitte dieser Kette befindet sich der literarische Text als Gegenstand der Kommunikation, am Ende ist der faktische Leser zu finden.

Schon die Existenz des Handlungssystems beweist die Interdisziplinarität der KJL als wissenschaftliches Gebiet. Die KJL lässt sich in diesem Fall als Spannungsfeld zwischen Literaturwissenschaft, Pädagogik (Pädagogik und Psychologie) und Didaktik(2) erklären. Es verlaufen die Diskussionen, wie weit gehört das Handlungssystem in die KJL, ob auch dieser Termin nicht mit einem anderen ersetzt werden sollte (vergleiche Seibert 2008).

Nach der Auffassung tschechischer Literaturwissenschaftler teilt man di KJL in drei Gruppen ein, die sich mit der Auffassung der deutschsprachigen Länder semantisch teilweise überschneiden, die aber der Terminologie nach auch zu einigen Missverständnissen führen können. Die tschechische KJL-Literaturwissenschaft unterscheidet:

In der Auffassung der tschechischen Literaturwissenschaftler gehört das Handlungssystem zum Bereich der Literaturwissenschaft, sondern bildet den Bestandtandteil der Forschung auf dem Gebiet der Soziologie und Pädagogik, im Zentrum dieser Forschungen stehen Leseaktivitäten der Kinder und Jugendlichen.

Bei der Gliederung der KJL nach den Adressaten kann man von der Auffassung Ernst Seiberts  ausgehen (Vgl. Seibert 2008), der die KJL-Texte in folgende Gruppen einteilt:

  1. Kinderliteratur
  2. Jugendliteratur
  3. Allgemeine Literatur

Unter den so definierten Textkorpora zeigt sich vor allem die dritte Gruppe problematisch. Aus der schnellen Entwicklung der Literatur, die auch als künstlerisches symbolisches Bild der sich schnell entwickelnden Gesellschaft auszulegen ist, ergab sich die Entstehung eines neuen Textkorpus der jugendliterarischen Texte mit mehrfacher Adressierung. Dieses Korpus wird meistens als Literatur für junge Erwachsene bezeichnet. Sie überschneidet sich teilweise mit der Jugendliteratur und Adoleszenzliteratur; im Jargon nennt man sie auch Brückenliteratur, wobei man diesen Begriff als Hilfsmetapher für Bezeichnung einer Art der 'Zwischenwelt' nutzt, in dem sich ihre Adressaten altersgemäß befinden. Die Existenz von diesem Textkorpus zeigt auf eine neue Entwicklungstendenz, die als Verschwommen der Grenzen zwischen den einzelnen Textkorpora der KJL zu beschreiben ist. Die früher scharf gezeichneten Linien zwischen der Kinder- und Jugendliteratur und vor allem die Grenzen zwischen der Jugendliteratur und Literatur für Erwachsene gingen teilweise verloren, es gibt mehrere Überschneidungsflächen, die man mit mehrfacher Adressierung erklären kann. Diese Tendenz macht auf den anthropologischen Aspekt der KJL aufmerksam, der auf der Bereitschaft der Erwachsenen beruht, den Weg zu kinder- und jugendliterarischen Texten neu zu finden, um die Welt der eigenen Kinder oder Enkelkinder und so auch einen Teil der eigenen Welt zu finden; nicht selten handelt es sich um das Erzählen über die Zeit der eigenen Kindheit und Jugend, die von den SchriftstellerInnen der Generation der heutigen Kinder(4) nahe gebracht werden soll.

Die Entstehung und vor allem inhaltlicher Charakter der Brückenliteratur, die fast immer problemorientiert ist, hängt mit der offiziellen Auffassung der Kindheit in der Gesellschaft zusammen und so kann man sagen, dass die problemorientierte Literatur in die damalige Tschechoslowakei und später nach Tschechien 'verspätet' kam (S. unten).

Zu den Begriffen „Schüsselautor“, „neuer moderne Klassiker“ in der gegenwärtigen deutschsprachigen Literatur
Neue moderne Literatur

Folgende Überlegungen beziehen sich auf Literatur nach dem Paradigmenwandel in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, auf literarische Produktion in der alten Bundesrepublik Deutschland und in Österreich. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf Gruppe der Autorinnen,

Altersgemäß repräsentieren sie mehrere Generationen und es gibt kein Programm, das sie verbinden würde. Trotzdem haben sie viel Gemeinsames.

In ihren Werken kommen mehrere gemeinsame Züge vor, die man folgend zusammenfassen kann:

Schlüsselautor, neuer moderner Klassiker der KJL

Dieser/diese Autor/In gehört gewöhnlicher Weise zu einer Gruppe der Künstler,

  1. die sich in Folge eines gesellschaftlichen Impulses ausgegrenzt hat;
  2. deren Ziel ist, auf diese Entwicklung mit  literarischen Bildern zu reagieren, die für die Kinder interessant, lesenswert, gut und nützlich wären.

