Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 2. Nr. November 1997

Konferenz: Europäische Literatur- und Sprachwissenschaften
(Innsbruck 1997)

Sektionen

Arbeitsberichte

Resolution
(Deutsch, Englisch, Französisch)

Plenarreferate:

Sektionen:

I Geschichte der Sprach- und Literaturwissenschaften

I.1 Literatur- und Sprachwissenschaft im Kontext allgemeiner Kulturdiskussion

I.2 Spezielle Gesichtspunkte der europäischen Wissenschaftgeschichte

I.2.1 Wissenschafter und ihre Werke

I.2.2 Aspekte zur Geschichte der Gattungsforschung

I.2.3 Geschichte zur Erforschung österreichischer Literatur

II Wissenschaftsorganisation der Sprach- und Literaturwissenschaften in Europa

III Disziplinüberschreitende Ansätze der Sprach- und Literaturwissenschaften in Europa

III.1 Entwürfe und Kritik

III.2 Literaturgeschichtsschreibung

III.3 Sprachforschung

III.4 Rezeption

III.5 EU-Prozesse in der Forschung

IV EDV, Internet und Sprach- und Literaturwissenschaften

V Forschungen und Informationssysteme

VI Universitäten, Forschungen, Gesellschaft, Finanzierungen in Europa

VII Wissenschaftskommunikation der Kulturwissenschaften

VIII Nationen, Sprachen, Kunst

IX Außensicht/Innensicht


Berichte

Bericht der Sektion I: Geschichte der Sprach- und Literaturwissenschaften

In der Sektion 1, die die Geschichte der Sprach- und Literaturwissenschaften in Europa zum Thema hatte, wurden acht Referate gehalten. Die überwiegende Mehrheit der Referate (sechs von acht) gehörte zum engeren Themenkreis der Sektion, ein Referat untersuchte ein kulturphilosophisches Problem und ein weiteres Referat ein Thema aus dem Bereich der Gattungsgeschichte.

Die beiden Impulsreferate behandelten die Geschichte der Literaturwissenschaft: Frank Rutger Hausmann aus Freiburg stellte den Entwicklungsweg und die Wandlungen der Neuphilologien in Deutschland im 20. Jahrhundert dar und formulierte seine Thesen zu einer Notwendigkeit der Neuorientierung und Umstrukturierung der neuphilologischen Disziplinen (Literatur- und Sprachwissenschaft, Philologie) in unserer Zeit.

Tamas Lichtmann aus Budapest (Ungarn) stellte einige Standardwerke der ungarischen Literaturgeschichtsschreibung vor: die Weltliteraturgeschichte von Antal Szerb, die Literaturgeschichte der europäischen Literatur von Mihaly Babits aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie zwei Enzyklopädien der Weltliteratur aus der Gegenwart.

Die Referate von Ingeborg Ohnheiser aus Innsbruck, von Eszter Kisery aus Debrecen (Ungarn), von Wolfgang Höppner aus Berlin und von Larissa Cybenko aus Lviv (Ukraine) behandelten verschiedene Aspekte der Wissenschaftsgeschichte. Ingeborg Ohnheiser behandelte die vorbildhafte Mittlerrolle der Prager Zeitschrift "Slawische Rundschau" zwischen der tschechischen und deutschen Kultur aus der Zwischenkriegszeit. Eszter Kisery stellte die sogenannte Wien-These von Jakob Bleyer, einem bedeutenden Germanisten und Kulturpolitiker der Zwischenkriegszeit, vor. Wolfgang Höppner analysierte die auswärtige Kultur- und Wissenschaftspolitik der NS-Diktatur aufgrund der Reiseberichte und Vorträge von Franz Koch. Larissa Cybenko brachte einen Überblick über die Erforschung der österreichischen Literatur in der Ukraine in der Vergangenheit und Gegenwart einen Ausblick in die Zukunft. Alle vier Referate dieser Gruppe stellten die Wissenschaftsgeschichte in einen interkulturellen und internationalen Kontext, in dem Kultur aus deutscher, tschechischer, ungarischer und ukrainischer Sicht betrachtet werden kann. Dabei wurde auch die Vermittlerrolle der Wissenschaft zwischen verschiedenen Völkern und Kulturen hervorgehoben.

In dem Referat von Endre Kiss aus Budapest wurden wissenschaftstheoretische und wissenschaftsphilosophische Aspekte behandelt, indem er Fukuyama und Huntington in den Kontext allgemeiner Kulturdiskussionen stellte. Marta Harmat aus Szeged (Ungarn) untersuchte ein komparatistisches Thema aus der Geschichte der Gattungsforschung anhand deutscher, ungarischer und russischer Oden der Aufklärungszeit.

Als Positivum der Sektionsarbeit kann hervorgehoben werden, daß die Sektion eine Reichhaltigkeit an Aspekten und Gesichtspunkten aufgezeigt hat, sowie daß die Auslandsgermanistik sehr gut vertreten war. Die deutsche Kultur- und Wissenschaftsgeschichte wurde aus verschiedenen Sichten dargestellt und auch die Wechselwirkung vieler Disziplinen (Germanistik, Romanistik, Slawistik, Hungarologie, Philosophie, Kulturgeschichte, Komparatistik) gewann eine starke Betonung.

(Bericht: Tamas Lichtmann)


Bericht der Sektion II: Wissenschaftsorganisation der Sprach- und Literaturwissenschaften in Europa

Alle acht angemeldeten Referenten haben an dem Erfahrungsaustausch der Sektion teilgenommen; sie kamen aus Perth, Izmir, Lviv, Stuttgart, New York, Wien und Koblenz-Landau.

Mit Europa in den Antipoden wurde die Änderung des Paradigmas der Lehre, Forschung und Wissenschaftsorganisation europäischer Sprach- und Literaturwissenschaft in Australien präsentiert (Peter Morgan). Das neu eingerichtete "European Studies" - Modell in Perth reflektiert die Änderungen in Europa und im europäischen Selbstverständnis nach der Aufhebung der Ost-West-Teilung und in einer Zeit der Konsolidierung der EU; es fördert die Vorherrschaft von Englisch als "globaler Sprache" (laut David Crystal); dieses neue Paradigma ist eine Herausforderung an eurozentrische Mentalitäten und erleichtert den Vergleich von europäischen Kulturen und die Kritik von Normen und Werturteilen; es ist in der Wissenschaft die Wiederspiegelung der Änderungen in den globalen Verständigungsprozessen, die Huntington zum Ausdruck gebracht hat und schließlich ist es eine Wiederspiegelung der internen Debatte zur Frage der australischen Identität.

