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Der Herr der Ringe und seine Erben
(Lessing: Nathan der Weise)
Gabriela Hima (Budapest) [BIO]
Email: himag@ludens.elte.hu und himag@nyf.hu
ABSTRACT:
Ordnungen des Wissens haben ihre historisch-spezifischen Konfigurationen und Diskurse. Während die Wissenschaften über deutliche disziplinäre Rahmen verfügen, lässt sich der soziologische Begriff des Wissens schwerer definieren. Seit Foucault gehen die Wissenssoziologen von jener Erkenntnis aus, dass die Menschen in strikten, umfassenden Strukturen wie Staat, soziale und religiöse Gemeinschaften leben, welche ihnen elaborierte Wissensformen, herkömmliche Schablonen der kollektiven Orientierung bereitstellen. Zum anderen sind die Menschen Mitglieder lockerer Sozialordnungen, wie Familie und private Gruppen, welche ihnen ihrerseits nicht weniger strenge Verhaltenscodes vorschreiben.
Gotthold Ephraim Lessings Stück, Nathan der Weise, ein repräsentatives Werk der Aufklärung, zeigt wie diese historisch entstandenen, spezifischen Wissensformen und Regelungen unter verschiedenen sozialen bzw. religiösen Gemeinschaften funktionieren. Das Wort Aufklärung impliziert Klarheit, und deutet damit auf einen Prozess hin, in dem sich das Licht der Vernunft Bahn bricht und alle Trübheit menschlichen Denkens so wie erstarrte Vorurteile beseitigt. Lessings Stück – sowohl mit seiner Handlung wie auch mit der berühmten Ringparabel – dient unter anderen auch diesem didaktischen Zweck. Es zeigt, dass die unterschiedlichen Bildungsprojekte keine wertneutrale Repräsentationen einer Ideologie sind, sondern von Interessen durchdrungene sozialpolitische Strategien, welche von den einzelnen Gruppen offen oder versteckt für das Machtergreifen bzw. das Erhalten der Macht verwendet werden.
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