In Bezug auf den kulturellen Ort der Literatur und der Künste
in der Wissensgesellschaft ist in letzter Zeit vermehrt außer
der Bedeutung kunstexterner Wissensbestände für die Interpretation
von Kunstwerken auch auf die mediengeschichtlichen und epistemologischen
Bedingungen der Literatur- und Kunstproduktion hingewiesen worden. Weniger
präsent, wenngleich durch die Law and Literatur-Bewegung im angloamerikanischen
Bereich angeregt, ist die Tatsache, dass die Literatur- und Kunstproduktion
sowie öffentliche Debatten zunehmend vor dem Hintergrund rechtlicher
Fragestellungen diskutiert werden.
Die große Anzahl an Gerichtsprozessen wegen Verstoßes gegen
das Persöhnlichkeits- oder das Urheberrecht, Diskussionen um das
ästhetische Potenzial von Kunst zwischen Blasphemie und anderen
Tabubrüchen (Gewalt, Pornographie), Anklagen wegen Verfassungsverstößen
sowie Plagiatsfällen haben die Schlagzeilen in den letzten Jahren
bestimmt, ohne dass die Tendenz der zunehmenden Verrechtlichung der
Literatur und Kunst aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen
genauer analysiert worden wäre. Die Frage nach den juristischen
Voraussetzungen des literarischen Feldes ist deshalb von Bedeutung,
weil der Verrechtlichungsprozess nicht zuletzt als Symptom außerkünstlerischer
Wissensregulationen mit unabsehbaren Folgen für das Verständnis
von Literatur und Kunst als Wissenstransformationsmedium gesehen werden
muss. Die Fragestellung zielt letztendlich auf die möglichen und
erfolgten Auswirkungen juristischer Diskurse auf die Festschreibung
ästhetischer Programme.
Die Vorträge in dieser Sektion sollen sich – auch unter
historischen Gesichtspunkten - mit dem Verrechtlichungsprozess beschäftigen,
der in den letzten Jahren an Intensität zugenommen hat. Beiträge
zu Einzelstudien (Gerichtsfälle) sind ebenso willkommen wie Studien
über Entwicklungen. Es versteht sich von selbst, dass rechtswissenschaftliche
Beiträge ebenso erwünscht sind wie literatur-, kunst- und
kulturgeschichtliche und –theoretische. Es geht dezidiert nicht
um Beiträge, in denen literarische Verhandlungen von Recht thematisiert
werden (Law-in-Literature), sondern ausschließlich um literatursoziologische
und rechtliche Fragestellungen über das Recht als Steuerungs- und
Strukturierungsinstrument literarischer- und künstlerischer Produktion
und über die Folgen der zunehmenden Kodifikation von Literatur
und Kunst für die Bewertung ihres kulturellen Ortes in der Gesellschaft.
Kulturpolitische Überlegungen würden sich hier anschließen.
- Vorträge u.a. zu folgenden Themen
- Literarische Persönlichkeitsrechtsverletzungen
- Literatur, Kunst und Blasphemie
- Plagiat / Fälschung
- Verbotene Literatur/Kunst – verbotene Autoren/Künstler
- Gewalt und Literatur
- Literarische und künstlerische Blasphemie
- Tabuverletzungen (Beispiele)
- Ändert sich das Schreiben/künstlerische Schaffen nach einer
Verurteilung?
- Biographische Brüche und literarische Skandale
- Ästhetische Bedingungen des Tabubruchs
- Rechtsverstöße als Erfolgsstrategie im literarischen Feld
- Wie verändern sich die Rechtsvorstellungen durch Urteile über
literarische Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Blasphemie usw.
?
- Die Kunstautonomie im Konflikt mit dem Rechtssystem