TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. Februar 2010

Sektion 1.12. Asien und deutsche sowie österreichische Kunst und Literatur um die Jahrhundertwende: Einflüsse und Bedeutung
Sektionsleiter | Section Chairs: Chin SangBum (Comperative Study of the World Literature in Korea), Doo Haeng-Sook (Universität Sogang, Seoul)

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Max Reinhardt und das japanische Theater

Lee Sang-Kyong (Wien) [BIO]

Email: gretl.lee@gmx.at

 

Die Japan-Begeisterung in Europa hat sich nach der Öffnung des Landes der aufgehenden Sonne zuerst an den japanischen Holzschnitten entzündet. Sie waren durch die Weltausstellungen in London (1862), Paris (1867) und Wien (1878) bekannt geworden und stellen sozusagen ein Spiegelbild des Kabuki dar. In der Folgezeit verbreitet sich die Japanmode über ganz Europa, sie spielte sowohl in Dichtung und Kunst als auch im Theater jener Zeit eine wichtige Rolle. Man übersetzte japanische Stücke und verfasste auch eine ganze Reihe von Stücken und Operetten, die zwar im japanischen Milieu spielen, jedoch kein authentisches Bild von Japan vermitteln. Bezeichnenderweise tragen die in diesen Stücken auftretenden japanischen Figuren oft komische Züge. Die bekanntesten der in Japan spielenden Operetten sind „Der Mikado“ (1885) von Arthur Sullivan, „Die Geisha“ (1896) von Sidney Jones, „Die schöne Sainara“ (1874, La Belle Sainara) von Ernest d‘Hervilly, „Madame Butterfly“ (1904) von Giacomo Puccini; „Der Mikado“ erlebte innerhalb von zwei Jahren 900 Aufführungen. Siebzehn Operettengesellschaften reisten mit „Mikado“ durch ganz Europa. Die Opern-Gesellschaft des Unternehmers Richard D‘Oyly Carte erfreute bereits 1886/87 mit dem Stück in englischer Fassung die Wiener Zuschauer im Carl-Theater. Schon ein Jahr darauf, am 2. März 1888, erlebte Wien die deutschsprachige Erstaufführung von „Mikado“, woran sich das Interesse der Wiener für dieses Stück erkennen lässt. Das meistgespielte Stück im deutschsprachigen Raum ist die „Geisha“ in der Spielzeit 1899/1900, sie war bereits auf dem Spielplan des Carl-Theaters in der Leopoldstadt gestanden. „Die schöne Sainara“ wurde 1879 von Fürstin Pauline Metternich im Palais Auersperg in Szene gesetzt. Es ist das erste europäische Stück, in dem ausschließlich japanische Figuren auftreten. Die populärste der in Japan spielenden Operetten ist „Madame Butterfly“ mit dem Motiv der zarten Japanerin, die von ihrem Liebhaber betrogen wird. Seit ihrer ersten Wiener Aufführung im Jahre 1907 an der Wiener Hofoper gehört sie mit dem in China spielenden „Land des Lächelns“, bis heute zu den beliebtesten Operetten.

Daneben gab es um die Jahrhundertwende zahlreiche andere, heute kaum mehr bekannte Dramen und Operetten, die das so beliebte und gesuchte Japanklischee boten; „Die Japanesin“ (1873), „Die Puppenfee“ (1888 im Hofoperntheater), „Japan, das Land der aufgehenden Sonne“( 1904 in der Urania), „Die Prinzessin von Japan“ (1904 im Jantsch-Theater), „Port Arthur‘ (1904 in der Olympia-Arena im Wiener Prater), „Taifun“ (1912 im Volkstheater) u.a. 1920 versuchte man auch in Wien mit der Aufführung der einaktigen Oper „Die Dorfschule“ Authentisches aus Japan zu vermitteln. In diesem von Felix Weingartner, dem damaligen Dirigenten der Wiener Philharmoniker, vertonten Stück wird das Kabukistück „Terakoya“ wiedergegeben. Es geht um Treue und Opfersinn eines Vasallen, der sein eigenes Kind opfert, um das Kind seines vertriebenen rechtmäßigen Herrn zu retten.

Neben dem Trend zu den oben erwähnten pseudojapanischen Stücken gab es auch ernsthafte Bemühungen, sich mit der neu entdeckten Theaterform des japanischen Kabuki vertraut zu machen, und zwar durch Inszenierungen von Kabukistücken auf europäischen Bühnen. So brachte Max Martersteig das von K. Florenz übertragene Kabukistück „Terakoya“ im Kölner Schauspielhaus 1907 zur Aufführung, André Antoine inszenierte 1912 Paul Anthelms Bearbeitung des Stückes „Kanatehon chûshingura“ im Odeon in Paris. Die Bearbeitung von John Masefield wurde 1915 im Repertory Theater in Birmingham aufgeführt. In diesem Stück geht es um den Konflikt zwischen Gesetzestreue und sozialer Bindung. Nachdem ihr Herr durch die Ränke eines Hofbeamten zum Harakiri gezwungen worden ist, schwören seine Gefolgsleute, 47 nun herrenlos gewordene Samurai, Rache und überfallen bei Nacht und Schneefall das Schloss des Schuldigen. Nach vollzogener Rache stellen sie sich der Behörde und werden wegen ihres ehrenhaften Verhaltens dazu begnadigt, Harakiri begehen zu dürfen, statt durch den Henker zu sterben. Dieses Drama wurde nach der Aufführung in Frankreich und England sofort populär, da das japanische Heldentum bereits während des russisch- japanischen Krieges die Aufmerksamkeit der Europäer auf sich gezogen hatte.