Zu Kinderwelten und Phänomen der Realität
Zum Zusammenhang zwischen den gesellschaftlichen und literarisch-kulturellen Entwicklungen in den deutschsprachigen Ländern im letzten Drittel des 20. und am Anfang des 21. Jahrhunderts

Der Aufsatz konzentriert sich vor allem auf die literarische Produktion in der alten Bundesrepublik Deutschland und in Österreich. Die literarische Problematik wird im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Veränderungen zu Beginn der siebziger Jahre behandelt. Der nachfolgende Paradigmenwechsel beeinflusste als Kompendium von Postulaten die Form der einzelnen Werke und spiegelte sich in den neuen Romanformen wider, die sich durch ein breiteres Themenspektrum und mehrfache Adressierung auszeichnen.

Das 20. Jahrhundert wurde das Jahrhundert des Kindes genannt, wobei am Anfang dieser Benennung die Gedanken Ellen Key(5) standen. Erst im Jahre 1989 entstand eine UN-Konvention, in der auch ihre Gedanken in Form der Rechte der Kinder formuliert wurden. Von der Gesellschaft wurde zur Kenntnis genommen,

Es gibt gleiche Bedingungen für das Leben der Kinder wie für das Leben der Erwachsenen. Man spricht über Verinselung und Verhäuslichung der Kindheit (Vgl. Beck 1986). Die Kindheit ist als eine suchende Lebensphase von eigenem Gewicht empfunden, als eine autonome Phase mit eigenen Ansprüchen, die nicht nur als eine Übergangsphase zum Erwachsensein betrachtet werden darf.

Am Ende des 20. und am Anfang des 21. Jahrhunderts spricht man über Kindheit in der Zeit der neuen Technologien, Kindheit in der Zeit des Informationsbooms, medialisierte Kindheit, über Konsumkindheit, über Einzelkindheit, über Kindheit in der Singelfamilien (Vgl. Gansel 1999, Helus 2004). Es gibt keine zwei Welten mehr, die relativ voneinander getrennt wären und von denen die eine die Welt der Kindheit und die andere die Welt des Erwachsenseins darstellen würden. Die Kinder sind mehr am Leben der Erwachsenen beteiligt und haben sehr viel von ihrer Lebensweise und Gedankensweise übernommen. Neue Auffassung der Kindheit fand ihren Ausdruck in der problemorientierten Jugendliteratur. Ihr wichtigstes Thema ist die Suche nach der (neuen) Identität (in der Welt der neu definierten Kindheit). Unter dem Begriff Kinderwelten, die im Zentrum dieser Literatur stehen, versteht man die Welt der Kindheit, der Adoleszenz und des frühen Erwachsenenseins. Von den Phänomenen der Realität wurden  disharmonische Elemente ausgewählt, die die beschädigte Kindheit kennzeichnen. Die Auswahl des literarischen Stoffes korrespondierte und immer noch korrespondiert mit dem realen Leben oder zielt auf Phantasy. Die Themenkreise der problemorientierten Romane, die der Realität nah stehen, kann man folgenderweise einteilen:

  1. Die Romane, aus der Gegenwart
    1. Romane mit der Alltagsproblematik
      • Tod oder Krankheit (Jutta Treiber: „Solange die Zikaden schlafen“)
      • Bruch der Familie (Renate Welsh: „Disteltage“)
      • das Leben in den Familien mit behinderten Kindern (Jutta Treiber: „Herz- und Beinbruch“, Renate Welsh: „Drachenflügel“)
      • frühe Mutterschaft (Jutta Treiber: „Der blaue See ist heute grün“)
      • das Leben in den Familien mit adoptierten Kindern, das Leben in den Kinderheimen (Mirjam Pressler: „Wenn das Glück kommt, muss man ihm den Stuhl hinstellen“)
    2. Romane mit den Extremsituationen
      • Probleme, die meistens durch die freie Wahl der Hauprotagonisten entstanden sind, wie z.B. Gewalt, Kriminalität; Magersucht, Drogenabhängigkeit (Christiane F.: „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“)
      • Probleme, die als Folge der Lebensweise der heutigen Zivilisation zu erklären sind, wie z.B. ökologische Katastrophen (Gudrun PAUSEWANG: „Wolke“);
  2. Die Romane aus der Gegenwart, die durch die Last der Vergangenheit gekennzeichnet ist
    1. Bewältigungsliteratur für Jugendliche, die unterschiedliche Einstellung mehrerer Generationen zu einem Thema, z.B. zum 2. Weltkrieg, schildert (Mirjam Pressler: „Die Zeit der schlafenden Hunde“, Renate Welsh: „Der Besuch aus der Vergangenheit“)
  3. Die Romane aus der Vergangenheit

Der Themenwandel bedeutete auch einen bestimmten Wandel in den Gattungen. Immer öfter werden die Erzähltechniken und Aufbauelemente des modernen (und postmodernen) Romans in die Texte für Jugendliche einbezogen.

