Eliten kommen wieder in Mode und zwar auf zweifache Weise. In vielen
Ländern wird ein zunehmender Nachholbedarf hinsichtlich einer defizitär
erlebten Eliteförderung angemeldet. Diese weithin anschlussfähige
Defizitthese wird noch erweitert durch das Bild, dass Teile der Wirtschaftseliten,
der Intellektuellen und der ‚politischen Klasse’ vermitteln.
Scheinbar fehlt es nicht nur an einer internationalen Ansprüchen
genügenden oder diese gar überbietenden wissenschaftlichen
Spitzenforschung, die in der Lage ist, die für notwendig gehaltenen
technologischen und innovativen Spitzenleistungen hervorzubringen. Hinzu
kommen negative Bezeichnungen. Nicht nur Unternehmer und Manager müssen
sich mit Charakterisierungen und Titulierungen wie gnadenloses Abzockertum
und Nieten in Nadelstreifen zunehmend auseinandersetzen. Hinzu kommen
die Skandale von Politikern, Intellektuellen, Künstlern und Teilen
der Prominenz.
Bekanntlich fällt der Elitebegriff nicht nur vielschichtig, sondern
auch uneindeutig aus. Zudem ist er ein auf mehrfache Weise belasteter
Begriff. Historisch betrachtet, entstanden Elitevorstellungen wohl im
18. Jahrhundert - vor allem im Kontext des aufstrebenden (französischen)
Bürgertums, wobei Elite als „demokratischer Kampfbegriff“
gegen Adel und Klerus entwickelt wurde (Bude 2000: 9).
Geblieben ist eine für öffentliche Meinungsbildung anschlussfähige
Vorstellung über Eliten, die sich einspannt in einer Missfallen
bereitenden Dimension zwischen einer Erwartungshaltung, die gesellschaftliche
Prominenz bzw. Wirksamkeit vehement einfordert, um zugleich das Versagen
auf der einen und die kaum zu ertragenden Privilegierungen auf der anderen
Seite zu beklagen. Hinzu kommt eine auf die Produktion von Enttäuschungen
hinauslaufende Verquickung der Kategorie der Machteliten mit dem Wunsch
nach gesellschaftlich auffallender Wirkungskraft, Außergewöhnlichkeit
bzw. Einzigartigkeit.
Nicht nur in diesen Hinsichten läuft eine wie immer geartete Elitetheorie
Gefahr, im Fahrwasser vereinfachender Prämissen zu versinken. Das
Elitekonzept eignet sich bestens als „Kategorie der naiven Wahrnehmung“
mit hoher Plausibilität (Krais 2001: 49). Genutzt werden vereinfachende
Beschreibungsfolien (individuell zurechenbare Leistungen), wobei es
dann nur noch um die richtigen positiven wie negativen Leistungszurechnungen
geht und nicht mehr um deren generelle Stichhaltigkeit. Erschwerend
kommt hinzu, dass wir über zu „wenig gesichertes Wissen über
diesen exklusiven Personenkreis“ (Imbusch 2003: 14) verfügen,
wobei genau die Angabe des Exklusivitätskriteriums zum Problem
wird. Offen ist also, wer zur Elite oder zu den Eliten gezählt
werden darf und worauf der Elitestatus eigentlich beruht, und die tatsächlich
in Anschlag zu bringende Machtbasis der Elitekonstitution ist mehr als
umstritten.
Die Sektion möchte u.a. folgende Fragen diskutieren:
- Ins Zentrum der Aufmerksamkeit werden immer wieder Institutionen
der Elitebildung sowie die als Schließung diskreditierten Reproduktionsmodi
gerückt, wobei die Frage ungeklärt bleibt, was mit dem Begriff
Elite überhaupt bezeichnet wird. Wie sich schnell zeigen dürfte,
ist diese Frage nicht nur für akademische Zwecke bedeutsam.
Die Unzufriedenheit mit den gegenwärtigen Eliten ist in mehrfacher
Hinsicht bemerkenswert. Es wird die Frage möglich, an welchen Stellen
diese Defizitthese ihre Begründung(en) findet. Folgen wir hier
möglicherweise einer massenmedial wirksamen Modewelle, die auf
die Inszenierung von Schuldigen für eine als prekär wahrgenommene
Lage setzt, oder haben wir es mit einer modernen Attribution säkularisierter
Versionen diesseitiger Attributionen von Heilserwartungen zu tun?
- Man könnte auch der naheliegenden Frage nachgehen, ob Eliten
zum Lückenbüßer offensichtlich zunehmender gesellschaftlicher
Steuerungsdefizite werden.
- Zudem wäre zu fragen, welche Bedeutung haben Eliten überhaupt
noch in der Gesellschaft und bezogen auf die sich rasant beschleunigenden
Wandlungsprozesse. Treten diese als Orientierungsgeber, als rein machtbezogen
Handelnde in Erscheinung? Wirken Eliten als Taktgeber oder doch eher
als Bremser?
-
Oder sind Eliten letztlich nur ein Überbleibsel
einer untergegangenen Gesellschaftsordnung, ohne Funktion, aber
mit der Möglichkeit ausgestattet, die Reproduktion der gehobenen
Schicht ausgestalten und überwachen zu können?
Erwünscht sind theoretische oder empirische Beiträge, die
u.a. die Problematik der Elitebildung, des Elitehandelns sowie der Bedeutung
von Eliten in einer sich verändernden Gesellschaft aufgreifen und
diskutieren.