Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | Mai 2010 | |
Sektion 1.12. | Asien und deutsche sowie österreichische Kunst und Literatur um die Jahrhundertwende: Einflüsse und Bedeutung Sektionsleiter | Section Chairs: Chin SangBum (Comperative Study of the World Literature in Korea) und Doo Haeng-Sook (Universität Sogang, Seoul) |
Berichtsbericht 1.12.
Asien und deutsche sowie österreichische Kunst und Literatur
um die Jahrhundertwende: Einflüsse und Bedeutung
Chin SangBum (Comperative Study of the World Literature in Korea) [BIO],
Doo Haeng-Sook (Universität Sogang, Seoul. Korea) [BIO]
Email: csb@chonbuk.ac.kr | dhs2kr@yahool.co.kr
In der oben genannten Sektion haben die Teilnehmer ihre Referate erfolgreich gehalten und sehr lebhaft diskutiert. Dabei ging es insbesondere darum zu erklären, welche Einflüsse Ostasien (Korea, China und Japan) um die Wende des 20. Jahrhunderts auf die deutsche und österreichische Kunst und Literatur ausgeübt haben, und welche Bedeutungen ihre Ostasien-Rezeption enthält.
Als erster referierte Herr Professor Sangbum Chin über „Die Asienrezeption in der deutschen expressionistischen Kunst und Literatur und ihre ästhetische Bedeutung.” In seinem Referat betonte er, dass sich der deutsche und österreichische Expressionismus einerseits in der Kunst wie bei Emil Nolde, Kirchner usw. niederschlug und zwar als eine Art der Suche nach einer Utopie, die die Deutschen nach dem ersten Weltkrieg glaubten verloren zu haben. Dabei spielte die Asien-Rezeption bei den deutschen Expressionisten eine wichtige Rolle. Z. B. war das enge Verhältnis zwischen dem Primitivismus der Künstlergruppe "Brücke" und den primitiven, starken Farben der japanischen Farbholzschnitte mit ihren energischen Linien und der schwarzen Farbe nicht zu übersehen.
In der deutschen expressionistischen Literatur zeigten u.a. Autoren wie F. Werfel, F. Kafka, Winckler, A. Döblin, L. Rubiner, A. Ehrenstein und Klabund ihre literarische Verwandtschaft mit Asien. Döblin lehnte die europäische Konfliktstruktur ab und versuchte die Möglichkeit der Versöhnung in der asiatischen Struktur zu finden. Dies kann man in der China-Rezeption in seinem Roman Die drei Sprünge des Wang-Lun im Zusammenhang mit einem neuen Menschenbild als expressionistischer Utopie deutlich sehen.
Dies zeigte sich deutlicher in dem Referat von Frau Dr. Doo Haeng-Sook über Die Chinarezeption bei den deutschen Autoren um die Wende des 20. Jahrhunderts und deren kulturgeschichtliche Bedeutung im Hinblick auf A. Döblin und F. Kafka. Sie berichtete insbesonders über die chinesischen Stoffe und die chinesische Weltanschauung, die nicht zuletzt mit der politischen, sozialen und geistig unruhigen Situation des damaligen Deutschlands und Österreichs zusammenhingen. Döblin nahm einen historischen Stoff aus China auf und verarbeitete ihn im Hinblick auf das Motiv des Untergangs und der Tat. Im Gegensatz zum Tatendrang, worauf damals in Deutschland sehr viel Wert gelegt wurde, steht der chinesische philosophische Gedanke des "Wu-wei" - des Nicht-Handelns - im Mittelpunkt seines Romans. Die ursprüngliche Absicht der Helden, in der Konfrontation mit der Gesellschaft nicht handelnd zu bleiben, scheitert. Sie werden zur "Tat" gezwungen, und ihre Taten werden in Form der Rebellion legitimiert. Döblin, der zeitlebens für eine sozialistische Revolution eintrat, stellt so im Roman die Revolution in Form der Rebellion der sozial Unterdrückten dar.
Auch F. Kafka schilderte eine ähnliche geistige Stimmung von damals in seiner Erzählung Beim Bau der chinesischen Mauer und zwar die Auseinandersetzung des Volkes mit dem Kaisertum, jedoch in einer anderen Weise als bei Döblin.
In den beiden oben genannten Werken zeigen sich einerseits tiefe Eindrücke des chinesischen Landes und des chinesischen Volkes auf sie, andererseits jedoch sollten wir nicht darüber hinwegsehen, dass dieses Land ihnen beiden in gewisser Weise überraschend und verfremdend erschein. Dennoch gibt es in der deutschen Literatur kaum noch andere Autoren, die sich stofflich und thematisch so intensiv mit China auseinandersetzten und dies in ihren Werken darstellten. Ich möchte deshalb in meiner Arbeit die Stoffe, Motive und Themen aus äußerlich historischer sowie innerlich psychologischer Perspektive betrachten und die sich daraus ergebende Problematik hervorheben.
