Zweierlei Diskurse werden in den Medien parallel oder sogar gleichzeitig über Jiddisch gehalten. Einerseits wird Jiddisch immer wieder als verschwindende, wenn nicht schon tote Sprache angekündigt. Andererseits werden die Ereignisse und Zeugnisse der Literatur, Kultur und Musik in den Vordergrund gestellt. Die Zahl der Konzerte und Festspiele nimmt zu, es werden neue Sommerkurse und Jiddische Wochen organisiert, in zahlreichen Workshops kann man sich mit der Kunst der Klezmermusik, des jiddischen Gesangs und Theaters vertraut machen. Man kann die Sprache lernen, als LehrerIn oder ÜbersetzerIn tätig sein, sich als jiddischer/jiddische SchauspielerIn, MusikerIn oder SängerIn ausbilden lassen. Dieses Phänomen gilt nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt. In den ehemaligen Emigrationsländern werden Kurse eingeführt, Clubs und Vereine gebildet, Konzerte und Theateraufführungen veranstaltet. Dabei entsteht eine Kontinuität, die in der Perspektive einer ausgestorbenen Sprache aber als Gründung ex nihilo wirkt. In unserer Sektion sollen die Folgen der Shoah auf die heutige Lage des Jiddischen hinterfragt, der antagonistische Diskurs ergründet, dessen Mechanismus analysiert und neue Perspektiven fürs 21. Jahrhundert erdacht werden.