Zwei Referate aus Lviv wiesen auch auf die Veränderung der Wissenschaftsorganisation in der Ukraine hin, einerseits auf die Schwierigkeiten der Forscher dieses Landes in einer Übergangsperiode und den Wunsch, an europäische Universitäten Anschluß zu bekommen, um den Dialog zu ermöglichen (Maria Zubrytska), andererseits auf die Tätigkeit des Lehrstuhls für Weltliteratur in Anlehnung an die Methoden des Prof. Tschytscherin, der die Literatur als unaufhörlichen Prozeß und ihren Unterrricht als streng und systematisch ansah. Spezielle Kurse und Seminare versuchen jetzt diese Grenzen zu überschreiten (Viktoria Sljusarenko).

Zur Vermittlung von Literatur wurde berichtet (Gerhard Fieguth), wie Stefan George, seine Schüler wie Ernst Bertram und dessen Schüler (hier: Paul Requadt) mit ihren Verständnisweisen vom Dichter und ihren literaturwissenschaftlichen Arbeiten die Literaturproduktion, -rezeption und -distribution für einige Jahrzehnte beeinflußt haben. Trotz begründeter Vorbehalte gegenüber der politisch-gesellschaftlichen Mißdeutbarkeiten bezeichnen die enge Verbindung von Kunst und Wissenschaft, die Umwertung von z.T. vergessenen Dichtern des 18. und 19. Jhts., die strengen ästhetisch begründeten Werturteile das hohe philologische Niveau dieser Literaturwissenschaftler.

In eine ganz andere Richtung wies das Referat Multimedia als Erzählmedium, in dem erst die Situation der BRD auf diesem Gebiet dargestellt wurde, wobei zu bemerken sei, daß für diese Freizeitbeschäftigung seit dem 1.Juni 1997 ein Online-Daten-Dienst für Kinder existiert. Im Erzählen wird nun die Zeit aufgelöst, es gibt einen Übergang vom Linearen zum Punktuellen; man erkennt den "roten Faden" und die Hyperstruktur. Der Erzählraum wird nun dreidimensional und die Episodenstruktur ist auffallend. Multimedia ermöglicht ein Ausprobieren, wobei das Narrative interaktiv gestaltet werden kann (Horst Heidtmann).

Anschließend an diesen Beitrag, wo reichlich die englische Mediensprache verwendet wurde, wurden Anglizismen und Amerikanismen in der deutschen Sprache behandelt (Gerlinde Ulm Sandford). Die Frage wurde gestellt, ob bei der Übernahme der Fremdwörter die deutsche Sprache in ihrer Tiefenstruktur (laut Dieter Zimmer) gefährdet sei und ob sie ihre Assimilationskraft verloren habe. Das Hauptproblem bei der Übernahme sei die Zuweisung des Genus im Deutschen. Obwohl lexikalische Ähnlichkeit, Gruppenanalogie, morphologische Analogie, das natürliche Geschlecht oder gewisse Suffixe eine Richtlinie entstehen lassen, liegt keine einheitliche Bestimmung diesbezüglich vor.

Im Rahmen unserer Sektion haben sich auch zwei neu gegründeten Forschungszentren vorgestellt; das Forschungszentrum für die Sprachen und Kulturen Europas in Izmir ist an das Rektorat der Ege Universität angeschlossen und entstand aus dem Bedürfnis, einen breiteren akademischen Rahmen zu bekommen, um interdisziplinäre Forschung auf dem Gebiet der Sprach- und Kulturwissenschaften betreiben zu können. Als Korrelat des Zentrums entstand die Förderung des Erlernens europäischer Sprachen, deren Studiengang in Izmir nicht vorhanden ist, durch Einrichtung von Kursen mit Zertifikatabschluß. Das Zentrum strebt eine Internationalisierung der Forschungen bzw. Forschungsergebnisse an; die Partnerstädte Izmirs aus europäischen Ländern sowie die Partneruniversitäten der Ege Universität werden an erster Stelle angesprochen werden (Gertrude Durusoy).

Die Originalität des Forschungszentrums Diskurs Politik Identität liegt darin, daß es aufgrund des Verleihens des Wittgenstein-Preises an Frau o.Univ.Prof. Dr. Ruth Wodak entstanden und offiziell am 1.3.1997 errichtet worden ist. Es wurden der Preisträgerin 15 Million Schilling für eine Dauer von fünf Jahren für Forschung zur Verfügung gestellt. Auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften ist das ein neues Ereignis.In diesem Zentrum sind Verwaltung und Forschung getrennte Gebiete,d.h.daß den ForscherInnen die Verwaltungslast abgenommen wird. Zwei Forschungsprojekte sind der österreichischen Öffentlichkeit bekannt:Arbeitslosigkeit und Neutralität. Die Gelderverwaltung wird vom FWF übernommen. Der Beratungsausschuß für die Forschung ist international gestaltet.

Als Ergebnis der Arbeit in der Sektion 2 kann man folgendes festhalten:

* Referate und Diskussion haben einen spontanen und guten Austausch ermöglicht,
* Erfahrungen aus den vertretenen Ländern führten zur Bereicherung eigener Initiativen,
* neue Strukturen wie "European Studies" in Australien zeugen von der Wandlung der Mentalitäten,
* das europäische Bewußtsein setzt sich durch die WissenschafterInnen in den Strukturen durch.

(Bericht: Gertrude Durusoy)


Bericht der Sektion III: Disziplinüberschreitende Ansätze der Sprach- und Literaturwissenschaften

In der Arbeitsgruppe wurden insgesamt 19 Vorträge in fünf Untergruppen gehalten.

In ihrem Impulsreferat hat Penka Angelova von den Möglichkeiten einer kulturwissenschaftlichen Forschung durch multiple Herangehensweisen und mit Anwendung philologischer Verfahren berichtet, indem sie auf die fachgrenzüberschreitende Funktion der Kulturwissenschaft in Forschung und Lehre hingewiesen hat. Anhand von einigen Verweisen auf die Wissenschaftsgeschichte der Nationalphilologien der totalitären Systeme hat sie Überlegungen über das "Prinzip Verantwortung" in bezug auf die "Geschichte als eine Welt des Geistes" (Othmar Spann) vorgestellt und auf ein Ganzheitsdenken, das in Fragmenten auszuführen ist.

