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Internationale
Kulturwissenschaften International Cultural Studies Etudes culturelles internationales |
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Sektion I: | Sprachen, Wissenschaftsterminologien, Kulturwissenschaften | |
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Languages, Systematic Terminologies, Cultural Studies | |
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Langues, terminologies scientifiques, études culturelles |
Herbert Eisele (Paris) [BIO] |
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1. Einführung
1.1 Die Funktion des Übersetzers
Der Übersetzer wirkt als Fährmann charonisch, indem er aus der Körperlichkeit des ursprünglichen Wortes dessen Seele hinübernimmt ins Schattenreich der farblosen Entsprechung. Silhouettierung ist seine Aufgabe bei der Ankunft, um die Eigentlichkeit des Ursprungs wenigstens andeutungsweise zu retten. Beim Scherenschnitt sollten die Konturen gewahrt bleiben, wenn auch das Innenleben des Über(ge)setzten eher im Dunkeln bleibt. Die Frage bei dieser Übung ist und bleibt: was kann bzw. muß geopfert werden, um Wesentliches zu retten, die Dunkelzone oberflächenhaft wenigstens teilweise erhellend. Oder er baut Brücken, plagt sich ab als pontifex (minimus) mit Erfassen und Deuten von Begriffen, die teils Universalgut, teils Kulturgut sind. In jedem Fall ist seine Wirklichkeit der Abklatsch einer Berichtswirklichkeit,(1) - er arbeitet von Text zu Text. Er hat nichts zu sagen und sollte doch alles sagen. Versteht er, worüber er so kühl berichtet? Einer Meinung darüber hat er sich geflissentlich zu enthalten, was ihn jedoch nicht daran hindert - er kann nicht anders!- sein Verständnis der Dinge in sein Produkt einzubauen.
Es geht bei ihm ums Wort, nicht das verlorene, sondern im Gegenteil, das wiedergefundene - nach soviel Bemühen
Nun man wird sagen: Was von unserem Charon verlangt wird, ist nicht Dienst am Wort, sondern Dienst am Verständnis, Und die Verständlichkeit läuft über das Wasser des Vergessens der ursprünglichen Form. Die Entleibung des Wortes geht der Sinnfindung voraus.(2) Das ist inzwischen Allgemeinwissen geworden.
1.2 Kulturgut
Doch wo bleibt da die Kultur? Sie tut sich, wie üblich, schwer mit manchem Begriff und mit mancher Benennung. weil das Wort verloren ging (verbum demissum) und auch weitgehend das Gesicht.(3)
Zu dem, was sie von der Tradition ererbt (Universalgut)(4) , prägt jede Kultur ihr Eigenverständnis der Dinge in Begriffe, die, ob ihrer Eigentlichkeit so mit ihr verwachsen sind, daß wer immer sie zu entführen trachtet, mit Schwierigkeiten rechnen muß, und doch verlangt der Austauschdrang, der die Welt ergriffen hat, sei es nur im Zug des vereinten Europas, nach Mobilität auch solcher einheimischen Begriffe. Der Respekt ihrer Eigenart erfordert Einfühlungsvermögen, Wissen um Herkunft und Wachsen(5) und mehr als Gentechnik beim Umtopfen. Hier sind wir beim Thema angelangt.
2. Kultureigene Begriffe im Verständnis
Begriffe sind zwar immer in Wörter
eingekleidet, meist als ihren Rufnamen, den Terminus, doch darf
man nicht daran hängenbleiben, wie oben schon angedeutet.
Das Ding wird zum gedanklichen Begriff und der Begriff zum Wort
als Ausdruck in einer Sprache. Auch dies ist allgemein bekannt
aus der Linguistik, Semantik und Terminologie. Von Begriffen reden
kann man nur in einer bestimmten Sprache.(6) Jede Kultur hat ihre Sprache.
Woraus folgt, daß kultureigene Begriffe gleichzeitig einer
bestimmten Sprache verhaftet sind.