Im Zusammenhang mit der Asien-Rezeption (China und Japan) und ihrer Bedeutung behandelte Herr Hiroaki Sekiguchis Referat hauptsächlich den Autor Günter Eich. Als Lyriker und Hörspielautor der Nachkriegsgeneration interessierte er sich vor allem für die „Gefüge“ der chinesische Schriftzeichen und verband sie mit seiner eigenen Dichtung. In der Tat verwendete Eich das Wort "zusammenfügen" bezüglich der Zusammensetzung der chinesischen Schriftzeichen immer wieder in seinen Gedichten. Eich versuchte damit deren Sinn metaphorisch auf die Bedeutung der Rekonstruktion der Einheit aus verlorenen Bruchteilen seiner gebrochenen Weltanschauung nach dem zweiten Weltkrieg zu übertragen.
Anlässlich seiner Reise nach Japan im Herbst 1962 lernte Eich Ostasien besser kennen. Herr Sekiguchi betonte in seinem Referat, dass Eichs Ostasien-Rezeption auf lange Sicht umgekehrt auf die Germanisten im Fernen Osten Einflüsse ausgeübt hat. Dadurch interessierten sie sich mehr für die deutsche Literatur und Kultur. Aber ihre Bemühung, deutsche Texte zu interpretieren und in eine ganz andere Sprache zu übersetzen, wurde trotz des Wertes und der Schwierigkeit dieser Arbeit von den Germanisten in Europa nicht richtig verstanden. Anschließend zitierte Herr Sekiguchi als Beispiel ein Gedicht von Li Bo, übersetzt von verschiedenen deutschen Autoren wie Eich, Klaubund usw., wobei er verdeutlichte, dass “Es (ist) nicht die Aufgabe des Übersetzers [ist], das Original zu verbessern. Übersetzen heißt nicht kommentieren”. Damit gab er die Vieldeutigkeit, die durch chinesische Zeichen erklärt werden kann, zu.
Herrn Michael Mayers Referat Japanische Natur und europäische Perspektive in Max Dauthendeys „Die Acht Gesichter am Biwasee” schilderte, wie die asiatischen Charakteren und die Geschehen von dem deutschen Autor aus einer europäischen Perspektive dargestellt werden. In Dauthendeys Geschichten geht es nicht zuletzt um die Thematisierung der Natur, die aus europäischer Perspektive betrachtet wird.
Es geht hier meistens um die Analyse der japanischen Literatur - und zwar im Hinblick auf die "Verschmelzung von Sprache und Natur". Die Landschaft am Biwasee sieht der Erzähler durch “europäische Heuschrecken” gefährdet. Die Natur wird anthropomorphisiert und steht mit den Menschen auf einer Ebene. In „Biwasee" sind die handelnden Charaktere Asiaten, während die Europäer nur schemenhaft bleiben. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die asiatischen Charaktere und die Geschehen dennoch - aufgrund des deutschen Autors - aus einer europäischen Perspektive dargestellt werden.
Und dann wurde das Thema des Buddhismus von Herr Professor Jinhyung Park in seinem Referat Rilke und der Buddhismus und von Frau Christiane Barz unter dem Titel Die Buddhismusrezeption in der Literatur um 1900 behandelt.
Bei Rilke und der Buddhismus wurde insbesondere Rilke - einer der in Ostasien bekanntesten deutschsprachigen Dichter - intensiv behandelt. Rilke litt sein Leben lang an Leben und Kunst und versuchte während seines Schaffens stets, diesen existenziellen Konflikt zu überwinden. Die bei den westlichen Autoren zugrundeliegende dualistische Subjekt-Objekt-Spaltung, welche sich wiederum in zwei Dimensionen entwickelt, zeigt sich hier deutlich. Die Spaltung zwischen Mensch als Subjekt und Ding als Objekt führt konsequenterweise zu einer Selbst-Entfremdung. Der Buddhismus sieht seinen Kern in der Erleuchtung, die sich als alle begriffliche Kategorien übersteigende, befreiende, ganzheitliche Selbsterfahrung darstellt. Insbesondere im Zen-Buddhismus versteht man dies deutlicher.
Was Rilke und den Buddhismus verbindet, ist offenbar, dass beide aufgrund ähnlicher existenzieller Erfahrungen eine gültige Diagnose der Probleme der menschlichen Grundsituation zu erstellen versuchten. Deshalb geht es Rilke wie dem Buddhismus um ein und dasselbe - d.h. um die Aufhebung der dualistischen Weltsicht.