Otto Kronsteiner hat die Sprachgeschichte auf dem Hintergrund der politischen Geschichte in ihren Ideologien betrachtete und für ein neues Unterrichtssystem plädiert, das "anstatt diese fatalen, aus einer darwinistischen Völkerstammideologie stammenden Betriffe von Romanen, Germanen, Slaven etc., die auf die Sprachgeschichte übertragen werden - Romanistik, Germanistik, Slavistik ect. verwendet werden, Institute für europäische Sprachen und Literaturen gegründet werden, an denen interdisziplinäre Übergänge möglich sind". Nur auf diese Weise könne die Diskussion um die nationalen u.d.h. nationalistischen Ideologien beseitigt werden, indem alle gleichgestellt werden. Otto Kronsteiner vertritt den Standpunkt, den Begriff der Fremdsprache zu modifizieren und einen angemesseneren Begriff einzuführen, der die negative Konnotation des Fremden nicht tragen würde.

Klaus Zelewitz hat von einem Paradigmenwechsel in der Interkulturalität berichtet, der vor allem die Deutsch-als-Fremdsprache-Germanistiken betrifft und an sie die Herausforderung stellt, Deutsch als Fremdkultur zu vermitteln.

In der AG1, "Entwürfe und Kritik", wurden grenzüberschreitende Verfahren und Projekte vorgeführt (Alexander Honold, Berlin; Hartmut Cellbrot, Opava/Tropau), in ihrer historischen Rezeption dargestellt (Larissa Polubojarinowa, Kemerowo) sowie aus der historischen Forschung herausgeholt (Bernhard Doppler, Paderborn/Bln). Damit wurde am Beispiel einzelner Autoren, z.B. Kassner und Heidegger, wie es Cellbrot gemacht hat, die Frage nach dem Bild des Menschen und der Begrifflichkeit in der Kulturwissenschaft mit Bezugnahme auf verschiedene Disziplinen und philosophischer und dichterischer Entwürfe aufgeworfen.

Am Beispiel des Frankfurt/Oder Konzeptes (Eckhard Höfner), des Europäistik-Konzeptes in Russe, Bulgarien und des Bielefelder Reformkonzeptes aus den 70er Jahren (von Eva Reichmann vorgestellt) wurden über die Möglichkeiten und Grenzen gesprochen, Literaturwissenschaft interdisziplinär im Rahmen der Kulturwissenschaft in Forschung und Lehre zu entwickeln, sowie eine den Anforderungen der Gegenwart entgegenkommende kulturwissenschaftliche und interdisziplinäre Ausbildung den Studierenden anzubieten, in der die nationalphilologischen Parameter verlassen werden. Die AG empfiehlt die Förderung und Entwicklung solcher fachübergreifender kulturwissenschaftlicher Projekte.

Carmen Sippl zeigte am Beispiel "Herman Bahr und Rußland" Möglichkeiten einer fachübergreifenden Rezeptionsforschung.

Eine Literaturgesschichtschreibung mit didaktischen und wissenschaftlichen Zwecken jenseits der Einteilung in Jahrhunderte (Hans-Joachim Müller, Innsbruck), ihrer möglichen Aufbauprinzipien (Nonna Kopystianska, Lviv) für den Einbau in Computer und für mögliche Querverbindungen wurden besprochen und für förderungswürdig im interkulturellen Rahmen befunden. Alexander Belobratow (St. Petersburg) hat über die interkulturelle Funktion der Auslandsgermanistik anhand der Erforschung des modernen österreichischem Romans berichtet und auf das interkulturelle Potential der Auslandsgermanistik hingewiesen. Peter Zajac (Bratislava) widmete sich der Frage nach der Übertragbarkeit von Konzepten der Literaturgeschichtsschreibung von größeren auf kleinere Literaturen.

Auf neue Möglichkeiten der Linguopoetik haben Naumenko und Resnitschenko (Ukraine) hingewiesen; anhand einiger theoretischer Argumente und praktischer Materialien zeigten sie, daß die Linguopoetik nicht einfach eine Synthese von Linguistik und Literaturwissenschaften ist, sondern ihr eigenes Untersuchungsobjekt (Bildhaftigkeit) und ihre eigene Methode (Erforschung der künstlerischen Funktion der sprachlichen und außersprachlichen Mitteln) besitzt.

Eine Forschungsgruppe aus dem Forschungszentrum für Diskurs, Politik und Identität in Wien (Muntigl, Sedlak und Weiss) berichtete über erste Ergebnisse einer psycho- und soziolinguistischen Diskursanalyse von politischen Entscheidungsprozessen in unterschiedlichen Gremien der EU am Beispiel des Problems "Arbeitslosigkeit". Die darin angesprochene Problematik der Koexistenz vieler Arbeitssprachen bestätigte die von Michaela Bürger (Genua) dargestellte Sachlage in den Institutionen der EU. Sie stellte das Projekt der mittlerweile zur Vollsprache entwickelten Plansprache Esperanto als Alternative vor. Sie wies auf die demokratischen und finanziellen Vorteile hin, die für Esperanto im Gegensatz zum Englischen sprechen.

(Bericht: Penka Angelova)


Bericht der Sektion IV: EDV, Internet und Sprach- und Literaturwissenschaften

Ist-Zustand:

Probleme:

Möglichkeiten, Ausblicke:

Lösungsvorschläge:

Zusammengestellt am 24.9.1997 von
Heinz Hauffe, Stefan Alexe, Manfred Bruckner, Angelika Czipin, Willi Kraml, Nikolina Burneva, Patrik Feltes, Andrea Rosenauer

(Feinschliff, Bericht: Heinz Hauffe)


Bericht der Sektion V: Forschungen und Informationssysteme

In dieser Sektion waren zwölf Referate vorgesehen, von denen drei ausgefallen sind. Die Arbeit (trotz der mit der Zeit schwindenden Teilnehmerzahl) gestaltete sich sehr produktiv. Von einigen TeilnehmerInnen wurde zur Organisation angemerkt, daß die rigide Sektionseinteilung, wenn auch zum Teil vorteilhaft, auch einen Einblick in den Gesamtzusammenhang fast unmöglich machte, ein Nachteil, das vielleicht bei der zukünftigen Planung berücksichtigt werden sollte.