Die japanische Aufführungstechnik war durch Tourneen - von japanischen Theater- bzw. Tanz-Truppen im ersten Viertel des 20.Jahrhunderts in Europa bekannt geworden. Die Truppe Kawakamis kam 1900 nach ihrer Amerika-Tournee nach Europa und trat mit dem Stück „Die Geisha und der Ritter“ in kulturell bedeutenden europäischen Städten auf: London, Paris, Berlin, Budapest, Prag und Wien. Der Star der Truppe war Sadayakko. Sie begeisterte die Zuschauer mit ihren vom Kabuki übernommenen melodramatischen Szenen, Schwerttänzen und Tänzen von Wahnsinnigen und Sterbenden. Anfang Februar 1902 gastierte sie mit ihrer Truppe im Theater an der Wien. Ähnlichen Beifall wie Sadayakko erntete Hanako, die 1901 auf Einladung eines Kopenhagener Showunternehmers nach Europa gekommen war. In der vom 2. - 30. April 1908 im Ronacher präsentierten Aufführung des Stückes versetzte sie das Publikum durch ihre anmutigen Tanzbewegungen in Begeisterung. Welchen Anklang sie fand, kann man daran ermessen, dass die Karten für alle Vorstellungen ausverkauft waren und vorwiegend prominente Zuschauer aus dem Hochadel, der Kunstszene und „der Frauenwelt“ den Aufführungen beiwohnten. Unter den Gästen waren fast alle prominenten Schauspieler und Schauspielerinnen Wiens, einschließlich Eleanora Duse, die gerade in jener Zeit im Theater an der Wien Ibsens Stücke spielte.

Obwohl diese Truppen weder in der Auswahl der Stücke noch im Aufführungsstil ein völlig authentisches Bild des japanischen Kabukitheaters boten, konnten europäische Regisseure wie Craig, Reinhardt, Fuchs, Meyerhold, daraus doch einen Eindruck von der Eigenart des japanischen Theaters gewinnen. Sie verwerteten die so gewonnenen Anregungen in der Entwicklung ihrer Theaterkonzeptionen.

Im Laufe der Zeit richtete sich das Interesse der europäischen Theaterleute immer mehr auf das Nô-Spiel, das streng stilisierte symbolische Hoftheater der japanischen Militäraristokratie. Es war zunächst (seit 1880) durch Übersetzungen zahlreicher europäischer Wissenschaftler im Westen bekannt geworden. Allerdings machte man in Europa erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in direktem Kontakt mit dieser Theaterform Bekanntschaft. Seit 1954 fanden immer wieder Nô-Vorführungen in wichtigen europäischen Städten statt wie Venedig (1954), Paris (1957), Athen (1965), Kopenhagen (1967), Ost-Berlin (1976) u.a. Seither nahm das Interesse am Nô noch zu. Auch Wien durfte mehrmals die intensive Wirkung von Nô-Aufführungen miterleben. 1982 gastierte die Kanze-Schule unter der Leitung von Kanze Hideo, meinem ehemaligen Nô-Lehrer, im Theater an der Wien. 1988 trat er während seiner Europa-Tournee nochmals im Rahmen der von mir und von meinem Kollegen Pantzer veranstalteten japanischen Theater-Seminare in Wien auf.

Die erste echte Kabuki-Truppe war im August 1928 mit Ichikawa Sadanji zu Gastaufführungen nach Moskau und St. Petersburg gekommen, gerade zu dem Zeitpunkt, wo Wsewolod Meyerhold und Sergei Eisenstein nach der Revolution einen neuen Weg für das russische Theater suchten. Nach diesem eindrucksvollen Ereignis musste aber die europäische Theaterwelt lange Zeit auf eine authentische Kabuki-Aufführung warten. Die zweite eigentliche Kabuki-Vorführung im Ausland fand erst im Sommer 1960 unter der Leitung von Kanzaburô, Shôroku und Utaemon statt. Vorher, im Jahre 1955, war eine Tanztruppe unter dem Namen Azuma Kabuki auf Welttournee gegangen. Eine andere Pseudo-Kabuki-Truppe hatte in Paris eine Vorstellung unter dem Namen Kabuki Haniyagi gegeben (1957). Im Jahre 1966 besuchte wiederum eine echte Kabuki-Bühne Europa. Erst in den 80er Jahren konnten Kabuki-Truppen, mit finanzieller Unterstützung der japanischen Regierung für den kostspieligen Transport ihrer Einrichtungen, in Europa Gastspiele geben. In Wien gab es zwei Kabuki-Gastspiele unter Führung von Ichikawa Ennosuke im Akademie- Theater (1983) und im Theater an der Wien (1985). Anlässlich des 120-jährigen Jubiläums zur Unterzeichnung des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen Japan und Österreich hatte das Kabuki-Theater in der Besetzung mit den berühmtesten Kabuki-Schauspielern Ichikawa Danjûrô und Bandô Tamasaburô in der Staatsoper von 20. bis 24. Oktober 1989 Gelegenheit geboten, diese exquisite Darstellungskunst mit eigenen Augen zu erleben. Auf dem Programm standen die Stücke „Sagimusume“, „Kumagai Jinya“ und „Bô shibari“.