Herr Professor Sang-Kyong Lee referierte über Max Reinhardt und das Kabuki. Reinhardt holte sich Anregungen für seine Theaterkonzeption einerseits aus der europäischen Theatertradition, andererseits aber auch aus der Darstellungskunst des japanischen Theaters. Für die Verwirklichung seiner Theaterkonzeption, erkannte er im Laufe seiner Theateraktivitäten den Wert japanischer Bühneneinrichtungen wie Drehbühne und Hanamichi, Pantomime und Tänze und verwendete sie zum Teil. In seiner Theaterkonzeption ging es Reinhardt vor allem um die Gestaltung eines totalen Theaters, bei dem Wort, Musik, Lichtwirkung, Schauspielkunst und Bühnenbild zu einem harmonischen Ganzen verschmolzen werden. Diese Theaterform ist für das klassische japanische Theater kennzeichnend. Im klassischen japanischen Theater werden alle Künste als Ausdrucksmittel im Dienst einer möglichst effektvollen Darstellung eingesetzt. Durch den Einsatz dieser Methoden gelang es Reinhard, ein impressionistisch-magisches Theater zu entwickeln und die bis dahin dominante naturalistisch-illusionistische Kulisse von der Bühne zu verdrängen.
Herr Noel Kouagous Referat behandelte Reisen als Initiationsweg. Eine afrikanische Lektüre von Herrmann Hesses Roman „Siddharta.” Hier ging es unter anderem um das Verstehen des Orients im Allgemeinen und Indien im Besonderen als Bezugssphäre des Romans Siddharta - oder der orientalischen Kultur als begehrenswerte Alternative zur westlich dekadenten Kultur um die Jahrhundertwende. In der Tat ist Siddharta ein deutschsprachiger Roman über Indien, wie ihn Hesse selbst bezeichnete. Im Hinblick darauf legte die Untersuchung dieses Referats unter anderem den Schwerpunkt auf das Land Indien bzw. seine Kultur, die hier als Objekt betrachtet und verarbeitet werden.
Herr Professor Chang Hyun Cho referierte über ein ähnliches Thema - nämlich The Asia Reception in Hermann Hesse and the Hesse Reception in Asia - Centering on Hesse's work "Siddharta". Er berichtete über diesen Roman von Hesse und den Buddhismus in Bezug auf sein Interesse am Taoismus und dem ästhetischen Sinn seines Werkes in Asien. Dazu erläuterte er die Hesse-Rezeption in Korea, China und Japan und er betrachte intensiv die positive Einstellungen asiatischer Leser zu Hesse überhaupt. Er wies darauf hin, dass Hesse beim Studium asiatischer Gedanken über den Buddhismus hinaus noch tief in den Upanishad-Gedanken eingegangen war. Dazu gehörten solche eigentümliche Gedanken wie Altruismus und Nirwana. Hesse ist in Korea, China und Japan sehr beliebt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass seine Gedanken den koreanischen ähneln. Eine Annäherung an Hesses Gedanken scheint heute deswegen sinnvoll zu sein, weil im 21. Jahrhundert eine Annäherung an asiatische Länder konkreter versucht wird.
Herr Professor OH Zhang-Huan berichtete über Orientalism as an Encounter with the East and West 'toward Modern': focused on 'Japonism' in ther late 19th and 'Organic' Architecture in the early 20th. Der Einfluss des Orientalismus im Westen bedeutet viel für die „Moderne“. Die orientalische - insbesondere die japanische - Kunst half den westlichen Künstlern selbstbewusster gegenüber dem konventionellen Stil zu werden. Der Orientalismus trug zur Formation der Modernität in Richtung der Abstraktion bei. Dies wird hauptsächlich in dem Gesichtpunkt von F. L. Wright in Bezug auf die traditionelle Kunst Japans reflektiert.
In The Art of Art Nouveau and Asia - centering on Gustav Klimt, referierte Frau Professorin Lee, Heju im Hinblick auf den Einfluss Japans auf die Kunst Klimts. Im Hinblick auf Dekoration und Symbolik ähneln sich seine Zeichnungen und die koreanische Volkskunst.. Gustav Klimt konnte sich nicht mit der österreichischen Kunsttradition versöhnen. Er flüchtete vom österreichischen Künstlerestablishment. Er interessierte sich statt dessen mehr für die japanische traditionelle Kunst. Im Hintergrund der Porträts von Klimt sieht man daher später Dekorationen mit Charakterzügen und Symbolen aus Korea, China und Japan. Die Referentin betonte insbesondere den Zusammenhang der koreanischen Volkskunst "Minhwa" und der östlichen Tendenz in Klimts Werken. Die Koreanische Volkskunst stellte mehr die Natur als den Menschen in den Mittelpunkt. Die Koreaner suchten dadurch nach der Harmonie mit der Natur, mit der Welt. Klimt gelingt es, in seinen Bildern solche Tendenzen in seinen eigentümlichen Dekorationen zu veranschaulichen.
1.12. Asien und deutsche sowie österreichische Kunst und Literatur um die Jahrhundertwende: Einflüsse und Bedeutung
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Webmeister: Gerald Mach last change: 2010-05-30