Im Gegensatz zu anderen Sektionen war hier eine große thematische Übereinstimmung zu beobachten. Fast alle Beiträge haben konkrete Projekte präsentiert, zugleich ergab sich die Möglichkeit, auch einige grundlegende Fragen, die sich aus dem elektronischen Umgang mit Information ergeben, zu diskutieren. In dem vorliegenden Bericht wird nicht einzeln auf jedes Referat eingegangen; es wird nur versucht, die wichtigsten Stichpunkte aufzustellen, die aus der Diskussion hervorgingen.

1. Die neuen Medien bieten ausgezeichnete Möglichkeiten, sich intensiv der Grundlagenforschung zuzuwenden - wohlgemerkt, nicht in der positivistischen Form der bloßen Faktensammlung, sondern vielmehr aus dem Grund, daß die digitalen Medien differenzierte Formen der Informationsverarbeitung erfordern. So wird die mühsame Erarbeitung von Grundinformationen wesentlich erleichtert und zugleich eine solidere und leichter zugängliche Basis für die Aufgabe der Theoretisierung und der Konzeptualisierung geschaffen.

2. Datenbanken, Bibliographien, Textedition sind die Hauptbereiche dieser Grundlagenforschung. In allen diesen Bereichen bestehen allerdings derzeit Probleme verschiedener Art.
2.1. An erster Stelle könnte vielleicht die "electronic illiteracy" vieler potentieller oder reeller Benützer genannt werden. Auch haben viele von denjenigen, die digitale Informationen oder E-Texte anbieten, die neuen Medien in ihren vollen Konsequenzen noch nicht erfaßt. Dies macht sich nämlich in der Art und Weise, wie die meisten Verlage mit dem digitalen Angebot umgehen, vielfach bemerkbar. Eine verbreitete Auffassung ist zum Beispiel, daß die elektronischen Medien eine Vereinfachung der Information erfordern, während umgekehrt der Fall ist, daß sie effizientere Formen des Umgangs mit komplexen Sachverhalten anbieten. Übersichtliche Komplexität und nicht Vereinfachung wäre also gefragt, wenn die Gefahren der Standardisierung und der Nivellierung vermieden werden sollen, zu denen ja die "cyberculture" leicht verleitet. Nicht zuletzt muß auch gewährleistet werden, daß der große Prozentsatz jener Kulturwissenschaftler, die keine elektronischen Medien benützen bzw. die Möglichkeiten dieser Medien nur sehr begrenzt auszuschöpfen in der Lage sind, auch "umerzogen" werden sollte. Es liegen hier wichtige bildungspolitische und kulturpolitische Aufgaben vor.
2.2. Die Herstellung von Datenbanken z. B. ist eine anspruchsvolle wissenschaftliche Aufgabe und darf nicht als eine im Grunde untergeordnete Art der wissenschaftlichen Betätigung angesehen werden. Dies müssen die Universitäten und andere Institutionen entsprechend akzeptieren und in die akademische Praxis (etwa bei der Curriculumsevaluierung) umsetzen.
2.3. Eine Datenbank ist eine Diskursform, die im wörtlichen Sinne Autorität impliziert. Eine verantwortliche Instanz (ein Autor oder ein Autorenteam) sichert und stellt Information zur Verfügung, die so organisiert ist, daß sie relevantes Wissen darstellt. Dieses Wissen hat einen erkennbaren intellektuellen Ort und ist dann auch entsprechend kritisierbar. Bei der heutigen Informationsflut ist an der Unterscheidung zwischen Daten bzw. Information einerseits und Wissen andererseits unbedingt festzuhalten. Die Rolle der Autoren und der Vermittlungsinstanzen behält in dem neuen Zusammenhang ihre volle Bedeutung.
2.4. Eine Datenbank ist im Grunde ein nie abgeschlossenes Vorhaben. Es muß dementsprechend gewährleistet werden, daß diesbezügliche Projekte auch nach einer begrenzten Anlaufzeit (etwa zwei Jahre) weiter laufen können. In dieser Hinsicht ist zum Beispiel wichtig, daß die Universitäten den elektronischen Markt nicht den Verlagen überlassen, sondern in diesem Bereich selbst aktiv werden, da ja die verantwortlichen Forschungsgruppen in den Universitäten oder Forschungsinstitutionen angesiedelt sind. Man muß beachten: nicht ein abgeschlossenes und fertiges Produkt wird ein einziges Mal verkauft (Buch), sondern Forschungsergebnisse werden in ständig weiterentwickelter und aktualisierter Form angeboten - dies kann naturgemäß nur in enger Verbindung mit den Produzenten dieser Forschung geschehen.
2.5. Bei dem Angebot über Internet, das sich als effizienteres Mittel von selbst anbietet, ist die Frage zu erörtern, ob und wie Gebühren erhoben werden dürfen oder sollen. Damit verbunden ist die bislang nicht geklärte Frage des Urheberrechts an den angebotenen Materialien. Diese ist eine überaus schwierige Frage - es ist abzusehen, daß sie die Kommerzialisierung vom Internet sehr rasch vorantreiben wird. Gegenüber den immer stärker werdenden Kommerzialisierungstendenzen muß gewährleistet werden, daß relevante Teile des Informationsangebots über Internet weiterhin frei zugänglich bleiben. Hier hat der Staat eine ganz besondere Verantwortung zu übernehmen. Aber auch die Initiativen von Forschern und Forschungsgruppen - auch in der Form von Bürgerinitiativen - werden in diesem Bereich zur Sicherung und Entwicklung der Demokratisierungspotentiale der neuen Medien eine wesentliche Rolle zu spielen haben.
2.6. Um dem Problem der Unterfinanzierung in der Forschung zu begegnen, müssen die in Frage kommenden Instanzen (Universitäten usw.) die enormen Einsparungsmöglichkeiten, die die Benützung von elektronischen Medien mit sich bringen kann, erkennen. Ein Teil der staatlichen Mittel, die den Verlagen in Form von Zuschüssen und Ähnlichem zugutekommen, oder auch ein Teil der durch die neuen Einsparungspotentiale freigesetzten Mittel, sollte in den Bereich der Forschung fließen.In der Schlußresolution der Tagung soll auch ein Protest über die Schließung der Osteuropa-Dokumentation im Wiener Literaturhaus eingebracht werden, die durch den vollständigen Ausfall der bisherigen Finanzierung unumgänglich wurde. Die Schließung dieser Dokumentationsstelle bedeutet unter anderem, daß das auf der Tagung vorgestellte Projekt eines elektronischen Zeitungslesesaals für Mittel- und Osteuropa nicht verwirklicht werden wird.
2.7. Es muß eine Koordinierung der elektronischen Projekte stattfinden, sodaß keine Verdoppelungen entstehen und die verschiedenen Forschungseinrichtungen sich auf Gebiete spezialisieren können, für die sie dann eine besondere Verantwortung vor der Wissenschaftler-Gemeinschaft übernehmen (nach der Art eines wissenschaftlichen Leistungsprinzips).
2.8. Da die Rolle vom Internet immer wichtiger wird, muß verstärkt gewährleistet werden, daß die Unmengen von irrelevanter Information, die relevanten Web-Seiten nicht verschütten. Altbewährte Prinzipien der wissenschaftlichen Praxis wie Lektorierung und "peer-reviewing" und Informationsformen wie Forschungsbericht oder Rezension (auch und gerade Rezension von Web-Seiten) müssen nicht nur nicht verschwinden, sondern besonders gepflegt werden. Die Forderung nach Relevanz und Autorität in dem oben verwendeten Sinne ist entscheidend, um nicht bei dem verantwortungslosen Umgang mit Information, die die universelle Verfügbarkeit der neuen Medien begünstigt, bewußt oder unbewußt mitzumachen.