Für die Jugendliteratur sind folgende Züge charakteristisch:

Folgende Überlegungen können mit der Frage „Lässt Paradigmenwandel als international geltende Entwicklungstendenzen erklären?“ eingeleitet werden. Auch in der Tschechoslowakei widerspiegelte die gesellschaftliche und politische Situation im Land.

Man kann zwischen offiziellen, tolerierten oder unoffiziellen Literatur und Exilliteratur unterscheiden.

  1. Die tolerierte oder unoffizielle Literatur vertreten diejenigen Texte dar, 
  2. Die Exilliteratur vertreten die im Ausland erscheinenden Texte.
  3. Unter dem Begriff offizielle Literatur versteht man die vom Staat bewilligte literarische Produktion.

Offizielle Literatur wurde stark vom politischen System beeinflusst. Charakteristisch war

Übersetzungen der offiziell aufgelegten Werke in die deutsche Sprache

Die tschechischen Bücher, die ins Deutsche übersetzt wurden, erschienen überwiegend in der damaligen DDR.

Auch in Verlag Albatros erschienen die tschechischen Bücher in den deutschsprachigen Auflagen, die mit den gleichen Illustrationen wie die tschechischen Auflagen begleitet wurden.

Die deutschsprachigen Bücher aus dem Verlag Albatros sind in zwei große Gruppen einzuteilen:

  1. Meistens erschienen die Auflagen der Autoren, dessen Werke zum kulturellen Erbe gehören und die heute als klassische Titel der tschechischen KJL zu betrachten sind.
    1. Aus der Kinderliteratur waren es z.B. folgende Autoren und Titel:
    2. Aus der Jugendliteratur sind z.B. folgende Autoren und Titel:

Diese Titel gehören zugleich zum Textkorpus der allgemeinen Literatur.

  1. In der Albatros-Produktion wurden auch Auflagen der gegenwärtigen Autoren vertreten.
    1. Aus der Kinderliteratur waren es z.B. Autoren und Titel:

Zum Paradigmenwandel in der tschechischen Literatur

Auch in der literarischen Produktion in der damaligen Tschechoslowakei und später in Tschechien kam es zum Paradigmenwandel, den die Veränderung in der Gesellschaft im Herbst 1989 in Bewegung setzten. In den 90er Jahren kommen die vorher offiziell nicht zur Kenntnis genommenen oder sogar verbotenen Autoren und Literaturkritiker zu Wort.

Die Gesellschaft brauchte Zeit, um die Veränderungen wahrzunehmen, zu verarbeiten und literarisch auszudrücken. Nach einer Welle von Übersetzungen, in denen auch sehr viele von den oben aufgeführten Autoren der deutschsprachigen Literatur vertreten wurden, begannen neue Werke zu erscheinen. Zu den wichtigsten AutorInnen gegenwärtiger Literatur sind Ivona Březinová, Martina Drijverová, Petra Braunová, Petr NIKL, Karel Sýs.

Auf der literarischen Szene erscheinen gleichzeitig die Werke von den sowohl schon renommierten als auch von den noch unbekannten AutorInnen stammen. Es kommen neue Themen vor, die in den von den neuen Trends beeinflussten Gattungen dargestellt werden. Unter ihnen sind z.B. sowohl moderner und postmoderner Roman oder gegenwärtige, scharfe Probleme der Gegenwart schildernde, Problemerzählung zu finden. Ebenso wie in den anderen Ländern, kam es am Anfang des 21. Jahrhunderts auch auf dem tschechischen Büchermarkt hier zu einem Phantasy-Boom, wobei Phantasy das Gegenteil der realistischen problemorientierten Literatur betrachtet werden kann.

Der heutige Stand der tschechischen literarischen Szene ist durch breites Themen- und Gattungsspektrum charakterisiert, für die Laienöffentlichkeit ist es nicht einfach, sich in der gegenwärtigen heutzutage erscheinenden Produktion zu orientieren. Nach den Stimmen aus den Verlagen werden die Bücher gesucht, die eine Mittelstellung darstellen würden, die weder zur problemorientierter Literatur noch zur Phantasy zu zählen wären.

 

III.