Man darf sich fragen, was unter einem kultureigenen Begriff zu verstehen ist und wie man in der Übersetzung damit umgehen kann. Dies soll im nachfolgenden untersucht werden.
Jeder Begriff hat einen Körper, wie Ding und Wort. Wenn man sich davon ein Bild macht, wie man sagt, dann reduziert man ihn zu zwei Dimensionen, wo er doch deren drei hat. Die Tiefe verflacht und wird allenfalls im Bild perspektivenhaft angedeutet. Das Bild wird als Begriff zur Münze beim Ideenverkehr und 'Austausch'. Daraus wird erkenntlich, wie flach ein Gedanke im Ausdruck wird und schon dadurch einen Großteil seines Gehaltes ledig ist. Der Menschen Verständnis begnügt sich mit der Oberfläche, die in der Sprache im Wort anklingt. Diese Oberfläche kann je nach Kultur anders sein und aussehen. Kultureigene Begriffe haben eine kulturspezifische Oberflächenprägung, die in der Benennung aufscheint.
Um dem Verständnis eines derartigen Begriffs näherzukommen, gilt es erst einmal festzulegen, was überhaupt unter 'Kultur' zu verstehen ist. Kultur ist Lebensart einer Gemeinschaft Gleichgesinnter. Ihr Sinn des Lebens braucht nicht unbedingt ideologisch gefärbt zu sein, ist es aber doch meistens irgendwie(7) . Darüberhinaus hat eine jede solcher Kulturen ihre Ausdrucksweise in Sprache, Symbolik oder Merkmalen, d.h. Zeichen, wie Haartracht, Kleidung, Zeremonien und Gemeinschaftsnormen.
Innerhalb derselben Sprache - und das bewegt uns mehr als was sich innerhalb von staatlichen Grenzen tut, wo Länder, wie Zaïre mit 150 Sprachen auskommen müssen, - gibt es eine Vielzahl von Kulturen; man könnte sie auch soziale "Oekosysteme" nennen. Man denke nur an die Medien, teenagers, Funktionäre, Homos, motards, Gewerkschaften, Intellektuellen u.a.m. Jede Gruppe will ihre Eigenart behaupten und auch sprachlich ausdrücken.(8) Damit ergeben sich Begriffe, die diese Eigenart motivieren, wobei die Grenze zwischen Begriff und Benennung oft verschwommen ist: z.B. ist "Bulle" wohl eine Benennung für einen allgemeingültigen Begriff (Polizist), doch erfährt dieser Begriff durch diese Benennung eine Schattierung, die einen in unserem Sinn kultureigenen Wert bekommt und als solcher zu verstehen ist.
Fachsprachliche Begriffe folgen ähnlichen Schemata: "Rechtsbeugung" ist in einem Rechtsstaat vonseiten Rechtsbeauftragter ein Verstoß gegen die Rechtsordnung, bleibt aber ein vager Begriff, solange er nicht mit einer konkreten Norm in Verbindung gebracht werden kann, die die Rechtsfolge (Sanktion) bestimmt. Im islamischen Recht hingegen genügt eine verdrehte Auslegung des Korans, um einen diesem Begriff entsprechenden Tatbestand festzulegen mit den entsprechenden Folgen, wenn der Verdreher nicht gerade ein Imam ist.
Natürlich hängen selbst die befremdendsten Begriffe meist im Kontext, der verständniserleichternd wirken sollte.(9) Doch manchmal tauchen sie dennoch völlig verwaist auf und geistern den sprachlosen Übersetzer an.(10) Wie beim Skat, passen Wörterbücher in der Mehrheit der Fälle und der Fachbekanntenkreis ist schnell erschöpft.
Wie frische Bezüge herstellen? Da ist
guter Rat auch und gerade über Internet teuer. Die Zeiten
von Kolumbus sind vorbei; auch handelt es sich nicht um die Entdeckung
von Neuland, denn er, der Begriff, steht ja im Text! Also abwarten!
