TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 8.17. Massenmedien und sozial-geistige Ökologie unserer Gesellschaft
Sektionsleiterin | Section Chair: Maja N. Volodina (Lomonosov-Universität, Moskau)

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Zur Rolle der Massenmedien bei der Prägung des öffentlichen Bewußtseins

Maja N. Volodina (Lomonosov-Universität, Moskau, Russland) [BIO]

Email: volodina@philol.msu.ru

 

Massenkommunikation stellt ein besonderes System sozialer Interaktion dar. Der allgemein-gültige Charakter dieser Kommunikationssphäre ist dadurch bedingt, dass sie auf eine menschliche Gesellschaft abzielt, die als eingegrenzter sozialer Raum in Erscheinung tritt, mit spezifischen internen Prozessen und kulturellen Merkmalen.

Die Frage nach einer Regulierung der öffentlichen Meinung durch die Massenmedien erhält heute eine besondere Aktualität. Wenn man davon ausgeht, dass die Nutzung von Informationen direkt mit dem Problem von Herrschaft verbunden ist, kann man Massenmedien, die für den Massenkonsum bestimmt sind, als ein spezielles soziales Informationssystem betrachten, das die Funktion einer orientierenden Ausrichtung hat.

Massenmedien beeinflussen schon längst unsere Wirklichkeitswahrnehmung. Und das gilt desto stärker, je weniger das uns bewusst ist, je selbstverständlicher wir Medien akzeptieren [Faulstich 1994]. Der Mensch von heute existiert in einer besonderen „audiovisuellen Informationssphäre“, die einer bestimmten Konzeptualisierung der Wirklichkeit dient.

Die Massenmedien, die ursprünglich rein technische Verfahren zur Fixierung und Verbreitung von Informationen waren, verwandelten sich sehr rasch in ein ungeheuer wirksames Mittel zur Massenbeeinflussung. Presse, Rundfunk, Fernsehen, Werbung und Internet sind für die soziale Existenz des modernen Menschen unabdingbare Komponenten, die die Teilhabe an den Ereignissen seiner Umgebung in entscheidender Weise bestimmen.

Die Massenmedien konstituieren eine konkrete audiovisuelle Welt, eine ideologisierte Audio- und Ikonosphäre, wo der moderne Mensch lebt. Gerade die Sphäre der Massenkommunikation trägt dazu bei, dass die Gesellschaft als „Generator einer sozialen Hypnose“ funktioniert, unter dessen Einfluss wir zu einer lebenden Assoziation werden.

Je bedeutsamer medienvermittelte Kommunikation in einer Gesellschaft ist, desto größer ist der Einfluß von Medien auf das soziokulturelle Leben der Menschen und dadurch auch auf ihre Sprache. Im Bereich von Massenmedien werden aktiv allgemeine Prinzipien eingesetzt: die Anwendung modernster technischer Möglichkeiten und sprachlicher Mittel zu dem Zweck, durch Information auf das Massenbewusstsein einzuwirken. Indem Massenmedien jeweilige Informationen verteilen, nehmen sie am Prozess und an den Ergebnissen sozialer Kommunikation teil. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei die Rolle der konkreten Nationalsprache.

In diesem Zussammenhang ist zu betonen, dass Sprache nicht nur ein Übermittlungs- und Speichermedium für Informationen darstellt, sie ist auch ein Instrument, mit Hilfe dessen neue Begriffe geschaffen werden, die entscheidende Aspekte des menschlichen Denkens bestimmen. Die Auswahl konkreter sprachlicher Mittel beeinflusst die Struktur des Denkens und damit auch den Prozess der Wahrnehmung und der Wiedergabe der Wirklichkeit [Volodina 2003: 9].

Eine besondere Rolle kommt dabei der sozialen und politischen Terminologie zu, die über spezifische sprachliche Mittel und Symbole verfügt, um im öffentlichen Bewusstsein ein entsprechendes Bild von der Welt zu erzeugen. Durch Termini aus der sozialen und der politischen Sphäre konstituiert man eine Interpretation der Wirklichkeit auf konzeptueller Ebene. Gerade in dieser kommunikativen Sphäre gewinnt ein oftmals wiederholter Kontext eine systemhafte Kraft, die den jeweils aktuellsten Sinn des Textes kondensiert, indem sie ihn in einen Terminus verwandelt, der die Funktion eines Symbols erfüllt.

Die Auswahl sprachlicher Mittel im medialen Diskurs ist vor allem vom sozialen Auftrag bedingt und aufs engste mit dem Anliegen und den Präferenzen medial handelnder Person verbunden. Die Notwendigkeit, konkrete bewertende Äußerungen zum Ausdruck zu bringen, um auf den Adressaten in entsprechender Weise einwirken zu können, zwingt die medial handelnde Person zur Bildung konzeptueller und emotionaler verbaler Charakteristiken. Als markantes Mittel konzeptueller und emotioneller Bewertungscharakteristiken gelten die mediale Metapher.

