TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr.
Februar 2010

Sektion 7.2. Zeit, Verlauf und Bestimmung
Sektionsleiter | Section Chair: Arnold Groh (TU Berlin, Deutschland)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Entwicklung eines Instruments zur Messung der Persönlichkeitsvariablen „Zeitnot“

Yvonne G. Strack [BIO] und Florian Klapproth (Technische Universität Berlin) [BIO]

Email: y.g.strack@web.de und Florian.Klapproth@uni.lu

 

1. Einleitung

In das Bild unserer Gesellschaft der Gegenwart scheint der Mangel an Zeit fest eingebaut zu sein. Man gewinnt den Eindruck, es gäbe für jede Person ein sehr geringes Kontingent an Zeit und eine so große Fülle von Handlungen, die sie ausführen müsse, dass es unbedingt notwendig sei, alles so schnell wie möglich zu erledigen, um am Ende auch wirklich mit allem fertig geworden zu sein.

Tatsächlich hat heutzutage jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland weniger als drei Stunden Freizeit am Tag (B.A.T Freizeit-Forschungsinstitut, 2004).

Menschen, die ständig bestrebt sind, viel in kurzer Zeit zu erreichen, wurden in der Klinischen Psychologie als Typ-A-Personen beschrieben. Diese gelten als besonders wettbewerbsorientiert und ungeduldig, und zu Erkrankungen der Herzkranzgefäße neigend.

Mit Hilfe von Fragebogenstudien wurde das Konstrukt „Zeitnot“ im englischsprachigen Raum innerhalb der Typ-A-Forschung als stabiles Personmerkmal identifiziert.

Leider existiert für die Erfassung von „Zeitnot“ bislang kein deutschsprachiges Messinstrument. Aus diesem Grund wurde ein Fragebogen entwickelt, dessen Konstruktion im Weiteren vorgestellt wird.

 

2. Theorie

2.1. Die Dimensionalität von Zeitnot

Zeitnot kann beschrieben werden als „das niemals zu befriedigende Bedürfnis, immer mehr zu schaffen, als die zur Verfügung stehende Zeit erlaubt“ (Friedman & Rosenman, 1974). Gegenwärtig wird Zeitnot als psychologisches Konstrukt betrachtet, das fünf unterschiedliche Komponenten beinhaltet (Conte, Landy & Mathieu, 1995). Diese sind:

2.2 Definition von Zeitnot

Für die Entwicklung eines deutschsprachigen Fragebogens zur Erfassung der Persönlichkeitseigenschaft „Zeitnot“ wurde von den Autoren folgende Arbeitsdefinition von Zeitnot zugrunde gelegt:

Zeitnot  bezeichnet  das Ausmaß, in welchem eine Person ihr Verhalten im Sinne der Zeitersparnis ausrichtet, und sie darunter leidet, wenn sie subjektiv einen Zeitverlust erlebt oder erwartet.

Eine Person mit hoher Zeitnot-Ausprägung beurteilt Ereignisse in erster Linie danach, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen. Sie möchte soviel wie möglich im kürzest möglichen Zeitraum erledigen und zeigt wenig Toleranz bei Ereignissen, die ihren Zeitplan in Frage stellen. Wenn sie gezwungen ist zu warten, wird sie schnell ungeduldig. Sie möchte ihre gesamte Zeit sinnvoll nutzen.

Eine Person mit niedriger Ausprägung nimmt Ereignisse nicht in erster Linie zeitbezogen wahr. Es stört sie nicht sehr, wenn sie aufgehalten oder in ihrer Arbeit unterbrochen wird, und sie zeigt Flexibilität in ihrer Zeitplanung. Es fällt ihr leicht, Geduld aufzubringen, wenn sie warten muss.

2.3. Hypothetische Vorüberlegung

Es wurde angenommen, dass die Persönlichkeitsvariable Zeitnot mehrdimensional ist, d. h. voneinander unabhängige inhaltliche Komponenten enthält. Die Dimensionen dieses Konstrukts sollten auf Planung und Terminierung von Tätigkeiten, den Drang, alles schnell zu erledigen, und den Drang, die gesamte Zeit mit sinnvollen Tätigkeiten auszufüllen, sowie den Ärger darüber, wenn dies nicht gelingt, beziehen.

 

3. Methode

3.1 Konstruktion des Fragebogens

Für die Erstellung des Fragebogens wurden 73 Items in Aussageform generiert und bezüglich ihrer Tauglichkeit beurteilt.

Es wurde ein dichotomes Antwortformat mit den Antwortalternativen „trifft zu“ und „trifft nicht zu“ gewählt. Die Versuchspersonen wurden in der Einleitung explizit dazu aufgefordert, diejenige Antwortalternative zu wählen, die am ehesten zutraf.

3.2 Stichprobe

Die Daten wurden an Hand einer anfallenden Stichprobe erhoben, d. h., die Stichprobe bestand aus Personen, die leicht zugänglich waren (vgl. Lienert & Raatz, 1998). Hierbei wurde im Rahmen der Möglichkeiten darauf geachtet, eine große Heterogenität bezüglich Alter, Bildung und Wohnverhältnisse (Stadt vs. Land) und eine annähernde Gleichverteilung der Geschlechter zu erreichen. Dadurch sollte eine einigermaßen zufrieden stellende Repräsentativität der Stichprobe für die Population bezüglich des zu erfassenden Merkmals erreicht werden. 