3. Schließlich: es wurde davon ausgegangen, daß Strukturveränderungen nur durch Fakten erwirkt werden können. Es müssen also die Möglichkeiten ernstlich erwogen werden, die dem Institut zur Erforschung und Förderung österreichischer und europäischer Literaturprozesse in dem Bereich der Koordinierung zur Verfügung stehen (zusammen mit laufenden Projekte wurden zum Beispiel während der Tagung auch viele Wunschprojekte vorgestellt - wie könnte das Institut hier aktiv werden?).

António Ribeiro (Coimbra), Hans-Gert Roloff (Berlin)


Bericht der Sektion VI: Universitäten, Forschungen, Gesellschaft, Finanzierung in Europa

Die Zeit der Aufklärung erkannte mit Kant, genauer mit seiner Schrift "Der Streit der Fakultäten", die stringente Notwendigkeit einer Reformierung der Universitäten. Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts um die Gründung der Berliner Universität entfachte Debatte über Rolle und Aufgabe einer Universität zeigte, daß es keinen leichten und geradlinigen Weg von der Einsicht Kants bis zu ihrer praktischen Verwirklichung gibt und daß dabei beträchtliche Verzögerungen auftreten.

Diese Tatsache hat weder in epistemologischer noch in praktischer Hinsicht an Aktualität eingebüßt. Die Diskussionen in der Sektion VI, in der ein Impulsreferat und sieben Sektionsreferate gehalten wurden, hat dies durch die Vielfalt von Herangehensweisen und von thematischen Gegenständen überzeugend unter Beweis gestellt.

Dabei ergaben sich folgende Feststellungen, die hier in Kürze umrissen werden:

  1. Die Universität ist eine wissenschaftliche Hochschule, die ihrer gesellschaftlichen Aufgabenstellung nach eine die gesamten Teilsysteme der Gesellschaft regenerierende Einrichtung darstellt, die demzufolge als Keimzelle künftiger Gesellschaften angesehen werden muß. Das ist auch der Grund dafür, daß die Universität die höchste Achtung der heutigen Gesellschaft und ihrer Verantwortungsträger verdient.
  2. Der von Humboldt bereits formulierte Grundsatz von der Einheit von Lehre und Forschung bleibt im wesentlichen aktuell, ja im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der eigentlichen Aufgaben der Universität zunehmend notwendig. Die Analyse der heutigen Verhältnisse im universitären Bereich zeigt, daß dieser Grundsatz Humboldts ein Konfliktpotential in bezug auf die soziale Dynamik der Gegenwart bildet. Deshalb muß er neu durchdacht, definiert und in praktische Maßnahmen umgesetzt werden.
  3. Nach der historischen Wende des Jahres 1989 haben die Verantwortungsträger sowohl im Osten als auch im Westen die einmalige Chance erhalten, gemeinsame Überlegungen darüber anzustellen, wie es mit der wissenschaftlichen Einrichtung Universität in Europa weitergehen sollte. Die bisherigen Erfahrungen, die durch die in der Sektion vorgetragenen Referate eindrucksvoll belegt wurden, zeigt, daß diese enorme Chance immer noch nicht in ihrer vollen Tragweite erkannt und wahrgenommen, also immer noch nicht genutzt wurde.
  4. Deshalb müßte die Innsbrucker Konferenz – unserer Meinung nach – an allen im Bereich Bildungswesen Verantwortlichen in Europa appellieren, möglichst schnell zusammenzukommen, um ihre jeweilige Erfahrung in gemeinsame Lösungswege einzubringen. Dazu ist ein eingehender, von ehrlichen Bemühen getragener Erfahrungsaustausch notwendig, der – unserer Ansicht nach – in Form eines von der Europäischen Union unterstützten und von allen europäischen Regierungen organisierten Forums über Fragen der Universität, der universitären Forschung sowie des Verhältnisses der Universität zur Gesellschaft zustande kommen könnte.
  5. Die volle Bedeutung der Geisteswissenschaften als auch der Literatur- und Sprachwissenschaften wurde bislang nicht erkannt. Daran ist nicht nur die außeruniversitäre Welt schuld, sondern auch die Universität selbst. Die GeisteswissenschaftlerInnen müssen deshalb die Herausforderung der heutigen Gesellschaft mit zunehmendem Selbstbewußtsein wahrnehmen und im Versuch der Definition eines neuen Selbstverständnisses für die Erziehung der gesamten Gesellschaft ihrer Verantwortung mutiger gerecht werden.
  6. Die Forschungstätigkeit wird beinahe überall nur sporadisch und in einem absolut unzureichendem Maße von staatlichen oder freien Trägerschaften finanziert. Wenn bislang in den Geisteswissenschaften doch Beachtliches geleistet wurde, so geschah dies nur dank der Selbstaufopferungsbereitschaft und der Hingabe der GeisteswissenschaftlerInnen selbst. Diese Konferenz ist ein Beispiel dafür, wie außeruniversitäre Einrichtungen wie das Institut zur Erforschung und Förderung österreichischer und internationaler Literaturprozesse die akademische Diskussion anregen und unmittelbar unterstützen können.
  7. In unserer Sektion konnten Slawisten, Romanisten und Germanisten eine beträchtliche Anzahl von gemeinsamen Problemen feststellen, deren Lösung als gesamteuropäisches Anliegen des Bildungswesens angesehen werden muß.
  8. Eine unvertretbare Hinausschiebung der Selbstreflexion und der längst hinfälligen Maßnahmen zur Erneuerung der Universitäten birgt in sich die Gefahr der Vertiefung der aktuellen Krise in diesem Bereich. Intrinsische und extrinsische Faktoren müßten dabei in einem echt reformatorischem Sinne Hand in Hand gehen und traditions- und systembedingte Trägheit überwinden.