Im heutigen politischen Diskurs wurde die Metapher zu einem starken Mittel der kognitiven Beeinflussung der Adressaten. G. Lakoff hat in seinem Buch [1991] anschaulich gezeigt, wie die Regierung der USA und die auf ihrer Seite stehenden Massenmedien mittels eines speziellen Systems von konzeptuellen Metaphern dem amerikanischen Volk (aber auch der gesamten Menschheit) beibringen wollen, daß die Kampfhandlungen der Vereinigten Staaten gegen das Regime Saddam Husseins im Irak während des Krieges am Persischen Golf vom Standpunkt der Moral tadelsfrei seien, denn dies sei ein Kampf gegen den blutigen Tyrannen, der einen unprovozierten Aggressionsakt verübt habe. In derselben Arbeit werden auch metaphorische Argumente untersucht, die zur Verurteilung der Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten der arabischen Länder und zur Unterstützung des totalitären Regimes in Kuweit angewendet werden [Tschudinow 2005: 127].

Die Untersuchung von Faktoren, die die öffentliche Meinung eines jeweiligen Landes beeinflussen, ist ein vielseitiges Problem. Einer der wichtigsten Ansätze zur Lösung dieses Problems sei eine kognitive Untersuchung von Methoden zur metaphorischen Rechtfertigung (und Verurteilung) des Kriges, d. h. der Mittel zur bildlichen Erklärung, warum die jeweiligen Kampfhandlungen vom Standpunkt der Moral notwendig und legitim oder, im Gegenteil, amoralisch und rechtswidrig sind [ibid.].

Bei der Bildung der öffentlichen Meinung spielt selbst das System von Benennungen eine große Rolle. Diesen Benennungen liegt grundsätzlich eine Bewertung zugrunde, eine latente Rechtfertigung oder Mißbilligung von Kriegshandlungen und deren Beteiligten […]. Das System von typischen Benennungen der an den Kampfhandlungen beteiligten Personen läßt sich als eine Art Bewertungsskala darstellen. An dem einen Pol dieser Skala befinden sich die Benennungen der Beteiligten als Missetäter und Kriminelle, an dem anderen – als Helden oder Menschen, die Verehrung und Mitgefühl verdienen [ibid.: 130].

In den Massenmedien werden – je nach Sichtweise – dieselben Menschen als Helden oder Verbrecher, als unschuldige Opfer oder Henker, als Aufständische oder Separatisten dargestellt [ibid.: 135].

Das informatorische Einwirken der Sprache auf den Menschen ist gewaltig. Je nach Ziel und Ausrichtung kann sie positiv oder negativ aufgeladen werden. Um so dringlicher erweist sich das Problem, für die moderne Gesellschaft eine Informations- und Mediensprachkultur zu entwickeln, die hohen Ansprüchen gerecht wird.

„Ein fundiertes, breites Wissen über Medien und die Fähigkeit, sich ihrer souverän funktional zu bedienen, sind Zielvorstellungen, die heute ebenso in den Überlebenskatalog gehören wie Frieden und saubere Umwelt. Medienkompetenz wird zur zentralen Aufgabe für geistige und soziale Ökologie unserer Gesellschaft …“ [Faulstich 1994: 7].

Das Interesse an Problemen der Mediensprache, an Fragen der Produktion und Wahrnehmung von Texten in Printmedien, Rundfunk und Fernsehen sowie von Werbung und Internet, das Interesse an Prozessen, die mit der Schaffung, dem Erhalt und der Verarbeitung von Informationen, sowie mit dem Einfluss der Massenmedien auf das öffentliche Bewusstsein zusammenhängen, hat in den letzten Jahrzehnten spürbar zugenommen.

Dabei ist es eindeutig, dass die Medienforschung nur unter Anwendung von Methoden unterschiedlicher Wissensbereiche (wie der Philologie, Journalistik, Psychologie, Soziologie, Politologie u.a.), d.h. auf interdisziplinärer Ebene wirklich produktiv sein kann.

Das Hauptaugenmerk sei vor allem auf die Wirkungsfunktion der Massenmedien zu richten, auf die Möglichkeiten der Bewusstseinsmanipulierung mit Hilfe der dafür erforderlichen sprachlichen Mittel sowie auf die Ausarbeitung von Gegenstrategien, wie einem kritischen, bewussten Verhältnis zur Mediensprache.

 

Literaturverzeichnis


8.17. Massenmedien und sozial-geistige Ökologie unserer Gesellschaft

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For quotation purposes:
Maja N. Volodina: Zur Rolle der Massenmedien bei der Prägung des öffentlichen Bewußtseins - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/8-17/8-17_volodina17.htm

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