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Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | März 2010 |
Sektion 8.17. | Massenmedien und sozial-geistige Ökologie unserer Gesellschaft Sektionsleiterin | Section Chair: Maja N. Volodina (Lomonosov-Universität, Moskau) |
Filmkritik – ein Marketinginstrument in der modernen Gesellschaft
Svetlana Bartseva (Freie Universität Berlin, Deutschland) [BIO]
Email: barsveta@googlemail.com
„Ein US-Blockbuster hat, wie schlecht er auch sein mag, in Deutschland keine Chance, nicht besprochen zu werden”(1), schreibt Rüdiger Suchsland, der freie Journalist und Filmkritiker und trifft dabei genau mit einem Satz die Situation der Filmkritik in Deutschland.
Dass die Filmindustrie schon seit Anfang ihrer Geschichte einen bestimmten Einfluss auf die Filmpresse hatte, ist nicht neu. Die Eindringung der Marktinteressen in die Filmkritik in den letzten Jahren hat aber unglaubliche Maßstäbe erreicht, so dass die Filmkritiker sich bedroht fühlen und das Problem zur Diskussion zu bringen versuchen.
Eine der umfangsreichsten Argumentation hat der renommierte Filmjournalist beim Chicago Reader Jonathan Rosenbaum in seiner Arbeit: „Movie Wars: How Hollywood and the Media Limit What Movies We Can See“ (2002) gegeben.
Die Filmkritik sei ein Teil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Produzenten und ist schon längst nicht mehr frei, behauptet er. Es gibt verschiedene Wege für den Produzenten, eine Filmrezension, bzw. einen Filmbericht in einer Zeitung zu platzieren. Erstens sind das die Pressevorführungen, wohin die Journalisten eingeladen werden, bevor der Film im Kino startet. Da bekommen die Filmkritiker Pressemappen, wo sie nicht selten Waschzettel finden können, fast fertige Rezensionen, die von professionellen „blurb writers“ geschrieben werden. Manchmal bekommen die Journalisten sogar mehrere Texte zur Auswahl, schreibt Rosenbaum.(2)
Die zweite Möglichkeit sind die so genannten Filmjunkets. Die Journalisten werden zu Abenden eingeladen, oft am Ort der Dreharbeit, wo sie dann die Interviews mit Regisseuren und Schauspielern führen können. Natürlich wird es vom Produzenten entschieden, mit wem der Filmkritiker sprechen kann. In der Regel sind es Prominente und Stars. Was sie sagen, wird auch von den PR-Managern vorher geregelt.
Der Produzent braucht keine seriöse Filmreflexion, am besten wären für ihn Portraits, Interviews und Berichterstattungen, die von Lesern als Nachrichten wahrgenommen werden müssen. In vielen Fällen dient das nur reinen Werbezwecken oder sie beinhalten so viele Werbeelemente, dass die Grenze zwischen Filmkritik und Filmwerbung völlig verschwimmt.
Die Produzenten arbeiten oft direkt mit den Chefredakteuren. Sie entscheiden, in welchen Medien welche Filme präsent sein sollen und die Chefredakteure entscheiden, welche Filmkritiker welche Filme besprechen. Der Filmjournalist ist das letzte Glied in dieser Kette. Er ist beauftragt, die Texte zu schreiben, aber für die Auswahl von Filmen ist er nicht zuständig. Der Filmkritiker ist nicht frei, behauptet Jonathan Rosenbaum, genauso wie die Chefredakteure, die die großen Produzenten nicht ignorieren können. Wenn sie versuchen, die Debatte um Großkinoereignisse zu vermeiden, bleiben sie ohne Arbeit und verlieren ihr Publikum. Also sind sie gezwungen, sich der Filmindustrie anzupassen. „How long could I keep my job if I had nothing to recommend week after week?”(3) fragt sich Rosenbaum.
Auf keinen Fall wird der Meinungsfreiheit der Journalisten geschadet. Darum geht es nicht. Auch für das Mainstreamkino kann die Bewertung positiv oder negativ ausfallen, aber ignoriert werden kann es nicht.