(Bericht: George Gutu)


Sektion VII: Wissenschaftskommunikation der Kulturwissenschaften

Unsere Sektion war eine kleine, aber sehr feine, wenn Sie mir dieses Wortspiel erlauben.

Sie hieß Wissenschaftskommunikation der Kulturwissenschaften, und es hat sich herausgestellt, daß diese Sektion die Kommunikation auf verschiedenen Ebenen erarbeitet hat - auch in den anschließenden Diskussionen.

Die Referate gingen zuerst auf ganz konkrete Beispiele ein. Das erste Referat schilderte die Entwicklungsgeschichte der Arbeitsstelle für österreichische Literatur und Kultur - Robert-Musil-Forschung. Die Arbeitsstelle, die sich zuerst im universitären Bereich in der Lehre und Forschung auf den österreichischen Schriftsteller Robert Musil spezialisiert hatte, erweiterte ihr Tätigkeitsfeld, indem sie nach außen versucht hat, den Schriftsteller Robert Musil einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen. Es wurden Ausstellungen und Kolloquien veranstaltet. Eine Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, zuerst mit Bibliotheken, dann mit kulturellen Einrichtungen führte zu immer stärkerer Öffentlichkeitsarbeit und Änderung des behandelten Themas. In den 80er Jahren, dank Unterstützung der Republik Österreich über ihre Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland, werden durch eine gezielte Kooperation mit den Kultureinrichtungen des Saarlandes (Volkshochschule, Rundfunk, Künstlerhaus des Saarlandes usw.) verschiedene Veranstaltungen und Ereignisse (Lesungen, Bibliotheksausstellungen, Kolloquien) außerhalb der Universität veranstaltet. Dies ermöglichte, ein breites Publikum anzusprechen. Diese gezielt nach außen orientierte Arbeit wurde in den 90er Jahren von politischer Seite gewürdigt, indem die Arbeitsstelle ausdrücklich in dem Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich genannt wurde. Weiterhin erweiterten sich durch Schenkungen der Bücher des "Schwerpunktes Österreich bei der Frankfurter Buchmesse 1995" die Buchbestände der Arbeitsstelle.

Ein Schwerpunkt österreichische Literatur und Kultur ist noch keine Selbstverständlichkeit in der kulturellen Landschaft Deutschlands, aber in letzter Zeit ist eine Entwicklung zu bemerken, die österreichische Literatur als eigenständig wahrnimmt.

Von diesem europäischen Beispiel kamen wir zu einem ganz anderen Bereich der Kommunikation innerhalb der Wissenschaft. Herr Ye Tingfang berichtete über die lange Zeit, in der China von der Geisteswissenschaft Europas abgeschirmt war. Sie führte in China zu einer Blickfelderweiterung und Erneuerung der Ideen. Die Begegnung in Peking anfangs der 80er Jahre von Günter Grass mit chinesischen Germanisten, Gespräche mit Hans Mayer brachten die Möglichkeit, sich mit neuen Literaturtheorien und der Ästhetik der Rezeption auseinanderzusetzen. Sie waren für die chinesischen Germanisten von größter Bedeutung, denn sie erhielten durch diese neuen Perspektiven Zugang zu den großen europäischen Autoren des XX. Jahrhunderts. Einzelne Initiativen konnten Wunder bewirken, wie die Hilfe einer Bibliothekarin aus Tübingen bei der Materialrecherche zu Kafka (Prof. Ye Tingfang ist der Übersetzer Kafkas, 1994 waren sämtliche Werke Kafkas ins Chinesische übersetzt.) Ein weiteres Beispiel ist ein Verlag in der Schweiz. Er ermöglichte einen viermonatigen Aufenthalt in der Schweiz und durch größere Buchschenkungen Zugang zu Texten in deutscher Sprache. Dieser Aufbau von Kommunikationsstrukturen ist in den außereuropäischen Ländern überaus wichtig, um sich intensiv mit der europäischen Literatur auseinandersetzen zu können. Die Geisteswissenschaftler Chinas, die mit vielen materiellen Problemen konfrontiert sind (die Primärtexte in deutscher Sprache - unabdingbar für eine fundierte Quellenforschung - fehlen), brauchen dringend eine breite Möglichkeit der Kooperation mit Europa in Form von Begegnungen, Teilnahme an Kolloquien, Forschungsaufenthalten, Zugang zu den Bibliotheken. Dabei kann erst eine Plattform für einen gerechten demokratischen und fruchtbaren Austausch entstehen. Diese neu zu schaffenden Strukturen sollten uns europäische Geisteswissenschaftler bewegen, uns stärker gesellschaftlich und politische dafür zu engagieren.

Nach diesen, ganz konkret erlebten Beispielen war eine theoretische Annäherung an den Begriff "Wissenschaftskommunikation" sehr konstruktiv. In einem Doppelreferat von Elke Schönberger und Reinhold Schrappeneder, das sich zuerst mit dem sehr strapazierten Terminus "Kommunikation" auseinandersetzte, stand der Homo communicans im Vordergrund. Ausgehend von verschiedenen Kommunikationsebenen (innerhalb der Wissenschaft selbst, zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit und im öffentlichen gesellschaftlichen-politischen Diskurs) stellt sich die Frage, wie kommt man zu einer offenen, transparenten, verständlichen Kommunikation. Wie kann die Wissenschaft, die hoch spezialisierte Technologie mit eingegrenzter Kommunikationssprache sich dem Laien verständlich machen?