Anders als es im stilisierten, komprimierten Nô-Spiel üblich ist, ist der Kabuki-Darsteller bemüht, die volle Wirklichkeit durch Erweiterung des Ausdrucks wiederzugeben, indem er Gedanken und Gefühle der darzustellenden Figur, visuell und akustisch häufig bis zur äußersten Grenze gehend, in oft übertriebener Weise darstellt. Während z.B. im Nô eine einzige Geste genügt, um Weinen anzudeuten (der Darsteller hebt in langsamer Gebärde eine Hand vor die Stirn), wird im Kabuki dasselbe durch Iang haltendes, schwermütiges Schluchzen ausgedrückt. Während sich das Nô bewusst von allzu wirklichkeitstreuer Wiedergabe distanziert, bemüht sich das Kabuki um realistische Züge, die beim Vergleich mit dem Nô besonders ins Auge fallen. So ist z.B. im Nô jede äußerliche Darstellung von Verliebtheit verpönt, wie überhaupt die Darstellung des allzu Menschlichen von dem auf das Erhabene ausgerichteten Nô gemieden wird. In Kabuki-Texten werden dagegen sehr oft erotische Szenen dargestellt, daneben kommen allzumenschliche Eigenschaften wie Gewalttätigkeit, Tölpelei und Kraftmeierei vor, die alle im Nô-Theater fehlen.

Neben den erwähnten Theaterformen wurden dem Wiener Publikum auch das japanische Gagaku (Hofmusik und Tänze) im Musikverein (1970 und 1988) und das Puppentheater Bunraku im Theater an der Wien (1974) vorgestellt. In letzter Zeit finden immer mehr Gastspiele avantgardistischer Tanz- und Theaterformen statt wie die von Izumo Yo (1982 im Serapions Theater), Ôno Kazuo (1987 im Theater an der Wien und 1989 im Odeon), Tanaka Min (1995 im Odeon), Carlotta Ikeda(1994 und 1995 im Odeon), Oida Yoshi (1989 im Kongreßzentrum lgls und 1995 im Theater des Augenblicks), Suzuki Tadashi (1992 in Hainburg bei Wien und 1994 im Schlosstheater Schönbrunn).

Anlässlich des 125. Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Japan (1994) präsentierten sich im Theater an der Wien die drei klassischen japanischen Theaterformen Nô, Bunraku-Puppentheater und Kabuki erstmals gemeinsam auf ein und derselben Bühne . Zur Aufführung gelangte das historische Stück „Shunkan“, das von allen drei Bühnenkünsten gestaltet worden ist.

Die Beziehung Österreichs zum japanischen Theater blieb nicht auf passives Erleben beschränkt: Der weltberühmte österreichische Regisseur Max Reinhardt ließ sich auf dem Gebiet der Bühnentechnik und der Darstellungsart vom japanischen Kabuki inspirieren und setzte so die aus der japanischen Darstellungskunst gewonnenen Erfahrungen in seiner Theaterarbeit um.

In der Blüteperiode des realistisch-naturalistischen Theaters wurde der junge Max Reinhardt nach anfänglichen schauspielerischen Verpflichtungen in Wien und Bratislava von Otto Brahm entdeckt. Von diesem als neu gewählten Direktor wurde er 1894 auch in das Ensemble des frühen Deutschen Theaters in Berlin aufgenommen(1). Das Haus war damals die Hochburg der naturalistischen Richtung; ähnlich wie Antoine in Frankreich und Stanislawski in Russland vertrat Brahm in Deutschland das realistische Illusionstheater. Während in Frankreich bereits die von den Symbolisten ausgehende Theaterbewegung, insbesondere Paul Fort und Lugne Poё in Paris, eine neue Richtung wies, war die realistische Inszenierungsform des Historismus und Naturalismus in Deutschland damals noch tongebend.

Nach der Übernahme der Führung des Deutschen Theaters (1905-1920; 1924-1933) und der Kammerspiele trat Reinhardt als Vorkämpfer gegen diesen Theaterstil auf und schloss mit seiner Theaterreform an internationale Tendenzen an: Er beseitigte zunächst die naturalistisch-illusionistische Kulisse zugunsten einer impressionistisch-magischen Bühne, wobei er die künstlerische Bühnenbeleuchtung, japanische Bühneneinrichtungen wie Drehbühne und Hanamichi sowie Pantomime und Tanz zur Geltung kommen ließ. Seinen ersten entscheidenden Erfolg errang Max Reinhardt durch die Einführung der Drehbühne(2) bei seiner Inszenierung des „Sommernachtstraums“(1905), der im Berliner Neuen Theater fast 500mal hintereinander aufgeführt wurde(3). Die Erfindung der Drehbühne in der heutigen Form wird Namiki Shôzo (1730-1773) zugeschrieben. Die Drehbühne wurde zuerst für das Puppentheater verwendet und im Kabuki-Theater erstmals 1758 in Kadoza in Ôsaka eingesetzt. Im Abendland hatte Inigo Jones ein Jahrhundert vorher in England für die Inszenierung von „Masque of Beauty“ am englischen Königshof eine kleinere Teil-Drehbühne eingebaut. Entwürfe einer Drehbühne aus der Zeit um 1506 für ein Orpheus-Drama von Angelo Poliziano sind uns von Leonardo da Vinci überliefert.(4) Die erste moderne Drehbühne in Europa wurde allerdings im Jahre 1896 von dem Bühnentechniker Karl Lautenschläger nach japanischen Vorbildern für Mozarts „Don Juan“ im Münchener Residenztheater installiert.(5) In vielen Theatergeschichten wird irrtümlich die Erfindung der Drehbühne Karl Lautenschläger zugeschrieben.(6) Diese Angabe widerspricht jedoch zeitgenössischen Berichten. Die Drehbühne des Kabuki hat ein Militärarzt aus Würzburg, Philipp Franz von Siebold (1796 - 1866) zum ersten Male in seinem Reisetagebuch, „Nippon, Archiv zur Beschreibung von Japan“ (Leiden,1832-1852) erwähnt: „Man kennt das Verschieben der Coulissen nicht, dagegen kann der Boden der Bühne auf einer Drehscheibe horizontal gewechselt werden, wodurch eine sehr schnelle Veränderung der Dekoration erzielt wird.“(7)

Siebold begleitete von seiner Batavia-Mission aus eine holländische Handelsdelegation nach Japan und betrieb seine Forschung als Missionsarzt bei der niederländischen Faktorei auf Dejima bei Nagasaki. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begegnen wir vereinzelt immer wieder Berichten von der japanischen Drehbühne. Ein Jahr nach der Einführung der Drehbühne Lautenschlägers besuchte der Österreicher Adolf Fischer, Professor für Japanische Kunst und ethnologische Studien in Berlin, im Jahre 1897 Japan und beschrieb diese Einrichtung in dem Reisebuch „Bilder aus Japan“ (1897 in Berlin erschienen):

„Die Zwischenakte werden durch Zuziehen eines Vorhanges gekennzeichnet, während die Verwandlungen bei offener Scene vermittelst einer großen Drehscheibe, die das Podium bildet, stattfinden.