Das Marketingbudget eines Films bestimmt also nicht nur die tatsächlichen Werbemaßnahmen der Produktions- oder Verleihfirma, sondern lenkt außerdem die Medienaufmerksamkeit. Die Regel ist: je mehr ein Film beworben wird, desto mehr wird er „besprochen“. Ob der Film es wirklich verdient hat, in der Presse besprochen zu werden, spielt gar keine Rolle, wenn er über ein hohes Budget verfügt.
„The fact is, movies can get away with being terrible these days without causing any crisis in the film industry, because no matter how much the capacity to make movies that matter has been impaired, the capacity to advertise, market, and disseminate them has only improved”.(4)
Die traditionelle Aufgabe der Filmkritik, den Film zu analysieren, zu interpretieren, ein Diskussionspodium in den Medien zu schaffen, ist zur Zeit vor allem auf die Berichterstattung über das Mainstreamkino reduziert.
Alles, was J. Rosenbaum in seinem Essay zum Thema Filmkritik und Filmindustrie sagt, trifft auch genauso auf die Filmkritik in Deutschland zu.
Alle Printmedien, die über das Medium Film schreiben, kann man in zwei Teile aufspalten: erstens, sind das Zeitungen und Zeitschriften mit dem Ressort Kultur und spezialisierte Filmzeitschriften, die vor allem über das Mainstreamkino schreiben. Sie haben auch die Dominanz auf der Medienlandschaft. Zu dieser Gruppe gehören z. B. die meisten Tageszeitungen: „Süddeutsche“, „Frankfurter Allgemeine“, „Tageszeitung“, „Die Welt“, „Die Zeit“, regionale Zeitungen und einige Filmfachzeitschriften, wie „epd film“.
Zur zweiten Gruppe gehören einzelne Fachzeitschriften, die sich theoretisch mit dem Medium Film auseinandersetzen. Sie sind in meisten Fällen auch zu cineastisch und sprechen eine enge Zielgruppe an. („Revolver“, „kolik film“, „Filmdienst“). Die Tendenz der letzten Jahre zeigt, dass auch einige spezialisierte Zeitungen versuchen, sich dem Markt anzupassen, wie es z.B. bei „epd Film“ oder „Schnitt“ der Fall ist. Diese Tendenz betrübt deutsche Filmkritiker, die schon seit einigen Jahren versuchen das Thema „Kritik der Filmkritik“ zur breiten Diskussion zu bringen.
Das „Revolver“-Heft 14 war ausschließlich dieser Diskussion gewidmet. Die renommierten Filmkritiker der großen deutschen Zeitungen haben ihre Einstellungen zum Problem geäußert, darunter Enno Patalas, Cristina Nord, Katja Nicodemus, Michael Althen, Bert Rebhandl, Rüdiger Suchsland.
Sie zeigen exemplarisch aus ihrer eigenen Praxis, wie die Filmkritik in deutschen Medien funktioniert und geben alle zu, dass Filmkritik und Marketing heutzutage nicht mehr auseinander zu halten sind. „…Unser Horizont, unsere Aufmerksamkeit und schlimmstenfalls auch unser Urteil ist von einem Phänomen beeinflusst, das sich in den letzten Jahren zu unverschämter Bedeutung aufgebläht hat: dem Marketing. Flankiert wird es von der lästigen Tendenz der Kritik, mehr auf andere Medien zu schielen als sich mit den ästhetischen Gegenständen zu beschäftigen… So seriös, kritisch, unparteiisch wir uns als Kritiker fühlen mögen- wir kommen gar nicht umhin, immer wieder auf künstlich erzeugten Eventwellen mitzusurfen“(5), so Katja Nicodemus.