Die Science Fiction Literatur beschreibt zwar vielseitige Entwicklungsformen der Zukunft, ist aber keine wissenschaftliche Fachliteratur. Wäre die neue Gattung "Science Faction", eine Mischung von Science Fiction und Sachliteratur, nicht die Form, die es ermöglichen würde, den Zugang zu den neuen Entwicklungen der Wissenschaften der Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen? Das erste Buch der Science Faction liegt nun vor: "To beam or not to beam" (Anlehnung an die Serie "Raumschiff Entreprise - Star Trek": "Beam" bedeutet eine Raumüberschreitung ohne Zeitverlust). Das Buch beinhaltet Texte von verschiedenen Wissenschaftlern, die aus den Bereichen Chemie, Physik, Astronomie, Mathematik, Zukunftsforschung, Chaosforschung, Politische Wissenschaft, Betriebswirtschaft usw. kommen und ausgehend von einem Kurzinformationsblatt die Entwicklungsmöglichkeiten des Beamens aus ihrer wissenschaftlichen Sicht erläutern. Dieser imaginäre Untersuchungsgegenstand, wissenschaftlich behandelt, schafft einen Raum, in dem Wissenschaftler verschiedener Disziplinen sich ernst und spielerisch zugleich finden und kommunizieren können.

Hierbei hat sich gezeigt, wie diese unterschiedlichen Wissenschaftler bei der Behandlung imaginärer technologischer Probleme schnell auf lebensbedrohende Fragen gestoßen sind (Gentechnik, Überwachungsgesellschaft, Klonen). Die Erkenntnisse, gewonnen durch das geistige Spiel mit zukünftiger Technologie, sollten Geisteswissenschafter dazu anregen, ein geistiges Klima zu schaffen, im dem der Einzelne für die Risiken manipulierter Techniken sensibilisiert wird. Der demokratische Zugang zu diesem Wissen muß allen gewährleistet sein. Damit wurde sowohl theoretisch als auch spielerisch der dynamische Charakter der Kommunikation gezeigt. Die Science Faction bietet die Möglichkeit, auf dem Umweg über die Analyse möglicher künftiger Entwicklungen nicht nur ein grelles Schlaglicht auf die Probleme der gegenwärtigen Gesellschaft zu werfen, sondern sich auch durchaus analytisch-fundamental damit auseinanderzusetzen.

Der nächste Beitrag, der nicht im Programm stand, war von Frau Dr. Silvia Tschörner und hieß "Methodologische Probleme bei der Abfassung einer interdisziplinären Disseration: ein Erfahrungsbericht". Dieser Beitrag fügte sich wie ein schöner Mosaikstein in die vorhergehenden Reflexionen ein. Es wurden naturwissenschaftlich inspirierte Texte von Primo Levi untersucht. Haupterkenntnis der Auseinandersetzung mit diesen Schriften Primo Levis war, daß er in der Kommunikation von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft die Möglichkeit sah, dem Menschen in dem Labyrinth der Wirklichkeit durch gezielten Einsatz der Ratio zu helfen. Nur in der Erkenntnis, daß er Mensch in seinem Wesen tierisches Erbgut besitzt, kann er dagegen ansteuern und Katastrophen vermeiden. Die Analyse dieser Schriften, die sich zwischen Literatur- und Naturwissenschaft bewegen, verlangte, da sie fachübergreifend waren, eine neue Methodik. Schwierig erwies sich die Gliederung der verschiedenen wissenschaftlichen und philosophischen Themen. Dem Nebeneinander von Theorien in Levis Werk, die widersprüchlich sind, und die Fülle von simultan koexistierenden Wirklichkeiten führten zu der Frage: wie soll ein solches heteroklitisches Material in eine Arbeit integriert werden? Die Lösung wurde durch 3 verschiedene Perspektiven erarbeitet (Theorie über den Ursprung, tierisches und menschliches Verhalten, Schichtenaufbau der realen Welt). Diese Auseinandersetzung mit den Texten Levis brachte die Erkenntnis, daß eine Kommunikation zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft auch auf einer Ebene möglich ist.

Zum Schluß sei gesagt, daß unsere Sektion selbst während der Zusammenfassung viele Kommunikationsformen nochmals durchgeprobt hat. Bessere homines communicantes wären nicht zu wünschen gewesen.

Auffallend ist, daß für uns die neuen Medien eine große Rolle im Austausch von Informationen spielen werden. Kommunikation ist überaus wichtig, nicht nur im Kreis der Wissenschaften, sondern sie soll auch unsere neue gewonnenen Erkenntnisse einer immer größeren Zahl von Menschen zugänglich gemacht werden, um diesen geistigen Raum zu schaffen, der es uns ermöglichen soll, die Herausforderungen, die auf uns zukommen, besser zu bewältigen. Wir waren uns einig, daß gerade solche Konferenzen die Kommunikation zwischen verschiedenen Disziplinen und Kulturkreisen intensivieren und verbessern helfen.

Ausblick

Die Kommunikationswissenschaft in unserer immer mehr vernetzten und technisierten Welt erwartet von allen Wissenschaften ein Umdenken. Die neuen Möglichkeiten verlangen auch von der Geisteswissenschaft vollen Einsatz. Dafür sind Begegnungen und der Austausch von Ideen wichtiger denn je. Es ist ein Appell an die Politik, dies weiterhin zu unterstützen.

(Bericht: Annette Daigger)


Bericht der Sektion VIII: Nationen, Sprachen, Kunst

In unserer Sektion ging es darum, die Beziehung zwischen den Begriffen Sprache, Nation und Identität zu problematisieren, und zu untersuchen, wie diese Beziehung in der Kunst verarbeitet wird und einen Niederschlag findet.

Wir hatten Referate, die sich mit den allgemeinen Problemen, die diese Beziehung implizieren sowie solche, die sich mit Strategien ihrer Bewältigung befaßten. (Das Impulsreferat von Simo mit dem Titel: Monolingualität, Plurilingualität, Identität", aber auch ein Teil des Gemeinschaftsreferates "WIR NEU. Zur Konstruktion kollektiver Identitäten in öffentlichen Texten").