Dieses System - man erkennt die Münchener Neuerung hier als alt wieder! - ist ungemein praktisch; es ermöglicht während einer Scene gleichzeitig die Vorbereitungen für die nächste Verwandlung zu treffen. Ist eine Verwandlung zu Ende, so dreht sich die Scheibe und bringt die nächste Dekoration nebst den Darstellern zum Vorschein, sofern sie nicht in der vorhergehenden Scene beschäftigt waren“.(8)

Drei Jahre später stellt er mit Nachdruck in dem Aufsatz „Japans Bühnenkunst und ihre Entwicklung“ fest:

„…, die drehbare Bühne - sie stammt schon aus dem Jahre 1760 und ist eine Erfindung... Namiki Shosos - hat der rühmlichst bekannte Bühnentechniker Lautenschläger bereits vor mehreren Jahren in München eingeführt. Diese ungemein praktische Einrichtung ermöglichte es, schon während des Spiels, ohne es im geringsten zu stören, die Bühne für die nächsten Verwandlungen vorzubereiten; durch eine bloße Drehung des auf Rädern laufenden Bühnenpodiums findet ein Scenenwechsel statt.“(9)

Arthur Holitscher berichtet, dass Wedekinds „Frühlings Erwachen“ „erst durch die Lautenschlägerische Adaptierung der japanischen Drehbühne“ aufführungsfähig geworden sei.(10) (Frühlings Erwachen war von Reinhardt im ersten Jahr der Kammerspiele in Szenenbildern von Walser aufgeführt worden.)(11) Außerdem hatte F. A. Junker von Langegg die japanische Drehbühne schon 1889 erwähnt.(12)

Die Mawaributai genannte Drehbühne bestand aus einer kreisförmigen Drehscheibe, die bis an den vorderen Rand heranreichte und von Bühnenarbeitern betätigt wurde. Um zu vermeiden, dass die Bühnenarbeiter vor den Augen des Publikums erscheinen, installierte man eine Achse am Mittelpunkt der Drehscheibe, die senkrecht in den Raum unter der Bühne führte. Diese Achse war durch ein Seil mit einer Winde verbunden, die von den Bühnenarbeitern gedreht wurde. Heute wird die Winde von Maschinen in Bewegung gesetzt, im Prinzip blieb die Vorrichtung jedoch unverändert.

Mit der Einführung der Drehbühne fand Reinhardt den Weg aus der Sackgasse des Naturalismus. Es gelang ihm, die bei der Drehung zum Vorschein kommenden Szenenbilder zu einer Einheit zu verbinden, da die aufeinanderfolgenden Szenenausschnitte ein sinnvolles Ganzes bildeten. Lautenschläger war hingegen bei seinen Versuchen im Münchner Residenztheater nur darauf bedacht, durch die Verwendung der Drehbühne einen raschen Szenenwechsel von einem Szenenbild zum anderen zu bewirken.

1910 adaptierte Max Reinhardt in Berlin auch eine andere Einrichtung des japanischen Kabuki-Theaters: Den Hanamichi (Blumenweg), der vom Hintergrund des Zuschauerraumes durch dessen Mitte zur Bühne führt. Diese eigenartige Bühneneinrichtung, die im Kabuki-Theater als Teil der Spielfläche unentbehrlich ist, zeigt die enge Verbundenheit des Kabuki-Darstellers mit den Zuschauern. Heute erfolgen alle wichtigen Auftritte und Abgänge der Darsteller auf dem Hanamichi. Der Darsteller zieht bereits bei seinem Auftreten im Hintergrund des Zuschauerraumes alle neugierigen Blicke auf sich. So führt er gleichsam die konzentrierte Aufmerksamkeit des Publikums vom Blumenweg bis hinauf zur Hauptbühne mit sich. Der ursprüngliche Hanamichi bestand nur aus einfachen Brettern, die bis in die Mitte der Bühne führten. Darauf legten die Bewunderer den Schauspielern kostbare Geschenke und Blumensträuße ab, daher der Name Blumenweg. Adolf Fischer erklärt den Namen irrtümlich damit, dass längs des Hanamichi Blumen (hana) angepflanzt worden seien.(13) In Deutschland wurde der Hanamichi vor allem durch die Reiseschilderungen von Max Dauthenday und Bernhard Kellermann bekannt (Dauthenday, „Die geflügelte Erde“; Kellermann, „Spaziergang in Japan“, beide 1910).(14)

Reinhardt strebte seit langem nach der Herstellung eines engen Kontaktes zwischen Schauspieler und Zuschauer, wovon uns Arthur Kahane in seinem „Tagebuch des Dramaturgen“ berichtet. Er schildert eine Unterredung mit Reinhardt im Spätsommer des Jahres 1902, bei der Reinhardt erklärt habe:

„Mir war der Rahmen, der Bühne und Welt trennt, nie etwas Wesentliches, meine Phantasie hat sich seiner Despotie nur ungern gefügt; ich sehe in ihm nur einen Notbehelf der Illusionsbühne, des Guckkastentheaters, aus den spezifischen Bedürfnissen der italienischen Oper hervorgegangen und nicht für alle Zeiten gültig, und alles, was diesen Rahmen sprengt, die Wirkung erweitert und steigert, den Kontakt mit dem Publikum verstärkt, ob nach der intimen oder nach der monumentalen Seite hin, wird mir immer willkommen sein.“(15)

Bereits 1906 führte Reinhardt eine neue Bühne ein, die in fast unmittelbarer Beziehung zum Zuschauerraum stand. Nach der Beschreibung Max Epsteins war diese Bühne vom Zuschauerraum nur durch einige Stufen getrennt, als ob die beiden Teile des Theaters ein Ganzes wären. Dieser Zuschauerraum sei nicht breiter gewesen als die Bühne und nicht viel tiefer als diese gelegen. Kein Orchester, kein Souffleurkasten habe die Geschlossenheit und Einheitlichkeit des ganzen Raumes beeinträchtigt.(16) In der Inszenierung der Aischyleischen „Orestie“ im großen Schauspielhaus (1919) ließ Reinhardt Vorderbühne und Orchestra tief in den Zuschauerraum hineinbauen, so dass sie die eigentliche Spielfläche bildeten und unmittelbare Publikumskontakte mit Schauspielern ermöglichten. Bei dieser Inszenierung traten die Chöre oft aus dem Mittelgang zwischen den Sitzreihen der Zuschauer auf, wodurch eine fließende Verbindung zwischen dem halbdunklen Zuschauerraum und der etwas helleren Orchestra hergestellt wurde. Diese Neuerung sowie die Verwirklichung der amphitheatralischen Arena-Bühne (die Reinhardt z.B. bei der Aufführung der „Orestie“ in einem Berliner Zirkus 1911 einführte) wurde in europäischen Städten von da ab immer wieder erprobt.(17)

Eine konsequente Weiterführung dieser Tendenz stellt die Verwendung des Hanamichi dar, durch den auch der Zuschauerraum in das Bühnengeschehen miteinbezogen und die Geschlossenheit des ganzen Raumes hergestellt wird. Wie aber kam Reinhardt zu einer detaillierten Kenntnis des japanischen Theaters? Seit dem Herbst 1905 arbeitete der Graphiker und Maler Emil Orlik,(18) Professor der Kunstgewerbeschule in Berlin, für die Reinhardt-Bühne. Reinhardt hatte Orlik bereits 1896 in Prag kennengelernt, als das Deutsche Theater in Prag eine Gastvorstellung von G. Hauptmanns „Friedensfest“ gab, in der Reinhardt als Doktor Scholz auftrat. In den folgenden Jahren entwarf Orlik Plakate für Gastspiele des Deutschen Theaters, 1897 für die Prager Aufführung der „Weber“, 1899 für ein Wiener Gastspiel.(19) Orlik studierte als einer der ersten europäischen Künstler an Ort und Stelle die japanische Farbdrucktechnik und Holzschnittkunst,(20) die ein Spiegelbild der Kabuki-Welt ist. Dargestellt werden Kurtisanen, berühmte Schönheiten, Schauspieler, Theaterszenen, Freudenviertel, Bademädchen, das Leben und Treiben im Hause und auf der Straße, Volksszenen usw. Orlik hielt sich 10 Monate lang in Japan auf, und zwar vom April 1900 bis Februar 1901,(21) und befasste sich eingehend mit Land und Leuten. Er eignete sich sogar die Landessprache so weit an, dass er bei seinen zahlreichen Reisen auf den Dolmetscher verzichten konnte.(22) Wie aus seinen aus Japan versandten Briefen an Herrn Professor Lehrs hervorgeht, hatte er sowohl Kabuki - als auch Nô-Vorstellungen beigewohnt.(23) Außerdem verkehrte er mit dem amerikanischen Nô-Forscher und Kenner ostasiatischer Kunst, Ernest Fenollosa, der ihn sicherlich in die geheime Welt des klassischen Theaters eingeweiht haben muss.(24) Während seines Besuches in der alten Hauptstadt Kyôto erlebte er auch TanzspieIe.(25) Daher können wir annehmen, wie I. Schuster bereits angedeutet hat,(26) dass er es gewesen ist, der während der Periode seiner Zusammenarbeit mit Reinhardt diesen mit dem Hanamichi bekanntmachte.

Reinhardt führte 1910 den Blumenweg bei der Inszenierung der orientalischen Pantomime „Sumurun“ von Friedrich Freksa ein, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurde und die von nun an „Reinhardt im Gegensatz zu seinen Kollegen aller geschäftlichen Sorgen enthob“.(27) Bis 1918 nahm Reinhardt diese Pantomime immer wieder in den Spielplan auf; sie wurde auch mehrmals bei Gastvorstellungen in London (1911 und 1913)(28) und in Budapest vorgestellt. Bei der Inszenierung des Stückes „Die schöne Helena“ von Offenbach im Sommer 1911 erprobte Reinhardt nochmals den Blumenweg im Künstlertheater in München, in dem er später auch Sullivans Japan-Operette „Mikado“ inszenierte.(29) Diese Aufführung wurde ein durchschlagender Erfolg. Reinhardt ließ englische Tänzerinnen auf dem Blumenweg auftreten. Lion Feuchtwanger schrieb:

„… er erweitert sodann die begrenzte Bühne des Künstlertheaters mit viel Glück, gibt viele neue Möglichkeiten, das Auftreten und Abgehen der Spieler und der Chöre zu nuancieren, und verstattet endlich dem Regisseur, die Illusion je nach Bedarf zu verstärken oder zu mindern. Lichte Bewegtheit ist alles. Das zuckt und wirbelt und flattert immerwährend und immer anders, tänzelt irgendwo aus der Mitte des Publikums heraus und huscht über die Bühne und läßt einem nicht Zeit, über all den wirbelnden Unsinn mit ernster Trockenheit nachzudenken. Wie entzückend sind die englischen Mädels, die die Tänze agieren.“(30)