Auch in Deutschland sind es die Redakteure, mit denen die Produktionsfirmen einen direkten Kontakt knüpfen. In letzter Zeit hat sich sogar bei bestimmten Großfilmereignissen eine Praxis etabliert, nicht die Kritiker, sondern zuerst ihre Chefredakteure zur Vorführung einzuladen, mit dem Motto, zuerst solle die Stimmung bei den Meinungsmachern erstellt werden. Im Endeffekt entscheiden sie, welche Filme besprochen werden sollen und wie…
Wenn ein neuer Film ein besonderes Ereignis ist, kann keine Zeitung oder Zeitschrift dieses Ereignis ignorieren, alle mischen sich ein, auch wenn die Filmproduzenten diese gar nicht beauftragen über den Film zu schreiben. „Es bedeutet den Triumph des Marketings über eine Filmkritik, die ihre Proportionen und vielleicht auch ihre Maßstäbe verloren hat, weil sie sich zu selten traut, Schrott einfach als Schrott zu behandeln“(6), sagt Katja Nicodemus.
Der Platz in Zeitungen und Zeitschriften ist vorher schon für die großen Events in der Kinowelt reserviert. Die unbekannten Regisseure haben fast keine Chance im Feuilleton besprochen zu werden. Wenn es ausnahmsweise doch ein unbekannter Regisseur in den Kulturteil der großen Zeitung geschafft hat, dann wird dieser aber dennoch nie auf der Titelseite angekündigt. „Wäre es um Steven Spielberg oder um Peter Jackson gegangen, ein Hinweis auf Seite eins hätte kein Problem dargestellt. Bei einem unbekannten Regisseur ist das anders: Der wird im Kulturteil einer Zeitung vielleicht eben noch geduldet, nicht aber auf der ersten Seite. Da macht die „taz“ keine Ausnahme(7)“, sagt Cristina Nord, die Filmkritikerin der Taz. In der Zeitung gibt es nur Platz für das Mainstreamkino, kleinere Filmen kommen gar nicht an, bleiben also für das Publikum unbekannt. Was in der Kinowelt, außer Hollywoodproduktionen oder großen einheimischen Produktionen passiert, bleibt hinter den Kulissen.
Die Feuilletons richten sich heute an Ereignisse, die ohnehin durch großflächige Marketingmaßnahmen präsent sind. Die Vermarktung des Filmjournalismus ist lange kein Geheimnis mehr. Bei einigen Kritikern läuft es unbewusst ab, die anderen versuchen noch mehr oder weniger selbständig zu bleiben. Es gibt auch diejenigen, die bewusst in diesem Prozess mitmachen. Michael Althen behauptet, es wäre nur ein Spiel, in dem man mitspielen muss. Filmkritik – sei Journalismus, und im Journalismus geht’s um “ Aktualität, um Anschaulichkeit“.(8) Und wenn jetzt das Mainstreamkino dominiert, dann muss man auch darüber schreiben und nicht künstlich ein Echo für andere Filme schaffen. Und das ist auch nicht so leicht, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. „Über Godard konnte jeder klug daherschreiben, über den Käse aus Hollywood nicht“.(9)
Enno Patalas, der Vertreter der alten Generation der Filmkritiker, ärgert gerade diese Bereitschaft, sich heutzutage mit dem Markt zu identifizieren. Es geht um die Süddeutsche Zeitung und um die SZ-Cinemathek, eine DVD-Reihe, die 50 Lieblingsfilme der Filmredaktion präsentiert. In Wirklichkeit hat aber sie mit der Filmredaktion nichts zu tun. Enno Patalas kritisiert die Einseitigkeit der Reihe, die 50% Hollywood und alles, was gut verkauft werden kann, beinhaltet. Aber vor allem die Tatsache, dass eine große intellektuelle Zeitung sich in das Geschäft einmischt, und noch mit den Kritikernamen die Ware bewirbt, ärgert ihn.(10)
Fassbinders „Alexanderplatz“ ist das Highlight dieser Reihe. Extra für die SZ wurde der Film restauriert. Die Aufhellung widerspricht aber den ästhetischen Grundsätzen Fassbinders, behauptet Enno Palates. Der aufgehellte Film ist aber besser zu verkaufen, über die Ästhetik braucht der Zuschauer nichts zu wissen. Die gleiche Geschichte passierte mit dem Murnaus „Nosferatu“, den vor einiger Zeit ein englischer Video-Produzent auf DVD herausgebracht hat. In dem Trailer wurde behauptet, die Fassung basiere auf „der kürzlich in Deutschland gefundenen einzigen noch existierenden Kopie der Originalfassung“. Auf die Patalas Frage, wo der Produzent das Recht zu dieser wahrheitswidrigen Behauptung hernähme, wurde ihm nur geantwortet: „We call that marketing“.(11) Es geht’s nicht mehr um Wahrheit, und nicht mehr um Kunst, es geht vor allem um Geld.