Es ist klar, daß das Verständnis erstens über
die jeweilige "Kultur" zu laufen hat und zweitens, wie
bei jeder Aussage, die Vorbedingung zur sachgerechten Übertragung
ist.
Es muß versucht werden, die Anschauung im Husserlschen Sinn(11) wiederzugewinnen,
denn wie oft unterläuft es nicht Sprachbenutzern und Autoren,
mit Begriffen um sich zu werfen, für die es ihnen am rechten
Wort fehlt(12)
.
In solchen Fällen obliegt es dem Sprachmittler , seine Erkenntniskraft
in den Dienst des Begriffsverständnisses zu stellen und ihm
zum rechten Ausdruck zu verhelfen. Die Angst vorm Wort mußbezwungen
werden.
Der Sprachmittler als Kultivator
Verstanden ist nur halbgewonnen. Gesucht wird ein geeigneter heimischer Kulturbereich (un jardin d'acclimatation) für Ansiedlung oder Gastspiel der Vedette(13) . Fehlt es an einem solchen Bereich, dann bleibt dem Fährmann nur die Wahl zwischen Beibehalten des Fremdworts (als Benennung eines unheimlichen Begriffs) und Analogverpflanzung in eine willige, d.h.aufnahmebereite neue Erde, aber meist im Status des Begriffs als Sachbeschreibung. Der Ausgang wird in jedem Fall vom Meister der Materie, dem Sprachgebrauch entschieden.
Computer und Mihrab mögen als Beispiel dienen. Der Mihrab wird zwar auch als Gebetsnische erklärt, mit der aber hierzulande kaum einer etwas anzufangen weiß.(14) Bei solchen Übungen ist die Frage immer: wie genehm kann der Begriff gemacht werden? Was dann mit ihm geschieht, entzieht sich ohnehin dem verantwortlichen Sprachmittler.
Wenn im allgemeinen Sprachgebrauch eigentlich jeder an jedem vorbeiredet, weil der Redner nicht so recht weiß, wovon er redet und der Hörer eigentlich kaum zuhört, sondern seinen Träumen nachhängt, kommt etwas zustande, was der Demokratie sehr ähnlich ist, nämlich eine stillschweigende Konsensfiktion über das Gerede, die solange gilt als niemand sich regt, bzw. aufregt, weil plötzlich jemand merkt, daß es um seine Interessen geht. Dann hört es mit der Gemütlichkeit auf und es wird aufgepaßt, jedenfalls solange der Staub sich nicht gelegt hat. Diese sporadische Aufmerksamkeit, die alles Mündliche kennzeichnet, das sowieso verschwindet sobald es verklingt - verba volans - wodurch ein Dolmetscher eigentlich überflüssig wird, - gilt nicht beim Text, weil Texter und Leser wissen, daß Wachsamkeit die logische Forderung der Gedankenübertragung sein muß oder man befaßt sich mit etwas anderem. So obliegt es dem Übersetzer, auf die kulturbedingte Wirkung zu achten, die von der Oberfläche des Ausgangsbegriffs ausgeht, und sich anzuschicken, ähnliche Bedingungen für eine ähnliche Wirkung zu schaffen.
Falsche Münzen und Blindgänger
Unsere Betrachtung gilt vor allem deswegen Begriffen, weil diese Angelpunkte des Verständnisses einer Sachlage sind. Nun kommt man zum Begriff nicht nur durch Anschauungsverzicht, sondern meistens, im Text, über seine Benennung. Und damit fängt das Raten an, das Suchen nach dem sich hinter dem Gesagten verborgenen Gemeinten.