Mit weniger Erfolg verwendete Reinhardt den Blumenweg auch bei den Berliner Aufführungen der „Schönen Helena“. Bei der Neuinszenierung von Karl Vollmoellers „Turandot“ während der Salzburger Festspiele 1926 setzte Reinhardt nochmals den Blumenweg ein.(31)

Reinhardt erkannte die Wirksamkeit und Bedeutung der Pantomime aus seiner Beschäftigung mit dem Altwiener Volkstheater und der Commedia dell‘ arte. Da für ihn die non-verbalen Elemente als Sinnträger oft bedeutsamer waren als das gesprochene Wort, bemühte er sich besonders um die Inszenierung von Pantomimen. Bereits 1910 inszenierte er in den Berliner Kammerspielen, wie erwähnt, Freksas „Sumurun“ als abendfüllendes Bühnenspiel, dessen „Mordszenen nach japanischer Art“ von der Kritik besonders hervorgehoben wurden.(32) In den folgenden Jahren gab Reinhardt öfters Pantomimen, darunter auch die „Grüne Flöte“ (1916), die Hofmannsthal nach einem chinesischen Märchen gestaltet hatte. In der „Grünen Flöte“ verband Hofmannsthal zwar gesprochene und gesungene Worte mit Pantomime und Tanz, die pantomimischen Abschnitte überwiegen jedoch, was die Eigenart Hofmannsthals und Reinhardts ausmacht. Reinhardt legte mehr Wert auf pantomimisch dargestellte Handlung als auf reinen Tanz und ließ neben ausgebildeten Tänzern auch Schauspieler in der Pantomime und in Balletten auftreten. Nach seinen Vorstellungen sollten Pantomime und Tanz mit der Musik in Einklang gebracht werden. Die Hinwendung zur Pantomime war sicherlich eine Konsequenz der Bemühungen um eine Erneuerung des Theaters, da man mit dieser Kunstform dem Naturalismus auf der Bühne ausweichen konnte. Neben Hofmannsthal verfassten Dehmel, Blei und Bierbaum Ballette, und Bahr setzte sich kritisch mit dieser Kunstform auseinander. Hofmannsthal schrieb zudem einen Essay über die Pantomime, in dem er ausführt:

„Zur Zeremonie kann die einfachste Handlung erhoben werden: das Schütteln von Speer und Schild ebenso wie das Darreichen einer Trinkschale, und keine wäre so einfach, daß sie nicht in geringstem Sinne als erhoben erscheinen könnte.“(33)

Für diese neue Art des Tanzes, die nicht nur Einlage, sondern gesteigerte Handlung ist, ist die traditionelle japanische Schauspielkunst Vorbild, im besonderen Maße das Nô. Dazu gibt Bernhard Kellermann in seinem 1911 erschienenen Buch „Sassa yo yassa. Japanische Tänze“, eine treffende Beschreibung:

„Furcht und Schrecken, Freude und Trunkenheit drücken die Schauspieler in einer Art von Tanz aus, in Rhythmen von erschrockenen, frohen oder bizarren Gesten, ja selbst die Verzweiflung einer Mutter, die ihr Kind betrauert, spiegelt sich in einer Art von Tanz wider, einem rhythmischen Wiegen des Hauptes und des zuckenden Körpers. Die Fechterstellungen der Schauspieler, ihre Darstellung von Wut, Rachedurst, Zärtlichkeit, alles wird zu einer Tanzpose. Oder ist es nicht schon Tanz, wenn ein Samurai mit stolzen, wiegenden Schritten über den Blumenweg durch das Theater schreitet?“(34)

Reinhardt bemühte sich im Sinne E. G. Craigs und des klassischen japanischen Theaters um die Befreiung des Theaters von einer ungebührlichen Bevormundung durch die Literatur und um die Wiederherstellung der ursprünglichen Bedeutung des Schauspielers im Theater. In seiner an der Columbia-Universität gehaltenen Rede über den Schauspieler (1928) nimmt er dazu Stellung wie folgt: „das Heil kann nur vom Schauspieler kommen, denn ihm und keinem anderen gehört das Theater.“(35) Ähnlich wie bei Reinhardt spielt das Wort im klassischen japanischen Theater eine untergeordnete Rolle. Im Nô ist der Inhalt des Textes den meisten Zuschauern bekannt, weshalb mehr Wert auf die Darstellung gelegt wird. Vor allem aber setzt der Kabuki-Spieler weniger auf den geschriebenen Text, das Werk des Dramatikers. Oft ändert er selbständig den Text und wählt solche Stücke aus, die ihm Gelegenheit bieten, seine künstlerischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

In seiner Theaterkonzeption ging es Reinhardt vor allem um die Gestaltung eines totalen Theaters, bei dem Wort, Musik, Lichtwirkung, Schauspielkunst und Bühnenbild zu einem harmonischen Ganzen verschmolzen werden. Diese Theaterform ist nicht nur für das klassische japanische Theater, sondern überhaupt für das fernöstliche Theater kennzeichnend, das seine ursprüngliche Gestalt bis heute teilweise bewahrt hat. lm traditionellen Theater werden alle Künste als Ausdrucksmittel im Dienst einer möglichst effektvollen Darstellung eingesetzt und ist das Schauspielerische eng mit dem Tänzerischen und Musikalischen verbunden zur Steigerung der optischen und akustischen Wirkung.