Die meisten Filmkritiker wünschen sich, dass die Reflexion über ästhetische Gegenstände wieder seinen Platz in der Filmkritik findet. Sie möchten über die Filme schreiben, von denen sie wirklich überzeugt sind, wenn sie auch kein Budget besitzen. „Über dieses Kino zu schreiben, mit aller analytischen Lust und Begeisterung, ist immer noch wichtiger, als auf das Eventdebattengrossfilmeregniss der Saison mit dem Kunstrichterstock einzuschlagen, der ja in solchen Fällen ohnehin nur die Wirkung eines Straussenfederchens hat“(12), schreibt Katja Nicodemus und hat damit Recht.
Wie die Filmkritikerbewertung ausfällt, ob positiv oder negativ, wirkt sich auf die Zahl der Zuschauer nicht aus. Es gibt gute Filme, die nie, schlechte Filme, die leicht die Feuilleton Aufmerksamkeit erreichen und die Kasse machen. „Das darf den Kritiker nicht kümmern“(13), sagt Rüdiger Suchland, das kümmert aber den Produzenten.
Den Produzenten genügt es nicht, die absolute Kontrolle in der Branche zu haben, sie wollen noch entsprechend gewürdigt werden. Wenn die Wirkung der Kritik nichts über Erfolg des Filmes entscheidet, dann soll sie mindestens auf der Seite der einheimischen Produzenten stehen. Im „Spiegel“ (vom 22.01.2007) hat Günter Rohrbach, Präsident der Deutschen Filmakademie, einen Angriffpamphlet gegen die deutschen Filmkritiker veröffentlicht und damit eine riesige Debattenwelle zum Thema Beruf und die Rolle des Filmkritikers angefangen. Der Anlass war der Film von Tom Tykwer „Das Parfum“, der von allen Kritikern sehr negativ bewertet wurde und trotzdem eine Zahl von 5,5 Millionen Zuschauern erreicht hat. Im Gegensatz zu dem Megaprojekt „Das Parfum“ wurde der Film „Sehnsucht“ von der unbekannten Regisseurin Valeska Grisebach unglaublich gelobt, was aber auch folgenlos blieb. Am Ende hatte „Sehnsucht“ nur 24000 Zuschauer gesammelt.
„Die Verrisse haben dem „Parfum“ nicht geschadet, die Hymnen „Sehnsucht“ aber auch nichts genützt. Was, so darf gefragt werden, ist eine Kritik wert, die solchermaßen verpufft?“(14), wundert sich Günter Rohrbach. Und antwortet selbst auf diese Frage, indem er die deutschen Kritiker als Autisten bezeichnet, die mit der Außenwelt nicht kommunizieren. Sie sperren sich in ihrem Elfenbeinturm und schreiben für sich selbst, ignorieren die Interessen ihres Publikums. So rächen sie an dem Produzenten, der sich unter Umgehung der Kritiker direkt an die Chefredeakteure wendet, sagt Rohrbach.
Wir brauchen aber unsere Kritiker, „in ihrer klassischen Rolle als Mittler zwischen uns und dem Publikum“(15), schreibt Rohrbach. Das klingt aber so, als ob der renommierte Filmproduzent die deutsche Filmkritik dazu auffordere, die neuen deutschen kommerziellen Produktionen zu würdigen, damit es mit dem deutschen Film vorwärts geht.