Das Gesagte ist eine Willenserklärung, für die gilt, was §133 des BGB festhält, nämlich daß bei ihrer Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist. Die Heuristik des Übersetzers folgt gleichen Wegen, um dem Gemeinten zuleibe zu rücken; er darf sich nicht von falschen Benennungen der Begriffe verleiten lassen.(15)
Es mangelt hierfür nicht an Beispielen und ich erlaube mir, eins aus meinem Stammland zu zitieren. Im französischen Pressewesen ist "droit de réponse" (Recht auf Antwort) keineswegs ein Recht, auf das man pochen kann nach biederer deutscher Art, aber doch ein geläufiger Begriff für die Gepflogenheit, den getrübten Ruf eines Biedermanns imselben Journal dadurch zu rehabilitieren, daßman dem Verrufenen, par courtoisie, gestattet, den Staub noch einmal aufzuwirbeln.(16) Also kein Recht, sondern eine Falle, wie der verrufene Begriff. Derartiger "Rechte" gibt es noch mehrere, wie "le droit à l'erreur", das immer negativ auftritt; z.B. "cette fois-ci le PSG (der Pariser Fußballverein Paris/Saint-Germain) n'a plus droit à l'erreur",d.h. kann sich eine Niederlage nicht mehr leisten.
Um solchen Schlichen auf die Spur zu kommen, bedarf es bester Verbindung zur Kultur, die den Begriff geprägt hat. Manchmal tut es auch ein Wörterbuch der Ausgangssprache, um die nötige Einsicht zu bekommen.
Etwas anders verhält es sich mit Begriffen,
die ins Leere fallen. Wer vermag einem Guarani zuhause(17) Begriffe
wie Verkehrslärm oder Schallmüll nahezubringen? Wozu
auch? Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß! Das
heißt, daß ein Übertragungsversuch dann scheitern
muß, wenn die schon erwähnte Vorausbedingung fehlt
und auch kein Bedürfnis besteht, den Begriff in den Griff
zu bekommen. Ein anderes Beispiel wäre "Schwalmdach"
einem Südfranzosen begrifflich zu machen.
Ein solches Bedürfnis ergibt sich per Auftrag dem Übersetzer
aus der Didaktik des von ihm unter dem Begriff Verstandenen, das
er seinerseits seinem Klienten beibringen muß. Dabei beunruhigt
immer jeden Übersetzer der Gedanke: was kann ich seiner Erkenntniskraft
zumuten? Wo und womit fange ich an? Das muß von Fall zu
Fall entschieden werden und gehört zur Dokumentationspflicht
und Diplomatie des Übersetzers.
Auf die Frage 'wozu einen solchen ins Leere fallenden Begriff übersetzen?' ist die Anwort nicht das logische: 'zum Verständnis des Auftraggebers', sondern eher: 'zum Beweis, daß der menschliche Verstand mit allem zurechtkommt, selbst wenn er damit nichts anfangen kann.'
Nun kommt es aber immer öfter vor, daß nicht der privat wirkende Übersetzer, sondern ein Ausschuß zwecks Sprachnormung sich mit fremden Begriffen und deren Benennung befaßt. In diesem Fall bleibt die Frage 'wozu?' offen, wie auch die: 'wozu der Ausschuß?' Hanebüchene Dinge kann so ein Ausschuß zusammen finden. In Frankreich gibt es kraft eines Gesetzes zur Sprachbereinigung Terminologiegremien in jedem Ministerium. Also auch eins in dem für Industrie und Handel. Dieses beschloß mehrheitlich - vox populi -, entgegen der Vorstellung des IFP (Institut Français du Pétrole, dem Fachgremium) den Begriff Heizöl, fürderhin nicht mehr mit [fuel], sondern mit [fioul] zu benennen (Plural: fiouls). Dabei gab es zu bedenken, daß das kritisierte englische 'fuel' aus dem französischen 'fouelle' stammt (ehedem Reißigbündel des Bäckers) und andererseits, daß fuel in der Sprache neben duel nicht als Fremdwort auffällt. Ausschlaggebend muß der Stolz auf ihre englischen Aussprachekenntnisse der Mehrzahl der sogenannten Fachleute im Comité gewesen sein, die somit eine ENA(18) -kultureigene Benennung schufen.
