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Erfahrungen mit dem Status des Jiddischen in Wien und das Problem des aktiven jiddischen Spracherwerbs –
Vos men hot tsu zingen un tsu zogn mit yidish in Vin un di problem: vi azoy lernt men zikh oys redn af yidish?Thomas Soxberger (Wien) [BIO]
Email: Thomas.Soxberger@parlinkom.gv.at
ABSTRACT:
Wien lieferte im Diskurs über das Jiddische im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wichtige Impulse. Die Entstehung eines jiddischen Sprachnationalismus in der späten Habsburgermonarchie folgte der Logik der dort ausgetragenen Nationalitätenkonflikte. Der Wiener „Jiddischismus“ verlor sich aber in den Komplexitäten der altösterreichischen Nationalitätenpolitik und blieb ein Minderheitenthema. Nach dem Ende der Monarchie war der jiddische Sprachnationalismus im österreichischen, vor allem Wiener Judentum, endgültig ein Randthema geworden. Trotzdem, eine Neubewertung des früher verachteten „Jargons“ lässt sich in der Zwischenkriegszeit an einem über zeitgenössische jiddische Kultur oft sehr gut informierten Kulturjournalismus ablesen. Die Achtungserfolge des Jiddischen in Wien wurden durch die Shoah zunichte gemacht.
In der populären Auffassung des „Jüdischen“ in Wien blieb das Jiddische auch nach der Shoah stets in ambivalenter Weise im Bewusstsein. Gelegentlich gab es nostalgische Äußerungen für „Mameloschn“, großteils war das „Wissen“ aber vermittelt über antisemitische Propaganda, die es in die Nähe eines angeblichen „Rotwelsch“ gerückt hatte. Von der jiddischen Sprache blieb ein verzerrtes Echo, eine meist bösartige, manchmal auch verständnislose, gut gemeinte Karikatur: das so genannte „Jiddeln“.
Die oft vagen, aber sehr wirkungsvoll perpetuierten Klischees über das Jiddische hielten ein Interesse zwar wach, stellten aber mehr Hemmnisse als einen brauchbaren Ansatzpunkt für eine ernsthafte akademische Vermittlung des Jiddischen dar. Es erwies und erweist sich weiterhin als schwierig, einem oft populärwissenschaftlich unterstützten „Wissen“ (etwa über die besondere „Nähe“ des Wienerischen zum Jiddischen) etwas entgegenzusetzen. Ausgehend von eigenen Erfahrungen im Spracherwerb vor diesem Hintergrund soll auch die Frage, inwiefern hier spezifisch Wiener Erscheinungen vorliegen, zur Debatte gestellt werden.
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