Die Kritiker reagierten empört auf diese Forderung und antworteten in mehreren Artikeln mit Verteidigungswort, in denen sie ihre Position und Rolle in der modernen Gesellschaft zu identifizieren versuchten. Der Verband der deutschen Filmkritik (VdFk) antwortete auf Rohrbachs Angriffen mit folgenden Behauptungen (Saarbrücken, 25.01.2007): „Kritiker sind nicht Teil des Betriebs, oder einer Marketingmaschine. Im Gegensatz zu Produzenten profitieren Kritiker nicht vom Erfolg oder Misserfolg eines Films an der Kinokasse. Das gibt ihnen Unabhängigkeit gegenüber dem Produkt – und darum können ihnen die Zuschauer mehr vertrauen als allen Werbekampagnen“.(16)
Im Idealfall soll es so sein, wie die Filmkritiker es sich auch wollen, das Problem besteht aber darin, dass man jetzt leider nicht immer zwischen Filmkritik und Werbung unterscheiden kann. Wenn es in den Printmedien noch Möglichkeiten gibt, sich frei in seinen kritischen Texten zu äußern, so ist es in audiovisuellen Medien, wie Fernsehen oder Internet, noch komplizierter sich von Werbungselementen zu befreien. Hier dominiert die visuelle Information, sie hat auch mehr Aussagekraft, als die textuelle Information. Im Fall Film ist die visuelle Information die Filmausschnitte, die Bilderstrecken, die Fotos von Schauspielern. Der Text, egal ob schriftlicher im Internet, oder gesprochener im Fernsehen, bleibt wegen der Wahrnehmungsgesetze im Hintergrund. Dieser Wahrnehmungseffekt nutzen die Produzenten, so viel sie können. Silvia Hallensberg (Tageszeitung) fragt sich, ob die Filmkritik im Fernsehen schon mit der bloßen Werbung gleichgesetzt werden kann. „ Die Filmkritik im Fernsehen ist auf Filmausschnitte und Interviewangebote der Verleiher angewiesen, um ihre Beiträge medienrecht aufzubreiten. Sind solche Abhängigkeiten vielleicht der Grund dafür, dass der Filmjournalismus im Fernsehen fast durchweg zur werbeunterstützenden Kinostart-Begleitmusik heruntergekommen ist?“(17)
Internet hat in diesem Sinne seine Vorteile. Im Internet gibt es genug Platz auch für die Portale, die sich mit anderem Kino beschäftigen. So stehen solche Seiten wie www.jump-cut.de, www.nachdemfilm.de, www.filmzentrale.com für das Artkino, auf diesen Seiten werden die Kritiken und Essays oft mit hohem wissenschaftlichen oder cineastischen Anspruch publiziert. Jede Webseite braucht aber die finanzielle Unterstützung, die man mit der Platzierung der Anzeigen erreichen kann. So wird man in vielen Fällen wieder zum großen Kino mit Trailers, links usw. zurückgekehrt. So bildet sich ein Teufelskreis. Auch im Internet haben die großen Produzenten die wichtigsten Positionen erobert.
Internet ist ein Medium das besonders für Werbungszwecken gut geeignet ist. Der Hyperraum ermöglicht Links, die den Nutzer zu anderen Seiten führen. Im Fall der Filmkritik ist es öfters so, dass man statt einer Rezension 10 Links bekommt, die in der Regel auf die Homepage des Produzenten überweisen, wo dem Nutzer der Trailer angeboten wird, und damit ist oft der durchschnittliche Nutzer auch zufrieden.
Um diese Tendenzen exemplarisch darzustellen, habe ich zahlreiche Webseiten, vor allem die Online-Versionen von Tageszeitungen und Zeitschriften, im Zeitraum von 13.11 bis 23.11 untersucht, um festzustellen, welche Filme und wie besprochen werden.
Es stellte sich sofort heraus, dass die meisten Seiten die Filme in gleicher Reihenfolge präsentieren. Am Platz eins stand zur Zeit der Film „Von Löwen und Lämmern“ von dem Regisseur Robert Redfort, danach folgten die Filme „Abbitte“ von Joe Wright, „Liebesleben“ von Maria Schrader und „Free Rainer“ von Hains Weingarten. Die seriösen Rezensionen konnte man aber nur auf den Internetseiten der TAZ und Tagespiegel lesen, bzw. hören. Auf allen anderen Seiten konnte man die Trailers herunterladen, Fototour machen, Links zur Homepage des Films finden, Porträt über den Regisseur lesen, und sogar Videonews von der Premiere des „Löwen und Lämmern“ sich anschauen. Unargumentierte Bewertungen in Form von Daumen hoch, Daumen unten usw. konnte man hier auch finden.