Die Verständlichkeitsselbstverständlichkeit
Jeder Übersetzer übernimmt die stillschweigende Verpflichtung seinem Auftraggeber gegenüber, verständlich zu sein, selbst wenn der Ausgangsbegriff ihm selbst nicht viel sagt. Da man nur das vermarkten kann, was man selbst besitzt, und nicht aufwarten kann, mit dem, was man zu besitzen glaubt, fängt die Suche nach dem Gemeinten schon bei sich selbst an, indem man als Übersetzer sich erst einmal fragen sollte, ob das Verstandene den Tatsachen entspricht oder ein kolportiertes Vorurteil ist über einen Begriff, der einem nur indirekt zugänglich ist, weil er einer unvertrauten Kultursphäre entstammt.
In einem solchen Fall, der desto häufiger
auftritt, je unerfahrener man ist, muß bei Unsicherheit
geprüft werden, was es mit dem Begriff auf sich hat. 'Carottage'
z.B. hat von der Karotte nur die Form, nicht nur des Namens, sondern
auch des Werkzeugs, das bei Bohrungen verwendet wird und dann
'une carotte', eine Bodenprobe, liefert. Andererseits ist 'carottage'
aber auch 'Betrügerei', woraus zu ersehen ist, wie vorsichtig
man vorgehen muß, um im Kontext die genaue Bedeutung zu
eruieren.
Darüberhinaus liefert eine solche Untersuchung oft ungeahnte
kulturträchtige Perspektiven, die Schlüsse auf eine
andere Mentalität zulassen und für sich selbst eine
große Bereicherung bedeuten: mit jeder Sprache die du weißt,
entsteht in dir ein neuer Geist.(19)
Wenn man eine Reihe von Begriffen erfaßt und transponiert in eine andere Sprache, entsteht manchmal dabei ein sehr aufschlußreiches Bild des Kollektivs, das mit diesen Begriffen umgeht. Interessant ist z.B. ein Vergleich des (unkategorischen) Imperativs bei Hinweisen auf irgendwelche Gefahr im Anzug. Die deutschen derartigen Tafeln stammen oft noch aus der mittelalterlichen Folterkammer, wie 'Unbefugten Zutritt strengstens verboten', 'Eltern haften für ihre Kinder (und Kindeskinder)'. 'Untersagte... werden kostenpflichtig abgeschleppt' und was der gutgemeinten Hinweise mehr sind. Das sogenannte Struwelpetersyndrom. Bei anderen, ebenfalls zivilisierten europäischen Nationen sind derartige Begriffe meist sanfter gefaßt: 'Réservé au personnel du service', 'chantier interdit', 'laisser le passage libre', bzw. 'sortie jour et nuit' in Frankreich, '(Ojo obras!', 'vado permanente' in Spanien, 'trespassers will be prosecuted', no parking' und vielleicht 'mind your head!' in England (hauteur limitée). Gespaßt wird nirgendwo und doch sind andere Breiten in mancher Hinsicht weniger bedrückend.
Nach erfolgter Eruierung gilt es, den Begriff dem Normadressaten schmackhaft zu machen damit er besser schluckt. Eine solide Kultur und Feinfühligkeit tragen dazu bei und befähigen den Übersetzer bei seinem Klienten das richtige Verständnis zu finden. Er, der Übersetzer, muß sich darum bemühen, nicht der Kunde, für den fremde Begriffe fremd blieben, wäre er nicht bereit, es sich etwas kosten zu lassen, zu wissen, um was es geht. Er zahlt für die Selbstverständlichkeit der glatten Übertragung, die so sonnenklar für ihn sein muß, daß er letztlich glaubt, es schon immer verstanden zu haben und insgeheim sich schilt, dafür auch noch Geld auszugeben. Das ist die Wirkung, die jeder Übersetzer anstreben sollte und sich dabei nicht mehr wundern, daß Übersetzungen so wenig einträglich sind.