Bei der literaturwissenschaftlichen Bestimmung des Begriffs „Kinder- und Jugendliteratur“ wird die folgende Schlussfolgerung gemacht: Obwohl die Auffassungen der Kinder- und Jugendliteratur in den deutschsprachigen Ländern und in der Tschechischen Republik unterschiedlich sind (in der tschechischen Auffassung arbeitet man nicht mit dem Handlungssystem der KJL und einige Korpora sind anders abgegrenzt), kann in beiden Systemen ein einigendes Element gefunden werden. Dieses Element ergibt sich aus dem Aspekt des Kindes und es ist das aus dem Lateinischen stammende Lexem ´intentio´, also Absicht auf die Kinder (Jugendliche, junge Erwachsene) als Textadressaten künstlerisch einzuwirken. Einmal wird diese Absicht an erster Stelle dem Autor des literarischen Werks zugeschrieben, ein anderes Mal der Stellungnahme der Erwachsenen zu dem konkreten Typ der Lektüre (häufig als eine Gattung angesehen), zum Autor/zur Autorin oder häufiger zum einzelnen Werk.

Bei der mehrfachen Adressierung der deutschsprachigen problemorientierten Literatur kann man von folgender These ausgehen: falls die Literatur als gesellschaftliches und kulturelles Phänomen über eine Welt referiert, die den Kindern und Erwachsenen gemeinsam ist, dann kann es auch die Texte geben, die eine, den Kindern und Erwachsenen gemeinsame Literatur darstellen würde. Das gleiche gilt auch für tschechische Literatur.

Sowohl die Literatur als auch Literaturwissenschaft in Tschechien brauchten die Zeit, um die vorige Epoche auswerten und neue Strukturen bilden zu können. Neue Entwicklungen bieten viele Forschungsthemen. Eine Perspektive auf dem Gebiet ist z.B. in der Forschung der Kategorien das Fremde und das Eigene und interkulturelle Aspekte der Rezeption zu finden, die sowohl auf dem Gebiet der Literaturwissenschaft als auch im Bereich des Fremdsprachenerwerbs sehr aktuell sind.

 

Resümee

In der Einleitung dieses Aufsatzes wurde in Kürze das Projekt „Moderne Klassiker gegenwärtiger deutschsprachiger Literatur im Fremdsprachenunterricht“ vorgestellt, der an der Pädagogischen Fakultät von Januar 2007 bis Februar 2009 verlief und an das der Aufsatz anknüpfte.

Der Aufsatz konzentrierte sich auf mehrere Themen. Es wurden literaturwissenschaftliche Systeme der Kinder- und Jugendliteratur in den deutschsprachigen Ländern und in der Tschechoslowakei und später in Tschechien verglichen. Im Zentrum stand problemorientierte Literatur, die Aufmerksamkeit wurde dem Schaffen deutschsprachiger Autorinnen, die die Literatur nach dem Paradigmenwandel in den 70er Jahren des 20. Jahrhundert  geprägt haben, die heute für Schlüsselautorinnen gehalten und als neue moderne Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur bezeichnet werden können. Es wurden Kindheitsmerkmale im letzten Drittel des 20. und am Anfang des 21. Jahrhunderts beschrieben, im Vordergrund standen die Phänomene der Realität und ihre Darstellung in dem literarischen Schaffen der beiden Länder..

Eine neue Forschungsperspektive auf dem Gebiet der Komparatistik bilden die Kategorien das Fremde und das Eigene.

 

Literatur:

Primäre Literatur:

Sekundäre Literatur:

 


Anmerkungen:

1 Als diese Eigenschaft kann z.B. die Absicht des Autors gesehen werden, ein Werk für Kinder oder Jugendliche zu schreiben.
2 Mit dieser Auffassung der KJL beschäftigt sich z.B. Dagmar Grenz aus der Universität Hamburg.
3 Als Beispiel können wir die Gattung des Abenteuerromans anfführen.
4 Im Falle der Texte mit dem Thema des 2. Weltkriegs sind oft auch die (eigenen) Kinder (heutige Elterngeneration) als Adressaten gemeint.
5 Key, E. Das Jahrhundert des Kindes. Übertragung von Francis Maro. Deutsche Erstausgabe 1902, neu herausgegeben: Weinheim und Basel 1992 .
6 Eine  Sondergruppe bilden die Autoren der Kinderpoesie, die zugleich auch als Sänger und Autoren der Kinderlieder bekannt sind (z.B. Jan Dědeček, Jaromír Nohavica, Ivar Martin  Jirous).

3.10. Komparatistik und Weltliteratur in der Epoche der Globalisierung

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For quotation purposes:
Tamara Bučková: Zum Vergleich literaturwissenschaftlicher Kinder- und Jugendliteratursysteme in den deutschsprachigen Ländern und in Tschechien - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/3-10/3-10_buckova17.htm

Webmeister: Gerald Mach  last change: 2010-02-22