Wie wir gesehen haben, holte Reinhardt für seine Theaterkonzeption nicht nur aus der europäischen Theatertradition der Vergangenheit (Altwiener Volkstheater, Commedia dell‘arte, Amphitheater), sondern auch aus der Darstellungskunst des japanischen Theaters Anregungen. Mit seinen schöpferischen Ideen, zu denen er zum Teil vom japanischen Theater inspiriert wurde, gelang es ihm, einen entscheidenden Strukturwandel des Theaters nicht allein im deutschsprachigen Raum, sondern in ganz Europa und auch im amerikanischen Theater herbeizuführen. Viele Bühnenkünstler und Regisseure in dieser Periode nahmen sein Theaterkonzept zum Vorbild. Schließlich erreichte es auch die Theaterwelt Japans. So pflegte z.B. Osanai Kaoru, ein Pionier des modernen japanischen Theaters, Kontakte mit Reinhardt und machte während seiner Studienreise in Europa (1913) Notizen über Inszenierungen von Reinhardt. Nach der Auflösung seiner Freien Bühne gründete Osanai gemeinsam mit Hijikata Yoshi, der eine Schauspielausbildung im Deutschen Theater Reinhardts unter Führung von Arthur Reich genossen hatte, das Tsukiji-kleine-Theater. Er ließ dann auf Empfehlung von Hijikata nach Muster der Kammerspiele Reinhardts für die Truppe ein einstöckiges Holzgebäude in grauer Farbe und in gotischem Stil errichten. Für den Bau des Theaters spendete Hijikata einen Teil jener Geldsumme, die er zur Deckung der Lebens- und Studienkosten in Europa gespart hatte. Das Theater hatte einen Kuppelhorizont aus Eisenbeton über den hinteren Teil der Spielfläche. Durch die Einrichtung des Kuppelhorizontes hatte man die Möglichkeit, den Himmel mit Sternen und Wolken auf der Bühne zu gestalten. Die Bühne war mit dem Zuschauerraum durch eine Treppe verbunden. Die Sitzreihen im Zuschauerraum erhoben sich bis in Augenhöhe. Am 14. Juni 1924 wurde das Tsukiji-kleine-Theater offiziell mit der Inszenierung von Reinhart Goerings „Seeschlacht‘ und Tschechows „Schwanengesang“ eröffnet. Bei den Inszenierungen setzte man interessanterweise den Gong ein, um den Beginn des Spiels anzukündigen, wie es auch Reinhardt in den Kammerspielen praktiziert hatte. Osanai trat ferner entgegen den vorherrschenden Ansichten im Sinne Reinhardts für die Entwicklung eines Volkstheaters ein, das nicht allein für ein erlesenes Publikum von Adeligen und Reichen, sondern für die breite Masse bestimmt sein sollte, wie es im antiken Griechenland und im religiösen Theater des Mittelalters der Fall war. Reinhardt hatte sich in Österreich und Deutschland um die Wiederbelebung dieser alten Tradition und um die Erschließung des Theaters für das gemeine Volk bemüht. Wenn der Betrieb des Tsukiji-kleinen-Theaters erfolgreich verlaufen wäre, wäre Osanai wohl in die Fußstapfen Reinhardts getreten. Leider musste das Tsukiji-kleine-Theater sich mit den ausgewählten elitären Zuschauern begnügen. Reinhardt fand jedoch als der ideale Regisseur volle Anerkennung in der modernen Theaterwelt Japans. Man darf daher wohl annehmen, dass sich Reinhardts Vorstellungen über Osanai und Hijikata auch auf die Entwicklung des Shingeki nachhaltig ausgewirkt haben.

In einem Glückwunschbrief am 24. April 1930 bringt Konstantin Stanislawski gegenüber Max Reinhardt seine Huldigung mit folgenden Worten dar:

„Heute wird gesagt: Reinhardts Leben hat ein mächtiges Werk geschaffen - eins der besten Theater der Welt. Aber was vielleicht noch mehr ist, er hat ein ganzes Geschlecht von Zuschauern, von talentvollen und großen Schauspielern, von Regisseuren hervorgerufen. Ihre Zeitgenossen haben von Ihnen eine unendliche Reihe von ganz verschiedenartigen, unvergeßlichen Bühnenschöpfungen erhalten... Sie haben eine große Schule, eine ganze Kultur begründet... Sie sind der Geniale, der der Weltbühne unschätzbare Dienste geleistet hat... Ihre Rolle war groß in der Vergangenheit, die Zukunft wird sie noch größer machen.“(36)

 


Anmerkungen:

1 Otto Brahm war gerade auf der Suche nach neuen Kräften und entdeckte das künstlerische Talent Reinhardts in Salzburg. Vertreter der naturalistischen Stilrichtung, erreichte er 1896 seinen künstlerischen Höhepunkt mit dem naturalistischen Stück ‘Fuhrmann Henschel“. Vgl. Max Epstein, Max Reinhardt, Berlin 1918, S.72,74.
2 Julius Bab, Das Theater der Gegenwart, Leipzig 1928, S.124.
3 Max Epstein, Max Reinhardt, a.a.O., S.89.
4 La Vie Théâtrale au temps de la Renaissance. Ausstellungskatalog des Institut pédagogique national, Paris März-April-Mai 1963,S.90.
5 Vgl. F. Kranich, Bühnentechnik der Gegenwart, Bd.1, München 1929, S.282ff.: dazu: Die Münchener Drehbühne im KgI.Residenztheater. München 1896.
6 Z.B. in: Julius Bab, Das Theater der Gegenwart, S.139, Max Martersteig, Das deutsche Theater im neunzehnten Jahrhundert, Leipzig 1924, S.717, Siefried Nestriepke, Das Theater im Wandel der Zeiten, Berlin 1928, S.483, Manfred Semper, Theater-Handbuch der Architektur, IV.Teil, Stuttgart 1904, S.319.
7 Vgl. Aufenthalt zu Ôsaka, in: Ph.Fr.von Siebold, Nippon. Archiv zur Beschreibung von Japan, hg. v. seinen Söhnen, 1.Bd.,Würzhurg/Leipzig 1897, S.223: in holländischer Sprache erschien dieses Werk in Leiden 1832.
8 Vgl. Adolf Fischer, Bilder aus Japan, Berlin 1987, S.190f.
9 In: Westermanns Illustrierte Dt.Monatshefte 89 (1900/1901),a.a.0., S.502.
10 Mein Leben in dieser Zeit (1907-1925), Potsdam 1928, S.45,zit.nach Ingrid Schuster, „Die ersten Wirkungen des japanischen Theaters in Deutschland“, in: arcadia 7( 1972), S.285-296.
11 Julius Bab, Das Theater der Gegenwart, Leipzig 1928, S.192.
12 „Zwergbäume (Hashi-no Ki)“,in: Das Magazin für die Literatur des In-und Auslandes 58/21 (1889), S.323: „Die Bühne, das Podium: Bu-tai ist mit einer großen Drehscheibe: Mawari-Butai : ‘Drehbühne‘ versehen, auf deren einen (abgerundeten) Hälfte die Szenerie gerüstet wird. während die Handlung auf der vor der Dekoration befindlichen Hälfte vor sich geht.“
13 An anderer Stelle verwechselt Fischer den Hanamichi mit dem Hashigakari. Vgl. Japans Bühnenkunst und ihre Entwicklung, S.493 und 502 sowie Bilder aus Japan, S.184.
14 Vgl. Ingrid Schuster, „Die ersten Wirkungen“, a.a.O.,S.286.
15 Berlin 1928, S.120. Zit. nach Ingrid Schuster, „Die ersten Wirkungen“, a.a.O.,S.287.
16 Max Epstein, Max Reinhardt, a.a.O.,S.104f.
17 Vgl. Heinz Kindermann, Max Reinhardts Weltwirkung, Wien/Köln/Graz 1969, S.19. Schon 1911 setzte Reinhardt die „Orestie“ in München in Szene, 1911/12 erprobte er sie in Vollmoellers Fassung in einem Berliner Zirkus.
18 Das Quellenmaterial zu Emil Orlik (Kopien unveröffentlichter Briefe, Ausstellungskatalog) stellte mir Peter Pantzer freundlicherweise zur Verfügung. Orliks Briefe sind im Archiv der Adalbert Stifter-Stiftung in München aufbewahrt.
19 Vgl. Ausstellungskatalog des Adalbert-Stifter-Vereins. Emil Orlik. Zeichnungen und Druckgraphik von 1889-1932, München 1972/73,S.155.
20 Vgl. den Brief an Herrn Prof. Lehrs vom 30.11.1900.
21 Vgl. Briefe an Prof. Lehrs vom 24.4.1900 und 24.2.1901. Bereits vor der Japan-Reise konnte Orlik sein Wissen über die japanische Holzschnitte erweitern durch den mehrmaligen Besuch der 6. Ausstellung der Wiener Secession, in der vom 20.1. bis 25.2.1900 die japanische Kunstsammlung Adolf  Fischers gezeigt wurde. Vgl. Ausstellungskatalog des Adalbert-Stifter-Vereins, S.76.
22 Vgl. Brief an Prof. Lehrs vom 13.9. 1900 aus Nikko.
23 Vgl. Briefe an Prof. Lehrs vom 30.10.1900 aus Kyôto und 25.12.1900, in dem er das japanische Schauspiel erwähnt in Zusammenhang mit Sadayakko, der in Europa bekannten Tänzerin, und Toyokuni, der hauptsächlich Porträts von Kabuki-Darstellern zeichnete. Orlik besaß einige Bilder von Toyokuni (vgl. Brief vom 25.12.1900), Zeichnungen von Nô-und Kabuki-Szenen.
24 Vgl. Brief an Direktor Lehrs vom 15.6.1900.
25 Vgl. Brief an Direktor Lehrs vom 30.11.1900.
26 Ingrid Schuster, „Die ersten Wirkungen“, a.a.O.,S.287.
27 Max Epstein, Max Reinhardt, a.a.O.,S.111. Ingrid Schuster. „Die ersten Wirkungen“, a.a.O., gibt auf S.287-289 eine ausführliche Übersicht über die Verwendung des Blumenwegs in Deutschland unter Anführung der überwiegend positiven sowie der wenigen ablehnenden Reaktionen von Publikum und Kritik.
28 Max Epstein, Max Reinhardt, a.a.O., S.189.
29 Ebenda, S.189.
30 „Reinhardt in München“, in: Die Schaubühne 7,30/31 (1911),S.82.
31 Vgl. Ingrid Schuster, „Die ersten Wirkungen“, a.a.O., S.289.
32 Oskar Bie, „Sumurun“,in: Die neue Rundschau 21/11 (1910),S.874.
33 Prosa III (=Gesammelte Werke in Einzelausgaben), hrsg.v. Herbert Steiner, Wien 1952, S.47f.
34 Berlin 1920, S.133.
35 Max Reinhardt, Ausgewählte Briefe, Reden, Schriften und Szenen aus Regiebüchern, hrsg.v. Hadamowsky, Wien 1963, S.89.
36 F. Hadamowsky und H. Kindermann, Europäische Theaterausstellung 1955, S.154f.

1.12. Asien und deutsche sowie österreichische Kunst und Literatur um die Jahrhundertwende: Einflüsse und Bedeutung

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For quotation purposes:
Sang-Kyong Lee: Max Reinhardt und das japanische Theater - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/1-12/1-12_lee17.htm

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