Weiters wurden Fallstudien, die sich mit der Konstruktion von Identitäten in der Geschichte, in der Literatur, in der Sprache und im Sprachunterricht befaßten, vorgestellt. So hat Gerd K. Schneider die Probleme der Rezeption der Szenenfolge "Reigen" von Schnitzler in Europa und den Vereinigten Staaten behandelt. Peter Kottler hat seinerseits den Einfluß des österreichischen Deutschs auf die deutsche Standardsprache in Rumänien untersucht. In ihrem Referat haben Klaus Sondermann, Maria Kargl und Karin Libart gezeigt, wie heute eine neue österreichische Identität durch die Diskussion über den Neutralitätsstatus und die Möglichkeit des Beitritts zur Nato konstruiert wird. Der Beitrag von Andreas Herzog hat am Beispiel der Juden Identitätskonstruktion mit universalistischen Ansprüchen kombinieren lassen. Andras Balogh hat einige Modelle des individuellen und kollektiven Selbstverständisses im Karpathenbecken im 19. Jahrhundert aufgezeigt. In ihrem Beitrag zeigte Eszter Propszt wie Deutsche heute in Ungarn durch die Literatur eine Identität zu bewahren versuchen. Schließlich entwirft Ioan Lazarescu ein landeskundliches Unterrichtsmodell, das einerseits der Tatsache Rechnung trägt, daß Deutsch nicht nur in Deutschland gesprochen wird und andererseits Pluralität des Erscheinungsbildes Deutschlands deutlich zeigt.

Nach langer Diskussion haben die Teilnehmer beschlossen, folgende Erkenntnisse festzuhalten:

(Bericht: Simo)


Bericht der Sektion IX: Außensicht - Innensicht

Leitung: Knut Ove Arntzen, Ulf Birbaumer

11 gehaltene Referate, 2 (unentschuldigte) Ausfälle

1. Generelle Bemerkungen

Ein erster Blick auf das Tagungsprogramm ließ vorerst wenig Hoffnung auf eine schlüssige Synthese aufkommen; zu miszellenhaft-bunt erschien das Angebot bei AUSSENSICHT/INNENSICHT. Dieses von einiger Skepsis bestimmte Vorurteil läßt sich auf recht glückliche Art falsifizieren. Den Teilnehmern gelang es dank hoher Fachkompetenz und Diskursfähigkeit hervorragend, in der Präsentation wie in der Diskussion, die kulturellen, methodischen und disziplinären Diversitäten so schlüssig wie innovativ zusammenzudenken. Resultat: keine Sektion der Spezialisten, sondern der Generalisten. Gegen kulturelle Clichés und wissenschaftlichen Traditionalismus, für übergreifende Ansätze zur Erforschung dessen, was man "kulturelle Kommunikation" nennen könnte:

* neue Perspektiven durch Einbeziehung geokultureller Dimensionen nicht-affirmativer Devianzforschung (Arntzen)
* übergreifende, interaktive Kommunikationsmodelle als gleichwertige Alternative zu traditionellen Fragestellungen (
Birbaumer). Hier ergab sich insgesamt ein direkter Anknüpfungspunkt an die Plenarreferate von Methlagl (Pan erwache! - kolorierter Gletscher hinter feixenden "Schürzenjägern") und Bhatti (kulturelle Diversitäten). Allesamt wissenschaftliche Ansätze, die, frei nach Benjamin, unbrauchbar sind für Faschismus.

2. Zur Struktur

Es ergaben sich grossomodo drei Arbeitsbereiche.

2.1 Wissenschaftstheoretische und methodologische Beiträge
Jochum versuchte auf der Basis von Michel Serres ein Dekonstruktionsmodell zu entwickeln als Strategie gegen Komplexitätsprimat und Objektivitätsalleinanspruch gewisser wissenschaftlicher Disziplinen - ein problemwissenschaftlicher Ansatz somit (konstruktiver Labyrinthismus).

Arntzens deviante Kulturtektonik (Landschaften im weitesten Sinne verschieben sich) in der neuen mediatischen Situation verknüpft sich effizient mit Krones’ und Birbaumers fachüberschreitenden Methodologien zu den Bereichen Musik / Sprache / Theater / (technische) Medien: Kulturwissenschaft als argumentierende Wissenschaft (mögliche Anwendung bzw. Verifizierung am jeweiligen Forschungsproblem war aus Zeitgründen nur teilweise demonstrierbar).

2.2
Dies wäre der Bereich der interpretativen Arbeiten, die nur beim ersten Hinhören einer textimmanenten Interpretationsmethode zuzurechnen sind. Bei genauerer Betrachtung dominieren Interferentiabilität, Interkulturalität und andere neue methodisch Blickwinkel wie der feministische Ansatz von Nancy Erikson: Weibliches Schreiben in Österreich (écriture féminine - J.Kristeva, H.Cixous). Im Beitrag von Blumenkrantz erscheint Kafka als "Reisender ohne Gepäck" (Kathleen Thorpe), bei
Rios spielt der brasilianische Autor des 19.Jhts. de Assis ironisch mit den abgenützten Versatzstücken europäischer Kultur: Bibel, Allegorien, Moralitäten, barocke Ornamentik. Interferenz wird deutlich in der Darstellung der polnisch-österreichischen Theaterbeziehungen (Milanowski) und der rumänisch-österreichischen Literaturbeziehungen (M. Lazarescu), die sich überraschend intensiv ohne Hiatus ins Nachkriegseuropa hinein fortsetzen (jüngste Österreich-Nummer der rumän. Zeitschrift "XX. Jahrhundert"). In beiden Fällen greifen komparatistische sowie genreübergreifende interaktive bzw. interdependente Kommunikationsmodelle.

2.3 Zum Sprach- und Literaturunterricht
Nur scheinbar deviant innerhalb der Sektion: Kathleen Thorpes und Margarete Lambs Probleme (und ihre stringente Darstellung) mit deutschem (österreichischen) Sprach- und Literaturunterricht in anglophonen Ländern wie USA, Südafrika, Australien. Im Vergleich zu Osteuropa: dort gehen die Lehrer ab, hier werden bald die Studenten fehlen, wenn nicht außenkulturpolitisch, inhaltlich wie budgetär (Austeritypolitik),dem systematischen Austrocknen im kulturellen und kulturwissenschaftlichen Bereich begegnet wird. So gelangen die genannten Fallstudien zu übergreifender Bedeutung. Ein Hilfeschrei der Autorinnen, der von ihnen in die Schlußresolution hineingemahnt wird.

(Ausführung: Ulf Birbaumer; in Absprache mit Knut Ove Arntzen)

 

Resolution (Deutsch, Englisch, Französisch)

 

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