Schlußbetrachtung
Wie der Alchemist arbeitet der Übersetzer in seinem Winkel, unter Beachtung desselben Solve et coagula, löse und verdichte, so daß das Werk gelinge und das Licht des Morgensterns leuchte über seinem Haupte. Die Klarheit des Morgens gibt ihm das Verstehen aller angestrebten Begriffe und es geht ihm, wie seinem Klienten, indem er sich letztlich fragt, wieso all das schmerzliche Bemühen. Alles war schon, ist schon bekannt. Und dann kann er hervortreten und bringen seinem Freund und Leser sein Werk der Veredelung, denn durch den Schmelztiegel und das Alkahest löste er und verband Wissen von einer Kultur zur anderen.
ANMERKUNGEN
1 | D.Seleskovitch; Cahiers de Traductologie N²4, Paris 83, p.28. |
2 | 1 Quand je commence à lire l'original, il y a donc très rapidement disparition des mots .... je reçois ... un message à reformuler. Louis Truffaut: Dix commandements S.28. Université de Genève, 1996 |
3 | Vor dem Begreifen kommt die Anschauung; Begriffe gewinnen wir durch Anschauungsverzicht. Deshalb läuft, wer Begriffe verwendet, stets auch Gefahr, nicht mehr zu wissen, wovon er spricht. An die Anschauung erinnern hei(t daher immer auch: Wahrung der Erkenntniskraft unserer Begriffe. Die Anschauung verhilft dem Begriff zu Inhalt und Sinn. E.Husserl, Phänomenologie I, H.L.van Breda Hbg.1956, S.362. |
4 | Universalbegriffe wie Ehre, Treue Friede, Freude (die alle weitgehend abhanden gekommen sind) gehören zum Menschsein und sind jeder Kultur immanent, aber nicht eigen. Auch "Papiertiger" gehört dazu. |
5 | Trotz der gleichen judeo-christlischen Tradition ist eine Hiobsbotschaft kein "message pour Job", sondern ganz einfach "une mauvaise nouvelle". |
6 | L.Wittgenstein; Tractatus logico-philosophicus, Frbg.1921, S. 31 |
7 | Texts may ... be seen as carriers of ideological meaning ...... B.Hatim & J. Mason, The translator as Communicator pp.127,142 & chpt 9, Routledge, Ld.97. Ideologie ist die verdammte Welt des andern. |
8 | Jeder Sprachbenutzer sieht je nach seinen soziokulturellen Determinanten eine andere abgeschlossene Welt. - H.G.Hönig, Paul Ku(maul, Strategie der Übersetzung, G.Narr Tü 82, S.52 |
9 | Der Euro hat schon längst seine "scoopability" verloren und niemand trauert ihr nach. |
10 | E.g. supination of flamingos; vobulation des moteurs en V; state of the art in potamology; the gigo gospel; eine penible Perlustration; usw. |
11 | Siehe FN 3 supra. |
12 | wie John F. Sowa mit seinen "ontologies"; Ontologies for Knowledge Sharing, a hand-out at the TKE symposium in Aug.96 in Vienna. Ein Anti-Mephisto-Syndrom "denn, wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein..." (Goethe, Faust I). |
13 | Vedette ist Star und auch Haupteintrag (main entry) einer Terminologiesammlung. |
14 | Mit Gift hat es etwas auf sich: es kommt von geben, wie es im Englischen ja noch immer die Gabe ist. |
15 | Discourse awareness is one of the essential skills of translators in negotiation meaning with a target reader. Hatim/Mason op.cit. S.126. |
16 | Allerdings kann ein solches ' Recht' erklagt werden; falls zugestanden, ist es aber dann ein Gerichtsentscheid mit individueller und nicht allgemeingültiger Geltung. |
17 | Schon der Begriff "zuhause" ist für einen Guarani eine Zumutung. |
18 | ENA = Ecole Nationale d'Administration, aus der alle Beamten des gehobenen Dienstes hervorgehen., nachdem man ihnen den gesunden Menschenverstand gründlich verdorben hat. Dieses Unheil ist jetzt zum Politikum geworden: Bei den kommenden Wahlen versprach der derzeitige Ministerpräsident, Alain Juppé, nach Wahlsieg der Rechten, die ENA zu verschrotten. |
19 | Frei nach Herder |
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