Viele Internetseiten (z. B. FAZ.de) bieten jetzt eine ganz neue Form von der Filmkritik, so genannte Video-Filmkritik, wo die Kritik, bzw. Zusammenfassung des Inhalts mit den Filmausschnitten verknüpft wird. Es ist aber fraglich, ob diese Art von Filmkritik wirklich als Filmkritik bezeichnet werden kann. Der Unterschied zu normalen Trailer ist kaum zu merken.
Eine besondere Erscheinung und gleichzeitig der typische Beispiel dafür, wie man eine unglaubliche Agiotage um einen Film schafft, den es noch gar nicht gibt, ist der Film „Valkyrie“ mit Tom Cruise. Der Film soll voraussichtlich erst im Sommer 2008 starten. Er wird aber schon jetzt heftig besprochen. Da es noch keinen Film und damit auch keinen Stoff zur kritischen Reflektion gibt, stehen die Information über die Schauspieler, Dreharbeiten usw. im Zentrum der Diskussion und reflektiert wird über den Trailer…Auf diesem Beispiel sieht man gut, wie die Marketingprozesse funktionieren: die Aufgabe ist die Erwartung spannend zu machen. Schon jetzt kann man sicherlich sagen, dass der Film „Valkyrie“ eine große Kasse machen wird. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Internetseite www.taz.de am wenigstens vermarkt ist. Es gibt keine Trailers und keine Video-Informationen. Die Tageszeitung scheint von Hollywoodkram und Marketingagiotage eine gute Distanz zu halten. Am stärksten vermarkt ist die Süddeutsche.de. Es gibt hier keine Rezensionen. Stattdessen wird dem Leser ein gutes Service angeboten. Die Rubriken „Film in Ihrer Nähe“, „Kinoprogramm“, „Kinocharts der Woche“, „Filmschnellsuche“ helfen einem den Film auszusuchen.
Es entsteht ein großes Risiko, wenn die Filmkritik und Filmwerbung zu Synonymen werden oder die Grenze zwischen denen nicht mehr zu spüren ist. Das ist besonders für audiovisuelle Medien gefährlich. Die Filmkritik in allen Medien gehört aber schon seit langem fest zum Teil des Marketings, wenn nicht nur als Marketinginstrument agiert.
Als Ergebnis dieses Prozesses leidet erstens die Filmkritik als journalistische Form. Es wir nicht mehr über künstlerische Gegenstände reflektiert und diskutiert. Andere journalistische Formen, wie Interview, Porträt, Bericht nehmen zu, die potenziell mehr Werbungsinformation erhalten können, als eine kritische Auseinandersetzung.
Zweitens, wird eine Monokultur gebildet, indem immer dieselben Filme einig besprochen werden. Es entsteht also kein Diskussionspodium. Obwohl, wie allen bekannt ist, in der Erkenntnis der Wahrheit kommt man nur im Streit voran.
Drittens, werden der Mensch und sein Geschmack auf solche Weise unbewusst manipuliert. Letztendlich, wird ein kollektives kulturelles Gedächtnis geformt, wo dann viele gute Filme nie einen Platz finden.
Dieser Prozess ist nicht mehr rückgängig zu machen, man kann aber versuchen den Leser, bzw. den Zuschauer zu informieren, ihn gewissermaßen zu erziehen, damit er die verschwimmtende Grenze zwischen Werbung und Kritik sehen und sich im vermarkten Kulturraum trotzdem orientieren könnte. Die wissenschaftlichen Studien zu diesem Phänomen gibt es bisher nicht viele. Die ausführliche Analyse konnte aber in dem Sinne sehr behilflich sein.
Literaturliste
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Anmerkungen:
8.17. Massenmedien und sozial-geistige Ökologie unserer Gesellschaft
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Webmeister: Gerald Mach last change: 2010-03-23