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Ulrike Stroeder (Le Mans) |
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In den sechziger Jahren wurde in der Mehrzahl der europäischen Staaten deutlich, dass die bestehenden Ausbildungssysteme den Anforderungen der Zukunft nicht mehr genügen würden. Die Nachfrage der Wirtschaft nach höher qualifizierten Arbeitskräften erforderte die Einrichtung von kürzeren, berufsbezogenen Studiengängen. Folglich wurden 1966 in Frankreich die IUT (Instituts universitaires de technologie) gegründet. In der Bundesrepublik Deutschland wurden zwischen 1968 und 1971 die höheren Fach- und Ingenieurschulen in Fachhochschulen umgewandelt. Die Entwicklung dieser neuen, berufsbezogenen Hochschultypen ist insgesamt auf vergleichbare Beweggründe und Zielsetzungen zurückzuführen. Dennoch sind diese Einrichtungen in ihrer Konzeption durch gesellschaftliche Gegebenheiten und Traditionen des jeweiligen Bildungswesens geprägt und auch in ihrer weiteren Entwicklung beeinflusst.
Angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs in Europa nach 1945 und der damit einhergehenden Veränderung der Beschäftigungsstukturen wurde eine Neustrukturierung des Hochschulwesens in beiden Ländern notwendig. Weitere Impulse gingen von zwischen 1960 und 1965 veröffentlichten Berichten der OECD aus, die im Hinblick auf den technischen Fortschritt einen wachsenden Bedarf an höher qualifizierten Arbeitskräften in allen Bereichen der Wirtschaft prognostizierten. Durch die Spezialisierung der Funktionen bildete sich in großen Unternehmen zunehmend eine mittlere Führungsebene heraus, die eine berufsorientierte Ausbildung auf höherem Niveau erforderlich machte. Daher wurden in zahlreichen europäischen Staaten ähnliche Reformen des Bildungssystems durchgeführt, die darauf abzielten, das Bildungsniveau breiter Bevölkerungsschichten zu verbessern. Die Folge waren steigende Abiturientenzahlen und Massenandrang an den Universitäten. Nach und nach setzte sich die Überzeugung durch, dass eine Differenzierung der Hochschulstrukturen in längere, theoriebezogene und kürzere, berufsbezogene Studiengänge wünschenswert sei(1).
In Frankreich wurde früher als in Deutschland ein Mangel an technischen und kaufmännischen Führungskräften offensichtlich. Dies ist in erster Linie auf das binäre Bildungssystem, das sich in Universitäten und Grandes écoles gliedert, zurückzuführen. Da die technische und kaufmännische Ausbildung weitgehend in Grandes écoles oder hierarchisch niedriger eingeordenten Ingenieur- und Wirtschaftshochschulen mit begrenzter Aufnahmekapazität stattfand, klafften Angebot und Nachfrage schon in den fünfziger Jahren auseinander und konnten durch die Gründung neuer Hochschulen nicht ausreichend kompensiert werden. Anders als im deutschen System sind für die berufliche Ausbildung nämlich vorwiegend schulische Strukturen zuständig, während die Unternehmen kaum daran beteiligt sind. Infolgedessen wurden ab 1966 die an Universitäten angegliederten IUT gegründet, die in einem zweijährigen, berufsorientierten Studiengang Fachkräfte für die mittelere und untere Führungsebene mit auf den Arbeitsmarkt zugeschnittenem Profil ausbilden. Für die Zulassung ist das Abitur erforderlich. Aufgrund ihrer stark verschulten Studiengänge haben die IUT eine begrenzte Aufnahmekapazität und wählen die Bewerber nach Prüfung ihrer Unterlagen aus. Sie gehören somit zum selektiven Hochschulsektor und reproduzieren in gewissem Maße das Ausbildungsmodell der Grandes écoles.
Während andere Länder schon in den fünfziger Jahren damit begonnen hatten, ihr Bildungssystem zu demokratisieren, blieb in der Bundesrepublik nach 1945 die hierarchische Struktur weitgehend erhalten. So war ein Charakteristikum des Hochschulsystems seine Einheitlichkeit, da es vorwiegend aus durch ihre starke Wissenschaftsorientierung geprägten Universitäten und Technischen Hochschulen bestand. Scharf davon getrennt war die Berufsausbildung im dualen Ausbildungssytem, an dem Unternehmen und Berufs- oder höhere Fachschulen beteiligt sind. Dieses relativ flexible System konnte eine geraume Zeit die steigende Nachfrage nach technisch und kaufmännisch ausgebildeten Fachkräften befriedigen. Allerdings wurde im Laufe der sechziger Jahre deutlich, dass dieses System den steigenden technischen Anforderungen nicht mehr gewachsen war und eine Bildungseinrichtung zwischen der rein wissenschaftsorientierten Universitätsausbildung und der dualen Berufsausbildung fehlte. Im Rahmen der Harmonisierung der Diplome auf europäischer Ebene stellte außerdem die Anerkennung der berufsqualifizierenden Abschlüsse des dualen Systems im Ausland ein zunehmendes Problem dar. Da die höheren Fachschulen nämlich Schüler nach der Mittleren Reife (10 Schuljahre) zuließen, war die allgemeine Schulbildung somit kürzer als für vergleichbare Abschlüsse in anderen europäischen Staaten. Nach 1968 wurden daher die Fachschulen in Fachhochschulen umgewandelt und somit in den Hochschulbereich integriert.
