Institut zur Erforschung und Förderung österreichischer und internationaler Literaturprozesse        Abstracts / résumés

Konferenz / Colloque International / Conference

Vielsprachigkeit, Transnationalität, Kulturwissenschaften
Plurilinguisme, Transnationalité, Sciences Culturelles
Multilingualism, Transnationality, Cultural Sciences

(Wien / Vienne / Vienna, 6.-9.12.2001)


Hans Joachim Müller (Innsbruck)

Transnationale Ansätze in der Enzyklopädie von Jean-Baptiste le Rond d'Alembert

Überraschenderweise fehlen transnationale Ansätze im Sinne eines Verstehenwollens eines anderen Landes und seiner Kultur in der Enzyklopädie. Fremde, vor allem orientalische, Kulturen werden zwar häufig "beschrieben", dienen dabei aber nur als Kulisse für die Projektion französischer Zustände des 18. Jahrhunderts.

Nicht viel anders verhält es sich bei dem massiven Import fernöstlicher Kunstwerke, deren Formensprache die Bildende Kunst stark beeinflusst: Sie bleiben Dekorationsstücke, die das Lebensgefühl nicht verändern.

Ähnliches gilt auch für den Fall Voltaire: Er geht zwar an den Hof Friedrichs des Grossen, aber nur, weil er dort ein französisches Ambiente findet. Ansonsten äussert er sich über "Deutschland" nur abfällig. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Herausbildung eines preussischen Nationalstaates von einem Herrscher geleistet wird, der lieber französisch als deutsch sprach. (Vgl. die Position Montesquieus, der die Nation als geschlossene Landmasse mit einheitlicher Bevölkerung und einer einzigen Sprache definiert).

Frankreich war zu diesem Zeitpunkt erst selbst im Prozess einer nationalen Identitätssuche als "Patrie" im Gegensatz zum Clan- und Ständedenken des Absolutismus.

"Transnational" ist bei den französischen Aufklärern aber der Versuch, im eigenen Land die Barrieren zwischen Regionen und gesellschaftlichen Klassen nach dem Prinzip der "égalité" zu überwinden - ein Aspekt, der bei den italienischen Aufklärern noch deutlicher zu sehen ist.

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