Die Fragebogenvorform wurde insgesamt 112 Personen in Berlin, Brandenburg und Hessen vorgelegt. Ungefähr ein Viertel der Personen wohnte auf dem Land.

Von den Personen, welche Angaben zum Geschlecht gemacht hatten, waren 58 Prozent Frauen und 42 Prozent Männer. Die Verteilung des Alters innerhalb der Stichprobe entsprach annähernd einer Normalverteilung. Das Durchschnittsalter betrug 39;11 Jahre.

 

4. Ergebnisse

4.1 Faktorenanalytische Auswertung der Items

Von den ursprünglich 73 Items wurden 14 Items aufgrund zu hoher oder zu niedriger Schwierigkeit aus dem Fragebogen entfernt. Über die verbleibenden 59 Items wurde eine Faktorenanalyse gerechnet, mit der die Dimensionalität des Konstrukts „Zeitnot“ überprüft wurde.

Es konnten vier Faktoren als bedeutsam angenommen werden; 19 Items wurden beibehalten. Die Faktoren wurde folgendermaßen interpretiert:

Faktor 1: Terminierung: Planung von Zeiträumen für die Ausführung von Tätigkeiten. (4 Items)
Faktor 2: Ungeduld: ungeduldige Reaktionen auf Wartesituationen. (6 Items)
Faktor 3: Frustration: Ärger, wenn nicht alles erledigt werden kann. (4 Items)
Faktor 4: Eile: generelle Bereitschaft zur Eile. (5 Items)

4.2 Reliabilität der Subskalen

Zur Ermittlung der Zuverlässigkeit des Fragebogens wurde für jede einzelne Subskala ihre interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) berechnet. Diese lag für jede der Subskalen durchgängig über a = .60, im Durchschnitt bei a = .75. Die genauen Werte sind der folgenden Tabelle zu entnehmen.

Tabelle 1 :Interne Konsistenzen der Subskalen (Cronbachs Alpha)


Subskala

Interne Konsistenz

Terminierung

.86

Ungeduld

.69

Frustration

.73

Eile

.73

 

4.3 Rohwerte-Verteilungen innerhalb der Subskalen

Für drei der Subskalen wurden schiefe Verteilungen gefunden. Eine Subskala (Frustration) wies eine bimodale Verteilung auf.

Abbildung 1: Histogramme der Subskalen

Histogramme der Subskalen  Histogramme der Subskalen

Histogramme der Subskalen    Histogramme der Subskalen

 

5. Diskussion

Die Hypothese der Mehrdimensionalität des Konstrukts „Zeitnot“ konnte bestätigt werden; die gefundenen Faktoren bzw. Dimensionen stellten Zeitdruck-Komponenten auf verschiedenen Ebenen der Informationsverarbeitung dar.

Terminierung repräsentierte die kognitive Komponente: den organisatorischen Umgang mit dem Wissen, dass die zur Verfügung stehende Zeit begrenzt ist.

Die Dimension Eile bildete Zeitnot auf der Verhaltensebene ab; das Wissen um die Begrenztheit der Zeit führt zu dem Drang, sich bei den Tätigkeiten zu beeilen.

Terminierung und Eile repräsentierten also Maßnahmen der Zeitkontrolle.

Dagegen spiegelten Frustration und Ungeduld emotionale Reaktionen auf die Verhinderung der angestrebten Zeitkontrolle wider.

Die Dimensionen Terminierung, Eile und Ungeduld waren inhaltlich im Wesentlichen identisch mit bisher in der Literatur beschriebenen Dimensionen (vgl. Conte et al., 1995; Edwards, Baglioni & Cooper, 1990; Landy, Rastegary, Thayer & Colvin, 1991).

Die Rohwerte der Subskalen waren nicht normal verteilt. Dies kann mit den Schwierigkeiten der Items zusammenhängen. Eventuell kann es auch auf das Antwortformat zurückführbar sein; da ein dichotomes Antwortformat vorlag, konnten die Versuchspersonen keine mittlere Position wählen.

 

6. Ausblick

Zunächst ist eine neue Fragebogenform, bestehend aus den Items der vier Subskalen, zu entwerfen. Sie wird mit einem mehrstufigen Antwortformat versehen sein. Diese neue Fragebogenform wird einer von der ersten unabhängigen Stichprobe, welche größer als jene sein sollte, vorgelegt.

Fallen die aus den so gewonnen Daten ermittelten Itemkennwerte, Reliabilitäten und Verteilungen zufrieden stellend aus, schließt sich die Validierung des Fragebogens an. Da der Fragebogen aus vier Subskalen besteht, ist es sinnvoll, jede Subskala einzeln zu validieren.

Nach Abschluss der Validierung ist die Normierung des Fragebogens durchzuführen.

Literatur


7.2. Zeit, Verlauf und Bestimmung

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For quotation purposes:
Yvonne G. Strack und Florian Klapproth: Entwicklung eines Instruments zur Messung der Persönlichkeitsvariablen „Zeitnot“ - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/7-2/7-2_strack_klapproth.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-02-01