In ihrer Konzeption bleiben sie jedoch weiterhin durch die Traditionen des deutschen Berufsbildungssystems geprägt. So sind die Zulassungsvoraussetzungen im Gegensatz zu den IUT nicht auf das Abitur beschränkt, sondern dehnen sich auch auf berufsqualifizierende Abschlüsse mit anschließender Fachhochschulreife aus. Die Studiendauer ist mit ungefähr 4 Jahren, Praxissemester eingeschlossen, deutlich kürzer als an Universitäten.
Die weitere Entwicklung der neu entstandenen Hochschultypen wird von ihrem jeweiligen Hochschulsystem wesentlich beeinflusst. Die IUT erweisen sich zwar zunächst als Erfolg, sind aber von Anfang an mit einem differenzierten, berufsbezogenen Hochschulbereich konfrontiert, da nämlich die Grandes écoles und kleineren Wirtschafts- und Ingenieurschulen für die Ausbildung von Führungskräften verschiedener Ebenen schon vorhanden sind. Dadurch sind sie in ihrer Weiterentwicklung gebremst und bleiben ihrer ursprünglichen Bestimmung, nämlich der Ausbildung von Technikern und Kaufleuten, verhaftet. Dahingegen füllen die Fachhochschulen im Bereich der anwendungsbezogenen Lehre und Forschung eine Lücke, die im Hochschulsektor noch von keiner anderen Insititution besetzt ist. Sie können sich daher in diesem Bereich ungehindert entwickeln. Instrumente der vergleichenden Darstellung verschiedener Hochschulsysteme sind meistens statistische Indikatoren, wie Zulassungsvoraussetzungen, Dauer des Studiums u.s.w.(2). Die Entwicklung von verschiedenen Bildungseinrichtungen lässt sich jedoch vor allem an Parametern wie der Eingliederung der Absolventen in den Arbeitsmarkt, ihrer Position bei Berufseinstieg und ihrer späteren Karriere vergleichen.
In Frankreich ist die Hochschulausbildung in drei Zyklen aufgeteilt, die mit der Bezeichnung bac (baccalauréat) +n die Zahl der Studienjahre angibt. Das Diplom der IUT entspricht dem ersten Abschluss bac+2. Seit den siebziger Jahren ist jedoch eine fortschreitende Differenzierung des Hochschulwesens zu beobachten, die zu einer Vielzahl unterschiedlicher Bildungsabschlüsse führt. 1988 hat der Europäische Rat als Kriterium zur Anerkennung von Hochschulabschlüssen in der Europäischen Gemeinschaft die Richtlinie erlassen, nach der die Mindestdauer von Hochschulausbildungen drei Jahre beträgt(3). Somit sind die IUT, die in Frankreich weiterhin zum Hochschulsektor zählen, auf europäischer Ebene davon ausgeschlossen. Daraufhin wurde nicht etwa die Studiendauer der IUT verlängert, sondern es wurden im Jahre 1991 die IUP (Instituts universitaires professionnalisés) gegründet(4). Diese entsprechen weit mehr den deutschen Fachhochschulen, was Studiendauer (4 Jahre) und Aufbau des Studiums betrifft. Außerdem richteten auch die Universitäten zunehmend berufsbezogene Studiengänge mit einem Abschluss bac+4 und bac+5 ein. Gleichzeitig haben auch kleinere Wirtschafts- und Ingenieurhochschulen ihre Studienzeiten aufgestockt, oft durch die Einführung von Praxis- oder Auslandssemestern. Diese Möglichkeit war den IUT durch die ministeriellen Vorgaben und der Einheitlichkeit der Studiengänge auf nationaler Ebene nicht gegeben. Infolgedessen ist die Anerkennung der IUT und der Austausch mit anderen Bildungseinrichtungen im Ausland eingeschränkt. Teilweise konnten diese Hindernisse jedoch durch die Einrichtung eines dritten Studienjahres, das zu einem zusätzlichen Diplom führt, aber nicht in den Studiengang integriert ist, umgangen werden.
Aufgrund der allgemeinen Verlängerung der Studiendauer, haben sich in den letzten zehn Jahren auch die Berufsaussichten der IUT-Absolventen verschlechtert(5), da sie im Wettbewerb zu Bewerbern mit einem Abschluss bac+4 stehen. Eine wachsende Zahl von IUT-Absolventen setzt daher ihr Studium an Universitäten, IUP oder Grandes écoles fort, was die Durchlässigkeit der in Zyklen aufgeteilten Hochschulausbildung zunehmend ermöglicht.
Dagegen konnten sich die Fachhochschulen nach anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich im Hochschulsektor behaupten. Dies lässt sich anhand der formalen Qualifikation der Zulassungen (immer mehr Abiturienten, oft mit zusätzlicher Berufsausbildung, nehmen ein Fachhochschulstudium auf), der Entwicklung der anwendungsorientierten Forschung, sowie der sich verbessernden Berufsaussichten und Aufstiegschancen für die Absolventen nachweisen. Aber auch die Tatsache, dass manche Studienfächer in Fachhochschulen mit einem Numerus clausus belegt sind und die Bewerber in diesem Fall auf die Universitäten ausweichen müssen, bescheinigt, dass die Fachhochschulen im Ansehen in Bezug auf die Universitäten aufgeholt haben. Dies ist nicht zuletzt auf die gespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen, wo FH-Absolventen aufgrund des höheren Praxisbezugs ihres Studiums oft schneller einen Berufseinstieg finden als Universitätsabsolventen. Einen weiteren Anreiz der Fachhochschulen bilden auch die innovativen Studiengänge. Die Fachhochschulen waren nämlich die ersten, die enge Beziehungen zu Unternehmen oder zu gleichwertigen Bildungseinrichtungen im Ausland aufgenommen haben(6). Durch die überschaubarere Struktur und das straffer organisierte Studium entsprechen die Fachhochschulen den Hochschulen im Ausland oft besser als die deutschen Universitäten und konnten ihre Internationalisierung dadurch wirksamer vorantreiben. Seit den achziger Jahren stellen daher die Fachhochschulen zunehmend eine Alternative zu den Universitäten dar. Dies spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider, wo gerade im tertiären Bereich oft Stellen ohne Unterschied für FH-Absolventen und Universitätsabsolventen angeboten werden. Die Zahl der FH-Absolventen, die in großen Unternehmen Führungspositionen einnehmen, ist ebenfalls steigend, auch wenn dies für die Industrie nur mit Einschränkungen zutrifft.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die IUT vor allem wegen der starken Differenzierung der französischen Hochschullandschaft in den letzten zwanzig Jahren in ihrer Entwicklung gehemmt wurden. Eine Internationalisierung des Studiums wird durch die kurzen Studienzeiten erschwert. Der fehlende politische Wille, das Studium an den IUT zu verlängern, führt dazu, dass die IUT sich zunehmend zu einem berufsorientierten 1. Studienzyklus entwickeln. Einem 1. Zyklus an einer Universität gegenüber bieten sie jedoch den nicht zu unterschätzenden Vorteil eines berufsqualifizierenden Abschlusses und ermöglichen bei gutem Abschneiden gleichzeitig ein Weiterstudium an angesehenen Hochschulen. Im Vergleich haben sich die Fachhochschulen im Laufe der letzten zwanzig Jahre wegen der Praxisorientierung ihrer Ausbildung als erfolgreich erwiesen. Auch aufgrund der Internationalisierung der Studiengänge durch Austauschprogramme mit Partnerhochschulen oder Praxissemester im Ausland sind die Fachhochschulen immer attraktiver geworden und können sich heute den Universitäten gegenüber behaupten. Sie haben durch die Einführung innovativer Studiengänge wesentlich zu einer horizontalen Differenzierung des Hochschulsystems beigetragen.
Der aufgrund der Globalisierung fortschreitende Einfluss angloamerikanischer Studienmodelle könnte jedoch in den nächsten Jahren zu einer erneuten Annäherung der beiden Hochschuleinrichtungen führen. Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengänge in Deutschland sowie das Projekt einer "licence technologique" (was in etwa einem Bachelor-Abschluss entspricht) in Frankreich deuten auf eine erneute Systemkonvergenz hin. Gemeinsam ist den beiden neuen Abschlüssen jedenfalls, dass sie sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen bzw. IUT erworben werden können und somit nicht mehr an eine bestimmte Bildungseinrichtung gebunden sind.
1 | TEICHLER, Ulrich, Das Hochschulwesen in der Bundesrepublik Deutschland - ein Überblick, in : TEICHLER, Ulrich (Hrsg.), Das Hochschulwesen in der Bundesrepublik Deutschland, Deutscher Studienverlag , Weinheim 1990, S. 15. |
2 | Vgl. KAZEMZADEH, Foad / TEICHGRÄBER, Martin, Europäische Hochschulsysteme, ein Vergleich anhand statistischer Indikatoren, HIS GmbH, Hannover 1998. |
3 | Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften: "Rechtsvorschriften", L19/32 - 1989 |
4 | BOSMAN, Karl-Heinz, IUP - das französische Fachhochschulmodell? in : Die neue Hochschule, 4/1994, S. 17-19. |
5 | MARTINELLI, Daniel (Céreq): Perspectives d'emploi pour les titulaires de DUT-BTS : le déclassement est-il inéluctble ? Vortrag anlässlich des Kongresses "L'enseignement professionnel court post-baccalauréat" (Kurze, berufsorientierte Studiengänge) in Le Mans vom 3.- 4. Dezember 1998. |
6 | KONEGEN-GRENIER, Christiane (Hrsg.), Studienführer Innovative Studiengänge. Ausgewählte praxisnahe und auslandsbezogene Studiengänge aus den Bereichen Wirtschaft, Technik und Naturwissenschaften, Institut der deutschen Wirtschaft, Deutscher Institutsverlag, Köln, 1993. |
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